Hinter den Rostockern DRITTE WAHL liegt zweifellos die schwerste Zeit ihrer Karriere, denn am 17. Januar dieses Jahres verstarb Bassist und Gründungsmitglied Marko „Busch’n“ Busch nach langer und schwerer Krankheit an Magenkrebs. Die verbliebenen Recken Gunnar (voc./g.) und Krel (dr.) entschlossen sich aber (zum Glück) dazu, weiterzumachen und ein neues Album zu veröffentlichen, das noch mit Busch’n komponiert und teilweise auch aufgenommen wurde. Somit erscheint Ende September also „Fortschritt“, das erste richtige Album seit dem 2001er Überwerk „Halt Mich Fest“. Zwischendurch gab es zwar noch zwei Live CDs und eine Pseudo-Best Of auf englisch, aber das war natürlich bestenfalls eine laue Ersatzdroge für die wartende Anhängerschaft.

Nachdem ich „Fortschritt“ jetzt seit ein paar Wochen mehrmals täglich gehört habe, kann ich das Fazit direkt mal vorwegnehmen : DRITTE WAHL sind zurück, und zwar ohne an Stärke eingebüßt zu haben. Die Platte enthält genau das, was man sich von dem jetzt-wieder-Trio aus Mecklenburg erwartet : knallharte Punkhymnen, die sofort ins Ohr gehen und eine enorme Halbwertzeit haben, ohne dabei aber cheesy oder gar kommerziell anbiedernd rüberzukommen. Die Tracks haben Drive, verleiten innerhalb kürzester Zeit zum Mitsingen, strotzen nur so vor griffigen Melodien und dürften somit auch live richtig gut zünden, was man übrigens im Herbst selbst antesten kann, wenn die Band zusammen mit The Exploited auf Tour geht. Ich bin mir jedenfalls ziemlich sicher, daß Kracher wie „Feige Helden“, „Wo ?“, „Willst du ?“, „Plakativ“ (genial !) oder „SAS Beluga“ absolut das Zeug haben, mit den alten Hits der Combo mitzuhalten.

Obwohl sich DRITTE WAHL also stilistisch treu geblieben sind, gibt es dennoch ein paar bewerkenswerte Tracks, auf die ich an dieser Stelle noch besonders hinweisen möchte : da wäre der überlange, metal-lastige Titeltrack, die akustische Gänsehaut Ballade „Auf der Flucht“, die man als Abschied von Busch’n interpretieren kann sowie das saugeile „Alle Tage – alles gleich“, welches ein gelungenes Duett mit Freygang Sängerin Tatjana bereithält. Darüber hinaus präsentieren uns die Jungs mit dem Rote Gitarren (eine polnische, mir völlig unbekannte Band) Cover „Weißes Boot“ und der plattdeutschen Neueinspielung des „Fasching In Bonn“ Klassikers „Hoch im Norden“ zwei absolut spritzige Fun Tracks, die das Album würdig beschließen.

Zwei Wermutstropfen möchte ich aber auch nicht verschweigen, denn die beiden Experimente in Richtung Hip Hop („Wir kaufen uns ein kleines Stück“) und Raggae („Rastermann“) sind den Kerlen für meine Begriffe eher weniger geglückt. Auf die Masse betrachtet kann man diese Durchhänger aber durchaus verschmerzen.

Da sich DRITTE WAHL auch textlich wieder absolut intelligent und vielschichtig präsentieren – von Gesellschaftskritik über Melancholie bis hin zu zwischenmenschlichen Beziehungen ist alles dabei –, kann man getrost feststellen, daß „Fortschritt“ das beste deutschsprachige Punkalbum seit Jahren geworden ist. Wenn man ehrlich ist, eigentlich seit „Halt Mich Fest“. Kein gutes Zeichen für die Konkurrenz …