Scheddelspalter-Festival II

Scheddelspalter-Festival II

CrowdDisillusionFall Of SerenityInvocation
Leipzig, Kulturbundhaus
13.04.2007
Man nehme ein zweckmäßig konstruiertes Werkzeug A sowie einen todessehnsüchtigen Kopf B. Dann führe man A mit einem kurzen, kräftigen Hieb auf B und man hat neben einer riesigen Sauerei einen gespaltenen Schädel C. Wer kein Blut sehen kann oder beim Besorgen der beiden Ingredienzien Probleme bekommen sollte, der kann alternativ auch einfach zum 2. diesjährigen „Scheddelspalter“ Indoor-Festival gehen. Im Grunde scheint dies sogar in den meisten Fällen die bessere Wahl zu sein, denn neben strafrechtlichen Problemen vermeidet man damit auch den sich bis in alle Ewigkeit ins Hirn einbrennenden fragenden Gesichtsausdruck der verdutzten Lebenspartnerin.

Passend zu den zwei Stücken eines halbierten Schädels teilt sich auch die erwähnte musikalische Veranstaltung wieder einmal in zwei unterschiedliche thematische Bereiche an zwei aufeinander folgenden Tagen. Am Freitag den 13. kommen die härteren metallischen Töne ans Tageslicht, während am Samstag die Kurzhaarfraktion ihre Portion Geschnetzeltes abbekommt. An beiden Tagen aber stets präsent: Bier ab einsfuffzich sowie pervers aufgeheizte Atemluft mit ohne Sauerstoff.

Freitag

Der Raum ist noch nicht ganz voll, da aufgrund der unerwartet hohen Außentemperaturen die meisten Pünktlichkommer im Freien herumlungern, da begeben sich um halb 9 herum die fünf Leipziger von INVOCATION auf die Bühne, um das Auftaktspalten zu absolvieren. Musikalisch tobt sich die Band im Bereich des Todesmetalls aus, schafft es trotz immer wieder durchscheinender Anleihen bei diversen schwedischen und amerikanischen Acts aber nur bedingt zu einem ansprechenden Gig. Die schnellen Parts wirken zu hektisch, die Midtempo-Parts zu langatmig und generell gibt es einfach zu viele Bands dieses Kalibers, so dass das Finden einer Besonderheit schon fast als Kandidatur für „Wetten dass?“ reichen könnte. Dennoch füllt sich der Raum allmählich und die erste Reihe wirkt zumindest alles andere als statisch. Vielleicht noch etwas üben, dann klappt’s vielleicht auch mit der Publikumsinteraktion und die MORBID ANGEL Zugabe flutscht beim ersten Versuch.

Etwas weniger ernst, manchmal auch recht albern und musikalisch weitaus einprägsamer präsentieren sich als zweite im Bunde die Wahlleipziger von DRAIST AVAGNON, deren Bandnamen man wohl nur als Sachse korrekt aussprechen kann. Mittlerweile sind auch die anfangs erwähnten Temperaturen auf einem angenehm tropischen Niveau und der Sauerstoff beginnt langsam zur knappen Ware zu werden, so dass uns selbst Fronter Jann des öfteren mit der nicht jedem bekannten Tatsache konfrontiert, dass sein Cowboyhut eben nicht am Schädel festgewachsen ist. Gutgelaunt wie eh und je konfrontiert uns die Band mit einer selbstironischen und manchmal auch sinnfreien Mischung aus Rock’n’Roll, Hardcore und allem, was beim Metal hören von früher so hängen geblieben ist. Man könnte es allerdings auch Frog Metal nennen, aber selbst dort passt die eigenwillige Zugabe (Gitarrist tauscht Gitarre gegen Mikro und ahmt seine wütende Großmutter nach) nicht so wirklich rein.

Wieder so richtig ernst machen anschließend die Dauergäste von CROWD mit ihrem groovigen Death Metal. Der kommt wie immer mächtig drückend aus den Boxen, geht sehr leicht ins Knie und spült mal so eben all die ganzen guten Gedanken aus dem Hirn. Nach der letztjährigen, krankheitsbedingten Absage gibt man nun umso mehr Gas, man muss dabei aber allerdings eingestehen, dass trotz aller Professionalität beim Publikum einfach eine gewisse Müdigkeit eingetreten ist, die einfach aus der Häufigkeit der heimischen Gigs resultiert. Ein Klasse Auftritt, ohne Frage. Aber leider ist man das paradoxerweise bereits „gewohnt“ so dass wirkliche Überraschungen ausbleiben. Dennoch gibt sich das Publikum keine Blöße, um auch noch dem letzten Anwesenden vor der Bühne das übrig gebliebene bisschen Atemluft wegzuschnappen.

Komischerweise wird es bei den Aufsteigern von FALL OF SERENITY etwas leerer im Saal. Eigenartig, vor allem wenn man bedenkt, dass die Plauener mittlerweile auch recht gern gesehene Gäste in den hiesigen Landen geworden sind. Von leer kann allerdings wirklich nicht die Rede sein, im Grunde ist man sogar ein wenig dankbar dafür, dass die vorderen Headbanger etwas mehr Platz zur Verfügung haben, um mit ihren biologischen Kopfventilatoren die dicke Luft ein wenig aufzuwirbeln. Ob es nun am mittlerweile zum Sänger aufgestiegenen Ex-Bassisten John oder an den beiden verheißungsvollen Appetithäppchen des kommenden Albums liegt - irgendwie wirkt die Band heute sehr erfrischend und anregend, so dass ihr gitarrenlastiger und verspielter melodischer Death Metal wie die Faust in die Magengegend passt und kaum eine Achselhöhle trocken bleibt. Merken sollte man sich vor allem auch die sehr wirkungsvolle Methode, eine Ansage einfach mit einem „Bla“ zu beenden, wenn einem kein krönender Abschluss mehr einfällt…

Obwohl zu befürchten ist, dass der leichte Zuschauerschwund als Folge der fortgeschrittenen Uhrzeit (es dürfte circa halb 1 sein) und/oder der nicht häufig genug zu erwähnenden Temperaturen noch weiter zunehmen könnte, beweisen die Leipziger Konzertbesucher bei Headliner DISILLUSION eine unerwartet hohe Kuschelbereitschaft. So gut wie alle der knapp 500 Anwesenden quetschen sich in die Konzertsauna, als ob Sauerstoff plötzlich nebensächlich geworden wäre. Scheinbar soll das Abschlusskonzert für Drummer Jens noch einmal zu etwas ganz besonderem werden, das niemand verpassen möchte. Zunächst gibt es aber noch eine Überraschung der haarigen Art. Unter den Klängen des pompösen Intros präsentiert Sänger Andy seine neue Kurzhaarfrisur, von der in den nächsten Stunden besonders fotogen der Schweiß in Strömen herunter rinnen wird.

„Stunden“ deshalb, weil sich die Band dem grandiosen Feedback des Publikums kaum entziehen kann und eine rund zweistündige Show hinlegt, bei der stets am Rande der Erschöpfung von beiden Seiten alles gegeben wird. Im Doppelpack geht es von den Alben „Three Neuron Kings“ über „Gloria“ und „Back to Times of Splendor“ quer durch die Bandgeschichte und wieder zurück. Überlange Songs der Marke „The Sleep of Restless Hours“ werden selbstverständlich ungekürzt wiedergegeben und aus dem neuesten Output die livetauglichen Stücke herausgepickt. Ruhigere Passagen werden für kurze Verschnaufpausen genutzt, in der restlichen Zeit aber dem Schweißgott gehuldigt. Klar, dass bei solchen Anstrengungen nicht alles perfekt sitzen kann, die ansteckende Stimmung beeinflusst das aber in keiner Form. Kurz vor dem Ende gibt es für Jens eine Abschiedstorte und ein schlichtes, aber vielsagendes „Danke“, bevor zur Zugabe angesetzt wird. Aber selbst danach hat das Publikum noch nicht genug. Lautstark fordern sie nach mehr und bekommen es schließlich in Form von „And the Mirror Cracked“, welches die Stücke von „BTTOS“ komplettiert. Bleibt nur zu hoffen, dass wir noch viel von dieser Band zu hören bekommen und ein würdiger Ersatz für Jens gefunden werden kann. [cr]

Samstag

Während der erste Tag dieses schönen schädelspaltenden Festivals für’s Haare schütteln vorgesehen war, darf am Samstagabend ordentlich die Faust zum Hardcore/Metalcore geschwungen werden. Heute dürfen die Männer für’s Grobe auf die Bretter. Leider ist der Ansturm des Publikums nicht so groß wie am Vortag, was bestimmt auch daran liegt, dass nicht so namhafte Bands im Billing stehen. Die anwesenden Besucher haben aber auf jeden Fall Spaß mit dem, was ihnen geboten wird.

Der Abend startet mit FINAL ROUND CREW aus Leipzig. Die inzwischen mit zweitem Gitarristen zum Quintett herangewachsene Band meistert den undankbaren Anfängerplatz ganz ordentlich. Man spielt eine kantige und groovende Hardcore-Variante, der es zwar an Höhepunkten mangelt, die aber anständig fett und brutal im Zuschauerraum landet und da die ersten Tänzer aufs Parkett lockt. Dort kollidieren inzwischen friedlich Metal- und Hardcore-Welten miteinander.
Danach kommen Freunde des groben Humors auf ihre Kosten. Die Leipziger Originale CORZ sind laut und roh...Corz und schmerzhaft eben. Auch wenn die deutschen Texte aus heiserer, bierbefeuchteter Kehle nicht vollends zu verstehen sind, kann man sich doch jederzeit ausmalen, dass es dort nicht gerade zimperlich und reichlich albern zugeht. Während sich der Frontmann ein T-Shirt nach dem anderen von der Bierwampe reißt, ist im Zuschauerraum tote Hose. Die verstehen wohl keinen Spaß.

Voller und vor allem wärmer wird es danach bei FARMER’S BOULEVARD. Mit energiegeladener Show und der passenden Message erfreut die etablierte Band die Herzen der anwesenden Oldschool-Fans. Die verleihen dem Klima im Kulturbundhaus kurzerhand ein stickiges Tropenhaus-Flair.
AFTER RISING SUN mögen es metallischer. Mit viel Spaß am Posen präsentiert die Band eine nicht gerade überraschende, aber doch ordentlich arschtretende Metalcore-Variante. Die Riffs krachen, die Breaks moven, Spielfreude und Leidenschaft sind hier auch sicht- und fühlbar – so macht’s trotz fehlender Originalität jede Menge Spaß.
Eine weitere Stimmungssteigerung gibt es bei FINAL PRAYER. Die moshende Meute ist vom geradlinigen Muskel-Core der Berliner derart angetan, dass sie neben ausgelassenem Kreistanz und lautstarkem Mitbrüllen der Band mehrere Zugaben abverlangt. Das Atmen wird im sauerstoffarmen Raum zwar immer schwieriger, aber zumindest ist man Zeuge einer stilechten und schweißtreibenden Hardcore-Show geworden. So muss das sein!

Wieder einmal kann man dem Scheddelspalter-Festival ein überaus positives Zeugnis ausstellen. Die Zielgruppe durfte sich über ein abwechslungsreiches Programm und sehr faire Eintritts- und Getränkepreise freuen. Da kommt man gerne wieder – also bis zum nächsten Jahr, wenn wieder rücksichtslos Schädel gespalten werden dürfen. [yb]

Fotos von Madlen Krell

Bildergalerie

-