Sucks 'N' Summer-Festival V

Sucks 'N' Summer-Festival V

Born From PainCalibanDeadlineFall Of SerenityHatesphereMaroonZero Mentality
Leisnig, AJZ
04.08.2006
Schön! In der sächsischen Provinz wird wieder amtlich gemosht. Schon das fünfte Mal gibt es jede Menge „Hardgohr“ und „Mäddlgohr“ auf dem überschaubaren Gelände zwischen dem Stadtbad und dem Leisniger AJZ.

Schon bei der Organisation vorab und der Suche des Veranstaltungsortes drängt sich einem der Verdacht auf, dass die Veranstalter ihr gemütliches und äußerst familiäres Festival auch gemütlich und familiär halten wollen. Alles erscheint es bisschen chaotisch; keine quitschebunten Wegweiser und trotz einiger größerer Namen im Billing eine sehr überschaubare Anzahl an Besuchern. Beim abenteuerlichen Bergauf- und Bergabzelten in der Kirschbaumplantage gewinnt man auch ein paar neue wichtige Erfahrungen, die fürs künftige Überleben auf Festivals nützlich sein könnten. Während den Wacken-Spacken (Achtung! Witz!) die Sonne unverdient auf die Mütze brettert, scheint sie uns hier wenigstens aus dem Arsch – und das auch bei Dauerregen und sommeruntauglichen Temperaturen.

Ein völlig ungewohntes Erlebnis ist auch der Aufenthalt auf dem eigentlichen Festivalgelände: Es geht extrem gesittet zu, und das bei der harten Musik, die hier gespielt wird und den ebenso harten Fans, die ja oft im Verdacht stehen, recht aggressive Zeitgenossen zu sein. Nein, hier gibt es keine Alkoholleichen und keine blöden Anmachen; Jungs und Mädchen haben getrennte Klos und der vegane Fressstand drängt die Grillbude in die Bedeutungslosigkeit. Während sich in den Umbaupausen scheinbar alle an den Händen halten, kommt die verschluckte Aggression umso heftiger während der Gigs zu Vorschein. Kaum schrubbt jemand ein Riff, purzeln die Leute wie am Fließband von der Bühne und lassen sich über die Köpfe nach hinten reichen. Auch völlig egal, ob im Circlepit nun 5 oder 50 Hanseln sind – gemosht wird immer.
Trotzdem ist der tolerante und rücksichtsvolle Umgang miteinander auch bis in die Gefilde der rudernden Arme vorgedrungen. Auch wenn es vor und auf der Bühne kaum Security gibt, gerät die Lage (fast) nie außer Kontrolle. Fällt einer hin, wird ihm sofort auf die Beine geholfen. Entspannte und gut gelaunte Gesichter überall.


Was musikalisch abging:


Freitag, 4. August

Während die hochwertigen deutschen Metalcoreler DEADSOIL nur den Zeltaufbau musikalisch untermalen dürfen, schafft man es zum Co-Headliner DEADLINE (bitte nicht verwechseln!) dann endlich mal vor die Bühne. Sängerin Liz hüpft an diesem Wochenende als einziges weibliches Wesen über die Bühne. Demnach ist der Andrang ziemlich groß. Musikalisch gibt’s leichte Kost – eben fröhlichen Punk/Hardcore zum feiern.

Heute scheint Damentag zu sein. Als Headliner steht Deutschlands geschminkteste Metalcore-Band auf der Bühne. Leider gilt bei CALIBAN wieder die These: Hat man sie einmal gesehen, hat man alles gesehen. Die Show der Ruhrpottler wirkt and diesem Abend schon etwas kraftlos und routiniert. Wahrscheinlich spart man sich die Kraft für den am nächsten Tag anstehenden Auftritt in Wacken. Den größten Eindruck macht immer noch Shouter Andy, dessen überzeugendes Gebrüll so gar nicht zu den schwarzen Strichen unter seinen Augen passen will. Klampfer Denis singt immer noch (obwohl ich es ihm ausdrücklich verboten habe) krumm und schief die cleanen Vocals. Man hat ihm dieses Mal aber wohl ein bisschen den Saft abgedreht; ganz nach dem Motto: Du bist zu leise; ich kann dich gar nicht hören.
Tatsächlich fallen die heftigen Riffs mehr ins Gewicht, so dass die lauschende Fangemeinde sich zu ausgiebigem Moshen und sogar, wenn auch nach ein bisschen mädchenhaftem Rumgezicke, zur obligatorischen Wall of Death hinreißen lässt (Fronter Andy: „Kommt Leute, lasst uns eine Wall of Death machen!“ Allgemeines Rumgenöle. „Ich weiß, ihr habt keinen Bock, aber macht doch trotzdem mit!“).
CALIBAN also insgesamt ganz nett, ein klein wenig außer Form und außerdem ein lauer Furz gegenüber dem, was am nächsten Tag folgen sollte.

Danach ist noch lange nicht Schluss mit lustig. GOLD KIDS, TO KILL und FINAL PRAYER verwandeln das kleine, zum Bersten gefüllte AJZ im Anschluss in eine brodelnde Sauna.


Samstag, 5. August

Was für ein Service! Es gibt Kaffee, Frühstück und ein sauberes Klo im anliegenden Vereinsheim. Da geht der Tag doch gleich angenehm los; wenn da nicht diese blöden Regenwolken wären. Doch trotzdem wird erst mal eine Kultour durchs beschauliche Leisnig gestartet. Dort entdeckt man einen ziemlich groß geratenen Stiefel und eine alte Burg, die jedoch eiskalt links liegen gelassen wird.
Was sind denn auch schon Burgen gegen eine knüppelharte Hardcore-Combo wie THE NIGHTMARE WITHIN. Im Angesicht fehlender musikalischer und showtechnischer Qualitäten, wünscht man sich aber die Burg gleich wieder zurück. Dann doch lieber erst mal ein leckeres Soja-Schnitzel.

Mit FALL OF SERENITY steht danach sogar eine waschechte Metal-Kapelle auf den Brettern. Zwar trauen sich anfangs noch nicht allzu viele Leute aus ihrem Versteck, doch unmittelbar vor der Bühne gibt es ein trockenes Plätzchen und zudem richtig guten Melodic Death, was immer mehr Tanz- und Bangwütige anlockt. Die Thüringer Band hat in diesem Jahr schon Bühnen hinter den sieben Bergen beackert und ist dementsprechend routiniert, doch mit einer großen Schippe Spielfreude bei der Sache. Fronter René ist ein echtes Entertainment-Talent und mag es zudem, ausgiebig mit seinen Mitstreitern und auch den in der ersten Reihe stehenden Bangern (gell, Pick?) zu schmusen. „...und jetzt dürft ihr unseren Schlagzeuger bewerfen“, bemerkt er lapidar am Ende der Show. War wohl doch zu gut, als dass jemand Lust dazu hätte.

Das gewaltige Hardcore/Metal-Mosh-Monster ZERO MENTALITY steht als nächstes auf dem Programm. Sofort füllt der Platz vor der Bühne mit bewegungsfreudigen Menschen. Was beim Konzert der Ruhrpottler abgeht, ist schon erstaunlich. Mit ordentlich Groove im Arsch und einem charismatischen Frontmann heizen die Jungs dem Publikum ordentlich ein. Da wird sich auch schon mal freudig um ein weggeworfenes Mikro gerauft: „Ich will auch mal brüllen!“ „Halt! Erst ich!“ „Mensch, Leute, geht mir doch mal vom Rücken!“ Coole Show!

100 DEMONS sind zwar sichtlich mit reichlich Erfahrungen gesegnet, musikalisch und unterhaltungstechnisch können die schon etwas betagten Amis mit ihren Vorgängern nicht mithalten. Hardcore-Metal, Metal-Hardcore – das kann man wenden, wie man will. Begeisterungsstürme vom Publikum gibt es dafür jedenfalls nicht. Das liegt sicher nicht zuletzt an dem ziemlich griesgrämig dreinblickenden, krummbucklig rumschlurfenden und bestimmt schon rattenstraffen Frontmann, der Stagediver mit unsanften Tritten von der Bühne befördert. Nach dem missmutig abgewürgten Set erlaubt er sich mit der Anwendung spärlichen Deutschkenntnissen auch noch einen kleinen Fauxpas: „Das war alles. Deutschland über alles.“ Wer bringt den Amis eigentlich Deutsch bei?

„Wir sind die schwulen Dänen.“ Jacob Bredahl kündigt zu Beginn des Auftritts von HATESPHERE gleich an, was uns in den kommenden 40 Minuten erwartet: Fetter, moderner Death/Thrash-Metal mit viel Augenzwinkern und hohem Unterhaltungsfaktor. Die „schwulen Dänen“ fahren nicht nur ein amtliches Brett auf, sondern wissen die moshende Meute auch zu unterhalten. Da wird gepost, was das Zeug hält, für die Kamera und natürlich die Frauen in der ersten Reihe. Fronthüne Jacob ist wie immer ein Energiebündel, das nur auf der Bühne zu richtigem Leben erwacht. Zumindest verschwindet das breite Grinsen den ganzen Gig über nicht von seinem Gesicht.

Richtig geil gegroovt wird bei BORN FROM PAIN. Die sympathischen Niederländer haben mit ihrem letzten Album „In Love With The End“ einen mörderischen Nackenbrecher im Gepäck, dessen Songs auch hier großen Zuspruch erfahren. Dampfwalzen-Thrash meets Neo-Hardcore at it’s best!
Die New Yorker HC-Rabauken SWORN ENEMY schlagen danach in eine ähnliche Kerbe, mit noch mehr Attitüde und ein paar frech eingestreuten Slayer-Riffs. Da herrscht natürlich High Life im Pit.

Die Quasi-Headliner MAROON sind wie immer ein Garant für eine eindrucksvolle, energiegeladene Live-Show. Musikalisch entziehen sich die Herren ja fast jeglicher Kritik. Kein Wunder, mit einem packenden Album wie „When Worlds Collide“ kann man Metalheads und Hardcore-Fans gleichermaßen auf seine Seite ziehen. Livehaftig funktioniert das neue Material jedenfalls prächtig. Das charismatische Aushängeschild Andre scheint heute auch einen Clown gefrühstückt zu haben: Er unterhält mit mal mehr, mal weniger treffsicheren Ansagen, glänzt mit ausgezeichneten topografischen Kenntnissen („Leisnig? Ist das eigentlich schon Sachsen?“), fordert zum Sturm auf die Würstchenbude auf und spuckt natürlich wieder, was das Zeug hält. Wer da keinen Schirm dabei hat, ist wohl verloren.
Äußerst spaßig auch die Aktion, bei der er alle auffordert, auf die Bühne zu kommen und mitzusingen. Dieser Aufforderung kommen tatsächlich eine ganze Menge Leute nach, so dass die Bühne in kurzer Zeit reichlich überbevölkert ist. Erst nach vielen eindringlichen Bitten des Sängers, die Bretter doch wieder zu verlassen, räumen die Fans das Feld. Klar, dass die Schlacht ums Mikro reichlich chaotisch verlief...
MAROON also sowohl in musikalischer als auch nach den Showeinlagen eindeutig der Höhepunkt des gelungenen Festivals.

Die darauf folgenden eigentlichen Headliner DEATH BY STEREO sowie der Abschluss-Mosh im AJZ mit SOLID GROUND, UNDERSIEGE und THE MIRACLE müssen seitens der anwesenden Bloodchamber-Redakteure aufgrund akuter Müdigkeit gecancelt werden.


Fazit: Angenehme Atmosphäre und musikalisch ausgewogen – das kann man dem Sucks N Summer attestieren. Eine Ausweitung oder Verlegung des Camping-Areals wäre jedoch wünschenswert. Dort war es teilweise schon verdammt eng und ungemütlich. Für nächstes Jahr wünsche ich mir auf jeden Fall besseres Wetter. Auf dem Gelände gab es zwar ausreichend Unterstellmöglichkeiten, aber, meine Damen und Herren, Dauerregen – das geht nun wirklich nicht!


Fotos von Yvonne

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