20 Jahre Durchhaltewillen und Leidenschaft


Interview mit Drawn And Quartered
Death Metal aus USA - Seattle, Washington
Es gehört eine Menge dazu, zwei volle Jahrzehnte lang Musik zu machen, Alben aufzunehmen und dabei stets im Underground verhaftet zu bleiben. Im Jahr 2013 kann die us-amerikanische Death Metal Formation DRAWN AND QUARTERED auf zwei Dekaden Bandgeschichte und sechs Studioalben zurück blicken. Grund genug für uns, kurz vor Ablauf dieses Jubiläums den Kontakt zu Bandkopf und -herz Kelley Kuciemba aufzunehmen und mit ihm über Vergangenheit und Zukunft, Technisches und Menschliches zu plaudern. Der zeigte sich erfreulich redselig und erstaunlich selbstkritisch.

Hi Kelley, vielen Dank, dass du uns die Möglichkeit gibst, dieses Interview zu führen. Wie geht es dir und was ist gerade bei dir los?


Ich grüße dich. Ich bin hier in Seattle / Washington und genieße ein angenehmes Leben. Eben habe ich daran gearbeitet, ein paar Lötstellen eines Volumen Potis an einer meiner alten BC Rich Mockingbird Gitarren aufzufrischen. Darüber hinaus habe ich noch ein paar Feinabstimmungen daran vorgenommen. Währenddessen warte ich darauf, dass meine Frau das Essen fertig macht.

2013 hatte DRAWN AND QUARTERED den zwanzigsten Geburtstag. Wie habt ihr gefeiert?

Wir haben im August auf dem Black Circle Festival gespielt, die erste Show im neuen Line-Up. Das war ein Triumph. Ich habe zuerst Herb Burke gewinnen können, um auf meinem PLAGUE BEARER Demo im Frühjahr 1993 zu singen und wir haben eine überarbeitete Version der Aufnahmen fertiggestellt. Ich habe mir die Musik dieser Zeit noch einmal gründlich angeschaut und überlegt, ob wir ein paar Songs dieser Zeit nochmal auffrischen oder neu einspielen wollen. Das ist eine der Aufgaben neben dem allgegenwärtigen Songwriting. Ich hätte übrigens lieber den zehnten Geburtstag von „Extermination Revelry? gefeiert, denn das ist ein Meilenstein, auf den ich ebenfalls stolz bin. Letztlich ist 2013 gekommen und wieder gegangen, also genieße ich einfach das zwanzigjährige Jubiläum als Tatsache.

In Europa dürfte es einige Metalheads geben, die DRAWN AND QUARERED noch nicht kennen. Kannst du uns einen kurzen Überblick über die Geschichte der Band geben?

In den frühen 90er Jahren gab es eine kleine, aber ernsthafte Gruppe von Bands, die Einflüsse aus dem gesamten Metalspektrum bezogen haben. Ich habe in einigen Projekten gearbeitet und dann PLAGUE BEARER Mitte '92 gegründet. Ein Line-Up wurde zusammengestellt, um Material zu bearbeiten, das ich geschrieben habe. Wir haben schnell etwas aufgenommen und ein Demo mit vier Songs gemacht, das nur in kleiner Stückzahl gehandelt wurde. Ein paar Shows wurden gespielt, die Besetzung wechselte. 1994 kam Matt Cason an den Drums dazu und wir begannen regelmäßig zu proben. Letztlich haben wir das PLAGUE BEARER Demo und den Namen aufgegeben, um mit der Musik, an der wir bis dahin gearbeitet haben DRAWN AND QUARTERED zu werden. Bis 1996 habenen wir kein neues Demo gemacht und dessen Produktion war letztlich sehr primitiv und übereilt. Im Anschluss haben wir wieder ein paar Shows in der Gegend gespielt, nachdem zwei Jahre lang nichts passiert ist, aber das ist eine lange und vor allem langweilige Geschichte, von der ich sicher bin, dass sie kaum jemanden interessiert. Aber vielleicht will es ja jemand irgendwann wissen, also ist dies zumindest die Geschichte, wie es losgegangen ist.

All diese Jahre steht ihr für klassischen und brutalen Death Metal ohne jegliche Kompromisse, obwohl sich die Welt verändert hat und eine Menge Moden aufgekommen sind, so wie Deathcore etc. Wie siehst du die Szene und ihre Entwicklung über all die Jahre?

Das ist eine oft gestellte Frage, aber ich versuche es mal so zu beantworten: Meine musikalischen Einflüsse beginnen in den 60ern mit den BEATLES, BLACK SABBATH, später dann IRON MAIDEN, SLAYER und sie enden irgendwann Mitte der 90er. Ich höre zwar noch Musik, die danach gemacht wurde, aber meine Einflüsse stehen fest. Natürlich, viele Dinge inspirieren und beeinflussen mich, aber das Fundament auf dem DRAWN AND QUARTERED steht, ist für mich 1980-1990 Death, Doom, Grind, Thrash, Speed und Heavy Metal.

Würdest du als Gitarrist dich als „Gearhead? bezeichnen? Wie wichtig ist für dich der technische Aspekt hinsichtlich der Hardware, die du bespielst?

Ja, immer wieder habe ich Zeit damit verbracht, herumzuspielen, nachzuforschen und neues Gerät auszuprobieren. Nachdem ich aber immer wieder mal bei Shows oder Proben mit Gerät, das nicht richtig abgestimmt oder eingestellt war, ins Schwimmen geraten bin, würde ich sagen, dass es sehr wichtig ist, sich mit der Technik sicher zu fühlen und ihr vertrauen zu können. Was auch immer nötig ist, um vernünftige Technik zu bekommen und sie am Laufen zu halten, ist von großer Bedeutung. Ich bin wieder darauf zurück gekommen, Feinabstimmungen bei meiner Gitarre selbst vorzunehmen und ich arbeite daran, welche Effekte ich bei den kommenden Aufnahmen und Projekten verwenden werde. Ich benutze einige analoge Effektgeräte und einen Metal Zone als Pick-Up Booster für meinen Mesa Triple Rectifier. Der hat grade neue Röhren und eine Reparatur der Platine verpasst bekommen. Ich habe mehrere Boxen, eine davon ist ein Musiclord hier aus dem Staat Washington in den USA. Er hat Celestion Sidewinders, ich justiere zur Zeit die Einstellungen, um das Meiste aus der Kombination rauszuholen. Ich will irgendwann auch noch andere Amps und Boxen ausprobieren.
Hauptsächlich benutze ich BC Rich Mockingbirds und Ironbirds in unterschiedlichen Formen und Modellen, mein Liebling ist eine NJ Ironbird mit Speedloaders! Und ich habe eine Neck-Through Mockingbird mit Ebenholz-Griffbrett und Floyd Rose, die ich für DRAWN AND QUARTERED benutze. Pick-Ups verwende ich von unterschiedlichen Herstellern, wie EMG, Seymour Duncan und Di Marzio. Außerdem benutze ich noch ein ProCo Rat für verschiedene Dinge, und ich mag meinen Holy Grail Reverb und den Boss Digital Stereo Delay. Dazu habe ich noch ein Jimi Hendrix Fuzz Wah-Wah, das ich wieder einmal benutzen möchte.

Wie wichtig ist für einen brutalen und druckvollen Sound das Tuning?

Für unseren Sound ist es wichtig. In einer H-Standard-Stimmung zu spielen, ist wie ein anderes Instrument zu spielen. Es bietet sich an, um heavy zu klingen, aber benötigt auch andere Techniken und hat andere Sweet Spots. Natürlich braucht es dafür eine saubere Einstellung, dickere Saiten und anderes dazu passendes Gerät, mit dem man möglichst gute Effekte erzielen kann. Es ist schwieriger, sauber auf runtergestimmten Instrumenten zu spielen, besonders was komplexe Akkorde angeht.

Mir haben die Artworks eurer Alben immer gefallen. Ich finde, sie haben einen einzigartigen Stil, der ein wenig surreal wirkt, vor allem das Cover von „Return of the Black Death?. Erzähl uns doch was dazu!

Gabriel T. Byrne war stets das fünfte Mitglied von DRAWN AND QUARTERED, das die symbolträchtigen Artworks von all unseren Alben und auch einiger EPs gestaltet hat. Ein Musiker, ein Künstler, den ich 1992 kennengelernt habe, als er sich als Drummer bei PLAGUE BEARER ausprobiert hatte, aber er mochte die Grind-Einflüsse nicht, die wir damals hatten. Aber er hat mir einige Skizzen von Ratten und anderen Motiven, die mit der Pest zu tun hatten, zukommen lassen. 1998, als wir „To Kill is Human? aufnahmen, fing er an, unsere Albencover zu machen. Ich habe allen Mitgliedern zu danken, weil wir alle Ideen beigesteuert haben. Die Cover spiegeln manchmal auch die Themen der Alben wider, ebenso wie die Philosophie der Band bezüglich der Kämpfe, die die Menschheit auszufechten hat.

Vor nicht allzu langer Zeit hast du auf der Facebookseite der Band geschrieben, dass ihr zu Halloween die vierte Show in vier Jahren gespielt habt. Was sind die Gründe dafür, dass ihr so selten live auftretet?

Es gab ein paar mehr, aber es waren tatsächlich nicht viele Shows. Wir haben 2008 eine Tour gemacht. Unser Bassist ist während der Tour ausgestiegen. Dann ist Herb als Bassist bei DRAWN AND QUARTERED eingestiegen. Wir haben die Zeit von 2008 bis Mitte 2010 mit Proben und dem Schreiben für das neue Album verbracht, dann haben wir ein paar Shows gespielt. Wir sind in New York aufgetreten, auf einem Festival in Texas und ein wenig in der Gegend. Es gibt nicht viel auf dieser Seite des Landes, was es wert wäre, dort zu touren. Außerdem ist auf Tour zu gehen, so wie es aussieht, finanziell nicht lukrativ. Wenn du Glück hast, gehst du ohne Verluste dabei raus. Es gibt keinen Grund, jeden Monat in Seattle zu spielen. Und unser Drummer hat geheiratet, wurde geschieden, hatte eine neue Freundin, dann haben sie zusammen ein Baby bekommen und er ist mit ihr 2012 zusammen umgezogen. Ich habe mich nicht danach gefühlt, mit ihm auf Tour zu gehen und er wollte es auch nicht unbedingt. Wir hatten auch keine tollen Angebote, also haben wir nicht viel gemacht. Mit unserem neuen Line-Up wird sich die Situation aber verändern.

Ihr habt in den frühen 90ern angefangen Death Metal zu machen und sechs Alben von herausragender Qualität veröffentlicht. Wo siehst du die Gründe dafür, dass ihr immer noch eine Band mit Undergroundstatus und im (Death) Metal-Mainstream nicht weithin bekannt seid?

Wir sind dort, wo wir sein sollten, was mich betrifft. Wenn wir bessere Alben machen, werden wir vielleicht auch bekannter. Ich bin glücklich, das hier zu machen und werde unsere Sache mit neuen Aufnahmen, Alben, Shows und Touren ein wenig antreiben. Wir hatten einen späten Start in diesem Geschäft und es hat ewig gedauert, bis wir uns vom Boden gelöst haben. Wir waren die ganze Zeit über bei sehr kleinen Labels. Wir haben Tapes veröffentlicht, als die Tapeszene beinahe anfing auszusterben und als wir CDs produziert haben, fing auch der Abstieg dieses Mediums an. Unsere Musik kam in der Post-Grunge-Ära heraus, keiner wollte Death Metal hören, oder überhaupt irgendwas aus Seattle. Und wir haben nichts erfunden, machen nichts besser oder anders. So ist es eben. Ich hoffe darauf, eine bestimmte Nische des Death Metal aufrecht zu erhalten, die in der Vergangenheit nicht sonderlich gut erschlossen wurde und die an Popularität über die Jahre zugenommen hat. Es ist, wie es ist, wenn wir besser werden, gewinnen wir noch an Bekanntheit. Wenn nicht, ist das auch in Ordnung, mir geht's gut.

Ihr habt für fünf Alben mit Moribund Records zusammen gearbeitet und seid dann zu Nuclear Winter Records gewechselt, einem Label, das zumindest hier in Europa noch deutlich weniger bekannt ist. Was waren die Gründe für den Wechsel und werdet ihr ein weiteres Album mit diesem Label produzieren?

Wir haben uns dazu entschlossen, das letzte Album selbst zu finanzieren und haben die Pressung Nuclear Winter überlassen. So können wir tun, was immer wir wollen. Ich will unser nächstes Projekt über Kickstarter finanzieren und interessiere mich einen Scheiß dafür, was andere Leute denken. Ich will nur ein tolles Ergebnis erzielen und möchte, dass es für die Leute leicht ist, es zu bekommen. Wenn ich auch noch Geld damit mache, dann wäre das die Sahne auf dem Kuchen. Letztlich habe ich noch keine Ahnung, wie das nächste Album erscheinen wird, ich habe zur Zeit auch noch nichts aufgenommen.

Es ist genau 18 Monate her, seit euer letztes Album „Feeding Hell's Furnace? rausgekommen ist, ein Album, das ich sehr liebe. Wenn du zurück blickst, wie waren die weltweiten Reaktionen, die du mitbekommen hast? Bist du mit ihnen zufrieden?

Ich habe es genossen, die Kritiken zu lesen, das Album wurde sehr gut aufgenommen. Nachdem ich Jahre mit dem Album verbracht hat, bevor es tatsächlich rausgekommen ist, konnte ich es nicht mehr ertragen. Dabei mag ich es wirklich, die Songs live zu spielen. Wir haben die meisten, wenn nicht sogar alle live präsentiert. Ich kann aber nicht sagen, dass ich jemals „zufrieden? bin. Das ist die treibende Kraft, die mich dazu zwingt, weiterzumachen und zu versuchen, etwas zu schaffen, zu Proben zu gehen, wenn man ausgelaugt und gestresst von der Arbeit ist, oder Stunden damit zu verbringen, an Equipment und Gitarren herumzuschrauben, Songs zu schreiben und weiter zu entwickeln oder Interviews fertig zu machen, nachdem ich eigentlich ins Bett gegangen sein sollte.

Wenn jemand so viele Jahre wie du ein aktives Mitglied der Metalszene war, bist du nicht manchmal gelangweilt von der Flut der Veröffentlichungen? Uns wenn das so sein sollte, hat dich in der letzten Zeit etwas besonders beeindruckt?

Ja, ich kaufe manchmal neue Alben, wie z.B. BROKEN HOPE, GRAVE RITUAL oder CARCASS. Und ich sammle Klassiker und meine Lieblinge, wenn sie auf Vinyl rauskommen. Ich mag es, Bands zu entdecken, die in die Stadt kommen und die möchten, dass wir Shows mit ihnen spielen. Das sind meist die überzeugendsten Alben, wie von GRAVE UPHEAVAL. Es sind zu viele, um sie aufzuzählen und ich habe keine Lust, zu lange in meinem Gedächtnis zu kramen. Aber eines ist sicher, nach all den Jahren entsteht da ein Gefühl der Erschöpfung, all diese unzähligen mittelmäßigen und kurzlebigen Bands zu hören. Und lass mich dir eines sagen: Alle von denen denken, die wären die nächsten MORBID ANGEL oder CANNIBAL CORPSE. Und dann gibt es wieder viele, die sind verdammt gut. Besser als ich es jemals sein werde, aber der Markt ist völlig überflutet und ersäuft in diesem Phänomen, dementsprechend ist es ein extrem langer und einsamer Weg, Beachtung im Death Metal zu bekommen, ohne tierisch viel Geld auszugeben und nur eine sehr kleine Chance zu haben, jemals etwas dafür zurück zu bekommen. Es gibt ganz Harte, die sich weigern aufzugeben, ungeachtet dessen, dass sie nicht übermäßig viel Talent haben oder Geld oder Hype. Es nur diese blanke Willenskraft, der Schweiß, die Opferbereitschaft und sture Entschlossenheit, die mich dazu bringt, das nach 20 Jahren immer noch zu machen.

In den letzten Jahren gab es eine Art Revival für Death Metal der alten Schule und es gibt eine Menge junger Bands, die den klassischen Stil pflegen, wie CHAPEL OF DISEASE, OBSCURE INFINITY oder SKELETAL REMAINS aus den USA. Was denkst du über diese Entwicklung?

Ich finde es cool. Das ist die Art, auf die Death Metal gemacht werden sollte.

Was können wir in der Zukunft von euch erwarten? Schreibst du schon neues Material und habt ihr Pläne, vielleicht auch mal in Europa zu spielen?

Wir haben Material, das wir bald aufnehmen werden, es sind viele Songs. Es gibt einen langsamen, aber stetigen Fortschritt. Ich habe genug Material, um auch mit PLAGUE BEARER ein paar Aufnahmen zu machen. Es wird neue Musik Anfang 2014 geben. Ich habe auch Lust darauf, mehr Shows zu spielen, mehr Festivals und Touren. Wir werden insgesamt in den kommenden Jahren mehr machen, denke ich.

Vielen Dank, dass du dir die Zeit genommen hast. Es war mir eine Ehre, dieses Interview mit dir führen zu dürfen. Die letzten Worte an unsere Leser gehören dir.

Es ist unser gemeinsames Ding. Wenn ihr mehr Musik von uns wollt, werden wir sie machen. Ich plane nicht aufzuhören. Ich bin nie zufrieden und ich bin verdammt sicher noch nicht fertig mit dem, was ich mit dieser Band vorhabe. Es hat viele Jahre länger gedauert, als es sollte, aber wir hatten ausgefüllte Leben. Nun haben wir das Fundament, um weiterzumachen, besser zu werden und das Beste kommt noch, im Gegensatz zu den Bands, die schnell hoch starten und dann abstürzen. Ich denke, wir werden besser! HAILS ALL!
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