Native Construct - Quiet World

Native Construct - Quiet World
Progressive Metal
erschienen am 17.04.2015 bei Metal Blade Records
dauert 48:06 min
Bloodchamber-Wertung:

Tracklist

1. Mute
2. The Spark Of The Archon
3. Passage
4. Your Familiar Face
5. Come Hell Or High Water
6. Chromatic Lights
7. Chromatic Aberration

Die Bloodchamber meint:

Wenn man von einer Band hört, deren Mitglieder am Bostoner Berklee College Of Music studiert haben, so denkt man als Prog Metal-Fan unweigerlich an DREAM THEATER, deren Hauptsongwriter allesamt dort ihr Studium absolviert haben. Nicht anders verhält es sich mit den drei jungen Herren von NATIVE CONSTRUCT, die im Jahre 2011 an diesem College zusammenfanden, um sich der Freude des gemeinsamen Jammens hinzugeben. Aus Spaß wurde aber recht schnell Ernst und aus bloßem Zeitvertreib ein sehr ambitioniertes Projekt.

Nun liegt also das Debüt „Quiet World“ vor, und mit Einflüssen von den bereits genannten DREAM THEATER über HAKEN bis hin zu BETWEEN THE BURIED AND ME bietet es natürlich keine schnell und leicht verdauliche Kost. Ganz im Gegenteil, es besteht durchaus die Gefahr, dass sich der unbedarfte Hörer nach dem ersten Hördurchgang erst einmal erschlagen fühlt von den teils überfrachtet wirkenden und von vielen Tempo- und Stimmungswechseln durchzogenen Songs. NATIVE CONSTRUCT reichern ihre von den genannten Prog-Größen inspirierten sieben Kunstwerke, die ohnehin schon nicht so leicht zu durchschauen sind, nämlich noch mit allerlei symphonischen Arrangements an, so dass sich der Hörer zeitweise fühlt, als würde er einem Theaterschauspiel beiwohnen. Dieser Eindruck wird noch dadurch verstärkt, dass man mitunter dem Dialog der zwei Kontrahenten lauscht, die sich in der „Quiet World“ duellieren. Diese ist nur ein Hirngespinst des Protagonisten – ein Außenseiter, der unglücklich weil unerwidert verliebt ist, und der sich darum gedanklich in seine „Quiet World“ flüchtet, eine Welt, in der alle Menschen gleich und deshalb glücklich sind. Oder zumindest sein sollten, denn weil das in Wahrheit nicht der Fall ist, erhebt sich sein Gegenspieler „Archon“ zu einem Kampf mit dem Protagonisten.

Klingt wirr? Ist es auch, und wenn man sich nicht die Lyrics zu Hilfe nimmt, wird man an diesem vertrackten Konzeptwerk womöglich scheitern. Denn die vielen musikalischen Wendungen sind nicht eben förderlich, um den roten Faden in der „Quiet World“ zu finden. Von Klaviergeklimper über Streicher- und orchestrale Arrangements bis hin zum Saxofon-Solo, von getragenen Passagen bis hin zu Blastbeats, von krachenden Gitarren bis hin zu verspielten Bassläufen, von verträumtem Klar- über verzerrten Gesang bis hin zu wütenden Shouts – je nach Charakter – machen sich NATIVE CONSTRUCT so ziemlich jede Möglichkeit zu Nutze, um die komplexe Gefühlswelt des Protagonisten zum Ausdruck zu bringen. Ein Durchhören von der Einführung „Mute“ in die „Quiet World“ bis zum zwölfminütigen Finale „Chromatic Aberration“ (Ende gut, trotzdem nicht alles gut!?) verkommt also zur Pflicht. Wer trotzdem gerne einen Anspieltipp hätte, dem kann ich guten Gewissens “Come Hell Or High Water“ ans Herz legen, konzentriert dieser Song doch die Stärken der Band auf sechs Minuten und veranschaulicht gleichzeitig den psychischen Niedergang des Protagonisten.

Sinnvollerweise hört man sich das Album aber am Stück an, auch wenn diese 48 Minuten sicher (über)fordernd sein können. Wer sich das Hirn aber gerne über Stimmungs- und Rhythmuswechsel im Sekundentakt zermartert und möglicherweise auf die bereits genannten Bands steht, der könnte auch an NATIVE CONSTRUCT und deren „Quiet World“ seine Freude haben. Der Schlüssel zu dieser Welt will allerdings hart erarbeitet werden, man sollte also nicht nach zwei, drei Hördurchgängen vorschnell das Handtuch werfen.
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