Kamelot - The Black Halo

Kamelot - The Black Halo
Symphonic Power Metal
erschienen in 2005 bei Steamhammer
dauert 57:16 min
Bloodchamber-Wertung:

Tracklist

1. March of Mephisto
2. When the Lights are down
3. The Haunting (Somewhere in Time)
4. Soul Society
5. Interlude I: Dei Gratia
6. Abandoned
7. This Pain
8. Moonlight
9. Interlude II: Un Assassino molto silenzioso
10. The Black Halo
11. Nothing ever dies
12. Memento Mori
13. Interlude III: Midnight
14. Serenade

Die Bloodchamber meint:

„The Black Halo“ ist das mittlerweile achte Werk der ungewöhnlichen Powermetaller von Kamelot und überdies die Fortsetzung des 2003 erschienen „Epica“. Da jene Scheibe sich mit Goethes „Faust“ beschäftigte, ist es an der Zeit, den zweiten Teil dieser Dichtung in Angriff zu nehmen – ich bin jedenfalls gespannt wie ein Flitzebogen...

Den Auftakt bildet nach kurzem Streicherintro „March of Mephisto“, ein dem Namen entsprechend stampfender Midtempokracher, der schon einmal viele Trademarks der Scheibe vorweg nimmt und zudem mit Shagrath eine erstklassige Besetzung des Mephisto vorweisen kann.
Der Song orientiert sich stark an den Lyrics und so wird der unentschlossene Faust von Mephisto zunächst brachial-metallisch bedrängt, bevor es das Teufelchen etwas einschmeichelnder versucht, was in einer leicht progressiven Denkpause resultiert. Am Ende erweist sich Mephistos Doppelstrategie dann als erfolgreich und das erneute Aufgreifen des Brachialparts erinnert nunmehr deutlich an einen Triumphmarsch.
Auffällig ist die Leichtigkeit, mit welcher Kamelot ihren ziemlich amerikanischen Powermetal zu bereichern wissen: Neben wahlweise bombastischer oder angemessen zurückhaltender Orchesterbegleitung glänzt hier vor allem die synthetische Fraktion mit recht modernen Sounds, die sich erstaunlicherweise perfekt in das Grundgerüst einfügen.
Den Stil der Orchesterarbeit könnte man dabei zeitweise mit dem letzten Werk von Dimmu Borgir vergleichen, auch wenn dort natürlich ein anderes Fundament vorhanden ist und Kamelot dem ganzen mehr Raum gewähren.
Das folgende „When the lights are down“ spiegelt den entfachten Schöpfergeist (oder -wahn?) des Doktors wider: hymnisches Uptempo inklusive Doublebass und gelungener Breaks, differenzierte Gitarrenarbeit, klassische Begleitung aus dem Streicherlager, dazu ein Hammerrefrain (der als Gitarrenlead bereits am Anfang zu Gehör kommt) - das Keysolo des Stratovarius-Klimperers verkommt auf dieser auditiven Droge folglich fast zur Makulatur.
„Somewhere in Time“ beginnt anschliessend mit elektronischen Spielereien und sparsamer Bassdrum, entwickelt sich jedoch schnell zu einer Halbballade mit Ewigkeitsanspruch. Was mich neben der songwriterischen Finesse (erneuter Widerhakenchorus) schwer begeistert, ist die einfühlsame Art und Weise, mit welcher die Lyrics vom Sangesduo umgesetzt werden: Männlich-weiblicher Wechselgesang beleuchtet die Schlaglichter einer Beziehung, die von vorneherein dazu verdammt ist, nur schwacher Abglanz einstigen Begehrens zu sein - „nothing can bring her to life, don't pretend that I'll be loving you...“
Mit dem ausdrucksstarken und wandelbaren Norweger Roy Khan haben Kamelot jedenfalls definitiv eine grosse Stimmen in ihren Reihen, was nicht zuletzt an dessen Vergangenheit im progressiven Lager liegen könnte.
Rhythmisch-schwebendes Riffing und elegische Streicher charakterisieren „Soul Society“. Neben dem unerwartet einschmeichelnden Chorus fällt vor allem das Maiden-artige Lead auf, welches vom Orchester wunderbar kontrastiert wird – ein mehr als würdiger Abschluss des ersten Drittels also.

Nach dem kurzen Zwischenspiel „Dei Gratia“ gibt es mit „Abandoned“ dann die Ballade auf „The Black Halo“ und es ist erneut Mister Khan, der diesen Song mit seiner Stimme zum Übersong befördert. Keine Spur Schmalz, dafür eine Menge Gefühl sowie fast greifbare Verzweiflung ziehen sich durch den sparsam orchestrierten Pianotrack, der nur gegen Ende etwas lauter wird.
Das recht modern anmutende „This Pain“ ist dann der erste Song, der das unglaublich hohe Niveau der bisherigen Scheibe nicht ganz halten kann. Das liegt zum einen am etwas farblosen Chorus, zum zweiten auch an den leicht abfallenden Lyrics – hier fehlt Khan einfach der Platz zum Entfalten seiner Qualitäten.
Wie es besser geht, zeigt direkt im Anschluss dann „Moonlight“: Ebenfalls stark rhythmuslastig, hat man hier allerdings auch an die Gesangslinien gedacht und hält das Stück mittels Breaks und leicht progressiven Einschüben zudem durchweg interessant. Die Keyboardabteilung punktet erneut mit elektronisch anmutenden Sounds, was Kamelot's musikalisches Schaffen in meinen Augen sehr eigenständig macht – nicht einfach, wenn man die Besetzungsdichte dieses Genres in Betracht zieht.

Das an italienische Strassen bei Nacht erinnernde Interludium „Un Assassino molto silenzioso“ leitet nach etwa einer Minute über zum Titelstück und damit einem erneuten Hammer. Kraftvolle Gitarren, treibendes Schlagwerk und interessante Rhythmik verleihen dem Song eine bedrohliche, gehetzte Atmosphäre, die durch vergleichsweise sparsame Sinfonik perfekt abgerundet wird. Im Chorus (der, wie die Strophe, erneut vom Feinsten ist) setzt schliesslich ein Chor die letzten Akzente. Grosses, düsteres Kino...
„Nothing ever dies“ greift die Strategie des Vorgängers in Teilen auf: ein klassischer, gitarrenorientierter Powermetaltrack, der durch Orchester und Keyboardeffekte noch enorm an Tiefe gewinnt. In gewisser Hinsicht problematisch ist einzig das etwa mittig gesetzte Break, da die fraglos hervorragenden Musiker hier den Song etwas zu zerreissen scheinen. Trotz des erneuten Ohrwurmrefrains zählt „Nothing...“ daher zu den Songs, die erst nach mehreren Durchläufen ihr ganzes Potenzial entfalten.
Aber keine Bange: Da diese Platte wohl ziemlich weit vorn im Regal landen und dort auch verweilen wird, fällt dieser Punkt weniger ins Gewicht...
Mit „Memento Mori“ folgt dann gewissermassen das 'Best of' der Scheibe, denn hier wird in fast 9 Minuten alles zelebriert, was Kamelot zu bieten haben. Längenbedingt wird es nach balladeskem Auftakt hier und da etwas progressiver, ohne jedoch in Instrumentalgewichse abzugleiten – ein wahrhaft grosses Stück, welches aufgrund seines Detailreichtums gerade unter dem Kopfhörer für Stunden zu fesseln weiss. Kein Wunder daher, dass auch alle vertretenen (Gast-)Sänger noch einmal alles geben.

Den Schlusspunkt des von Sascha Paeth und Miro produzierten Werkes besorgt dann das vielseitige „Serenade“, wobei mir vom musikalischen Standpunkt nicht ganz klar ist, warum man noch ein weiteres (zudem reizarmes) Instrumental dazwischen schieben musste. Lyrisch macht das allerdings Sinn, da der Song als Moral der Geschichte und Zusammenfassung fungiert – also sei's drum.

Kamelot haben hier ein in jeder Hinsicht beeindruckendes Werk abgeliefert: Von der gebotenen Musik über die Gestaltung des Booklets bis hin zur kraftvoll-transparenten Produktion stimmt einfach alles, was „The Black Halo“ zu einem Pflichtkauf für Freunde des düsteren Symphonic-Metals macht. Falls ihr Savatage, Iced Earth oder Moonlight Agony etwas abgewinnen könnt und die Detailverliebtheit von Blind Guardian und Dream Theater verehrt, solltet ihr diesem Stück Musik eine Chance geben – für mich in diesem Genre seit zwei Monaten die Scheibe des Jahres.
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