Wirft man einen Blick auf die Gestaltung des neuen Albums von KOLDBRANN, dann kann einen die Sorge überkommen, was mit dieser Band passiert ist. Immerhin ist das letzte Album schon sieben Jahre alt und das letzte nennenswerte Lebenszeichen kam vor fünf Jahren auf den Markt. Und auf den ersten Blick ist 2013 alles anders: Das Bandlogo ist neu und wirkt überhaupt nicht mehr nach Black Metal. Und auch das Coverartwork könnte ohne Weiteres von LAIBACH sein. So stellt sich nach dem Auspacken schon die Frage, was einen hier erwartet, denn bislang standen KOLDBRANN doch für einen recht schnörkellosen norwegischen Sound. Auch wenn außen alles anders ist, so sind die Neuerungen in der Musik nicht so drastisch wie befürchtet. Man erkennt die Band noch ohne Schwierigkeiten wieder, wenn auch die Jahre nicht spurlos an ihr vorüber gegangen sind. Zum Glück!

Zunächst ein paar Worte zum Althergebrachten: "Nekrotisk Inkvisition" war ein lärmender und räudiger Höllenhund mit grenzwertiger Produktion, "Moribund" vollzog einen riesigen Schritt weiter in Richtung Professionalität. Und auch auf "Vertigo" gibt es so manchen grooveorientierten Moment, der reichlich Rotz und Dreck gen Hörer spuckt. Doch die bewährte norwegische Black n' Roll-Keule wird nur noch sonntags aus dem Sack gelassen. Den Rest der Woche verbringt am eher mit allen möglichen moderneren Formen des Black Metal. Es gibt drei Ambient-Interludes, es gibt ein paar Riffs, die fast schon an DEATHSPELL OMEGA erinnern (in ihren gemäßigten Momenten) und es gibt eine Produktion, die gar nicht mehr "necro", dafür transparent und zugänglich ist. Aus all diesen Elementen backen KOLDBRANN ein Album, das absolut hörenswert ist und in dem das Potenzial steckt, sowohl alte als auch neue Fans zu begeistern.

Führt man sich eine Nummer wie "Stolichnaya Smert" zu Gemüte, dann springt einem die schwarze Seele Norwegens beinahe ins Gesicht. CARPATHIAN FOREST oder TAAKE lassen grüßen und KOLDBRANN setzen diesen Geist um keinen Deut schlechter um. Dann gibt es aber auch andere Momente, die dem reinen Headbangergroove etwas musikalischere Akzente entgegensetzen. Allein solch schicke Gitarrensoli in den Nummern "Drammen" und "Goat Lodge" zu verwenden, zeigt von gutem Geschmack, der über die Reproduktion von Klischees hinaus geht. Und dann findet sich noch eine ganze Reihe an Stücken, die in gemäßigtem Tempo etwas komplexere Riffs präsentieren, die viel mehr auf Atmosphäre setzen als bloß auf die rhythmisch empor gereckte Faust.

Also ist nicht alles anders geworden, aber man muss ganz klar festhalten, dass KOLDBRANN in den vielen Jahren ohne Release gereift sind. Vielleicht liegt das auch daran, dass 2009 zwei Fünftel der Band ausgetauscht wurden. "Vertigo" ist ein vielschichtiges Album, auf dem man traditionsbewussten, aber dennoch modernen Black Metal hören kann. Es gibt eine Menge Abwechslung, eine sehr saubere technische Umsetzung und hoffentlich gibt es auch noch den ein oder anderen neuen Fan dazu.