Zombies, schwangere Frauen, Schulfrei und der Vietcong


Interview mit Gama Bomb
Thrash Metal aus Großbritannien - Newry, Nordirland
Interview mit Philly Byrne (v.), Dominic „Domo“ Dixon (g.), Luke Graham (g.) und Joe McGuigan (b. + v.) von GAMA BOMB am 27.11.2009 in Chemnitz im Bunker für die Radiosendung Mosh-Club auf Radio T in Chemnitz: www.mosh-club.de.vu und www.radiot.de
Auf der Seite der Sendung könnt ihr euch das Interview als mp3 runterladen.

Wie läuft denn die Tour bisher?

Luke:
Sehr gut. (alle lachen)

Joe:
Wir hatten ein paar sehr gute Konzerte. Wir haben in UK angefangen, eine Woche dort gespielt, dann hatten wir ein paar sehr gute Konzerte in Spanien und dann Frankreich, was auch sehr gut lief. In Belgien hatten wir einen Auftritt und bisher zwei Konzerte in Deutschland.

Philly: Bisher haben wir sehr viel Spaß gehabt.

Ihr tourt ohne eine zweite Band und spielt nur mit örtlichen Vorgruppen, warum?

Joe:
Wir wollten eigentlich, dass SSS aus England mit uns kommen. Aber das hat wegen der Booking Agentur und unserem Haus (wir sitzen in einem ziemlich kleinen Wohnmobil, bjg) nicht funktioniert. Wir wünschten, es hätte geklappt, denn nur mit lokalen Bands zu spielen, nervt ein bisschen.

Philly: Aber man lernt dazu. Das nächste Mal bringen wir noch eine andere Band mit, die auch ein paar Leute zieht.

Was für lokale Bands werden denn so dazu gebucht? Heute ist es nämlich eine Deathcore Band, für die schon viele Kids draußen stehen und drauf warten.

Philly:
Meistens Thrash, wir hatten aber auch schon eine Atmospheric Band und Grindcore dabei, aber meistens sind es Thrash Metal Bands. Meistens bekommen die Promoter das hin und buchen junge Thrash Bands dazu.

Joe: Es waren auch schon einige gute Bands dabei, FULL ASSAULT, PURPLE RAZORS und INFINITE TRANSLATION aus Frankreich.

Philly: Die waren exzellent, aus Lille kommen die.

Im Februar wart ihr auf Tour mit EXODUS und OVERKILL, wie war das?

Philly:
Fantastisch. Das war bisher die Tour mit dem meisten Spaß. Es war einfach perfekt für uns, da wir eigentlich alle ziemlich faul sind. Wir haben eine halbe Stunde gespielt, konnten uns dann betrinken, OVERKILL und EXODUS anschauen und uns nach Mädels umschauen.

Joe: Wir haben ja schon letztes Jahr in UK mit EXODUS gespielt, kannten sie also schon und es ging sehr familiär zu. OVERKILL hatten wir aber noch nie live gesehen und wussten nicht, was uns erwarten würde … und wow, sie haben uns weggeblasen und wir haben sie uns jeden Abend angeschaut.

Philly: 13 Auftritte haben wir gesehen.

Die sind einfach nicht in der Lage schlechte Auftritte abzuliefern.

Philly:
Ja, das ist nicht möglich. Ich wünschte wir wären auch so.

Ihr habt nun die dritte CD draußen, könnt ihr von Bands wie OVERKILL und EXODUS noch etwas lernen oder habt ihr vielleicht sogar konkret was auf der Tour gelernt?

Philly:
Auf jeden Fall, das ist fast ein Witz, denn ich hab so viel von OVERKILLs Bobby gestohlen: fast alle seine Bewegungen und Gesangstechniken.

Domo: Du hast das ja auch zu Bobby gesagt, und er fragte nur: „Denkst du, ich hab das alles alleine erfunden?“

Philly: Ich komme eigentlich vom Death Metal und dann habe ich mir von Livevideos alle Sachen von Bobby abgeguckt und das funktioniert sehr gut. Es hat mich auf der Bühne auf jeden Fall ein Stück nach vorne gebracht. Ich merke aber auch, wie ich mich immer noch weiterentwickle.

Luke: Es war aber auch nicht so, dass wir mit heruntergeklappter Kinnlade dort gestanden haben und alles abgeguckt haben. Es gab Sachen, wie den Gitarrensound, die wir ganz anders haben wollten und wo wir unseren eigenen Weg gegangen sind.

Gibt es eigentlich schon Pläne für eine Tour im nächsten Jahr?

Philly:
Ja, wir wollen auf jeden Fall zusammen mit einer anderen Band zurückkommen. Aber mehr sag ich mal lieber nicht, falls es nicht klappt und wir dann dumm aussehen.
Es gibt aber einen Plan für den März, danach wollen wir nach Südamerika und dann die Sommerfestivals in Europa spielen, die letztes Jahr auf jeden Fall sehr gut waren. Zu Beginn des Jahres wollen wir es aber ein bisschen ruhiger angehen lassen, um in unser normales Leben zurückzukommen, denn seit Juni oder Juli sind wir eigentlich dauernd mit der Band beschäftigt gewesen. Erst haben wir für das Album geprobt, dann das Album aufgenommen, und zwei Wochen danach waren wir schon wieder unterwegs auf Tour.

Was benötigt ihr auf Tour um zu überleben?

Philly:
Ah, Obst auf jeden Fall.

Luke: Socken.

Philly: Saubere Socken, Wasser, Toilettenpapier.
Du dachtest wohl wir würden nur so Sachen wie Whiskey und Bier sagen, wobei Bier auch sehr wichtig ist. Schlaf ist wichtig und auch ein Buch ist auf Tour unglaublich wichtig.

Domo: Duschen.

Philly: Duschen sind auch wichtig, in den UK gibt es keine Raststätten wie in Deutschland mit Duschen. Wir haben eine Woche dort getourt und haben gestunken...

(alle lachen böse)

Wir haben so gestunken, dass ich mich irgendwann in einem Laden auf der Mitarbeiter Toilette eingeschlossen hab und mich im Waschbecken gewaschen hab. Was ist denn noch so wichtig?

Domo: Anschnallgurte.

Philly: Ja, Anschnallgurte. Geduld braucht man auch, jede Menge Geduld. Einen Sinn für Humor sollte man auch haben und dann ganz zum Schluss drei Kisten Bier pro Tag.

Luke: Und möglicherweise auch noch ein paar Pornos?

Philly: Pornos bringen nur Probleme, sie machen dein Herz wehmütig, und man sitzt den ganzen Tag da und überlegt. Pornos sind also nicht zu empfehlen.

Dann kommen wir mal zu „Tales from the grave in space“. Wer kam auf die Idee das Album kostenlos zum Download bereitzustellen?

Philly:
Wir.

Und wie habt ihr Earache Records dazu überreden können?

Philly:
Dazu brauchte es keine große Überzeugungskraft.
Ich weiß nicht mehr genau wie alles abgelaufen ist, aber Joe und ich kamen wohl auf die Idee das Album zum freien Download anzubieten. Gleichzeitig kam auch bei Earache die Idee auf, und wir haben bei einem unserer Konzerte in London jemanden von der Plattenfirma an der Bar getroffen:
„Macht ihr dieses Jahr noch ein Album?“
„Ja und wir wollen es kostenlos zum Download stellen.“
„Okay, könnt ihr so machen, das probieren wir mal aus. Wir haben schon seit einer Ewigkeit nach einer Band gesucht, die das mal ausprobieren will.“

Für uns war das keine schwierige Frage, wir erreichen so viel mehr Leute und es kann ein großer Schritt nach vorne mit der Band sein. Außerdem kostet es uns ja nichts.

Joe: Als Luke und ich jünger waren und NUCLEAR ASSAULT Fans wurden, haben wir uns das „Survive“ Album bei einem Plattenhändler kaufen müssen, der per Fähre aus England rüberkam. Dann haben wir acht Monate warten müssen bis der Händler wiederkam um „Handle with care“ als Vinylversion bekommen zu können. Wenn man nun heutzutage eine Band wie HELSTAR und ihr Album „A Distant Thunder“ entdeckt, kann man sich einfach das nächste Album runterladen, und wenn es einem gefällt, geht man in den Laden und kauft es. So sollte man es als Musikfan eigentlich tun. Außedem wird auch so viel veröffentlicht, für das man nicht bereit ist 15€ zu bezahlen.

Domo: Ohne das Internet wäre ich zum Beispiel nie auf die Band BRAIN IMPLOSION und ihre EP gestoßen.

Philly: So funktioniert das mittlerweile. Seitdem wir das Album veröffentlicht haben, sind 90% der Reaktionen auf den Konzerten euphorisch, und 10% haben es noch nicht gehört, weil sie Downloads generell ablehnen. Das finde ich auch sehr okay. Ich denke die ganze Diskussion, ob Downloads gut oder schlecht sind, wird einem in der Zukunft lächerlich vorkommen. In den 1920ern ist auch mal behauptet worden, dass Rauchen für schwangere Frauen gut wäre.

Joe: Wir haben aber auch schon sehr negative Reaktionen erhalten. Ich habe mich neulich mit einem Typen unterhalten und ihm erzählt, dass es das Album nur als Download geben würde. Seine Reaktion war, als wenn wir dem Vietcong helfen würden, aber man bekommt durch Verbote die alten Zeiten nicht mehr zurück, wo eine Band wie AGENT STEEL 100.000 Alben verkaufen konnte. Das hat etwas mit der Downloadproblematik zu tun, aber gute Alben werden trotzdem immer noch gekauft.

Wisst ihr eigentlich eine Zahl, wie oft das Album heruntergeladen worden ist?

Philly<:
Es müssten so 12.000 Downloads in den ersten 2,5 Wochen nach dem Release gewesen sein. Das ist ganz gut, denn wir verraten ja kein Geheimnis, dass wir von der letzten CD nicht annähernd so viele Exemplare verkauft haben. Wir sind zufrieden, unser Label ist zufrieden und wir haben unsere Reichweite damit verdoppelt. Ein gutes Gefühl zu wissen, dass die Aktion was gebracht hat.

Verkauft ihr es denn auf dieser Tour schon als CD?

Philly:
Nein.

Also ist es dann erst im Januar im Handel erhältlich.

Philly:
Ja, Ende Januar als LP, CD und als Boxset. Ich hab mir das Boxset letztens in London schon angucken können, sieht fein aus.

Joe: Das war auch die Idee hinter dem Download, dass viele Leute mit dem Format der CD und des Booklets unzufrieden sind. Wenn wir das Album also auf CD veröffentlichen, sollte so viel cooles Zeug wie möglich dabei sein.

Als ihr die Band gegründet habt, wer kam da mit der Idee an Lieder über Monster, Zombies und all den Kram zu schreiben?

Philly:
Das kam ganz natürlich, oder?

Luke: Das war halt der Stoff, für den wir uns alle interessiert haben, bei regnerischem Wetter haben wir zusammen gesessen und Zombie Filme geschaut. Und dann haben wir irgendwann angefangen, auch darüber Songs zu schreiben.

Philly: Die ersten beiden Songs waren „Survival Option“ und „Mutually Assured Destruction“ und beide über Nuklearkriege. Die erste Woche wollten wir eigentlich das zum Konzept machen - wie NUCLEAR ASSAULT, aber dann haben wir angefangen über Zombies zu schreiben und, um ehrlich zu sein, könnten wir bei keinem anderen Thema so enthusiastisch sein.

Joe: Hör dir doch nur mal „... and Justice for all“ an, da ist nichts besonderes an den Texten. Die Texte von NUCLEAR ASSAULT auf „Survive“ sind schon fast künstlerisch.

Philly: Wir wären jetzt nicht hier, würden wir Texte über Satan und sowas schreiben. Dann wäre die Band schon lange zerbrochen, weil wir uns nicht hätten identifizieren können.

Joe: Luke, würdest du zustimmen, dass wir damals zu Beginn wie „Rust in Peace“ klingen wollten, aber mit anderen Texten.

Luke: Ja, wir haben angefangen Thrash Metal zu spielen, weil wir Thrash Metal mochten. Das ist auch der Grund für unsere Texte, denn wir mochten Zombiefilme und Comics.

Joe: Das verlief alles ganz natürlich, wir wollten damals beim Start nicht so klingen, wie wir es jetzt tun. Wir wollten eigentlich wie MEGADETH klingen.

Viele Thrash Metal Bands schreiben über Politik und sozialpolitische Themen. Das war für euch aber nie ein Thema?

Philly:
Wir haben Songs dazu, auf jedem Album einen. Das machen wir aber nur, wenn wir etwas finden, das auch zu uns und dem Rest des Albums passt. Wir haben eine starke antifaschistische Einstellung und dazu haben wir einen Song auf dem ersten Album und auf dem aktuellen einen gegen die extreme Europäische Rechte, die gerade wieder stärker wird.
Wir fühlen uns bei den politischen Themen sicher und vielleicht haben wir in Zukunft mehr Themen dazu, aber noch sind wir ganz zufrieden mit unseren jetzigen Texten, die jeder für sich eine abgeschlossene Geschichte erzählen.

Joe: Für viele Leute ist es nicht relevant über was wir schreiben. Sie sagen nicht, dass unsere Texte dumm sind, weil wir über witzige Sachen schreiben. Die Texte sind einfach wie Stephen King oder Comics zur Unterhaltung gedacht.
Es gibt ja auch kein Gesetz im Heavy Metal Handbuch, das man Texte über geistig verwirrte Personen nicht schreiben darf, weil Ronnie James Dio das auch nie gemacht hat.

Philly: Und das ist es, was mich am Black Metal so anödet. Die Texte drehen sich immer wieder um das gleiche Thema, wobei unsere Texte voller Ideen stecken. Jeder Song ist voll mit Anspielungen auf andere Themen und voll mit Wortspielen. Ich weiß zwar oft auch nicht so genau, was ich sagen will … (alle lachen) aber wir sind cool. (alle lachen)

Ihr seid ursprünglich aus Nordirland und habt mittlerweile auch zwei Leute aus Dublin dabei. Wir seid ihr mit ihnen in Kontakt gekommen?

Luke:
Wir haben mit der Thrash Band MASS EXTINCTION aus Dublin gespielt und unser jetziger Schlagzeuger Paul ist der Bruder von derem Bassisten. Wir waren auf der Suche nach einem neuen Schlagzeuger, haben ihn auf den Hinterkopf geschlagen, nach Newry geschliffen und ihn dazu gebracht in die Band einzusteigen.

Domo: Ich war auch auf dem Konzert und es lies mich aufhorchen. Als ich dann hörte, dass sie einen neuen Gitarristen suchen, hab ich einfach mal angerufen.

Philly: Eigentlich mochte uns nur seine Freundin: „Diese Typen sind wirklich gut, Domo.“ Und er dachte nur, „Wer?“

Ich hab auch gefragt weil ich keine Ahnung habe wie es ist in Nordirland in einer Stadt wie Newry zu leben, die nah an der Grenze ist.

Philly:
Newry ist schön, dort zu leben ist wie überall sonst auch.
Als wir Kinder waren, war es noch anders. Da war es gefährlicher, aber als Kind nimmt man das wohl nicht so bewusst war. Wenn man das dann Leuten aus anderen Ländern erzählt, hört es sich nach Sarajevo oder so an. Natürlich gab es Bomben und an jeder Ecke Kontrollpunkte.
Ein gutes Beispiel ist vielleicht das der Cloughoge Grundschule, die hinter einem Hügel liegt. Auf dem Hügel stand ein Wachturm und eine Straßensperre und all der ganze andere Kram der Armee, dahinter war die Cloughoge Grundschule. Die IRA hat also ein oder zweimal im Jahr versucht eine Bombe auf den Hügel zu schießen, um den Turm zu sprengen. Die Bombe ist aber jedes Mal abgeprallt und hat oft einen Teil der Schule gesprengt.

Joe: Das ist mir passiert, wir wohnten früher neben der Polizei und die IRA hat eine Bombe dagegen geworfen, die abgeprallt ist und unser Haus in die Luft gejagt hat.

Philly: Heutzutage lachen wir darüber, die Erwachsenen müssen sich damals immer große Sorgen gemacht haben, dass die IRA immer die Schulen trifft. Wir waren als Kinder eigentlich nur immer sauer, dass unsere Schule nie bombardiert worden ist und nur immer die anderen Kinder schulfrei hatten. Aber heutzutage ist das nicht mehr so und Newry ist ein ganz netter Ort, vor allem für Kinder um dort aufzuwachsen. Es gibt dort genauso viele Arschlöcher wie auch überall sonst.

Dann dürfte ihr euch zum Abschluss des Interviews ein Lied einer anderen Band wünschen.

Philly:
Also ich würde gerne „Stand up and shout“ von DIO hören.

Ist das okay für alle? (großes Nicken)

Philly:
Wir haben gehört Dio ist krank.

Joe: Gute Besserung, Ronnie James Dio.

Philly: Wir lieben dich, Dio.
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