Amon Amarth Wintersun Tyr

Amon Amarth, Wintersun, Tyr

Amon AmarthTýrWintersun
Stuttgart, Longhorn
19.11.2006
Was hat ca. 100 Beine und 2 Schamhaare? Die Antwort lautet: die erste Reihe eines AMON AMARTH-Konzerts. Wer – wie der Autor – ein schon etwas stattlicheres Alter erreicht hat, dürfte an diesem Sonntagabend den Eindruck bekommen haben, Zeuge einer TOKIO HOTEL-Show zu werden und musste traurig feststellen, das Durchschnittsalter um einige Jahre in die Höhe zu treiben. Aber scheiß der Hund drauf, man gewöhnt sich schließlich an alles und konnte sich anhand etwa 1300 zahlender Anwesenden ziemlich sicher sein, dass der Gig zu einem Triumphzug für die schwedischen Wikinger werden würde.

Bevor die Fragen, ob an der Theke heute heißer Kakao statt Bier ausgeschenkt würde bzw. ob der Gig wegen dem Grundschulbesuch am nächsten Tag schon um 22 Uhr beendet wäre, zu Ende gedacht waren, stehen auch schon die Durchstarter von TYR auf der Bühne, um mit ihrem angeproggten, manchmal recht ruhigen Viking Metal die Meute schon mal für das bevorstehende Inferno fit zu machen. Man merkte auch, dass einige Leute mit dem Material der Insulaner von den Färöern vertraut waren. Im Gegensatz zu mir, der Hymnen wie den Titeltrack des neuen Werks „Ragnarok“, „Eric The Red“, „Dreams“, „Raimund Hin Unge“ oder „Hail To The Hammer“ zum ersten Mal bestaunen durfte. Im Gegensatz zu einigen im Publikum wusste ich allerdings, dass das gespielte „The Wild Rover“ nicht von KLAUS UND KLAUS stammt und im Original „An Der Nordseeküste“ heißt. Banausen!!!

Nach diesem Klasse-Opener durfte dann ex-Ensiferum-Fronter Jari Mäenpäa mitsamt seiner „neuen“ Truppe WINTERSUN ran, die sich seit dem Up From The Ground-Auftritt meiner Meinung nach sogar noch verbessert haben. Allerdings wirken die Songs ihres einzigen Albums in einer Konzerthalle bei guter Lichtshow auch um einiges intensiver als auf einem Open Air. Technisch ist dabei alles beim alten geblieben, Jari und sein Partner an der zweiten Klampfe liefern über die komplette Spielzeit eine Lehrstunde für alle Hobby-Gitarristen, vergessen bei aller Technik aber auch nie, dass so ein Auftritt nebenbei auch Spaß machen sollte. Also wird neben coolem Gegniedel gepost und gerockt, bis das Longhorn Kopf steht, und man lässt nach dem letzten Song, dem recht experimentellen aber verflucht geilen „Starchild“ ein restlos begeistertes Publikum sich dem Hauptact entgegen sehnen.

Was nun die nächsten 90 Minuten folgen sollte, lässt dem Schreiber vor lauter Staunen erst einmal den Unterkiefer nach unten kippen. Bei den vielen Shows, die ich in meiner Laufbahn besuchen durfte, habe ich es wahrlich nicht oft erlebt, dass wirklich jeder von der ersten bis zur hinterletzten Reihe die Fäuste reckt und sich von der Show dermaßen anstecken läßt. Kaum stehen „Nackedei“ Johan Hegg (natürlich wieder „oben ohne“) und seine Drachenboot-Crew auf der Bühne, ist im Publikum der Teufel los. Aber auch die Band selber geht wie gewohnt ab wie Schmidts Katze und bangt sich die Rückenwirbel wund. Mit dem grandiosen „With Oden…“-Opener „Valhalla Awaits Me“ gelingt AMON AMARTH aber auch ein Start nach Maß, der die richtige Eröffnung für die eineinhalbstündige „Hitparade“ bietet. Bis auf das „The Crusher“-Album und die „Sorrow Throughout The Nine Worlds“-Mini CD wird jede offizielle Veröffentlichung berücksichtigt, so dass neben obligatorischen Hits wie „Death In Fire“ (der seltsamerweise schon vor der Halbzeit abgefeuert wird), „The Last With Pagan Blood“, „Pursuit Of Vikings“ oder „Victorious March“ (inklusive deutsch gesungener erster Strophe) auch der Titelsong des „Once Sent From The Golden Hall“-Albums zum Zuge kam. Natürlich aber liegt das Hauptaugenmerk auf dem großartigen neuen Album, dessen gespielte Songs (neben „Valhalla…“ durften „Runes To My Memory“, „Asator“, „Gods Of War Arise“, der Titeltrack sowie „Cry Of The Blackbirds“ natürlich nicht fehlen) ebenso frenetisch bejubelt werden wie die Klassiker. Besaßen AMON AMARTH bereits bei ihren vielen Open Air-Auftritten, die sie bisher absolviert haben, schon eine unbändige Power, so fegen sie wie ein Feuersturm durch das Longhorn und entfesseln eine Energie, die man bis zur Empore fühlt. Johan gefällt sich wie immer in der Rolle des Leitwolfs, kann sein Publikum zu jeder Sekunde mitziehen und grölt seine Texte perfekt und ohne eine Spur von Heiserkeit ins Dunkel. Einen großen Anteil an all der Stimmigkeit hat an diesem Abend auch der zuständige Mixer. Konnte man im Vorfeld erfahren, dass der Sound gerade beim Frankfurter Auftritt in der Batschkapp angeblich unter aller Sau war, so wurde man in Stuttgart mehr als positiv überrascht. Der Sound war bei allen 3 Bands klar und immer druckvoll.

Als dann nach eineinhalb Stunden das Hallenlicht anging, sah man nur glückliche und zufriedene Gesichter. Man konnte AMON AMARTH in der Vergangenheit mittlerweile auf so ziemlich jedem Festival bestaunen, aber so gut und tight wie heute habe ich die 5 Kerle bisher noch nicht erlebt. Diese sahen das wohl ähnlich und schienen verdammt beeindruckt vor der sich ihnen gebotenen Kulisse. Verdammt starke Show, von der einige bestimmt noch minutenlang Mami und Papi im Auto vorgeschwärmt haben.
-