Parzival - Urheimat

Parzival - Urheimat
Gothic / Sonstiges
erschienen am 25.03.2011 bei VME
dauert 50 min
Bloodchamber-Wertung:

Tracklist

1. Zeit 0
2. Urheimat
3. Nach Nord
4. Sei Bereit
5. Peitsche Und Zuckerbrot
6. Der Geist Des Barons
7. Leben Ist Fabrik
8. Die Große Schau
9. Der Anilingürtel
10. Der Aarn
11. Der Blasebalg
12. Elektrisches Vorspiel
13. Die Spröde Welt

Die Bloodchamber meint:

Total abgefahren: PARZIVAL aus Dänemark zeichnen sich laut Presseschreiben vor allem durch ihre deutschen Texte aus, aber was auf dem Papier schon atemberaubend klingt, ist am Ende noch viel komplizierter. Eigentlich sind PARZIVAL nämlich eine Band aus Dänemark, deren russisch-stämmiger Sänger sich an Texten in einer Sprache versucht, die man mit viel gutem Willen für Deutsch halten kann. Richtig eigentlich klingt die zwischen abstruser Anthroposophie und rrreichlich rrrollenden RRRRRRRs angesiedelte Lyrik jedoch am ehesten nach RAMMSTEIN-Karaoke in Sankt Petersburg - und das ist zumindest ein erster interessanter Ansatz.

Nach derlei Nebensächlichkeiten nun aber hinein ins Getümmel: Die auf "Urheimat" verewigten Stücke verbinden martialische Elektronik mit heroischen Orchestersamples und erzeugen im Zusammenspiel mit den erwähnten Vocals eine kraftvolle, in ihrer pathosschwangeren Regelmäßigkeit durchaus totalitäre Stimmung, der man sich schwer entziehen kann. Am ehesten lässt sich das so erzielte Klangbild vielleicht mit LAIBACH vergleichen, gleichwohl auch NDH-Bands wie etwa STAHLHAMMER ins Blickfeld rücken - letzteres mag zugegebenermaßen dem russischen Akzent geschuldet sein, da es rein musikalisch keinerlei Verbindungen gibt.
Die finden sich dafür auf anderem Territorium, denn mit den Vorreitern der NDH verbindet PARZIVAL die Suche nach dem rhythmischen Ideal, nach der ordnenden Macht inmitten allzu schwingender Beliebigkeit: Rhythmus ist alles, statt weich fließender Lyrik hageln mit Bedeutung aufgeladene und in ihrer berstenden Präsenz dann fast schon wieder sinnentleerte, weil entwurzelte, Worthülsen auf den Hörer nieder - Musik und Wort müssen als rituelle Einheit marschieren, müssen brechen und gebrochen werden, müssen funktionieren und in einer Geste des Triumphs selbst tief Empfundenes in ihre allmächtigen stählernen Formen gießen.
"Urheimat" huldigt folglich der Ordnung als Prinzip, stilisiert Leben zu einer ebenso beengenden wie unvermeidlichen Dualität, deren universale Regeln und Gesetze die tastende Ungewissheit des Einzelnen übersteigen und individueller Suche den erbarmungslos fallenden Hammer der Ewigkeit entgegensetzen. Hier ist kein Platz für Graues oder Buntes, hier ist kein Platz für Werden und Vergehen - PARZIVAL kämpfen an einer klar abgesteckten, zeitlosen Front und haben sich mit Wahrheiten bewaffnet, deren vermeintliche Gültigkeit dort entsteht, wo Wissen zu fanatischem Glaube gerinnt.

Inwieweit dieser orthodoxe Kerker nun künstlerischen Innovationen Heimstatt bieten kann, steht auf einem anderen Blatt: PARZIVAL arbeiten sich nach eigenem Bekunden am ewig nagenden Drama von Gut und Böse ab, was dem überaus konventionellen Album gleichermaßen als silberner Faden und als Rechtfertigung dient. Will man den Dänen mit Blick auf diese Verneinung spielerischen Erkundens also eine gewisse Behäbigkeit unterstellen, so wird man mit Sicherheit fündig - zur falschen Zeit genossen klingt die Scheibe fast ein wenig banal.
Im richtigen Moment ist es jedoch gut möglich, dass gerade diese von keinerlei Zagen befleckte Konsequenz mythisch-religiöse Qualitäten zeitigt: Wie Thule, Eden oder Avalon steht "Urheimat" vielleicht für den Wunsch nach einer Sicherheit, die durch Erinnern und aktuelles Erleben nicht mehr erreicht werden kann. Der Preis für diese Sicherheit - die letzten Endes unvermeidliche Absage an den Fetisch des freien Willens - wäre dann das eigentliche Thema, der Gral des Projektes PARZIVAL. Im Kontext einer zwischen verkrampftem 24/7-Hedonismus und individueller Ziellosigkeit gefangenen Welt kein uninteressanter Ansatz.

Und damit genug der Spekulation: "Urheimat" ist beileibe kein Meisterwerk, aber doch eine solide pulsierende Genreveröffentlichung, deren (leider etwas spärlich beleuchteter) lyrischer Hintergrund Raum für weiterführende Erkundungen und auch Spinnereien bietet. Freunde von ihres Avantgardekorsetts entledigten LAIBACH und rituell-martialischem Liedgut können PARZIVAL folglich eine Chance geben.
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