Hat der alte Saitenmeister sich doch einmal weg begeben, und nun sollen seine Saiten auch nach meinem Willen… Nein, passend ist diese Einleitung hier eigentlich nicht, denn IMPELLITTERI tragen ihren Namen immer noch wegen & mit Bandchef und Gitarrenhexer Chris Impellitteri, der aus unerfindlichen Gründen in Europa vom Bekanntheitsgrad nicht annähernd mit zum Beispiel einem Herrn Malmsteen mithalten kann. Dabei ist „Wicked Maiden“ bereits das 9. Studioalbum von IMPELLITTERI, und nach zwei Experimenten bei den letzten Alben ist der Sänger ans Mikrofon zurückgekehrt, der zur Zeit scheinbar mindestens die Hälfte aller aus Übersee kommenden Alben im Melodic & Heavy Bereich einsingt: Rob Rock.

Wie bei den meisten Alben von Gitarristenbands wird auch bei „Wicked Maiden“ im Bezug auf die Gitarre mächtig auf den Busch geklopft. Jede Gelegenheit zur Präsentation der eigenen Fingerfertigkeit wird genutzt, und natürlich ist dabei nicht jedes Solo, jedes Zwischenspiel und jedes Aufheulen lassen des Instruments so nötig wie das tägliche Brot. Aber im Gegensatz zu zum Beispiel dem bereits erwähnten Yngwie berauscht sich Chris Impellitteri eben nicht nur an seinem eigenen, fraglos großartigen, Spiel. Der Mann weiß noch, wie man trotz fast überbordender Frickelei, Zauberei und, im Endeffekt, Schwanzvergleich knackigen und einprägsamen Melodic Heavy Metal schreibt.
An seiner Seite hat er den, sieht man von seiner Frisur ab, über jeden Zweifel erhabenen Rob Rock, dessen Stimme und vor allem Energie auch unter der Vielzahl an Veröffentlichungen, an denen er in jedem Jahr beteiligt ist, nicht zu leiden scheint. Selbst wenn er bei „Wicked Maiden“ auf den Großteil seiner Kernigkeit verzichtet und praktisch nur klar und hoch bis höher singt, steht er doch Chris Impellitteri in punkto Präsenz und Können in nichts nach. Der Rest der Truppe verkommt im Vergleich ein bisschen zur Staffage, aber das ist für sie bei IMPELLITTERI nicht unbedingt als Malus zu verstehen, denn es gelingt längst nicht jedem bei so einem Album wie selbstverständlich „nur mitzuspielen“ und dabei die Stärken der Starken herauszustellen.

Die als Ausgangspunkt schon in der Vergangenheit oft verwendeten Riff- und Melodiezitate sind dabei nicht so offensichtlich wie beim letzten Album (da vor allem bei DEM Hit „The Fall of Titus (American Metal vs. Swedish Metal)“), aber ganz unbeeinflusst ist ein Lied wie „Last Of A Dying Breed“ sicher nicht. Die vereinzelten humoristischen Spitzen sitzen dafür noch eine Ecke besser als auf „Pedal To The Metal“, wofür als Beleg hier der großartige Liedtitel „Weapons Of Mass Distortion“ herhalten darf.

Ansatz für spezielle Kritik an „Wicked Maiden“ gibt es eigentlich wenig, es sind mehr grundsätzliche Punkte. Das Album braucht Zeit, bis man es genießen kann, und selbst dann ist es, natürlich, immer noch eine recht dudelige Angelegenheit. Für viele sicher zu dudelig und für so manchen garantiert zu eierlos, zumal von den letzten Kompositionen ein paar etwas viel vor sich hin plätschern. Außerdem gibt es eine weitere Parallele zu anderen Gitarristenalben: wenn ein Lied langsamer wird und dabei weniger Fingerfertigkeit erfordert, wird es im Vergleich auf Alben dieser Bands noch unauffälliger als oft bei anderen Bands. Zum Glück halten IMPELLITTERI aber meistens ein solides Grundtempo, so dass sich der Effekt nicht zu arg auswirkt.

Freunde der Melodie dürfen sich an spitzenmäßigen, auf den Punkt komponierten & gespielten Melodic Metal Kompositionen wie „Wicked Maiden“, „Weapons Of Mass Distortion“ oder „High School Revolution“ (besonders die Freunde des Tonleiterflitzens) erfreuen. Stark!