No Mercy-Festival

No Mercy-Festival

Deströyer 666DisbeliefHypocrisyImmortalMalevolent CreationObscenityVader
Engelsdorf, Hellraiser
28.03.2002
Man hätte es durchaus für einen netten Grillabend eines Kegelvereins oder für das alljährliche Treffen der Friedersdorfer Kleingartensparte halten können. Die Sonne schien, der Geruch von gegrilltem Tier lag in der Luft, und Getränkestände brauchten sich um ihren Umsatz nicht zu beschweren. Nur die vielen schwarzgekleideten Lederjacken und -nacken, die vor dem Hellraiser in Leipzig-Engelsdorf herumtorkelten und ihre unanständige Musik auf sich einrieseln liessen, zerstörten ein wenig die gutbürgerliche Atmosphäre.
Aber genau dieses Festival-Feeling wirkte Wunder auf mein Gemüt und die Laune meiner Mitstreiter (von denen eine mich jedesmal anfaucht, weil ich sie nie in meinen Konzertberichten erwähne, ich nenne sie jetzt einfach mal "Miss X"). Nur einer war ein wenig unglücklich, da anscheinend der Andrang am Grill so gross war, dass auf eine Bratwurst mindestens 10 gierige Metaller warteten. Aber als Student müsste man ja an kurze Hungerperioden gewöhnt sein...

Kurze Zeit später erlangte unsere Begeisterung schon fast ekstatische Ausmasse, denn durch (meine!) Kartenvorbestellung konnten wir glatte 2 Euro beim Eintritt sparen. Gut, 23 Ocken sind immer noch ne Menge Schotter, aber es hatten sich ja auch 8 Bands angekündigt, da ging das eigentlich noch in Ordnung. Aber wie das bei Ekstasen nun mal so ist, irgendwann gehts auch mal wieder steil den Glücksberg herunter. Bei mir war es soweit, als ich erfuhr, dass die erste Band, DESTROYER 666, schon längst gespielt hatte, obwohl wir pünktlich um 18:00 Uhr dagewesen waren. Ansich nicht weiter schlimm, ich kannte die eh nich, aber was mich tierisch aufregte, war die Tatsache, dass ich extra einen Tag vorher angerufen hatte, und man mir ausdrücklich gesagt hatte, dass es um 6 losgeht...
Nagut, draufgetrunken, OBSCENITY waren an der Reihe. Die deutsche Deathmetalgrösse haute in die Saiten, dass mir wahrlich ein kleiner Schauer den Rücken hinunterlief. Ach, wie hatte ich doch dieses besondere Konzertfeeling vermisst. Unter einem von Beginn an sehr klaren, druckvollen, aber auch nicht zu lauten Sound, prügelten sie ohral auf die durchaus schon beweglichen Massen ein, so dass es eigentlich nichts zu meckern gab. Guter Auftakt schonmal.
Mittlerweile hatte auch schon jeder noch so zurückgebliebene kapiert, dass die Spielreihenfolge nicht unbedingt der Bandlistung auf der Eintrittskarte entsprach, und deshalb gab es jetzt ne Runde CATASTROPHIC. Sagten mir eigentlich auch nichts, allerdings erinnerten sie mich vom Stil her sehr an die legendären OBITUARY plus einem kleinen Schuss Hardcore. Nicht nur Riffing, sondern auch der Gesang orientierte sich recht stark an den nicht mehr existenten Vorbildern, so dass eigentlich nur gutes dabei herauskommen konnte. Mit eher gemächlicheren Nackenbrechern, die gut nachvollziehbar waren, grenzte man sich ein wenig vom schöden Death ab und zog die Langmatten auf die Tanzfläche. Das geilste war aber ein original OBITUARY-Cover, welches mich eine kleine Nostalgie-Träne abdrücken liess. Als mir danach jemand sagte, dass ein Ex-Obituary-Klampfer ebenfalls Teil der Band sei, fiel es mir plötzlich wie Schuppen von den Haaren. Manche Dinge können doch so simpel sein...

Und schon wieder war danach eine mir unbekannte Band am Start: MALEVOLENT CREATION, als Name durchaus ein Begriff, allerdings noch nie was von denen zu Gehör bekommen. Und im Grunde war es auch nichts wirklich prickelndes. Ähnlich wie OBSCENITY gab es eigentlich an ihrem kompromisslosen Todesmetall nichts auszusetzen, die Menge erlebte sogar ihr erstes Stagediver-Pärchen, wobei ich mich wahrlich zu Tode gefreut hätte, wenn der eine der beiden (ich glaube, "Schrank" wäre ne gute Bezeichung) auf mich draufgehopst wäre. Aber bei mir persönlich ist es so, dass sich schnell eine gewisse Deathmetal-Sättigung einstellt und ich dann nicht mehr wirklich begeistert sein kann. Aber das muss ja nicht für die Masse der Leute gelten, denn die feierten ganz schön ab.
Auf DISBELIEF hatte ich mich schon die ganze Zeit gefreut, nur als sie dann endlich ihre Songs zum besten gaben, war ich ein wenig verwirrt. Sänger Karsten Jäger sah aus, als hätte er sich einen künstlichen Holzfäller-Bart angeklebt, allerdings war bei seiner gewaltigen und einprägsamen Stimme alles beim Alten geblieben. Er röchelte und würgte sich durch neue und alte Songs und unterstrich damit das Talent der deutschen Ausnahmeband. Jeder Song strahlte eine eigene kranke und verzweifelte Atmosphäre aus, die mir durch Mark und Bein ging. Deathmetal zum Mitfühlen sozusagen. Absolut genial.
Da jetzt VADER antraten, welche bereits beim letzten WithFullForce mein persönlichen Sandmännchen darstellten, nahm ich mir zusammen mit Miss X (und Miss Y, nicht dass die auch noch sauer auf mich wird) eine wohlverdiente Auszeit, um unsere müden, alten Knochen mal ein wenig zu entlasten. Auffallend war dabei, dass circa die Hälfte der Typen draussen und in den Nebenräumen (sogar vor dem ungemein atmosphärischen Klo) herumlungerten, es gab sogar einige, die hatten den Eintritt nur gezahlt, um in heimeliger Atmosphäre ihren Rausch ausschlafen zu können. Naja, wers mag...

Nun wurde es allerdings voll, und wenn ich voll sage, dann meine ich wirklich VOLL. Gerade hatten wir uns noch über die Randsitzer lustig gemacht, und nun wurden sie uns zum Verhängnis. Die rund 900 Persönchen strömten die Tanzfläche, denn HYPOCRISY waren am Aufbau. Und ich war mittendrin! Ich muss sagen, dass ist schon sehr nett, Teil des grössten Sandwiches der Gegend zu sein (ein Schelm, wer jetzt an was Sexuelles denkt), und sich nicht darum kümmern zu müssen, ob man nun umfällt oder nicht. Vielmehr ergaben sich elementare Fragen, wie "Was mache ich, wenn mein Schnürsenkel aufgeht?" oder "Wie reagiere ich, wenn mein Hintermann plötzlich mal pissen muss?", aber ich schweife ab...zurück zur Musik: Es gehört ja schon fast zur Tradition, HYPOCRISY-Konzerte mit "Fractured Millennium" zu eröffnen, und dem ward auch hier so. Die Ausnahme war diesmal nur, dass ich gar nicht mal ansatzweise zum Headbangen kam, denn ich war hundertprozentig damit beschäftigt, nicht irgendwelche Köpfe, Schultern oder Arme abzubekommen, da sich ein Grossteil der herumstehenden Idioten die Zeit mit sinnlosem Drängeln und Schieben ihrer Nachbarn vertreiben mussten. Keine Ahnung wieso diese Unsitte so ausartete, wehleidig entsinne ich mich an die Zeit, als Metaller gemeinsam ihre Matten kreisen liessen und keiner dem anderen in die Quere kam. Sowas findet man heutzutage nur noch echt selten. Diese unbefriedigende Situation, in der ich mich nun befand, war natürlich fürn Arsch. Obwohl es mir leidtat, die Nähe zur Band aufzugeben, hatte ich einfach nur eine Stinkwut auf diese Pappnasen, die Konzerte mit Ringkampf verwechselten, und kämpfte mich trotzig bis ans hinterste Ende des Konzertsaales. Und wenn ich sage kämpfte, dann meine ich auch KÄMPFTE. Die Säcke wollten einen ja nicht mal rauslassen. Ständig wurde ich wieder zurückgedrängt und musste nach Alternativwegen suchen. Ständig gafften mich nur verärgerte Gesichter an, aber schlieslich hatte ich mir meinen Weg in die Freiheit gebahnt. So hatte ich zwar nicht mehr den besten Blick auf die Bühne, konnte aber die Musik in vollen Zügen geniessen. Und diese darauffolgende dreiviertel Stunde entschädigte mich für die vorherigen Anstrengungen und Aufregungen. Die Band ist einfach wie ein guter Wein. Von HYPOCRISY weiss man einfach, was man zu erwarten hat. Eine sehr ausgewogene Mischung aus neuen und alten Songs wie "Destroyed" und "Penetralia" und All-Time-Klassikern wie "The Final Chapter" brachten das Blut zum Kochen. Mit perfektem Songs in perfektem Sound konnte einfach kein Kopf still stehen bleiben. Meiner baumelte sowieso nur noch leblos auf den Schultern herum...

Mittlerweile war es dann halb 12 und die letzten Stunden machten sich schon ganz schön bemerkbar. Ich will jetzt nicht rumjammern, aber 3 Tage hintereinander Party (Geburtstagsfeier,Disko,Konzert) inklusive Allohol und wenig Schlaf reissen auch mal den stärksten Bullen zu Boden. Und da die Aussicht, IMMORTAL noch irgendwo anders live zu sehen durchaus realistisch war, entschieden sich meine Wenigkeit, sowie Miss X und Y für den verfrühten Heimweg. Ausschlaggebend war ausserdem, dass die nächste Rückfahrgelegenheit erst 2,5 Stunden später möglich gewesen wäre...
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