Heiß auf die Sonne
Interview mit Arathorn
Pagan Metal aus Deutschland - Berlin
Pagan Metal aus Deutschland - Berlin
ARATHORN haben vor 11 Jahren ein Album herausgebracht, welches über all die Jahre hinweg ein ständiger Begleiter war. Von "zeitlos" zu sprechen, ist vielleicht übertrieben, aber fesselnd ist es in jedem Fall. Vor einigen Monaten erschien nun der Nachfolger, welcher ebenfalls hochwertig ist. Zeit also, dem Hauptdarsteller Sköll in paar Antworten zu entlocken.
Hallo Sköll, schön, dass du dir die Zeit für ein paar Fragen nimmst. Ich muss gestehen, ich war überrascht, überhaupt noch mal etwas von ARATHORN zu hören. Wie beurteilst du nach etwa einem dreiviertel Jahr „Treue und Verrat“? Wie sind die Reaktionen Außenstehender ausgefallen?
Es gab positive und negative Reaktionen auf das Album, wobei die negativen doch eher die Ausnahme waren. Die Außenstehenden, mit denen ich persönlich sprach, waren alle begeistert, und ich habe nicht eine wirklich vernichtende Kritik gehört. Was öfters mal bemängelt wurde, war der Sound (was ich durchaus nachvollziehen kann) und die vielen folkloristischen Einflüsse (was aber eher eine Geschmacksfrage ist).
Naja, eigentlich habe ich ja schon früher versucht, wieder Fahrt aufzunehmen. Nachdem meine Mitstreiter Arathorn verlassen hatten, um fortan ausschließlich bei Nox Intempesta zu spielen, habe ich versucht geeignete neue Mitstreiter zu finden. Nachdem diese Suche leider erfolglos blieb, beschloss ich Arathorn mit meinen Ideen aus Neofolk, Klassik und Pagan Metal als 1 Mann Band wieder aufleben zu lassen. Darüber hinaus bin ich manchmal auch ein kleiner Lokalpatriot und wollte meinen Teil dazu beitragen, Berlin musikalisch wieder eine Stimme zu verleihen. Es ärgert mich, wenn unbedeutende Bands sich in den Vordergrund drängen und sich wichtiger nehmen als sie eigentlich sind (hey Eugen ich denke, Du weißt wer gemeint ist). Doch zum Glück hat der mündige Hörer die Möglichkeit dies selbst zu beurteilen.
Was glaubst du, inwieweit du dich als Mensch in der Zeit seit „Niemals krönender…“ verändert hast, und wo spiegelt sich das auf dem neuen Album, für das du ja ganz allein verantwortlich bist?
Ich denke, ich bin im Laufe der Zeit etwas ernster geworden, was auch in der Musik bzw. den Texten zum Tragen kommt. Ich versuche, nicht nur zu „entertainen“, sondern möchte dem Hörer auch was mitgeben. Die Bestätigung bekomme ich, wenn ich manche Rezensionen lese und merke, dass man die Ernsthaftigkeit meines Werkes erkannt hat und positiv bewertet, dass ich nicht diese ewigen „hoch die Hörner“ Texte habe. Es ist eher ein musikalischer Geschichtsunterricht. Mir liegt unsere kulturelle Geschichte mit ihren Mythen, Heldensagen und Märchen sehr am Herzen. Sind sie doch ein Teil dessen was Deutschland, ein Land der Dichter und Denker, ausmacht. Doch leider muss ich sehen, wie viele, vor allem junge Leute davon gar nichts mehr wissen, weil es in der Schule nicht mehr gelehrt wird. Heute zählt nur noch das Neue, das Moderne. Jedoch ist dieses sehr schnell- und kurzlebig und wird so schnell verdorren wie das welke Laub im Herbst. Daher sehnen sich auch immer mehr nach etwas Beständigem und die Werte und Werke unserer Ahnen werden aus einem völlig neuen (positivem) Blickwinkel betrachtet.
Dein Klargesang beispielsweise bei „Siegfried von Xanten“ erinnert mich an Stickels Gesang bei ODROERIR, obwohl ich bei ihm noch die südthüringische Zunge höre. Dir allerdings hört man deine Berliner Herkunft nicht an. Hast du etwa bei der Vita geschummelt oder warst du in deinem früheren Leben mal Nachrichtensprecher, dass man bei dir keinen Dialekt hört?
Das haben übrigens schon viele gesagt. Da werde ich wohl nicht drum herum kommen, mir ODROERIR mal anzuhören. Nein, ich habe nicht geschummelt, bin sozusagen ein waschechter Berliner. Ich habe mir zwar noch nie darüber Gedanken gemacht, aber jetzt, wo Du es sagst: Von klein an wird uns Berlinern beigebracht, man möge doch hochdeutsch reden und nicht berlinern, das sein doch „Gossen Jargon“. Es wird einem regelrecht ausgetrieben. Warum eigentlich? Natürlich spielt der Berliner Dialekt im Alltag schon eine Rolle und wird mal mehr mal weniger praktiziert. Wenn es aber behördlich oder offiziell wird verschwindet er. Wenn man z.B. in Bayern in ein Rathaus geht, erwartet man regelrecht, dass der Beamte bayrisch redet. Dabei erfreuen sich Lieder aus dem Alten Berlin größter Beliebtheit, und die Werke von Heinrich Zille sind jedem kulturell interessierten Menschen ein Begriff. Na ja, det is halt det Los, wat wir Berliner zu tragen haben, wa.
Komm, sei ehrlich, Lieder über die Nibelungensage im Berliner Platt hätten doch bestimmt auch einen gewissen Reiz. Ich stelle mir da eine Sonderedition zum 15jährigen Bandjubiläum mit den entsprechenden Neueinspielungen vor.
Ja, das hätte bestimmt seinen Reiz. Dann muss die Musik aber vorgetragen werden, wie es ein Moritatensänger aus dem Alten Berlin getan hätte und am besten noch von einem Drehorgelspieler begleitet, ha ha. Na, da würde Bolle ja aus seinem Grab steigen und sich köstlich amüsieren. Aber Du wirst lachen, so etwas wäre gar nicht mal so einfach. Diese alten Moritaten und Berliner Lieder entstammen ja einer Zeit, wo die Berliner Zunge noch überall zu hören war. Wenn ich jetzt einen hochdeutschen Text in einen Berliner Dialekt kleiden würde, bestünde die Gefahr, dass dieser sehr gekünstelt klingen könnte. [So, liebe Leser. Wenn ihr ein solches Album entdeckt, dann bitte eine kurze Info an mich geben wegen der Credits - fs]
So eine Sonne ist doch bestimmt ziemlich heiß, meinst du nicht? Sköll würde sich doch bestimmt die Zunge verbrennen, wenn er sie frisst. Sonderlich sorgsam gehen die Menschen ja mit Mutter Natur und unserem Planeten nicht gerade um, so dass ich glaube, dass das der Grund ist, warum wir bislang von Ragnarök verschont geblieben sind. Wie siehst du als Insider das?
Ah, wie ich sehe, hat da jemand seine Hausaufgaben in Sachen „Nordische Mythologie“ gemacht. Wenn man diese Geschichte aus der Edda zu Rate zieht und sich die momentane Situation auf der Erde ansieht, bleibt nur zu hoffen, dass ihm die Sonne auch weiterhin zu heiß ist. Doch ich befürchte fast, dass sich dies eines Tages ändern wird. Dann ist ihm die Hitze egal, und Sköll wird die Sonne verschlingen (und Hati vielleicht auch den Mond, wenn dieser ihm nicht zu kalt ist)[auf der der Sonne zugewandten Seite heizt sich der Mond mangels Atmospähre auch auf etwa 180°C auf. Hoffentlich hat Hati keine Karies - fs]. Dann wird Ragnarök unausweichlich sein. Ich denke auch die Frage ist nicht ob, sondern wann. Jeder, der nicht mit Scheuklappen durch die Welt geht, wird mir Recht geben. Die Welt ist überbevölkert, die Meere sind überfischt, und ein Hektar Regenwald nach dem anderen wird abgeholzt. Des schnöden Mammons wegen werden aufgrund einer raffgierigen und beschränkten Sichtweise Lebensräume vernichtet, die danach unwiederbringlich verloren sind. Für das, was der Mensch in den letzten 100 Jahren an Veränderungen herbeigeführt hat, würde die Natur 10 000 Jahre brauchen. Die durch das Eingreifen des Menschen begünstigten Naturkatastrophen werden zunehmen, und der Mensch wird ernten, was er gesät hat.
Wie wägst du die Chancen und Risiken ab, die das Internet einer Band wie ARATHORN oder Musikern generell bietet?
Ich sehe das Internet mit gemischten Gefühlen. Auf der einen Seite bietet es dem Musiker die Möglichkeit, sich einer größeren Hörerschaft zu präsentieren, zumal das Internet das Medium (auch das Werbemedium) der Zukunft ist. Ich sage nur Myspace. Auf der anderen Seite, in Zeiten, wo das Downloaden ein Kinderspiel geworden ist, geht den Plattenfirmen doch einiges an Geld verloren, da immer mehr Leute sich online bedienen und keine CDs mehr kaufen. Sowohl große als auch kleine Plattenlabels haben Einbußen bei den CD-Verkäufen zu verzeichnen. Kleine Labels könnten mehr und mehr Probleme haben, ihren Künstlern einen angemessenen Studioaufenthalt zu finanzieren, und wer kann sich schon leisten so etwas aus eigener Tasche zu finanzieren? Die einen schaffen den Sprung in die professionelle Liga und andere dümpeln mit einer Low-Budget Produktion in einem eh nicht mehr existierenden Underground herum. Daher ist das Internet für mich ein zweischneidiges Schwert.
Was bedeutet Freiheit für dich in dieser schnelllebigen Zeit? Fühlst du dich frei in unserer Gesellschaft? Ist Freiheit nicht vielleicht doch nur eine Illusion, die uns besser schlafen lässt?
Ja, was ist Freiheit? Eine gute Frage. Ich denke Freiheit ist ein sehr individueller Begriff und wahrscheinlich muss jeder selbst entscheiden, was für ihn Freiheit bedeutet. Manche meinen man ist frei, wenn man Entscheidungen alleine treffen kann, ohne sie von jemandem diktiert zu bekommen. Aber ist man wirklich frei? Meine Meinung ist, wir sind nie wirklich frei. Was nutzt es, wenn ich z.B. ein guter Maler wäre, aber nicht die Möglichkeit habe, in diesem Beruf zu arbeiten, weil es entweder keine freien Stellen gibt oder nur Jobs in denen Dumping-Löhne bezahlt, und ich davon nicht leben kann. Stattdessen bin ich vielleicht gezwungen einen Bürojob anzunehmen, der mich anödet und mir dem größten Teil des Tages die Zeit stiehlt, mir aber mehr Geld beschert. Oder der Bankier, der ein horrendes Gehalt verdient und trotzdem nicht frei ist, weil er schon fast zwanghaft nach immer mehr strebt, obwohl er diesen erwirtschafteten Reichtum in seinem Leben eh nicht ausgeben kann. Vielleicht kann man sich selbst bis zu einem gewissen Maß so etwas wie eine eigene persönliche Freiheit in einem kleinen Rahmen schaffen. Aber manchmal ist es wohl besser, man ist ein tumber Tor, der sich der Illusion einer total freien Gesellschaft hingibt und abends ruhig schlafen geht als ein nachdenklicher Philosoph, der sich in seiner Gedankenwelt verirrt und doch sowieso nie das Licht am Ende des Tunnel sehen wird.
Natürlich haben wir aber, verglichen mit einem totalitären System wie Nord-Korea, immens viele Freiheiten. Das wollen wir auch mal festhalten.
Ich finde deine (eure) deutschen Texte sehr ausdrucksstark und bin der Meinung, dass Inhalte in der Muttersprache deutlicher vermittelt werden können. Wieso greifst du ab und an auf englische Texte zurück?
Falls Du auf „Ragnarök“ anspielst, muss ich sagen, dass dieses Lied älter ist als die Lieder von „Niemals Krönender als was einst war“ und ursprünglich komplett in Englisch war. Ich weiß auch nicht, wahrscheinlich hat man sich damals unbewusst diesem Diktat unterworfen, dass solche Musik unbedingt englische Texte haben muss. Daher war ich sehr erfreut, als dann die ganzen Norweger kamen und in ihrer Heimatsprache gesungen haben. Da habe ich gedacht, mach doch einfach ein Lied halb Deutsch halb Englisch. Es hat also keine tiefere Bedeutung. Nicht, dass ich grundsätzlich Probleme mit der Englische Sprache habe. Auf dem ersten Album gab es Texte in Deutsch, Englisch und Rumänisch. Aber ich muss Dir beipflichten, natürlich kann man einen Inhalt in seiner Muttersprache besser vermitteln als in jeder angelernten Sprache. Ich würde dieses vom Thema abhängig machen. Da das Nibelungenlied ja ein Deutsches Heldenepos ist war klar, dass nur deutsche Texte in Frage kommen. Ich will dieses großartige Werk ja nicht zu einer billigen Fantasy Komödie verkommen lassen
Wie fühlt man sich eigentlich mit so einem bärenstarken Song wie „Die Hymne des Winters Zorn“ im Rücken und der Gewissheit, etwas Großes geschaffen zu haben, welches viele Fans über Jahre hinweg begeistert? Fix von MENHIR ist auch immer noch stolz wie Bolle, wenn man ihn auf „Ihr ewigen Steine“ vom Debüt anspricht. Ist es nicht auch ätzend, wenn sich Musikredakteure auf diese Weise einzuschleimen versuchen?
Da hast Du doch glatt, wenn auch vielleicht unbewusst, den Namen eines Berliner Originals erwähnt: Bolle. Wie man sieht, hat das Lied „Bolle reiste jüngst zu Pfingsten“ doch mehr Leute erreicht, als allgemein angenommen (siehe Berliner Liedgut). Doch nun zurück zu Deiner Frage. Ich denke, dass wir mit „Hymne des Winters Zorn“ etwas einzigartiges Geschaffen haben. Mir fällt keine andere Band ein, die ein Lied geschrieben hat, was mit unserem vergleichbar ist.[oh ja - fs] Auch wenn man die Zeit bedenkt, in der besagtes Lied entstanden ist. So viele Bands gab es nicht, die deutsche Texte und klaren Gesang in ihrer Musik hatten. Ich sage dies nicht ohne Stolz, aber ich möchte mich hier von jeglicher Arroganz freisprechen, denn wenn nach 10 Jahren Leute auf mich zukommen und mir sagen wie genial sie „Hymne des Winters Zorn“ finden und, dass sie Arathorn auch nach so langer Zeit nicht vergessen haben, ist das ein Indiz für mich etwas Besonderes geschaffen zu haben. Man bedenke, in diesen 10 Jahren gab es keine Live Auftritte und lediglich zwei Interviews (für ein Fanzine namens „Fafnir“ und ein belgisches Magazin namens „Ablazine“). Teilweise kommen diese Leute sogar aus Mexico oder Japan. Dein Einschleimen sei Dir verziehen. Wie heißt es doch so schön? „Klappern gehört zum Handwerk“.
Gibt es Pläne, mit ARATHORN die Bühnen dieser Welt heimzusuchen? Ich kann mir vorstellen, dass sich mehr als nur ein Dutzend Besucher in die Hallen verirren würde.
Nein, diesbezüglich gibt es keinerlei Pläne. Das unterscheidet Arathorn von einer „richtigen“ Band. Außerdem möchte ich, wenn ich auftreten würde, auch die gleiche Stimmung rüberbringen, wie sie auch auf CD zu hören ist. Mich ärgern Bands die Live ihre Musik nur „light“ präsentieren. Ich war enttäuscht, als ich 1994 ENSLAVED zum ersten mal live sah. „Vikingligr Veldis“ lebt nun mal von der Elektronik. Ich könnte natürlich Gastmusiker engagieren (die Jungs von DIES ATER würden mir bestimmt unter die Arme greifen), aber ich finde meine Musik ist nicht unbedingt dafür geschaffen, live Stimmung zu machen. Selbst meine metallischen Lieder sind doch eher tragend und wohl mehr dafür geeignet, ein gutes Glas Rotwein oder ein gepflegtes Bier vor dem Kamin zu genießen. Ich denke, da gibt es andere Bands, die das Publikum eher live sehen möchte.
Kannst du uns einen Ausblick auf die Zukunft von ARATHORN geben? Ich hoffe, wir müssen nicht wieder 11 Jahre auf einen Nachfolger warten. Wir werden ja alle nicht jünger.
Nein, das werdet ihr wohl nicht müssen. Ich habe auch schon neue Idee, aber das ist immer so eine Sache so etwas auch vom finanziellen Aspekt her zu realisieren. Wieder 11Jahre zu warten habe auch ich keine Lust. Dann wäre meine Musik ja schon ein Anachronismus und historisch bedeutsam.
Vielen Dank für deine Antworten Sköll. Wenn ich mal in Berlin bin, komme ich mal auf einen Rehbraten mit Klößen und Rotkohl vorbei, den du so gerne kochst. Die letzten Worte gehören dir.
Danke erst mal für das Interview und die Möglichkeit, meine Musik und mich euren Lesern vorzustellen. Besonderer Dank und Gruß geht an all jene die ARATHORN in der Vergangenheit unterstützt haben und auch in Zukunft vorhaben, dies weiterhin zu tun.
Sköll
Hallo Sköll, schön, dass du dir die Zeit für ein paar Fragen nimmst. Ich muss gestehen, ich war überrascht, überhaupt noch mal etwas von ARATHORN zu hören. Wie beurteilst du nach etwa einem dreiviertel Jahr „Treue und Verrat“? Wie sind die Reaktionen Außenstehender ausgefallen?
Es gab positive und negative Reaktionen auf das Album, wobei die negativen doch eher die Ausnahme waren. Die Außenstehenden, mit denen ich persönlich sprach, waren alle begeistert, und ich habe nicht eine wirklich vernichtende Kritik gehört. Was öfters mal bemängelt wurde, war der Sound (was ich durchaus nachvollziehen kann) und die vielen folkloristischen Einflüsse (was aber eher eine Geschmacksfrage ist).
Naja, eigentlich habe ich ja schon früher versucht, wieder Fahrt aufzunehmen. Nachdem meine Mitstreiter Arathorn verlassen hatten, um fortan ausschließlich bei Nox Intempesta zu spielen, habe ich versucht geeignete neue Mitstreiter zu finden. Nachdem diese Suche leider erfolglos blieb, beschloss ich Arathorn mit meinen Ideen aus Neofolk, Klassik und Pagan Metal als 1 Mann Band wieder aufleben zu lassen. Darüber hinaus bin ich manchmal auch ein kleiner Lokalpatriot und wollte meinen Teil dazu beitragen, Berlin musikalisch wieder eine Stimme zu verleihen. Es ärgert mich, wenn unbedeutende Bands sich in den Vordergrund drängen und sich wichtiger nehmen als sie eigentlich sind (hey Eugen ich denke, Du weißt wer gemeint ist). Doch zum Glück hat der mündige Hörer die Möglichkeit dies selbst zu beurteilen.
Ich denke, ich bin im Laufe der Zeit etwas ernster geworden, was auch in der Musik bzw. den Texten zum Tragen kommt. Ich versuche, nicht nur zu „entertainen“, sondern möchte dem Hörer auch was mitgeben. Die Bestätigung bekomme ich, wenn ich manche Rezensionen lese und merke, dass man die Ernsthaftigkeit meines Werkes erkannt hat und positiv bewertet, dass ich nicht diese ewigen „hoch die Hörner“ Texte habe. Es ist eher ein musikalischer Geschichtsunterricht. Mir liegt unsere kulturelle Geschichte mit ihren Mythen, Heldensagen und Märchen sehr am Herzen. Sind sie doch ein Teil dessen was Deutschland, ein Land der Dichter und Denker, ausmacht. Doch leider muss ich sehen, wie viele, vor allem junge Leute davon gar nichts mehr wissen, weil es in der Schule nicht mehr gelehrt wird. Heute zählt nur noch das Neue, das Moderne. Jedoch ist dieses sehr schnell- und kurzlebig und wird so schnell verdorren wie das welke Laub im Herbst. Daher sehnen sich auch immer mehr nach etwas Beständigem und die Werte und Werke unserer Ahnen werden aus einem völlig neuen (positivem) Blickwinkel betrachtet.
Dein Klargesang beispielsweise bei „Siegfried von Xanten“ erinnert mich an Stickels Gesang bei ODROERIR, obwohl ich bei ihm noch die südthüringische Zunge höre. Dir allerdings hört man deine Berliner Herkunft nicht an. Hast du etwa bei der Vita geschummelt oder warst du in deinem früheren Leben mal Nachrichtensprecher, dass man bei dir keinen Dialekt hört?
Das haben übrigens schon viele gesagt. Da werde ich wohl nicht drum herum kommen, mir ODROERIR mal anzuhören. Nein, ich habe nicht geschummelt, bin sozusagen ein waschechter Berliner. Ich habe mir zwar noch nie darüber Gedanken gemacht, aber jetzt, wo Du es sagst: Von klein an wird uns Berlinern beigebracht, man möge doch hochdeutsch reden und nicht berlinern, das sein doch „Gossen Jargon“. Es wird einem regelrecht ausgetrieben. Warum eigentlich? Natürlich spielt der Berliner Dialekt im Alltag schon eine Rolle und wird mal mehr mal weniger praktiziert. Wenn es aber behördlich oder offiziell wird verschwindet er. Wenn man z.B. in Bayern in ein Rathaus geht, erwartet man regelrecht, dass der Beamte bayrisch redet. Dabei erfreuen sich Lieder aus dem Alten Berlin größter Beliebtheit, und die Werke von Heinrich Zille sind jedem kulturell interessierten Menschen ein Begriff. Na ja, det is halt det Los, wat wir Berliner zu tragen haben, wa.
Komm, sei ehrlich, Lieder über die Nibelungensage im Berliner Platt hätten doch bestimmt auch einen gewissen Reiz. Ich stelle mir da eine Sonderedition zum 15jährigen Bandjubiläum mit den entsprechenden Neueinspielungen vor.
Ja, das hätte bestimmt seinen Reiz. Dann muss die Musik aber vorgetragen werden, wie es ein Moritatensänger aus dem Alten Berlin getan hätte und am besten noch von einem Drehorgelspieler begleitet, ha ha. Na, da würde Bolle ja aus seinem Grab steigen und sich köstlich amüsieren. Aber Du wirst lachen, so etwas wäre gar nicht mal so einfach. Diese alten Moritaten und Berliner Lieder entstammen ja einer Zeit, wo die Berliner Zunge noch überall zu hören war. Wenn ich jetzt einen hochdeutschen Text in einen Berliner Dialekt kleiden würde, bestünde die Gefahr, dass dieser sehr gekünstelt klingen könnte. [So, liebe Leser. Wenn ihr ein solches Album entdeckt, dann bitte eine kurze Info an mich geben wegen der Credits - fs]
So eine Sonne ist doch bestimmt ziemlich heiß, meinst du nicht? Sköll würde sich doch bestimmt die Zunge verbrennen, wenn er sie frisst. Sonderlich sorgsam gehen die Menschen ja mit Mutter Natur und unserem Planeten nicht gerade um, so dass ich glaube, dass das der Grund ist, warum wir bislang von Ragnarök verschont geblieben sind. Wie siehst du als Insider das?
Ah, wie ich sehe, hat da jemand seine Hausaufgaben in Sachen „Nordische Mythologie“ gemacht. Wenn man diese Geschichte aus der Edda zu Rate zieht und sich die momentane Situation auf der Erde ansieht, bleibt nur zu hoffen, dass ihm die Sonne auch weiterhin zu heiß ist. Doch ich befürchte fast, dass sich dies eines Tages ändern wird. Dann ist ihm die Hitze egal, und Sköll wird die Sonne verschlingen (und Hati vielleicht auch den Mond, wenn dieser ihm nicht zu kalt ist)[auf der der Sonne zugewandten Seite heizt sich der Mond mangels Atmospähre auch auf etwa 180°C auf. Hoffentlich hat Hati keine Karies - fs]. Dann wird Ragnarök unausweichlich sein. Ich denke auch die Frage ist nicht ob, sondern wann. Jeder, der nicht mit Scheuklappen durch die Welt geht, wird mir Recht geben. Die Welt ist überbevölkert, die Meere sind überfischt, und ein Hektar Regenwald nach dem anderen wird abgeholzt. Des schnöden Mammons wegen werden aufgrund einer raffgierigen und beschränkten Sichtweise Lebensräume vernichtet, die danach unwiederbringlich verloren sind. Für das, was der Mensch in den letzten 100 Jahren an Veränderungen herbeigeführt hat, würde die Natur 10 000 Jahre brauchen. Die durch das Eingreifen des Menschen begünstigten Naturkatastrophen werden zunehmen, und der Mensch wird ernten, was er gesät hat.
Wie wägst du die Chancen und Risiken ab, die das Internet einer Band wie ARATHORN oder Musikern generell bietet?
Ich sehe das Internet mit gemischten Gefühlen. Auf der einen Seite bietet es dem Musiker die Möglichkeit, sich einer größeren Hörerschaft zu präsentieren, zumal das Internet das Medium (auch das Werbemedium) der Zukunft ist. Ich sage nur Myspace. Auf der anderen Seite, in Zeiten, wo das Downloaden ein Kinderspiel geworden ist, geht den Plattenfirmen doch einiges an Geld verloren, da immer mehr Leute sich online bedienen und keine CDs mehr kaufen. Sowohl große als auch kleine Plattenlabels haben Einbußen bei den CD-Verkäufen zu verzeichnen. Kleine Labels könnten mehr und mehr Probleme haben, ihren Künstlern einen angemessenen Studioaufenthalt zu finanzieren, und wer kann sich schon leisten so etwas aus eigener Tasche zu finanzieren? Die einen schaffen den Sprung in die professionelle Liga und andere dümpeln mit einer Low-Budget Produktion in einem eh nicht mehr existierenden Underground herum. Daher ist das Internet für mich ein zweischneidiges Schwert.
Was bedeutet Freiheit für dich in dieser schnelllebigen Zeit? Fühlst du dich frei in unserer Gesellschaft? Ist Freiheit nicht vielleicht doch nur eine Illusion, die uns besser schlafen lässt?
Ja, was ist Freiheit? Eine gute Frage. Ich denke Freiheit ist ein sehr individueller Begriff und wahrscheinlich muss jeder selbst entscheiden, was für ihn Freiheit bedeutet. Manche meinen man ist frei, wenn man Entscheidungen alleine treffen kann, ohne sie von jemandem diktiert zu bekommen. Aber ist man wirklich frei? Meine Meinung ist, wir sind nie wirklich frei. Was nutzt es, wenn ich z.B. ein guter Maler wäre, aber nicht die Möglichkeit habe, in diesem Beruf zu arbeiten, weil es entweder keine freien Stellen gibt oder nur Jobs in denen Dumping-Löhne bezahlt, und ich davon nicht leben kann. Stattdessen bin ich vielleicht gezwungen einen Bürojob anzunehmen, der mich anödet und mir dem größten Teil des Tages die Zeit stiehlt, mir aber mehr Geld beschert. Oder der Bankier, der ein horrendes Gehalt verdient und trotzdem nicht frei ist, weil er schon fast zwanghaft nach immer mehr strebt, obwohl er diesen erwirtschafteten Reichtum in seinem Leben eh nicht ausgeben kann. Vielleicht kann man sich selbst bis zu einem gewissen Maß so etwas wie eine eigene persönliche Freiheit in einem kleinen Rahmen schaffen. Aber manchmal ist es wohl besser, man ist ein tumber Tor, der sich der Illusion einer total freien Gesellschaft hingibt und abends ruhig schlafen geht als ein nachdenklicher Philosoph, der sich in seiner Gedankenwelt verirrt und doch sowieso nie das Licht am Ende des Tunnel sehen wird.
Natürlich haben wir aber, verglichen mit einem totalitären System wie Nord-Korea, immens viele Freiheiten. Das wollen wir auch mal festhalten.
Ich finde deine (eure) deutschen Texte sehr ausdrucksstark und bin der Meinung, dass Inhalte in der Muttersprache deutlicher vermittelt werden können. Wieso greifst du ab und an auf englische Texte zurück?
Falls Du auf „Ragnarök“ anspielst, muss ich sagen, dass dieses Lied älter ist als die Lieder von „Niemals Krönender als was einst war“ und ursprünglich komplett in Englisch war. Ich weiß auch nicht, wahrscheinlich hat man sich damals unbewusst diesem Diktat unterworfen, dass solche Musik unbedingt englische Texte haben muss. Daher war ich sehr erfreut, als dann die ganzen Norweger kamen und in ihrer Heimatsprache gesungen haben. Da habe ich gedacht, mach doch einfach ein Lied halb Deutsch halb Englisch. Es hat also keine tiefere Bedeutung. Nicht, dass ich grundsätzlich Probleme mit der Englische Sprache habe. Auf dem ersten Album gab es Texte in Deutsch, Englisch und Rumänisch. Aber ich muss Dir beipflichten, natürlich kann man einen Inhalt in seiner Muttersprache besser vermitteln als in jeder angelernten Sprache. Ich würde dieses vom Thema abhängig machen. Da das Nibelungenlied ja ein Deutsches Heldenepos ist war klar, dass nur deutsche Texte in Frage kommen. Ich will dieses großartige Werk ja nicht zu einer billigen Fantasy Komödie verkommen lassen
Da hast Du doch glatt, wenn auch vielleicht unbewusst, den Namen eines Berliner Originals erwähnt: Bolle. Wie man sieht, hat das Lied „Bolle reiste jüngst zu Pfingsten“ doch mehr Leute erreicht, als allgemein angenommen (siehe Berliner Liedgut). Doch nun zurück zu Deiner Frage. Ich denke, dass wir mit „Hymne des Winters Zorn“ etwas einzigartiges Geschaffen haben. Mir fällt keine andere Band ein, die ein Lied geschrieben hat, was mit unserem vergleichbar ist.[oh ja - fs] Auch wenn man die Zeit bedenkt, in der besagtes Lied entstanden ist. So viele Bands gab es nicht, die deutsche Texte und klaren Gesang in ihrer Musik hatten. Ich sage dies nicht ohne Stolz, aber ich möchte mich hier von jeglicher Arroganz freisprechen, denn wenn nach 10 Jahren Leute auf mich zukommen und mir sagen wie genial sie „Hymne des Winters Zorn“ finden und, dass sie Arathorn auch nach so langer Zeit nicht vergessen haben, ist das ein Indiz für mich etwas Besonderes geschaffen zu haben. Man bedenke, in diesen 10 Jahren gab es keine Live Auftritte und lediglich zwei Interviews (für ein Fanzine namens „Fafnir“ und ein belgisches Magazin namens „Ablazine“). Teilweise kommen diese Leute sogar aus Mexico oder Japan. Dein Einschleimen sei Dir verziehen. Wie heißt es doch so schön? „Klappern gehört zum Handwerk“.
Gibt es Pläne, mit ARATHORN die Bühnen dieser Welt heimzusuchen? Ich kann mir vorstellen, dass sich mehr als nur ein Dutzend Besucher in die Hallen verirren würde.
Nein, diesbezüglich gibt es keinerlei Pläne. Das unterscheidet Arathorn von einer „richtigen“ Band. Außerdem möchte ich, wenn ich auftreten würde, auch die gleiche Stimmung rüberbringen, wie sie auch auf CD zu hören ist. Mich ärgern Bands die Live ihre Musik nur „light“ präsentieren. Ich war enttäuscht, als ich 1994 ENSLAVED zum ersten mal live sah. „Vikingligr Veldis“ lebt nun mal von der Elektronik. Ich könnte natürlich Gastmusiker engagieren (die Jungs von DIES ATER würden mir bestimmt unter die Arme greifen), aber ich finde meine Musik ist nicht unbedingt dafür geschaffen, live Stimmung zu machen. Selbst meine metallischen Lieder sind doch eher tragend und wohl mehr dafür geeignet, ein gutes Glas Rotwein oder ein gepflegtes Bier vor dem Kamin zu genießen. Ich denke, da gibt es andere Bands, die das Publikum eher live sehen möchte.
Kannst du uns einen Ausblick auf die Zukunft von ARATHORN geben? Ich hoffe, wir müssen nicht wieder 11 Jahre auf einen Nachfolger warten. Wir werden ja alle nicht jünger.
Nein, das werdet ihr wohl nicht müssen. Ich habe auch schon neue Idee, aber das ist immer so eine Sache so etwas auch vom finanziellen Aspekt her zu realisieren. Wieder 11Jahre zu warten habe auch ich keine Lust. Dann wäre meine Musik ja schon ein Anachronismus und historisch bedeutsam.
Vielen Dank für deine Antworten Sköll. Wenn ich mal in Berlin bin, komme ich mal auf einen Rehbraten mit Klößen und Rotkohl vorbei, den du so gerne kochst. Die letzten Worte gehören dir.
Danke erst mal für das Interview und die Möglichkeit, meine Musik und mich euren Lesern vorzustellen. Besonderer Dank und Gruß geht an all jene die ARATHORN in der Vergangenheit unterstützt haben und auch in Zukunft vorhaben, dies weiterhin zu tun.
Sköll