BlessTheFall Bury Tomorrow Marionette

BlessTheFall, Bury Tomorrow, Marionette

BlessTheFallBury TomorrowMarionette
Köln, MTC
11.12.2009
Wenn man nicht genau weiß, was einen erwartet, weil man von zwei der drei am Abend spielenden Bands nur die Lieder aus dem MySpace Player kennt, den man nur wegen dem Konzert angesurft hat, das Konzert aber bereits ohne Abendkasse ausverkauft wurde, ist Vorsicht geboten. Zumindest diese aus dem Abend zu ziehende Lehre kann ich vorweg nehmen, denn der Hauptgrund für den Besuch waren MARIONETTE, die auf ihren Alben nicht voll überzeugen konnten, aber neben Potential auch die Aussicht auf gute Livetauglichkeit andeuteten, während BURY TOMORROW & BLESSTHEFALL mir nicht mal namentlich bekannt waren.
Ein erster Rundumblick im kleinen MTC, wo man sich im Thekenbereich trotz des Andrangs noch sehr gut aufhalten kann, übertrifft das erwartete Bild sogar noch: als 30-jähriger gehört man gefühlt nicht nur zum alten Eisen, sondern fast schon zur Elterngeneration...

Aber genug der Vorrede, denn MARIONETTE betreten die Bühne und sorgen für ungläubiges Staunen in meinem Gesicht, denn die jungen Schweden haben offenbar den halben Nachmittag vor dem Spiegel gestanden, um ihre Frisuren zu asymmetrischen Vogelnestern irgendwo zwischen Visual Kei & Mr. Androgyn Bill Kaulitz aufzubauen. Dazu trägt Keyboarder Linus noch violettes Glitzer-Make Up unter den Augen, wie POISON zu ihren besten Zeiten. Die musikalische Leistung kann sich dann aber deutlich besser sehen lassen, selbst wenn der Beginn kurios verläuft, als Sänger Axel bei der Ankündigung einer Metalshow vor den zwei Corebands das Publikum fragt, ob jemand Metal mag, und sich ganze fünf bis sechs Hände im vollen Raum heben.
Davon lassen sich die energiegeladenen Göteborger aber nicht verunsichern und geben während ihres ganzen Auftritts Vollgas und sind sich im folgenden auch nicht zu schade, dem jungen Publikum zu erklären, wie das mit dem Headbangen so funktioniert. Bei den Liedern überzeugen vor allem die Werke des ersten Albums „Spite“ mit dem entscheidenden Quentchen Härte, Eingängigkeit & Mitreißfaktor – allen voran „Burn Me“. Punkte, die dem aktuellen Material von „Enemies“ auch live etwas abgehen. Gerade bei dem Tempo, das die MARIONETTE Mitglieder auf der Bühne vorgeben, wirken die neueren Lieder manchmal einfach eine Spur zu theatralisch oder nicht ganz harmonisch mit dem Maß an Stage Acting abgestimmt. Nach einer guten halben Stunde ist der Metal für diesen Abend dann abgehakt, und selbst wenn man der Band auftritttechnisch nichts vorwerfen kann, muss ich konstatieren, dass die Lieder live leider doch nicht viel besser als von Platte sind.

Als das Pirates of the Caribbean Theme ertönt, bleibt nur kurz Zeit für den „Was ist nun los, wir sind doch nicht im Fußballstadion?!“-Gedanken bevor BURY TOMORROW losschmettern. Der Sound wird roher, die Musik beliebiger. Da hat das Entree mehr versprochen, denn was die Briten aus ihren Instrumenten rausholen, lässt sich bei aller Fairness nicht anders als generisch bezeichnen. Es kommt kein wildes Geschrote oder kontrollierte, vermeintliche Coolness & Härte durch wilde Breaks, sondern vor allem eine Menge Bassdruck und sehr viel cleaner Gesang, also fast schon Metalcore der alten Schule, aber nicht ein einziges Mal hat man den Eindruck, etwas Neues, Spannendes oder wirklich Interessantes zu hören. Auf jeden Fall zugutehalten muss man den Jungs jedoch, dass auch sie viel Energie und Mühe investieren. Der Aufruf zum Stagediven entpuppt sich im kleinen & niedrigen MTC zwar weniger als Hit, aber das Spielchen bei dem die Zuschauer während eines Liedes zum High Five Abklatschen mit der Band auf die Bühne springen sollen (und es auch tun), ist aus den hinteren Reihen ein nettes Gimmick. Wie die eng aneinander gequetschten ersten Reihen darüber denken, könnte aber auf einem anderen Blatt stehen. Nach einer klitzekleinen Wall of Death im letzten Lied ist – wieder nach einer guten halben Stunde – auch schon Schluss und die einzige Frage, die offen bleibt, ist, warum gerade BURY TOMORROW ein „Bringing Back The Headbang“ Shirt im Merchangebot haben.

Der offensichtlich von der Mehrheit des Publikums sehnsüchtig erwartete Headliner BLESSTHEFALL beschließt den Abend mit einer Mischung aus leicht BILLY TALENT-artigem Schreigesang und zweitklassigen BULLET FOR MY VALENTINE Liedern. Zweitklassig vor allem, weil im Liederbaukasten genau die Teile drin gelassen wurden, die BFMV so viel anhörbarer machen: Hooklines und MAIDEN-Gitarrenmelodien. Diese Meinung habe ich während des Konzerts offenbar aber fast exklusiv, denn vor allem der vordere Teil des Saals tobt, so gut es vom Platz her möglich ist, und kreischt (!) in ohrenbetäubender Lautstärke. Dass BLESSTHEFALL dennoch eine ganze Zeit lang keinen oder kaum Augenkontakt mit dem Publikum eingehen, ist vielleicht dem jungen Alter der Amerikaner oder auch der Unerfahrenheit mit dem Publikum zuzuschreiben. Ein wenig seltsam ist es allemal.
Nachdem sie aber registriert haben, dass die Zuschauer bei jedem Lied voll mitgehen, kommt es zu einer Wiederholung des „High Five auf der Bühne“-Spiels – habe ich etwa einen Trend verpasst? Allerdings zeigt sich auch gleich der große Pferdefuß einer solchen Aktion, denn nachdem der wild von hinten heranstürmende MARIONETTE Keyboarder eröffnet hat, kommt es binnen kurzem zu einem Zuschauerstau auf der Bühne, der dazu führt, dass die Musiker ihre Instrumente kaum noch unfallfrei bedienen können. Einen Minicircle später sind die knappen 45 Minuten Auftrittszeit auch schon vorbei, und als die Adventsbeleuchtung eingeschaltet wird, setzt bei mir der Fluchtreflex ein.

Von einem musikalisch reichlich unspektakulären Abend, den nur MARIONETTE etwas aufhellen konnten, bleibt vor allem eins hängen: Die Erkenntnis, wie die typischen MySpace Avatarbilder in der Realität aussehen...
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