Aufgrund des mehr als positiven Eindrucks der Scheibe “The Phantom Agony” von der holländischen Band EPICA, hab ich die Gunst der Stunde genutzt und Bandgründer Mark Jansen mal ein paar Fragen gestellt.

1. Mark, du hast die Band AFTER FOREVER verlassen und danach die neue Band EPICA gegründet. Was hat dich zu diesem Schritt bewogen? Gab es irgendwelche persönlichen Probleme mit den anderen Mitgliedern?

Ich war gezwungen, AFTER FOREVER zu verlassen weil die Magie zwischen mir und Sander (die beiden Gründer von AFTER FOREVER) verschwunden war. Es war schon ein Schock für mich, dass ich gehen musste aber ich wollte nicht akzeptieren, dass jemand anderes für mich die Entscheidung trifft, dass ich mit meiner Band aufhören soll. So hab ich kurzerhand eine neue Band gegründet. Es war nicht ganz so einfach wie es aussieht, aber zum Glück waren wir erfolgreich und nun bin ich glücklicher als je zuvor.

2. Auf den ersten Blick kann man nicht viele Unterschiede zwischen dem alten und dem neuen Sound feststellen. Beides ist etwas, das man im Allgemeinen als Gothic Metal bezeichnet. Aber ich denke, dass die Musiker da ein wenig anders denken :-) Was macht denn EPICA anders als AFTER FOREVER?

EPICA repräsentiert eine mögliche Fortführung in der Entwicklung von AFTER FOREVER. Genau so sollte das dritte AFTER FOREVER-Album meiner Meinung nach klingen, aber wie gesagt, Sander war damit nicht einverstanden und wollte eine total andere Herangehensweise. Deshalb hab ich auch keine Sorgen, dass EPICA und AFTER FOREVER irgendwann gleich klingen werden. Man wird meine Beiträge bei AFTER FOREVER auf der EPICA CD wiederfinden, während man auf der neuen AFTER FOREVER Mini-CD die Vorlieben der anderen Bandmitglieder hören kann.
Wenn ich Unterschiede aufzählen soll, dann kann ich gerne ein paar aufzählen:
1. Simone gegen Floor:
Simones Gesang geht mehr in die Opernrichtung und hat eine andere Stimmlage als Floor. Ich mag Floors Stimme wirklich, aber Simones Stimme passt einfach mehr zu EPICAs Musik.
2. Filmmusik:
Ich liebe Filmmusik, insbesondere Hans Zimmers Arbeit. In AFTER FOREVER war ebenfalls Platz für Filmmusik, aber bei EPICA nimmt sie eine weitaus grössere Rolle ein. Aber auch der Einsatz von Chören ist zweimal so hoch wie auf AFTER FOREVER-CDs.
3. Der Einfluss der anderen Bandmitglieder:
In AFTER FOREVER habe ich die meisten der Songstrukturen selbst geschrieben und bin sie danach mit den anderen durchgegangen. Bei EPICA arbeiten wir auf die selbe Weise. Mit 5 neuen Musikern um mich habe ich auch automatisch 5 neue Einflüsse, die ebenfalls für Unterschiede zu AFTER FOREVER sorgen werden.

3. Wo hast du nur die wunderbare weibliche Stimme Simone gefunden?

Ich habe sie auf der AFTER FOREVER Chatbox kennengelernt. Sie war gerade mal 16 und sagte mir, dass sie Sängerin sei. Ich war sehr neugierig darauf, sie singen zu hören, da ich gerade eine Sängerin für ein Nebenprojekt suchte. Wir haben also telefoniert und sie hat mir durch das Telefon etwas vorgesungen. Ich war sehr beeindruckt. Gerade 16 und schon solch ein liebenswürdiges Timbre. Ich wusste sofort, dass sie sich zu einer guten Sängerin entwickeln konnte, wenn ich ihr nur die Zeit zum Wachsen lassen würde. Wir entschieden uns also, dass es das beste für sie wäre, wenn sie privaten Unterricht in klassischem Gesang nehmen würde. Seit dem hat sie ihre Techniken sehr schnell verbessert.
Als sie dann also 17 war, suchte ich immer noch nach einer Sängerin für EPICA und sie war bereit dafür. Glücklicherweise hat sie sich immer noch weiterentwickelt und bei Voraufnahmen (für ein Demo) viel gelernt. Als es dann also Januar 2003 war, war sie endgültig bereit, auf „Phantom Agony“ zu singen.

4. Warum hast du für eure Aufnahmen das Gate Studio in Wolfsburg ausgewählt?

Transmission Records bot uns die Möglichkeit an, in den Gate Studios aufzunehmen und ich konnte meinen Ohren kaum glauben! Da mussten wir auch nicht lange überlegen, es war sofort klar, dass wir dieses Studio haben wollten. Ich bin sehr beeindruckt von der Arbeit von Sascha Paeth und seinen Co-Produzenten. Bands wie KAMELOT und RHAPSODY klingen killermäßig gut. Und im Nachhinein betrachtet, bin ich sehr glücklich, dass wir diese Chance ergriffen haben. Sascha und Olaf sind die besten Produzenten, mit denen ich gearbeitet habe. Sie haben viel Erfahrung, Geduld und Wissen über Sounds und verstanden sofort, wie wir EPICA klingen lassen wollten.

5. Die Musik von EPICA scheint einerseits von den “alten” bekannten Klassikkomponisten beeinflusst, enthält aber auch Elemente von dem, was ich als „moderne“ Klassik bezeichne, die beispielsweise in Hollywood Filmsoundtracks vorkommt. Kannst du uns ein paar von diesen Komponisten nennen und warum du ihre Musik magst?

Ich mag Komponisten wie Rachmaninow und Chopin, wobei Rachmaninow mein Favorit ist. Er ist ein unglaublicher Pianospieler und großartiger Komponist. Ich habe 10 CDs mit Pianokonzerten von ihm. Beethoven war aber ebenfalls ein großer Komponist.
Was Filmmusik betrifft, verehre ich Hans Zimmer. Die Soundtracks von „The Rock“ und „Gladiator“ sind sagenhaft.

6. Was hältst du von den sogenannten Metalopern? Bist du daran interessiert, in Zukunft etwas in dieser Richtung zu schreiben? Es dürfte sich ja nicht groß von dem aktuellen Material unterscheiden.

Momentan bin ich nicht interessiert, eine Metaloper zu schreiben. Aber wer weiss, was die Zukunft bringt. Andererseits bin ich sehr daran interessiert, Filmmusik zu komponieren. Ich habe hier in Holland ein paar Kontakte und möglicherweise wird das bei einem holländischen Film klappen.

7. Woher nimmst du die Inspiration für deine Musik und deine Texte?

Für beides lasse ich mich von Filmen inspirieren. Nach einem guten Film habe ich sehr viele Ideen für neue Musik. Aber ebenso verwende ich die Realität für meine Texte. Zum Beispiel über den 11. September, aber auch über Religion. Ich bekomme diese Inspirationen aus dem täglichen Leben, Zeitungen usw.

8. Wie kann man sich eine Live-Performance von EPICA vorstellen? Wird es da viele Synthesizer-Samples oder möglicherweise auch ein kleines Live-Orchester geben?

Wir wollen schon ein Live-Orchester benutzen, aber nur auf großen Festivals. In normalen Clubs nutzen wir eine Minidisc, welche den ganzen Chorgesang und einige Streicher enthält. Des weiteren geben wir selbst 100% für eine Show, um dem Publikum einen großartigen Abend zu bereiten. Wenn das Publikum glücklich ist, sind wir ebenfalls glücklich.

9. Möglicherweise hast du den kleinen Hype mitbekommen, den wir momentan in Deutschland mit euren Landsmännern von WITHIN TEMPTATION verfolgen können. Einige reiche Leute hatten beschlossen, ein bereits 5 Jahre altes Album (plus ein paar Singles) erneut zu veröffentlichen, haben viel Geld in Promotion investiert und nun scheint es, dass jeder Teenager ihren Namen kennt, und das Video läuft regelmäßig auf MTV und Viva. Ist dies ein Weg, um Gothic Metal/Rock populärer zu machen oder zeigt das nur die Austauschbarkeit von populärer Musik?

Ich habe kein Problem mit dieser Herangehensweise. Das ist der einzige Weg, heavy Musik ins Radio zu bekommen. Umso mehr Metal im Radio läuft, desto besser. Ich war viele Jahre verärgert über diesen ganzen Scheiss, nun ist es langsam mal Zeit, dass ein wenig gute Musik aus dem Radio kommt.
Dies zeigt in der Tat, wie austauschbar populäre Musik ist, aber wir alle wissen doch bereits seit Jahren, dass es so läuft, oder? Die meisten Leute mögen halt das, was sie öfters hören. Ich bin stolz auf die „Die Hard“- (Gothic) Metal Fans, die diese Art Musik schon seit Jahren hören. Das sind die wahren Fans, während die kommerziellen, neuen Fans genauso schnell verschwinden können, sobald der Hype vorüber ist.

10. Wie sehen deine Zukunftspläne aus?

Wir wollen eine große Clubtour in den Niederlanden, Belgien und Frankreich gegen Ende 2003 durchführen. Es wäre großartig, in Deutschland ebenfalls zu spielen, aber bisher haben wir noch keine Möglichkeiten/Angebote zu spielen. Ende 2003 werden wir ebenfalls an der neuen CD arbeiten (Ich habe bereits einiges Material geschrieben, welches wir dann ausarbeiten werden) Im Sommer 2004 wollen wir das Album dann aufnehmen.
Ein weiterer Wunsch wäre, in Brasilien zu touren oder eine europäische Tour mit NIGHTWISH und KAMELOT zu machen.

Danke für deine Zeit und viel Glück mit der Band!
Ebenfalls danke für deine Zeit und dein Interesse an uns!
Gruß Mark