Je dunkler die Schatten, desto heller das Licht...
Interview mit The Prophecy
Death Doom Metal aus Großbritannien - Halifax
Death Doom Metal aus Großbritannien - Halifax
Die Briten THE PROPHECY haben mit "Into The Light" mein persönliches Album des Jahres veröffentlicht, was natürlich auf lange Sicht nicht ohne Konsequenzen schriftlicher Art bleiben konnte. Was also lag näher, als Sänger Matt und Gitarrist Greg mit ein paar Fragen zu löchern, welche sich schließlich zu folgendem Dialog auswuchsen - viel Spaß dabei.
Hallo Jungs! Danke, dass ihr euch diesem Inti widmet – wie fühlt ihr euch nach dem Release von „Into The Light“? Erleichtert, stolz, ein wenig von beidem?
Greg: Die Aufnahmen zu „Into The Light“ waren eine großartige Erfahrung und glücklicherweise mussten wir im Anschluss daran nicht allzu lange warten, bis das endgültige Produkt veröffentlichungsreif in unseren Händen lag. Wenn die monatelange Arbeit im Vorfeld endlich ihre finale Gestalt nimmt – doch, das ist immer ein sehr schönes und gutes Gefühl.
Mit Blick auf eure Geschichte als Band ist der Titel ein wenig ambivalent: Auf der einen Seite kann er auf den Wandel in der Musik anspielen, auf der anderen Seite wäre es auch eine gute Beschreibung eurer derzeitigen Situation – viele Leute scheinen langsam auf euch aufmerksam zu werden…
Nun, wir haben schon ziemlich früh im Schreibprozess festgestellt, dass „Into The Light“ ein passender Titel für die Scheibe wäre: Obwohl wir uns musikalisch vorzugsweise in dunkleren Gefilden bewegen, hatten wir schon immer ein Faible für melodischere Elemente, was für einen interessanten Kontrast sorgt. So werden die dunklen Momente noch dunkler, während die helleren noch heller scheinen. Das kommt in den neuen Songs einfach noch deutlicher zum Tragen, weshalb uns der Titel passend erschien.
Daran hat sicherlich auch Matts Gesang einen großen Anteil, der mich bisweilen gar an R.E.M. und LIVE erinnert, also an Bands, die mit Metal nur sehr entfernt in Verbindung stehen. Hört ihr privat solche Musik, inspirieren euch genrefremde Musiker ganz allgemein?
Wir alle hören privat ein ziemlich breites Spektrum an Musik – auch jenseits von Metal – und es ist durchaus möglich, dass sich das auf unser Songwriting auswirkt. Vor allem jedoch hat Matt an seiner Stimme gearbeitet und dadurch auch das Selbstvertrauen gefunden, andere Gesangsstile auszuprobieren, einen eigenen Ausdruck zu entwickeln. Solche Sachen beeinflussen dann natürlich in gewissem Maße den allgemeinen Stimmeinsatz und die Gesangslinien.
Seltsamerweise bist du nicht der Erste, dem die Parallelen zu R.E.M. aufgefallen sind, gleichwohl die meines Wissens niemand in der Band hört. Matt mag LIVE sehr gern, aber auf diese Verbindung ist bisher noch niemand gekommen und ich vermute mal, dass er selbst noch gar nicht über eine mögliche Beeinflussung von dieser Seite nachgedacht hat.
Überhaupt fällt auf, dass ihr vermehrt auf klaren Gesang setzt – war das so intendiert?
Das ist im Prinzip nichts, worüber wir wirklich lange nachdenken, sondern es ergibt sich einfach. Grundsätzlich sollte durch den Gesang die Dynamik des Songs gesteigert werden, ohne dass man dafür ein konkretes Regelwerk aufstellen könnte. Daher kann man den vermehrten Einsatz von Klargesang auch nicht als Vorsatz, als bewusste Entscheidung, bezeichnen – für uns schien es einfach klar zu sein, dass es die neuen Stücke sehr gut ergänzen würde, also haben wir es gemacht.
Was mir an „Into The Light“ ebenfalls sehr zusagt, sind die proggigen Versatzstücke, die von einer Band aus der Death Doom-Ecke sehr erfrischende Elemente sind. Wieso durfte es dieses Mal ein wenig ausgefeilter zur Sache gehen?
Auch hier ist im Verlauf des Songwritings klar geworden, dass wir uns als Musiker natürlich immer wieder neu an unsere Grenzen herantasten, sie verschieben, und dadurch ein gewisser Einfluss auf die Musik unausweichlich ist. Dazu kommt, dass sich in unseren Vorlieben neben Doom Death natürlich auch ein paar alte und jüngere Bands finden, die recht progressiv zu Werke gehen. Ich denke, auch davon wird man vielleicht beeinflusst. Insgesamt versuchen wir schon unsere Alben möglichst interessant zu gestalten und der Hauch Prog ist wohl Ausdruck unseres Strebens nach Variabilität.
Es gibt ja einige düstere Momente auf der Scheibe, aber gerade „Hope“ ergeht sich volle neun Minuten in Melancholie, Depression und innerem Zwiespalt. Steckt verdrehte Ironie hinter dem Umstand, dass „Hope“ musikalisch der hoffnungsloseste Song der Scheibe ist?
Nein, das ist keinesfalls ironisch gemeint, denn auch in diesem Track verbirgt sich meines Erachtens eine sehr präsente Schönheit und sogar Hoffnung. Es mag durchaus sein, dass sich der Song für manche Leute sehr trostlos anhört, vielleicht aufgrund der verlassenen, melancholischen Grundstimmung, aber man kann darin auch eine Form von Zuversicht entdecken, die aus der Dunkelheit ins Licht weist („into the light“), wenn du mir diese Anspielung verzeihen möchtest… :)
Sehr zuträglich ist dem Gesamtbild des Albums der Sound, eine niemals überproduziert wirkende Mischung aus früher, britischer Death Doom-Schmutzigkeit und dem etwas detaillierteren Ansatz skandinavischer Bands. Nach welchen Kriterien habt ihr euer Studio ausgewählt?
Dazu kommt die sehr ruhige, ländliche Lage – die Räumlichkeiten sind in umgebauten Farmgebäuden untergebracht – die volle Konzentration auf die Musik erlaubt, aber eben auch Möglichkeiten bietet, zwischendurch etwas Fußball zu spielen oder ein paar Runden Frisbee einzuschieben. Kurz: Wir fanden dort genau die Atmosphäre, die wir gesucht hatten.
Die Tatsache, dass ihr aus England kommt, ist Grund genug für wiederholte Vergleiche mit den großen Drei und anderen geografisch benachbarten Bands, und sei es nur der Orientierung wegen. Seid ihr dessen mittlerweile überdrüssig oder habt ihr euch daran gewöhnt, dass es in einer derart traditionshörigen Nische schlicht gar nicht anders geht?
Nun, die Verbindung zu MY DYING BRIDE wird uns sicherlich bis zum Ende unserer Tage begleiten: Wir kommen aus einer Stadt, wir waren mit ihnen auf Tour und bis vor ein paar Jahren auf einem Label, John hat sowohl Live- als auch Studiosessions mit MDB absolviert, und nicht zuletzt sind sie wirklich eine der großen, frühen Einflüsse für uns. Unglücklicherweise gelingt es vielen Menschen nicht, bei der Beurteilung unserer Musik über solche Dinge hinauszusehen. Stattdessen vergleichen sie uns beinahe mechanisch und haken die Sache ohne einen weiteren Gedanken ab, vielleicht nur deshalb, weil dies der einfachste Weg ist.
Das Gleiche gilt im Prinzip für PARADISE LOST: Die Gedankenverbindung scheint sich oftmals nicht über „gleiche Stadt, gleiche Musik“ hinaus zu bewegen. Natürlich gibt es Momente, in denen man an solchen Simplifizierungen arg zu schleppen hat – auf der anderen Seite muss man ganz ehrlich sagen: Es gibt garantiert schlimmere Lasten.
Wo würdet ihr euch selbst innerhalb des Genres verorten, welche stilistischen Besonderheiten sind in euren Augen prägend für den Doom-Bereich und welche sind für euer Schaffen nur von sekundärer Bedeutung?
Ein ganz wichtiger Aspekt für uns ist sicherlich die Möglichkeit, mit dieser Musik epische, fundamentale Emotionen hervorzurufen, die dunkleren Seiten des Lebens und verdrängte Gefühle aufzugreifen. Gerade deshalb wird unser Schaffen auch immer diesen Doom-Einschlag haben. Im Metalbereich geht es auffällig oft darum Mann zu sein, stark zu sein, evil zu sein, mit anderen zu kämpfen, blablabla, wohingegen Doom potenziell für sehr persönliche Musik steht – Musik die Menschen berühren und bewegen kann.
Inwieweit wir uns darüber hinaus an den Grenzen des Genres orientieren, ist variabel: Sicherlich brechen wir aus manchen Standards aus, aber das hat meist weniger mit einer bewussten Entscheidung zu tun, sondern liegt einfach daran, dass man mit dem Alter gewisse Klischees vermeidet und sich stattdessen mehr auf seinen eigenen Sound konzentriert. Mag sein, dass dies dann von manchen Menschen als Verwässerung der Wurzeln interpretiert wird.
Generell scheint Doom derzeit ja so eine Art Aufschwung zu erleben, es gibt eine Menge „neuer“ Bands, viele Veröffentlichungen und vergleichsweise reichlich Promotion. Wo seht ihr die Ursachen für diese Entwicklung und welche Hoffnungen verbindet ihr als Band vielleicht damit?
Ich denke mal, dass Doom ein Stil ist, der die Leute nicht so schnell langweilt. Die Medienaffinität ist vergleichsweise gering, Konzerte und Touren werden oftmals noch von Fans organisiert, und trotz der tatsächlich gewachsenen Popularität und ein paar Bands mit größeren Labels im Rücken ist diese Musik noch immer unglaublich im Underground verwachsen. Der durchaus vorhandenen Vielseitigkeit stehen dabei eine relativ kleine Szene und nur wenige große Bands gegenüber, was auf der einen Seite natürlich den Zugang erschwert, auf der anderen Seite aber auch positive Nebenwirkungen zeitigt: So blieb das Genre vielleicht genau aus diesen Gründen von Modewellen verschont, wie sie den Black, Death und Thrash Metal regelmäßig heimsuchen.
Doom wird immer einen Platz in der Musiklandschaft haben, ohne deshalb wirklich populär zu sein – es ist einfach eine Nische.
Zunächst schreiben wir unsere Musik prinzipiell für uns selbst, das heißt, wenn wir etwas mögen und es zu unseren Vorstellungen in puncto Sound passt, dann kann jegliche Idee Eingang in unsere Musik finden. Wenn das dann darüber hinaus die Zustimmung Anderer findet, ist das sozusagen ein Bonus – im Grunde möchten wir jedoch einfach Spaß an unserer Musik haben. Für uns hat sich bisher auch nie die Frage gestellt, zu unseren Wurzeln zurückzukehren, da wir uns als Band noch immer in der Entwicklung befinden und der Punkt der Stagnation in unserem Verständnis auch der Punkt wäre, an dem wir die Sache lieber sein lassen würden.
Wenn man das Ganze auf einer kommerziell erfolgreicheren Ebene betreibt, dann ist es durchaus verständlich, dass die Wünsche des Publikums vielleicht hier und da eine Rolle spielen, aber selbst dann gibt es bekanntlich zwei Seiten: Einige Bands haben kommerziellen Selbstmord begangen, indem sie ihre eigenen Grenzen immer weiter ausreizten, andere wiederum haben ihre Fans verloren, weil sie kommerzieller wurden.
Widmen wir uns anschließend ein wenig den Texten der Scheibe. Ein wiederkehrendes Thema scheint der Wahnsinn zu sein, egal ob als Krankheitsbild, in Form von unangenehmen Erinnerungen, als Obsession oder auch im Verbund mit blindem Glauben. Woher rührt das Interesse an diesen Formen der Anomalie?
Matt: Nun, ich denke wir leben in einer ziemlich verrückten Welt, in der Menschen aufgrund bestimmter Glaubensvorstellungen ziemlich irrationale Handlungen vollziehen. Aber was klassifiziert eine Person denn wirklich als „verrückt“? Ist es bereits der Glaube an ein göttliches Wesen, für welches jeglicher Beweis fehlt? Oder ist man verrückt, wenn man zu einer Person redet, die nur in der eigenen Vorstellung existiert?
Offenbar hat sich unsere Gesellschaft dazu entschlossen, nur im zweiten Beispiel etwas Abnormes zu sehen und versucht dem entsprechend, dieser Anomalie durch psychiatrische Einrichtungen Herr zu werden. Aber das ist eben eine Frage der Auslegung.
Ein zweiter Punkt ist der Umstand, dass unsere Musik größtenteils sehr emotional ausgelegt ist, weshalb ich versuche, das auch in den Texten zu reflektieren und zu stützen. Da Wahnsinn und Geisteskrankheiten wiederum oftmals Folgen sehr starker Gefühlsregungen sind, kommen sie in der ein oder anderen Form in vielen unserer Songs vor.
Eine weitere Assoziation ist die des unausweichlichen Scheiterns: Woran man auch glaubt (an eine Person oder ein Ideal), was immer man mit welchem Recht auch tut – am Ende bleibt offenbar nichts als Versagung und Verlust. Wenn wir also alle scheitern müssen, was treibt uns dann wieder und wieder an?
Zunächst kann man unsere Songs natürlich als kleine Geschichten betrachten – unglücklicherweise sind es eben meist solche, die kein sonderlich gutes Ende nehmen. Das hängt damit zusammen, dass das Leben selbst im Grunde nichts als ein ewiger Kampf ist und auf der Suche nach dem Weg durch diese Prüfung quälen wir uns täglich, sei es in emotionaler oder physischer Hinsicht. Zweifellos werden wir am Ende alle scheitern, auch wenn viele diesen Gedanken einfach verdrängen – das Interessante für mich sind die unterschiedlichen Wege, die zu jenem unausweichlichen Ende führen.
Was nun den Antrieb des Einzelnen auf dieser Reise betrifft, kann ich nur spekulieren – ich denke jedoch, dass es im Grunde nicht mehr als der Überlebensinstinkt in Verbindung mit den Mechanismen der natürlichen Auslese ist.
Zu guter Letzt ist „Into The Light“ eine Phrase, die sehr starke religiöse Konnotationen aufweist, was sowohl für euer Album, als auch für das Genre an sich sehr typisch ist. Was denkst du, woher die Affinität zu derlei Metaphorik rührt – was reizt dich persönlich daran?
Das hat einmal mehr mit der generellen Bedeutung des Themas zu tun, denn auch Religion weckt in unterschiedlichen Menschen mitunter sehr starke, bisweilen irrationale emotionale Reaktionen.
Ich glaube nicht an Gott und es macht mich wütend, wenn Menschen ihre eigenen, moralisch verwerflichen Handlungen mit dem Verweis auf ein höheres Wesen rechtfertigen.
So kann man die Verwendung religiöser Bilder als Teil der latenten Anklage von Religion betrachten, die in unseren Songs immer wieder aufblitzt. Ich habe nichts dagegen, wenn jemand auf einer sehr persönlichen Ebene Halt in wie auch immer gearteten Glaubensvorstellungen findet – mein Problem beginnt, wenn man versucht, das Irrationale Anderen aufzudrängen.
Angesichts der Untiefen des Lebens ist es immer wieder verwunderlich, dass gerade Doom-Bands in der Regel sehr umgängliche Menschen sind – was ist deine Erklärung für dieses Paradox?
Greg: Wirklich eine seltsame Geschichte, jetzt wo du es sagst. Meine Vermutung wäre, dass Doom eine Musik ist, die nicht auf Hits oder unmittelbarer Zugänglichkeit basiert, was den Beteiligten ein größeres Maß an Hingabe abverlangt – und das bringt vielleicht ein Quäntchen mehr Reife in die ganze Geschichte…
Eure Eltern können also ruhig schlafen, obwohl ihr Metaller und damit potenzielle Sittenverderber seid…
Haha, ja. Unsere Eltern wissen eigentlich Alles über uns und die Musik, die wir machen, sie haben unsere CDs gehört und ein paar von ihnen waren auch schon bei unseren Auftritten. Sie sind stolz auf so ziemlich alle Dinge, die wir mit der Band auf die Beine stellen – als große Doom-Fans würde ich sie dann aber doch nicht bezeichnen.
Zu guter Letzt: Informiert ihr euch eigentlich auch über das Starterfeld außerhalb von Großbritannien? Welche Bands haben euch zuletzt beeindruckt?
Wir haben in jüngerer Zeit mit einigen sehr guten Bands gespielt, aber die letzte Offenbarung ist ehrlich gesagt schon eine Weile her. Vor nicht allzu langer Zeit haben wir mit THURISAZ aus Belgien gespielt – die hatten zumindest eine gute Show. Sagen wir mal so: Es braucht mittlerweile schon eine ganze Menge, um THE PROPHECY wirklich zu beeindrucken… :)
Alles klar, dann danke ich euch beiden hiermit für das Interview und hoffe auf einen baldigen Abstecher nach Deutschland - die letzten Worte gehören euch:
Danke dir für das Interesse, das Interview und beste Grüße an eure Leser!
www.the-prophecy.net
www.myspace.com/theprophecyeng