Bullet Enforcer & Skull Fist

Bullet, Enforcer & Skull Fist

BulletEnforcerSkull Fist
Köln, Underground
12.04.2011
Jahrelang ist man überzeugt, der Poser ist ein Meister aus Deutsch- oder Manowarland oder – wenn man ein paar Nägel und unbunte Schminke addiert – Norwegen, und dann feiern ein Haufen Schweden und paar Kanadier ein Eierkneiferhosen-, Leder- und Kuttenfest allererster Güte. Ganz nebenbei unterstreicht der doppelte Besuch der Tour von BULLET, ENFORCER und SKULL FIST in Essen und Köln, was 75 km Distanz beim Publikum ausmachen können und mit großer Sicherheit auch, dass ein Samstagabend anders begossen wird als ein Dienstag.

Eröffnet wird die wilde Sause von den jungen Kanadiern SKULL FIST, die vorher wohl nur den wenigsten bekannt waren. Während sie in Essen das schon früh gut gefüllte Turock aus dem Stand in bemerkenswerter Deutlichkeit hinter sich wissen und die Refrains von „Sign Of The Warrior“ oder „No False Metal“ mitgegrölt werden – annähernd so hoch zu kreischen wie Sänger Jackie Slaughter versucht zum Glück niemand -, betrachten viele Kölner das euphorisch aufspielende und fast schon überkandidelte Quartett deutlich reservierter und drücken ihre Zustimmung mehrheitlich vor allem mit Applaus aus. Dabei ist der Sound in Köln wesentlich weniger – im wahrsten Sinne – ohrenbetäubend und Jackie sieht ohne das zerfetzte Shirt und die karnevalistische Cowboyfransen-Unterarmschelle längst nicht so absurd aus wie drei Tage zuvor. Am Ende der 30minütigen „No False Metal“ Therapie ist man sich aber hüben wie drüben einig, dass SKULL FIST live richtig Spaß machen und man sich auf die angekündigte Scheibe freuen darf.

Das Interesse für ENFORCER ist in beiden Städten gefühlt auf einem dem Headliner recht nah kommenden Level. Da passt es äußerst gut, dass die schwedischen NWOBHM-Verehrer an beiden Abenden vor Lust fast Funken sprühen. Besonders Bassist Tobias Lindkvist und Frontmann Olof Wikstrand, der als Simon Gosejohann im Glamlook durchgehen könnte, gehen auf der Bühne voll auf und stacheln das Publikum sowie sich gegenseitig zu Daueralarm an. Obwohl er bei der Königsdisziplin „synchrones Gitarrenhochreißen“ selbstverständlich auch dabei ist, wirkt Leadgitarrist Joseph Toll mit seinem verschmitzten Grinsen dagegen fast schon introvertiert, gönnt sich in Köln bei einem Ausflug in Richtung Mischpult aber ein überraschendes Bad in der sehr angetanen Menge. Das einstündige rauschende Fest belegt mit den lauthals mitgesungenen Krachern und Publikumslieblingen „Midnight Vice“, „Roll The Dice“ und „Katana“ nicht nur die bekannte Stärke des letzten Album „Diamonds“, auch der weniger bekannte Vorgänger „Into The Night“ wird ausgiebig bedacht, samt der gefeierten abschließenden Zugabe „Evil Attacker“. Einziger Wermutstropfen ist bei beiden Auftritten der Verzicht auf „Walk With Me“, das laut Bassist Tobias vor der Tour nicht genug geübt wurde, um es live zu spielen. Davon (und von der wahnwitzigen Lautstärke in Essen) abgesehen gibt es an zwei großartigen Auftritten dieser tollen Band absolut nichts auszusetzen.

Dass BULLET keine gewöhnliche Band sind, konnte man sich, ohne sie je live gesehen zu haben, anhand der Geschichten über ihren Partybus und dem Mitveranstalten des Muskelrock Festivals bereits ausmalen, aber wie die schwedische Hard Rock Truppe optisch selbst auf so einer kleinen Bühne wie im Underground Ausrufezeichen setzt ist bemerkenswert. Neben den roten und blauen, sich drehenden Polizeiwagenlampen auf den Boxen und dem (zumindest von mir auf dieser Bühne) nie zuvor gesehen Einsatz kleiner Flammenwerfer während einiger Lieder sticht vor allem der wunderbare Backdrop hervor - ein aus vielen Glühbirnen bestehendes BULLET-Schild mit leichtem Kirmesflair. Natürlich wäre das alles wenig wert, wenn die Band es nicht mit entsprechender Musik ausfüllen könnte, aber das gelingt dem Nieten- & Lederkommando auch ohne ihren von THIN LIZZY bis MANOWAR alles abdeckenden Look spielerisch. Allesamt sind die Schweden im besten Sinne große Poser vor dem Herrn und die Eingängigkeit der schwungvoll vorgetragenen Hymnen reißt selbst nicht hundertprozentig mit dem Bandkatalog Vertraute wie mich sofort mit. Die sich weit in AC/DC Richtung bewegende Stimme von Mikrotroll Hell Hofer und die schicke Idee, den größten Bandhit „Bite The Bullet“ durch den entsprechenden Schriftzug auf dem Rücken der Gitarren und des Bass zu würdigen, tun ihr übriges, um den Saal sowohl in Essen als auch in Köln zum Glühen zu bringen. Als nach einer Stunde Schluss ist, sieht ein Teil der Zuschauer zwar fast noch abgekämpfter als die Band aus, ein kleines „Schon?“ zeichnet sich aber zumindest in meinem Gesicht ab.

Während man sich im Rheinland offenbar weniger gern von vorher Unbekanntem mitreißen lässt und es in Essen etwas voller, was sowohl den Veranstaltungsort als auch der Zustand der Zuschauer betrifft, und vielleicht deshalb eine ganze Ecke enthusiastischer war, war der Zuspruch für die Bands und die allgemeine Stimmung an beiden Abenden doch sehr gut bis hervorragend und damit der bisher besten Tour des Jahres voll angemessen.


Fotos aus dem Turock in Essen: Daniel Horlbogen - Danke!
Weitere Pics unter www.live-frenzy.de

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