Paganfest 2008: Ensiferum Korpiklaani Moonsorrow Eluveitie Tyr Gernotshagen
Paganfest 2008: Ensiferum, Korpiklaani, Moonsorrow, Eluveitie, Tyr, Gernotshagen
Leipzig, Hellraiser
18.04.2008
18.04.2008
Reichlich Kitsch und Alkohol – mit diesen Worten könnte man das selbsternannte „keltische Metalspektakel des Jahres“ im Extremfall zusammenfassen. Der in Stefans Ragnarök-Bericht nur sporadisch beklagte Abfall ins Gedudel wird hier endgültig zur Kunstform erhoben, kultureller Hintergrund erschöpft sich im Tragen von Trinkhörnern und etwas Ledertand vom Mittelaltermarkt, potenzielle Kelten sind bis auf ELUVEITIE (und vielleicht GERNOTSHAGEN) ohnehin nicht anwesend. Es sei denn, MOONSORROW, KORPIKLAANI und ENSIFERUM vertreten eine noch unentdeckte Splittergruppe dieses Kulturverbundes, die sich einst ins Land der tausend Seen aufmachte – da wird dem ein oder anderen Samen allerdings die Axt im Beutel stumpf werden.
Egal. Derlei Ballast kann heute im ausverkauften Hellraiser ohnehin niemanden daran hindern, das metaphorische Fass zu öffnen und so feiert ein bunt gemischtes Publikum eher jüngeren Zuschnitts mit ganzer Kraft die neuen Helden alter Zeiten. School's out for Paganfest, sozusagen...
Den Auftakt des Abends besorgen GERNOTSHAGEN, die sich in den letzten Monaten recht solide nach vorn kämpften und mittlerweile fester Bestandteil des gut sortierten Paganladens sein dürften. Entsprechend positiv fallen die Resonanzen auf den keyboardschwangeren Cocktail aus treibenden Riffs und gehörig rauhem Gesang aus: Das Publikum steht bereits dicht gedrängt, Bewegungsdrang und die Beifallsbekundungen sind für einen Opener ungewohnt heftig, und so kann man der solide aufspielenden Gruppe wohl zu einem gelungenen Konzert gratulieren.
Dass sie sich stilistisch ein wenig vom anstehenden Rummelplatz abheben, sei hier nur am Rande erwähnt, macht GERNOTSHAGEN allerdings in meinen Augen zu einem der besseren Momente des Abends.
Ebenfalls anders klingen anschließend TYR: Die Musik der Färinger lebt vom Kontrast zwischen folkloristischen Elementen und bisweilen recht holprigen Riffs, was durch die Einbindung ungewohnter Rhythmik noch verstärkt wird. Dementsprechend widerspenstig zeigen sich die Songs: Kompositorischer Fluss ist Mangelware, die ziellos eingeworfenen Soli wirken oftmals deplatziert und jeder gelungene Moment muss sich scheinbar mit fünf mittelmäßigen erkauft werden. Das reicht nicht zum ausgelassenen Schunkeln, also verfällt das Publikum zunächst in gepflegtes Kopfnicken, bis diverse Spielchen („...könnt ihr mir zeigen, wie laut ihr seid?“) und Faustreckorgien schließlich doch den gewünschten Erfolg zeitigen und für einen halbwegs gelungenen Abschluss sorgen.
Derartige Aufmerksamkeitsprobleme haben die nun folgenden ELUVEITIE nicht im geringsten: Die haarreichen Schweizer werden nach dem halbstündigen Soundcheck begeistert empfangen und zeigen bei bester Laune und kraftvollem Sound, dass sie am heutigen Abend eine der größeren Nummern sind. Live hat das seltsame Gemisch aus reichlich SUBWAY TO SALLY und SOULFLY-Hüpfappeal bei allem Elan nur einen Fehler: Es erklingen Gesänge, wenn niemand singt, Instrumente, wenn niemand spielt, und sollten die Eidgenossen nicht zufällig Mitglieder der Weltbauchrednervereinigung sein, ist das eine ziemlich unschöne Geschichte.
Oder auch nicht. Da die Geige trotzdem die vertrauten Weisen fiedelt, das Bier noch immer nicht alle ist, und die zwei Brüder auf der Bühne allerhand lustige Possen reißen (keltische Purzelbäume, keltisches Flötenduell, etc.), gibt sich die Menge nur allzu befreit dem Tanze hin – Maul abwischen, weiter schlucken, ein dreifaches Hoch der Authentizität!
Besserung naht in Form von MOONSORROW, deren dunkle Epen nur bedingt zum Konzept der Tour passen wollen. Die Finnen würzen ihren Set folglich mit grandios fließenden Perlen wie „Sankarihauta“, „Kivenkantaja“ oder „Kylän Pääsä“, die der nach Tanzbarem verlangenden Zuhörerschar allerdings nur verhaltene Reaktionen entringen können.
Erst mit einem kürzeren Song, der als „Hymne des Paganfestes“ angekündigt wird, stellt man den Draht zum Publikum her – ironischerweise ist dieses Stück exakt in der folkloreschlagernden Saufliedschablone beheimatet, die man von MOONSORROW eigentlich nicht kennt und die ich für meinen Teil auch gern verpasst hätte. Insgesamt jedoch ein zwar leicht steifer, aber durchaus angenehmer Auftritt der in jüngster Zeit etwas gebeutelten Finnen.
„Beer Beer“, „Wooden Pints“, „Happy Little Boozer“ - KORPIKLAANI wissen worauf es ankommt und bieten im Verlauf ihrer frenetisch bejubelten Show genau den richtigen Soundtrack dazu. Es gibt überwiegend schnelle, kurze Stücke aller Alben, stets mit eingängigen Violinen- und Akkordeonklängen unterlegt, stets tanzbar und natürlich durchweg extrem mitsingkompatibel. Ruhigere Zwischentöne (O-ton: „Aber man kann nicht immer nur feiern...“) sickern nur vereinzelt durch dieses Stahlbad des Vergnügens, bieten dann aber eine willkommene Abwechslung in Form instrumentaler Intermezzi – bevor der „Hunting Song“ die atemlose Meute schließlich unbeirrbar weitertreibt.
Atmosphärisch auf jeden Fall ein grandioser Siegeszug der Band, die den Geist des Paganfestes wohl am unverfälschtesten einfängt – und mit einer kleinen IRON MAIDEN-Remineszenz den Pegel nochmals nach oben treibt.
ENSIFERUM haben mit dem derart aufgeheizten Publikum anschließend keine Probleme, da ein Best Of der zehnjährigen Geschichte quasi zum Erfolg verdammt sein muss: „Lai Lai Hei“, “Tale Of Revenge“ und das weiträumig mitgesungene „Ahti“ sind folglich nur Schlaglichter einer professionell dargebotenen Show, der mittlerweile allerdings ein wenig die Frische zu fehlen scheint. Wie die anderen Bands wirken auch die skandinavischen Krieger bisweilen wie auf der Durchreise zum Arbeitsbesuch, was auf der einen Seite natürlich verständlich ist (die Gigs des Paganfestes liegen durchweg an aufeinanderfolgenden Abenden), auf der anderen Seite das meinerseits ohnehin vorhandene Fastfood-Gefühl intensiviert, welches man sich auf Konzerten eigentlich ungern antut.
Nichtsdestotrotz entlassen die Finnen ihre Fans gegen 1.45 Uhr freudestrahlend in die Nacht – das Heidentum ist tot aber glücklich.
Nach diesem reichlich subjektiven Erfahrungsbericht lässt sich mein persönliches Fazit in gewisser Weise erahnen: Das Paganfest 2008 riecht in vielen Bereichen einfach zu sehr nach Label-Reißbrett – sei es in der Preisgestaltung für Merchandising, sei es hinsichtlich des überaus straffen Zeitplans, der keine Zugaben duldet – als dass man es im herkömmlichen Sinne als angenehm unterhaltenden oder gar mitreißenden Abend bezeichnen könnte. Stattdessen kommen mir Begriffe wie Hektik, Hatz und Heidenevent in den Sinn, während sich ein Großteil des Publikums schnellstmöglich auf Feierabend- und/oder Spaßtemperatur trinkt.
Seltsamerweise scheinen sich die Anwesenden mit dieser Situation jedoch bestens zu arrangieren, da man ja am Ende sechs Bands genehmer Ausrichtung für vergleichsweise wenig Geld geboten bekomme, die Quote also stimme. Fraglich ist nur, inwiefern diese Kosten-Nutzen-Mentalität zu einer bewussten Auseinandersetzung mit Musik und Musikern führt – und ob man von drei engagierten Bands letztendlich nicht viel mehr mitnimmt als vom thematisch mühsam verknüpften Schnelldurchlauf durch die metallische Lederhosenkultur.
www.paganfest.net
Egal. Derlei Ballast kann heute im ausverkauften Hellraiser ohnehin niemanden daran hindern, das metaphorische Fass zu öffnen und so feiert ein bunt gemischtes Publikum eher jüngeren Zuschnitts mit ganzer Kraft die neuen Helden alter Zeiten. School's out for Paganfest, sozusagen...
Den Auftakt des Abends besorgen GERNOTSHAGEN, die sich in den letzten Monaten recht solide nach vorn kämpften und mittlerweile fester Bestandteil des gut sortierten Paganladens sein dürften. Entsprechend positiv fallen die Resonanzen auf den keyboardschwangeren Cocktail aus treibenden Riffs und gehörig rauhem Gesang aus: Das Publikum steht bereits dicht gedrängt, Bewegungsdrang und die Beifallsbekundungen sind für einen Opener ungewohnt heftig, und so kann man der solide aufspielenden Gruppe wohl zu einem gelungenen Konzert gratulieren.
Dass sie sich stilistisch ein wenig vom anstehenden Rummelplatz abheben, sei hier nur am Rande erwähnt, macht GERNOTSHAGEN allerdings in meinen Augen zu einem der besseren Momente des Abends.
Ebenfalls anders klingen anschließend TYR: Die Musik der Färinger lebt vom Kontrast zwischen folkloristischen Elementen und bisweilen recht holprigen Riffs, was durch die Einbindung ungewohnter Rhythmik noch verstärkt wird. Dementsprechend widerspenstig zeigen sich die Songs: Kompositorischer Fluss ist Mangelware, die ziellos eingeworfenen Soli wirken oftmals deplatziert und jeder gelungene Moment muss sich scheinbar mit fünf mittelmäßigen erkauft werden. Das reicht nicht zum ausgelassenen Schunkeln, also verfällt das Publikum zunächst in gepflegtes Kopfnicken, bis diverse Spielchen („...könnt ihr mir zeigen, wie laut ihr seid?“) und Faustreckorgien schließlich doch den gewünschten Erfolg zeitigen und für einen halbwegs gelungenen Abschluss sorgen.
Derartige Aufmerksamkeitsprobleme haben die nun folgenden ELUVEITIE nicht im geringsten: Die haarreichen Schweizer werden nach dem halbstündigen Soundcheck begeistert empfangen und zeigen bei bester Laune und kraftvollem Sound, dass sie am heutigen Abend eine der größeren Nummern sind. Live hat das seltsame Gemisch aus reichlich SUBWAY TO SALLY und SOULFLY-Hüpfappeal bei allem Elan nur einen Fehler: Es erklingen Gesänge, wenn niemand singt, Instrumente, wenn niemand spielt, und sollten die Eidgenossen nicht zufällig Mitglieder der Weltbauchrednervereinigung sein, ist das eine ziemlich unschöne Geschichte.
Oder auch nicht. Da die Geige trotzdem die vertrauten Weisen fiedelt, das Bier noch immer nicht alle ist, und die zwei Brüder auf der Bühne allerhand lustige Possen reißen (keltische Purzelbäume, keltisches Flötenduell, etc.), gibt sich die Menge nur allzu befreit dem Tanze hin – Maul abwischen, weiter schlucken, ein dreifaches Hoch der Authentizität!
Besserung naht in Form von MOONSORROW, deren dunkle Epen nur bedingt zum Konzept der Tour passen wollen. Die Finnen würzen ihren Set folglich mit grandios fließenden Perlen wie „Sankarihauta“, „Kivenkantaja“ oder „Kylän Pääsä“, die der nach Tanzbarem verlangenden Zuhörerschar allerdings nur verhaltene Reaktionen entringen können.
Erst mit einem kürzeren Song, der als „Hymne des Paganfestes“ angekündigt wird, stellt man den Draht zum Publikum her – ironischerweise ist dieses Stück exakt in der folkloreschlagernden Saufliedschablone beheimatet, die man von MOONSORROW eigentlich nicht kennt und die ich für meinen Teil auch gern verpasst hätte. Insgesamt jedoch ein zwar leicht steifer, aber durchaus angenehmer Auftritt der in jüngster Zeit etwas gebeutelten Finnen.
„Beer Beer“, „Wooden Pints“, „Happy Little Boozer“ - KORPIKLAANI wissen worauf es ankommt und bieten im Verlauf ihrer frenetisch bejubelten Show genau den richtigen Soundtrack dazu. Es gibt überwiegend schnelle, kurze Stücke aller Alben, stets mit eingängigen Violinen- und Akkordeonklängen unterlegt, stets tanzbar und natürlich durchweg extrem mitsingkompatibel. Ruhigere Zwischentöne (O-ton: „Aber man kann nicht immer nur feiern...“) sickern nur vereinzelt durch dieses Stahlbad des Vergnügens, bieten dann aber eine willkommene Abwechslung in Form instrumentaler Intermezzi – bevor der „Hunting Song“ die atemlose Meute schließlich unbeirrbar weitertreibt.
Atmosphärisch auf jeden Fall ein grandioser Siegeszug der Band, die den Geist des Paganfestes wohl am unverfälschtesten einfängt – und mit einer kleinen IRON MAIDEN-Remineszenz den Pegel nochmals nach oben treibt.
ENSIFERUM haben mit dem derart aufgeheizten Publikum anschließend keine Probleme, da ein Best Of der zehnjährigen Geschichte quasi zum Erfolg verdammt sein muss: „Lai Lai Hei“, “Tale Of Revenge“ und das weiträumig mitgesungene „Ahti“ sind folglich nur Schlaglichter einer professionell dargebotenen Show, der mittlerweile allerdings ein wenig die Frische zu fehlen scheint. Wie die anderen Bands wirken auch die skandinavischen Krieger bisweilen wie auf der Durchreise zum Arbeitsbesuch, was auf der einen Seite natürlich verständlich ist (die Gigs des Paganfestes liegen durchweg an aufeinanderfolgenden Abenden), auf der anderen Seite das meinerseits ohnehin vorhandene Fastfood-Gefühl intensiviert, welches man sich auf Konzerten eigentlich ungern antut.
Nichtsdestotrotz entlassen die Finnen ihre Fans gegen 1.45 Uhr freudestrahlend in die Nacht – das Heidentum ist tot aber glücklich.
Nach diesem reichlich subjektiven Erfahrungsbericht lässt sich mein persönliches Fazit in gewisser Weise erahnen: Das Paganfest 2008 riecht in vielen Bereichen einfach zu sehr nach Label-Reißbrett – sei es in der Preisgestaltung für Merchandising, sei es hinsichtlich des überaus straffen Zeitplans, der keine Zugaben duldet – als dass man es im herkömmlichen Sinne als angenehm unterhaltenden oder gar mitreißenden Abend bezeichnen könnte. Stattdessen kommen mir Begriffe wie Hektik, Hatz und Heidenevent in den Sinn, während sich ein Großteil des Publikums schnellstmöglich auf Feierabend- und/oder Spaßtemperatur trinkt.
Seltsamerweise scheinen sich die Anwesenden mit dieser Situation jedoch bestens zu arrangieren, da man ja am Ende sechs Bands genehmer Ausrichtung für vergleichsweise wenig Geld geboten bekomme, die Quote also stimme. Fraglich ist nur, inwiefern diese Kosten-Nutzen-Mentalität zu einer bewussten Auseinandersetzung mit Musik und Musikern führt – und ob man von drei engagierten Bands letztendlich nicht viel mehr mitnimmt als vom thematisch mühsam verknüpften Schnelldurchlauf durch die metallische Lederhosenkultur.
www.paganfest.net