R(h)ein in die Fresse XII
R(h)ein in die Fresse XII
Bonn-Bad Godesberg, Klangstation
24.04.2011
24.04.2011
Kleinigkeitenkrämer könnten in die Ankündigung „ein letztes Mal in die Fresse“ mit Mühe reindeuten, dass bei Ausgabe XII nicht zum letzten Mal an Ostersonntag zum Festtagsschmaus geladen wird, aber man darf wohl leider davon ausgehen, dass das diesjährige R(h)ein in die Fresse tatsächlich Todestanz und Totentanz zugleich ist. Dafür wirft man sich natürlich besonders in Schale, denn wie oft wird man in Zukunft womöglich missmutig den Feiertag mit lumpigem Eiersuchen totschlagen statt sich gemeinsam mit schwarzgewandeten Brüdern im Geiste akustisch totschlagen zu lassen.
I, NERO, die aus den 2008 eröffnenden HATE SEVEN hervorgegangen sind, packen zu sechst gleich mal so viele Leute auf die Bühne, dass eigentlich kein Platz für Bewegung bleibt. Aber nur eigentlich, denn während Sample & Keyboardmann Pat immerhin über seinen Gerätschaften fleißig bangen kann und es auch tut, bringt Leadgitarrist Kirill die volle Bandbreite an Over-The-Top-Posing auf die Bretter. Die im ersten Moment noch die Blicke auf sich ziehenden Äußerlichkeiten - die Gitarre ist so auffällig wie Dee Snider auf einer Beerdigung, das zu Beginn noch halboffene Hemd ist beim dritten Lied ganz verschwunden – sind nur der Rahmen für eine der überdrehtesten Performances, die ich in den letzten Jahren gesehen habe und die im Vergleich zu den sehr kontrolliert wirkenden anderen Neros geradezu grotesk überdreht wirkt. Immer mehr steigert er sich durch rasendes Tapping, Durchexerzieren des Effektgeräts aber auch wirkungsvolle „normale“ Riffs in einen breit grinsenden Rauschzustand, in dem die schwungvoll in Bewegung gebrachte Gitarre mehr als einmal nur knapp am Gesicht eines Mitmusikers vorbeifliegt. Die auch klanglich starke Präsenz der Gitarre tut der modernen Mixtur von I, NERO allerdings sehr gut, so dass es einigen Leuten vor der Bühne besonders gut ins Blut geht, aber auch beim Großteil des übrigen Publikums verdientermaßen gut ankommt.
Kleine Wermutstropfen sind, dass die Samples & Effekt, die bei HATE SEVEN noch so präsent waren, (für mich) heute kaum auszumachen sind und bei aller Freude am Gitarrenspiel und völlig überdrehten Auftritt von Kirill wirkt das schon ein wenig seltsam, wenn ein Gitarrist sich auf so einer kleinen Bühne auch mal mitten im Lied vor den Sänger stellt und insgesamt die Diskrepanz im Stageacting so gigantisch ist. Allerdings liegt letzteres wohl zumindest zum Teil auch daran, dass dieser Auftritt für den Sänger und den anderen Gitarristen wegen unterschiedlicher Entwicklungen des Musikgeschmacks die Abschiedsvorstellung war.
Deutlich gesetzter geht es bei HATEPRISON zu Werke, was sich auch bei der Stimmung bemerkbar macht. Würzburg ist eben nicht so nah wie Brühl, so dass die Band weniger Unterstützer mitbringen konnte, die mit den Liedern vertraut oder den Mitgliedern bekannt sind. Dabei lässt sich kaum etwas an der musikalischen Rundreise durch die Geschichte des roh-brutalen Death Metal mit grindigen Elementen plus Abstecher nach Old School Schweden aussetzen. Die Unterfranken zocken technisch ansprechend, aber es fehlt dem Totalangriff etwas an Griffigkeit, um aus dem Stand drauf einzusteigen. Die trockenen Ansagen von Sänger Laudi, die die Stimmung oder Art des folgenden Songs beschreiben sollen, sind durch den Kontrast zwischen ruhiger Ansprache und heftigem Getrümmer im Prinzip ein unterhaltsamer Kontrast, funktionieren allerdings überhaupt nicht als Anheizer, auch weil das Publikum nie direkt angesprochen wird. Musikalisch in Ordnung, Rest verbesserungswürdig.
Der Gradmesser dafür, wie viele Leute zum R(h)ein in die Fresse gekommen sind, sind AARDVARKS, und nach den ersten Tönen ist es prompt proppevoll und so richtig mollig warm. Beim aktuellen Line Up könnte man auf die Idee kommen, eine Haarlänge von mehr als einem halben Meter wäre ein Kriterium für die Auswahl der Saiteninstrumenter neben Frontriese Guido gewesen, weil so gleich dreimal auf der Bühne ähnlich eindrucksvoll wie vor der Bühne die Matte kreisen kann, aber nicht nur durch ihre Aktivitäten bei JACK SLATER sind Kevin und Chris selbstverständlich darüber erhaben, wegen Äußerlichkeiten „gecastet“ worden zu sein.
Die Feierlaune im Publikum, die unterhaltsamen Ansprachen von "Erstmal Bier!"-Guido und der Mitreißfaktor von besonders den zackigeren Liedern sind mehr oder weniger altbekannte Säulen, auf die man sich bei AARDVARKS Auftritten praktisch immer verlassen kann. Ein schönes Überraschungsbonbon ist aber, dass die – wenn man ehrlich ist – albumtechnisch am wenigsten zu Potte kommende Band der Region, die das mit nötiger und sympathischer Selbstironie auch selbst nicht großartig anders sieht, mit „Prey For Us“ ein neues Lied vorstellt, so dass die seit Jahren erhältlichen T-Shirts mit gleichlautendem Aufdruck endlich eine musikalische Grundlage erhalten. Ein – wie gewohnt - einwandfreier Auftritt, der leise Hoffnung darauf weckt, dass sich an der Albumfront etwas bewegt.
Nach diesem Stimmungshöhepunkt haben DEAD EYED SLEEPER es natürlich schwer, zumal zu Beginn ihres Auftritts geschätzte zwei Drittel der Leute in den Thekenraum oder vor die Tür abgewandert sind. Aber die Heidelberger, die vor kurzem ihr Drittwerk veröffentlicht haben, legen einfach mal ziemlich unbeeindruckt los und – Heidewitzka, Herr Kapitän – wie. Ja, es gibt auch atmosphärische Momente und Mid-Tempo Groove, aber es überwiegt doch das Gefühl, dass der Igel hat, der der Dampfwalze nicht schnell genug ausweichen konnte oder – um im Fachjargon zu bleiben – es wird volle Kanne auf die Birne gebembelt. Dank des nicht unanspruchsvollen Instrumentalgeschehens bleibt der Großteil der Bühnenaction an Sänger Sam hängen, der das mit großer Freude annimmt und sich immer wieder in fast schon furchterregend psychopathische Ausbrüche steigert. Der Unterhaltungsfaktor ist dadurch etwas größer als bei HATEPRISON, das brutale Geholze und Gewalze auf Anhieb allerdings auch nicht zugänglicher.
Laut der bestätigten Termine besteigen JACK SLATER danach zum letzten Mal eine Heimatbühne, und natürlich lässt sich das trotz der fortgeschrittenen Uhrzeit (so gut wie) niemand entgehen. Nachdem Kevin und Chris sich schon mit AARDVARKS warmgespielt haben und Horn sowieso keine Vorlaufzeit braucht, geht es gleich in die Vollen. Trotz aller berechtigter Sympathien für die Band und dem Heimbonus bestätigen die Reaktionen im Publikum in gewisser Weise aber auch, warum, trotz aller Anstrengungen, der Band der vielleicht entscheidende Schritt zur Weltherrschaft immer verwehrt geblieben ist, denn bei aller ausgelassenen Stimmung kommen die Lieder doch ziemlich unterschiedlich beim Publikum an. So kann es passieren, dass der Raum im einen Moment noch tobt und kocht und im nächsten wieder relative Ruhe einkehrt und Mitnicken dominiert.
Mit einem weinenden Auge – in meinen Augen ist „Extinction Aftermath“ die beste und zugänglichste Platte von JACK SLATER und hatte Vorfreude auf noch kommende Schandtaten geweckt, außerdem ist das R(h)ein in die Fresse seit vielen Jahren fester Bestandteil (nicht nur) des Osterprogramms – und einem lachenden Auge – alle Musiker bleiben dem Metal erhalten – heißt es dann zu sehr später Stunde Abschied nehmen.
Schön war’s – und wie könnte man anders, als mit der Ansage des Abends, selbstverfreilich von Horn, zu schließen:
I, NERO, die aus den 2008 eröffnenden HATE SEVEN hervorgegangen sind, packen zu sechst gleich mal so viele Leute auf die Bühne, dass eigentlich kein Platz für Bewegung bleibt. Aber nur eigentlich, denn während Sample & Keyboardmann Pat immerhin über seinen Gerätschaften fleißig bangen kann und es auch tut, bringt Leadgitarrist Kirill die volle Bandbreite an Over-The-Top-Posing auf die Bretter. Die im ersten Moment noch die Blicke auf sich ziehenden Äußerlichkeiten - die Gitarre ist so auffällig wie Dee Snider auf einer Beerdigung, das zu Beginn noch halboffene Hemd ist beim dritten Lied ganz verschwunden – sind nur der Rahmen für eine der überdrehtesten Performances, die ich in den letzten Jahren gesehen habe und die im Vergleich zu den sehr kontrolliert wirkenden anderen Neros geradezu grotesk überdreht wirkt. Immer mehr steigert er sich durch rasendes Tapping, Durchexerzieren des Effektgeräts aber auch wirkungsvolle „normale“ Riffs in einen breit grinsenden Rauschzustand, in dem die schwungvoll in Bewegung gebrachte Gitarre mehr als einmal nur knapp am Gesicht eines Mitmusikers vorbeifliegt. Die auch klanglich starke Präsenz der Gitarre tut der modernen Mixtur von I, NERO allerdings sehr gut, so dass es einigen Leuten vor der Bühne besonders gut ins Blut geht, aber auch beim Großteil des übrigen Publikums verdientermaßen gut ankommt.
Kleine Wermutstropfen sind, dass die Samples & Effekt, die bei HATE SEVEN noch so präsent waren, (für mich) heute kaum auszumachen sind und bei aller Freude am Gitarrenspiel und völlig überdrehten Auftritt von Kirill wirkt das schon ein wenig seltsam, wenn ein Gitarrist sich auf so einer kleinen Bühne auch mal mitten im Lied vor den Sänger stellt und insgesamt die Diskrepanz im Stageacting so gigantisch ist. Allerdings liegt letzteres wohl zumindest zum Teil auch daran, dass dieser Auftritt für den Sänger und den anderen Gitarristen wegen unterschiedlicher Entwicklungen des Musikgeschmacks die Abschiedsvorstellung war.
Deutlich gesetzter geht es bei HATEPRISON zu Werke, was sich auch bei der Stimmung bemerkbar macht. Würzburg ist eben nicht so nah wie Brühl, so dass die Band weniger Unterstützer mitbringen konnte, die mit den Liedern vertraut oder den Mitgliedern bekannt sind. Dabei lässt sich kaum etwas an der musikalischen Rundreise durch die Geschichte des roh-brutalen Death Metal mit grindigen Elementen plus Abstecher nach Old School Schweden aussetzen. Die Unterfranken zocken technisch ansprechend, aber es fehlt dem Totalangriff etwas an Griffigkeit, um aus dem Stand drauf einzusteigen. Die trockenen Ansagen von Sänger Laudi, die die Stimmung oder Art des folgenden Songs beschreiben sollen, sind durch den Kontrast zwischen ruhiger Ansprache und heftigem Getrümmer im Prinzip ein unterhaltsamer Kontrast, funktionieren allerdings überhaupt nicht als Anheizer, auch weil das Publikum nie direkt angesprochen wird. Musikalisch in Ordnung, Rest verbesserungswürdig.
Der Gradmesser dafür, wie viele Leute zum R(h)ein in die Fresse gekommen sind, sind AARDVARKS, und nach den ersten Tönen ist es prompt proppevoll und so richtig mollig warm. Beim aktuellen Line Up könnte man auf die Idee kommen, eine Haarlänge von mehr als einem halben Meter wäre ein Kriterium für die Auswahl der Saiteninstrumenter neben Frontriese Guido gewesen, weil so gleich dreimal auf der Bühne ähnlich eindrucksvoll wie vor der Bühne die Matte kreisen kann, aber nicht nur durch ihre Aktivitäten bei JACK SLATER sind Kevin und Chris selbstverständlich darüber erhaben, wegen Äußerlichkeiten „gecastet“ worden zu sein.
Die Feierlaune im Publikum, die unterhaltsamen Ansprachen von "Erstmal Bier!"-Guido und der Mitreißfaktor von besonders den zackigeren Liedern sind mehr oder weniger altbekannte Säulen, auf die man sich bei AARDVARKS Auftritten praktisch immer verlassen kann. Ein schönes Überraschungsbonbon ist aber, dass die – wenn man ehrlich ist – albumtechnisch am wenigsten zu Potte kommende Band der Region, die das mit nötiger und sympathischer Selbstironie auch selbst nicht großartig anders sieht, mit „Prey For Us“ ein neues Lied vorstellt, so dass die seit Jahren erhältlichen T-Shirts mit gleichlautendem Aufdruck endlich eine musikalische Grundlage erhalten. Ein – wie gewohnt - einwandfreier Auftritt, der leise Hoffnung darauf weckt, dass sich an der Albumfront etwas bewegt.
Nach diesem Stimmungshöhepunkt haben DEAD EYED SLEEPER es natürlich schwer, zumal zu Beginn ihres Auftritts geschätzte zwei Drittel der Leute in den Thekenraum oder vor die Tür abgewandert sind. Aber die Heidelberger, die vor kurzem ihr Drittwerk veröffentlicht haben, legen einfach mal ziemlich unbeeindruckt los und – Heidewitzka, Herr Kapitän – wie. Ja, es gibt auch atmosphärische Momente und Mid-Tempo Groove, aber es überwiegt doch das Gefühl, dass der Igel hat, der der Dampfwalze nicht schnell genug ausweichen konnte oder – um im Fachjargon zu bleiben – es wird volle Kanne auf die Birne gebembelt. Dank des nicht unanspruchsvollen Instrumentalgeschehens bleibt der Großteil der Bühnenaction an Sänger Sam hängen, der das mit großer Freude annimmt und sich immer wieder in fast schon furchterregend psychopathische Ausbrüche steigert. Der Unterhaltungsfaktor ist dadurch etwas größer als bei HATEPRISON, das brutale Geholze und Gewalze auf Anhieb allerdings auch nicht zugänglicher.
Laut der bestätigten Termine besteigen JACK SLATER danach zum letzten Mal eine Heimatbühne, und natürlich lässt sich das trotz der fortgeschrittenen Uhrzeit (so gut wie) niemand entgehen. Nachdem Kevin und Chris sich schon mit AARDVARKS warmgespielt haben und Horn sowieso keine Vorlaufzeit braucht, geht es gleich in die Vollen. Trotz aller berechtigter Sympathien für die Band und dem Heimbonus bestätigen die Reaktionen im Publikum in gewisser Weise aber auch, warum, trotz aller Anstrengungen, der Band der vielleicht entscheidende Schritt zur Weltherrschaft immer verwehrt geblieben ist, denn bei aller ausgelassenen Stimmung kommen die Lieder doch ziemlich unterschiedlich beim Publikum an. So kann es passieren, dass der Raum im einen Moment noch tobt und kocht und im nächsten wieder relative Ruhe einkehrt und Mitnicken dominiert.
Mit einem weinenden Auge – in meinen Augen ist „Extinction Aftermath“ die beste und zugänglichste Platte von JACK SLATER und hatte Vorfreude auf noch kommende Schandtaten geweckt, außerdem ist das R(h)ein in die Fresse seit vielen Jahren fester Bestandteil (nicht nur) des Osterprogramms – und einem lachenden Auge – alle Musiker bleiben dem Metal erhalten – heißt es dann zu sehr später Stunde Abschied nehmen.
Schön war’s – und wie könnte man anders, als mit der Ansage des Abends, selbstverfreilich von Horn, zu schließen: