Dream Theater - Black Clouds & Silver Linings
Bloodchamber-Wertung:
Tracklist
1. A Nightmare to Remember
2. A Rite of Passage
3. Wither
4. The Shattered Fortress
5. The Best of Times
6. The Count of Tuscany
Die Bloodchamber meint:
Man hat sich lange nicht gehört: Die letzten Frickelbretter aus dem Hause DREAM THEATER waren zumindest mir immer eine Spur zu abgefahren, zu bemüht, als dass sie mich hätten überzeugen können.
Umso gespannter durfte man der Dinge harren, die das vorab veröffentlichte Cover von „Black Clouds & Silver Linings“ versprach: Eine düstere Hommage an Zeiten, in denen Petrucci und Konsorten noch nicht von Konzeptwahn befallen waren und mit „Awake“ eine der meines Erachtens nachhaltigeren, dabei jedoch stets hörbaren Veröffentlichungen unters Volk brachten. Ob es die Amerikaner auf ihrer aktuellen Scheibe – wie angekündigt – auch musikalisch wieder zu den Wurzeln drängt, wird sich in den kommenden 74 Minuten zeigen.
Der Albtraum startet mit einer extrem fetten Kombination aus Bass und Rhythmusgitarre, die von horrorfilmartigem Keyboardspuk bombastisch untermalt wird, bevor man mit einem saftig-tiefergelegten Riff in die Vollen geht. Auch hier wieder surreale Filmsounds im Hintergrund, LaBrie hält mit für seine Verhältnisse aggressivem Fast-Sprechgesang dagegen, bevor ein Verkehrsunfall die Wende bringt: Die rifflastigen Nachwehen lösen sich in einem von unverzerrten Gitarren und wirklich typischen Gesangslinien dominierten Softiepart auf, der vor Allem mit seinem streichzarten Quasi-Chorus zu glänzen vermag.
DREAM THEATER geben sich hier (nicht zum letzten Mal) eingängig, für Progheads wahrscheinlich schon zu sauber, und zu allem Überfluss wird nach einem spacigen Gitarrensolo (für die Musiker unter uns) kräftig an der Schraube gedreht: Die letzten vier von insgesamt fünfzehn Minuten drücken mit Doublebass und aggressiven Gesangseinlagen vortrefflich los, bevor sich das zur Rückkehr bewegte Startthema mit Blasteinlagen (!) und den Sirenen der eintreffenden Sanitätswagen dramatisch verabschiedet...
Soweit zum wirklich plättenden ersten Song, der die Eckpunkte der Scheibe recht gut verdeutlicht: DREAM THEATER haben die verrückte Konstruktionsphase hinter sich, ohne jedoch zwangsläufig einen Schritt zurück zur Ursuppe zu machen. Die experimentelleren, teils härteren Vorgänger scheinen vielmehr dafür gesorgt zu haben, dass man auf „Black Clouds…“ zu jedem Zeitpunkt die Sicherheit von Musikern spürt, die sich in alle Richtungen ausgetobt haben. Sicher finden sich auch hier abgefahrene Momente, es findet sich wohldosierte Aggression, aber es finden sich eben auch Melodie und Kitsch am Rande zum Absturz – sei es als tragendes Element, oder als Dekoration.
Das Alles ergibt im größeren Rahmen einen Sound, der wieder einmal anders, aber dennoch immer unverwechselbar nach DREAM THEATER klingt. Und mit dieser beruhigenden Einsicht im Hinterkopf widmen wir uns nun ganz entpannt den anderen Stücken.
„A Rite Of Passage“ ist der Singlekandidat des Albums und erfüllt diese Rolle, in dem es ganz einfach genau das ist: Ein Midtemposong mit rhythmisch orientierten Gitarren auf der einen, miteinander harmonierenden Keyboard- und Gesangsspuren auf der anderen Seite. Das Ganze ist im Verbund hochmelodisch, was durch den Widerhakenchorus und die insgesamt eingängigste Bauweise noch unterstrichen wird, bevor es mit „Wither“ dann in sanftere Gefilde geht. Der mit fünfeinhalb Minuten kürzeste Track ist eine klassische Bombastballade, getragen von hervorragendem Gesang und voluminösen Keyboards, die im richtigen Moment zum zerbrechlichen Piano wechseln, um Sekunden später wieder als großes Orchester einzufallen – grandiose Nummer!
Mit „Shattered Fortress“ folgt der letzte Teil des mehrere Alben übergreifenden Mammutwerkes über Abhängigkeit, was musikalisch im härtesten Stück von „Black Clouds…“ mündet: Stakkatoriffs treffen schizophrene Keyboardspuren, aggressives Shouting trifft auf einen recht engagierten LaBrie, und spätestens in den ausufernden Soloparts für Gitarre und Keyboard wird die Katharsis greifbar, die diesem düsteren Monstrum innewohnt.
Von Fans recht bald als Recycling verschrien, ist „Shattered Fortress“ zwar ein augenfälliger Rückgriff auf die Vorgängerscheibe, aber eben auch eine stimmige Fortführung des Openers, die aufgrund ihrer Qualität durchaus allein bestehen kann .
Die Gänsehaut von „Wither“ feiert anschließend bei „The Best Of Times“ Revival, dem Song mit dem vielleicht besten Auftakt, den DREAM THEATER jemals veröffentlicht haben: Nur mit Gitarre, Piano und Violine erschaffen die Amis hier für drei Minuten eine derart melancholische, gefühlvolle Atmosphäre, dass sich Vergleiche eigentlich verbieten. Für den Fall, dass ihr es trotzdem versuchen wollt: Nehmt die ergreifenden Passagen aus „Es war einmal in Amerika“, würzt sie mit dem Soundtrack von „Place Once Promised“, und ihr seid in der Nähe der Großtat, die diesen 13-Minüter einleitet.
Im weiteren Verlauf entfaltet sich die Geschichte von Portnoy und dessen Vater in einem Song, der so typisch amerikanisch klingt, dass man bisweilen förmlich die Vororte, die Straßen und Cornershops vor Augen hat – ein trotz (oder gerade wegen) plüschiger Passagen wirklich großes Stück Musik, und sicherlich DIE Nummer für DREAM THEATER-früher-gut-Finder.
Mittlerweile sind gut 55 Minuten vergangen und mit „The Count Of Tuscany“ steht der Abschied vor der Tür. Hier ziehen DREAM THEATER über 20 Minuten noch einmal alle Register, was von treibenden Riffattacken über Instrumetalorgien bis hin zu relaxten Ambientpassagen den großen Kreis schlägt, ohne dabei den Trademarksound der Band zu vernachlässigen. Und als ob man das versöhnliche Nebeneinander von eigener Geschichte und jüngeren Elementen unterstreichen will, gibt es zum optimistischen Schlussteil schließlich ein wirklich erhebendes Solo, welches den Hörer in dem Gefühl hinterlässt, von einer mit sich selbst im Reinen befindlichen Band vortrefflich unterhalten worden zu sein. Das ist für mich persönlich neben der musikalischen Exzellenz der größte Wurf, der DREAM THEATER mit diesem Album gelingt.
Ein Fazit zu „Black Clouds & Silver Linings“ zu verfassen ist nicht gerade einfach, da DREAM THEATER seit jeher polarisieren und die Geschmäcker hier bisweilen noch etwas gespaltener scheinen, als bei anderen –vielleicht gerade deswegen unbedeutenderen - Bands.
Für mich persönlich ist die Scheibe trotz der vertrauten Atmosphäre wie eine grandiose Neuentdeckung, in der ich mich treiben lassen kann, die von Zeit zu Zeit fordert, aber eben auch angemessen belohnt. Indem sie Erinnerungen weckt, ohne in der Vergangenheit zu leben. Indem sie mich fasziniert, mich einlädt, ohne mich bei der Hand zu nehmen. Indem sie nicht die Scheibe ist, die ich erwartet hatte - und es trotzdem mühelos schafft, mir wieder und wieder ein paar Stunden Lebenszeit abzuluchsen.
Ob das für euch so zutrifft, müsst ihr schon selbst herausfinden – den Aufwand dafür vermag dieses Album aber auf jeden Fall zu rechtfertigen.
Umso gespannter durfte man der Dinge harren, die das vorab veröffentlichte Cover von „Black Clouds & Silver Linings“ versprach: Eine düstere Hommage an Zeiten, in denen Petrucci und Konsorten noch nicht von Konzeptwahn befallen waren und mit „Awake“ eine der meines Erachtens nachhaltigeren, dabei jedoch stets hörbaren Veröffentlichungen unters Volk brachten. Ob es die Amerikaner auf ihrer aktuellen Scheibe – wie angekündigt – auch musikalisch wieder zu den Wurzeln drängt, wird sich in den kommenden 74 Minuten zeigen.
Der Albtraum startet mit einer extrem fetten Kombination aus Bass und Rhythmusgitarre, die von horrorfilmartigem Keyboardspuk bombastisch untermalt wird, bevor man mit einem saftig-tiefergelegten Riff in die Vollen geht. Auch hier wieder surreale Filmsounds im Hintergrund, LaBrie hält mit für seine Verhältnisse aggressivem Fast-Sprechgesang dagegen, bevor ein Verkehrsunfall die Wende bringt: Die rifflastigen Nachwehen lösen sich in einem von unverzerrten Gitarren und wirklich typischen Gesangslinien dominierten Softiepart auf, der vor Allem mit seinem streichzarten Quasi-Chorus zu glänzen vermag.
DREAM THEATER geben sich hier (nicht zum letzten Mal) eingängig, für Progheads wahrscheinlich schon zu sauber, und zu allem Überfluss wird nach einem spacigen Gitarrensolo (für die Musiker unter uns) kräftig an der Schraube gedreht: Die letzten vier von insgesamt fünfzehn Minuten drücken mit Doublebass und aggressiven Gesangseinlagen vortrefflich los, bevor sich das zur Rückkehr bewegte Startthema mit Blasteinlagen (!) und den Sirenen der eintreffenden Sanitätswagen dramatisch verabschiedet...
Soweit zum wirklich plättenden ersten Song, der die Eckpunkte der Scheibe recht gut verdeutlicht: DREAM THEATER haben die verrückte Konstruktionsphase hinter sich, ohne jedoch zwangsläufig einen Schritt zurück zur Ursuppe zu machen. Die experimentelleren, teils härteren Vorgänger scheinen vielmehr dafür gesorgt zu haben, dass man auf „Black Clouds…“ zu jedem Zeitpunkt die Sicherheit von Musikern spürt, die sich in alle Richtungen ausgetobt haben. Sicher finden sich auch hier abgefahrene Momente, es findet sich wohldosierte Aggression, aber es finden sich eben auch Melodie und Kitsch am Rande zum Absturz – sei es als tragendes Element, oder als Dekoration.
Das Alles ergibt im größeren Rahmen einen Sound, der wieder einmal anders, aber dennoch immer unverwechselbar nach DREAM THEATER klingt. Und mit dieser beruhigenden Einsicht im Hinterkopf widmen wir uns nun ganz entpannt den anderen Stücken.
„A Rite Of Passage“ ist der Singlekandidat des Albums und erfüllt diese Rolle, in dem es ganz einfach genau das ist: Ein Midtemposong mit rhythmisch orientierten Gitarren auf der einen, miteinander harmonierenden Keyboard- und Gesangsspuren auf der anderen Seite. Das Ganze ist im Verbund hochmelodisch, was durch den Widerhakenchorus und die insgesamt eingängigste Bauweise noch unterstrichen wird, bevor es mit „Wither“ dann in sanftere Gefilde geht. Der mit fünfeinhalb Minuten kürzeste Track ist eine klassische Bombastballade, getragen von hervorragendem Gesang und voluminösen Keyboards, die im richtigen Moment zum zerbrechlichen Piano wechseln, um Sekunden später wieder als großes Orchester einzufallen – grandiose Nummer!
Mit „Shattered Fortress“ folgt der letzte Teil des mehrere Alben übergreifenden Mammutwerkes über Abhängigkeit, was musikalisch im härtesten Stück von „Black Clouds…“ mündet: Stakkatoriffs treffen schizophrene Keyboardspuren, aggressives Shouting trifft auf einen recht engagierten LaBrie, und spätestens in den ausufernden Soloparts für Gitarre und Keyboard wird die Katharsis greifbar, die diesem düsteren Monstrum innewohnt.
Von Fans recht bald als Recycling verschrien, ist „Shattered Fortress“ zwar ein augenfälliger Rückgriff auf die Vorgängerscheibe, aber eben auch eine stimmige Fortführung des Openers, die aufgrund ihrer Qualität durchaus allein bestehen kann .
Die Gänsehaut von „Wither“ feiert anschließend bei „The Best Of Times“ Revival, dem Song mit dem vielleicht besten Auftakt, den DREAM THEATER jemals veröffentlicht haben: Nur mit Gitarre, Piano und Violine erschaffen die Amis hier für drei Minuten eine derart melancholische, gefühlvolle Atmosphäre, dass sich Vergleiche eigentlich verbieten. Für den Fall, dass ihr es trotzdem versuchen wollt: Nehmt die ergreifenden Passagen aus „Es war einmal in Amerika“, würzt sie mit dem Soundtrack von „Place Once Promised“, und ihr seid in der Nähe der Großtat, die diesen 13-Minüter einleitet.
Im weiteren Verlauf entfaltet sich die Geschichte von Portnoy und dessen Vater in einem Song, der so typisch amerikanisch klingt, dass man bisweilen förmlich die Vororte, die Straßen und Cornershops vor Augen hat – ein trotz (oder gerade wegen) plüschiger Passagen wirklich großes Stück Musik, und sicherlich DIE Nummer für DREAM THEATER-früher-gut-Finder.
Mittlerweile sind gut 55 Minuten vergangen und mit „The Count Of Tuscany“ steht der Abschied vor der Tür. Hier ziehen DREAM THEATER über 20 Minuten noch einmal alle Register, was von treibenden Riffattacken über Instrumetalorgien bis hin zu relaxten Ambientpassagen den großen Kreis schlägt, ohne dabei den Trademarksound der Band zu vernachlässigen. Und als ob man das versöhnliche Nebeneinander von eigener Geschichte und jüngeren Elementen unterstreichen will, gibt es zum optimistischen Schlussteil schließlich ein wirklich erhebendes Solo, welches den Hörer in dem Gefühl hinterlässt, von einer mit sich selbst im Reinen befindlichen Band vortrefflich unterhalten worden zu sein. Das ist für mich persönlich neben der musikalischen Exzellenz der größte Wurf, der DREAM THEATER mit diesem Album gelingt.
Ein Fazit zu „Black Clouds & Silver Linings“ zu verfassen ist nicht gerade einfach, da DREAM THEATER seit jeher polarisieren und die Geschmäcker hier bisweilen noch etwas gespaltener scheinen, als bei anderen –vielleicht gerade deswegen unbedeutenderen - Bands.
Für mich persönlich ist die Scheibe trotz der vertrauten Atmosphäre wie eine grandiose Neuentdeckung, in der ich mich treiben lassen kann, die von Zeit zu Zeit fordert, aber eben auch angemessen belohnt. Indem sie Erinnerungen weckt, ohne in der Vergangenheit zu leben. Indem sie mich fasziniert, mich einlädt, ohne mich bei der Hand zu nehmen. Indem sie nicht die Scheibe ist, die ich erwartet hatte - und es trotzdem mühelos schafft, mir wieder und wieder ein paar Stunden Lebenszeit abzuluchsen.
Ob das für euch so zutrifft, müsst ihr schon selbst herausfinden – den Aufwand dafür vermag dieses Album aber auf jeden Fall zu rechtfertigen.