Fleisch Festival

Fleisch Festival

FleshlessSic(k)reaktion
Markkleeberg, Spinne
20.04.2007
Fleisch? - Ja, Fleisch!!! Beim ersten Kontakt mit diesem Namen könnte sich bei dem ein oder anderen noch leichte Ratlosigkeit einstellen, was genau man denn nun unter diesem Banner zu erwarten hat: Eine Riesengrillparty mit Vegetarierschändung? Tabledance im Schlachthaus? Oder doch nur ein Festival der Markkleeberg Metalheadz, welches mit viel Gehacktem für kleines Geld aufwartet.
Bei Ankunft im Leipziger Süden allerdings wird schnell klar, dass wir es mit Letzterem zu tun haben und da sich am eröffnenden Freitag bereits knapp 200 Metalköppe zum Essen angekündigt haben, wird es schnell kuschelig.

Freitag

Den Auftakt machen – leider noch ohne uns - SIC(K)REATION, welche vor geraumer Zeit bereits in der Villa punkten konnten und nach Aussage von Anwesenden heute mit reichlich Fanverstärkung auflaufen. Dadurch wird die recht straighte Mischung aus Melodie und Todesblei trotz Openerposition offenbar gut abgefeiert – zu wünschen wäre es den einheimischen Gewächsen in jedem Fall.

An zweiter Stelle steht mit GOMORRHA aus Jena ein recht bekannter Vertreter des gepflegten Breakmassakers und die Band macht vor gut gefülltem Haus dann auch ordentlich Ballett: Angetrieben vom eher animalisch als menschlich anmutenden Grunzer Jan zaubern die Thüringer ein klassisch amerikanisches Barbecque, welches hier und da – vor allem in schnelleren Gefilden - mit dem Grind flirtet, letztendlich aber doch dem Death Metal verhaftet bleibt.
Was musikalisch nicht unbedingt Berge versetzt, taugt an diesem Abend gut zum gepflegten Kopfnicken, da die Meute in Feierlaune ist und die latente Schwammigkeit in den Highspeedparts nicht krampfhaft unter die Lupe nimmt – der räudige Sound jedenfalls passt einfach auf den Punkt.
Interessant auch die Aufgabenverteilung innerhalb der Bühnenshow: Während Robert auf der linken Seite wirbelt wie ein Derwisch im Epilepsie-Endstadium, fällt Drummer Florian vor allem durch stoische Ruhe und prüfende Blicke zur Bausubstanz der Spinne auf, die einen Arbeitsplatz im Konstruktionsgewerbe nahelegen. Dazu die interessante Mimik von Rene, und fertig ist eine Band, der man ebenso gut zuschauen wie zuhören kann.

Die nächsten Grillmeister hören auf den Namen THE ATMOSFEAR und haben mit Olli definitiv eine Rampensau an Bord, die bisweilen nur mit Mühe zu zügeln ist. Musikalisch im thrashigen Tod verankert, taugt das schneidige Material der Niedersachsen zu allerlei Haarspielereien, allerdings fällt live immer wieder die Abwesenheit einer zweiten Gitarre auf: Während der häufigen Solopassagen verliert der Bandsound merklich an Druck, sodass man hier vielleicht eher die Rhythmusparts variieren sollte, statt mit der einzigen Klampfe auf Solopfaden zu wandeln.
Ansonsten aber ein auch publikumsseitig gut aufgenommener Gig, der durch Details wie Ollis Ausflüge in den Zuschauerraum an Ausstrahlung gwinnt und den Poserfaktor nach oben schraubt. Wenn man nun noch die dämliche Ansage zu „Sodomy“ weglässt, wird’s auch mit dem Nachbarn...

FLESHLESS auf dem Fleisch-Festival ist vom linguistischen Standpunkt her einer der besseren Witze, aber das ist es dann im Hinblick auf Humor auch schon gewesen. Die Tschechen sind live schlicht ein verdammt tightes Stakkatomonster und beweisen heute Abend vor allem, dass es auch ohne große Interaktion mit dem Publikum Mittel und Wege gibt, den bangenden Kopf zu erzwingen. Die überwiegend den letzten drei Alben entnommenen Stücke trieben mit ihrer Mischung aus Maschinenriffing und krachendem Downtempo – siehe „To Kill For Skin“ - Schweiß aus allen Poren und sorgten weiträumig für Bewegung im immer noch stinkevollen Auditorium.
Umso dümmer, dass die Hooliganpits zwischen gutgelaunten Menschen immer wieder auch musikerseitig gefordert werden – wie man zusammen eine gute Band abfeiert ohne sich zu schlagen, haben THE ATMOSFEAR Minuten vorher umso eindrucksvoller gezeigt.
Trotzdem: FLESHLESS sind live, bei knackigem Sound, absolute Sahne und damit als Headliner vollauf zufriedenstellend. Wenn es nächstes mal ein paar Songs mehr gibt, wird sich jedenfalls keiner beschweren – insgesamt ein durchweg gelungener Auftakt für die Fleischereifachverkäuferinnung Markkleeberg. [rs]

Samstag

Auch der zweite Tag soll allen Feinkostverächtern wieder das Blut ins Schnitzel steigen lassen. Punkt 8 Uhr entern DEATH EMBRACE die Bühne, um dem hungrigen Publikum ihren thrashigen Death Metal um die Ohren zu hauen. Der Raum ist leider noch nicht ganz so gefüllt, wie man es vom Vortag gewohnt ist, aber die schmerzenden Lungen danken dies zunächst. Obwohl es für die fünf Leipziger auf der kleinen Bühne recht eng und kuschelig zugeht, gibt man sich Mühe, dem Publikum ordentlich eins vor den Latz zu geben. Dank mitgebrachter Fans ist vom ersten Augenblick an auch genügend los, um den Rest der sich im Etablissement verteilten Zuschauer anzulocken und ihnen den metallischen Einstieg so angenehm wie möglich zu gestalten.

Die ebenfalls aus Leipzig kommenden SPEECH DEFECT können nahtlos daran anschließen, bedienen aber etwas mehr die Hartkernfraktion, obwohl ihre Wurzeln eindeutig im traditionellen Thrash Metal zu finden sind. Vergleiche mit Pro-Pain liegen vor allem in den etwas langsameren Stücken auf der Hand, wenngleich die Jungs längst nicht deren Gewicht erreichen. Den meisten Besuchern werden sie aber wohl hauptsächlich als „die Band, die zwischendrin plötzlich Sänger und Schlagzeuger austauscht“ in Erinnerung bleiben, da es traditionell gegen Ende für eine Handvoll Stücke stets diesen deutlichen Stilwechsel gibt. Erwähnter Schlagzeuger stellt sich nämlich als fieser Brüllwürfel heraus, der äußerlich zwar angeschlagen, innerlich aber immer noch voller Wut ist, um mit röchelndem Grunzen die Songs mehr in Richtung Death Metal zu treiben.

SADISTIC BRAINSLAUGHTER lösen im Anschluss daran das schon den ganzen Abend im Raum herumschwirrende Rätsel, wer denn diese in gelben Brasilientrikots herumlaufenden Witzbolde sind. Obwohl sie sich als INSURRECTION DOWN ankündigen, fliegt der Schwindel schnell als simpler Trikottausch auf, denn kein Brasilianer dürfte das Wort „Wurst“ so akzentfrei aussprechen dürfen. "Humor ist, wenn man trotzdem lacht", lautet ein bekanntes Sprichwort, SADISTIC BRAINSLAUGHTER schaut man sich ebenfalls gerne mit einer Mischung aus Faszination und Verachtung an. Witzig sind sie ja schon irgendwie, mit ihren improvisierten, postapokalyptischen Wurstcore-Fabrikationen, aber länger als einen Tag möchte man es mit diesen Chaoten kaum aushalten.

Einen weiten Weg hat die letzte Band des Abends hinter sich. Obwohl mit BRAINSLAUGHTER-Shirts bekleidet, sind es doch die Brasilianer von INSURRECTION DOWN, die das schnuckelige Jugendzentrum auseinander nehmen wollen. Aggressiv, laut und energetisch werfen sie ihre Hasstiraden in Form von schnellem Death Metal mit einigen typisch brasilianischen Hardcore-Einflüssen ins Publikum. Dieses antwortet mit gereckten Fäusten und wehenden Haaren. Kein Wunder, denn der Sound ist für den kleinen Raum sehr knackig und druckvoll, und die Band, welche bereits seit vielen Jahren durch die Clubs tingelt, ist sich für keinen Schweißtropfen zu schade. Obwohl man im Gegenzug aufgrund der Klasse des hiesigen Undergrounds wohl kaum nach Südamerika fahren dürfte, geknallt hat’s trotzdem. [cr]

Was bleibt zu sagen? Für 10 bzw. 8 € (Kombiticket) haben die umtriebigen Metallköpfe ein angenehm überschaubares Untergrundfestival auf die Beine gestellt, welches in Leipzig auch musikalisch Sinn macht, da es bei fairen Rahmenbedingungen eine bodenständigere Nische im Konzertdschungel abdeckt. Gelingt es, diese Intimität zu bewahren und den Weg an der Basis auch weiterhin zu verfolgen, dürften uns im Leipziger Speckgürtel noch ein paar geile Abende erwarten. [rs]

Fotos Freitag von Yvonne, Samstag von Christian

Bildergalerie

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