Hellraiser Open Air
Hellraiser Open Air
Mark Schönstädt
25.05.2007
25.05.2007
Heute soll es soweit sein. Der Leipziger HELLRAISER e.V. feiert fünfzehnjähriges Bestehen und lädt alle dazu ein. 1992 gründeten Leipziger Metalfans diesen Verein um sich regelmäßig in entsprechendem Ambiente und mit passender Musik zu treffen, ein paar Bierchen und anderes zu zischen. Veranstalter Wito buchte auch bald die ersten Bands und so entwickelte sich das Ganze zu einem Mix aus Konzertveranstaltung, Kneipenabend und Metaldisco. Für die Neunziger Jahre war es das Ding, nach Engelsdorf zu pilgern um die Matte angemessen kreisen zu lassen. Nach unglaublichen, mir recht kurz vorkommenden 15 Jahren ist es an der Zeit, ein ordentliches Jubiläum zu feiern. Also auf in die Pampa hinter Wurzen, Zelt und Grill aufgestellt sowie den ein oder anderen Pavillon. Auf ins Getümmel! [dt]
Und da ja irgendwer dem Kollegen Thalheim in regelmäßigen Abständen seine Pillen verabreichen muss, habe ich mich ebenfalls gut ausgerüstet in die Pampa gewagt und zumindest für den Freitag noch den Tobias zwecks Interview mit eingesackt. Allerdings hatte ich schon am Tag zuvor mit fiesen Rückenschmerzen zu kämpfen. Aber was soll’s, Indianer kennen keinen Schmerz, und Metaller ebenso wenig. [cr]
FREITAG
Klasse Show, BETRAYER! Nach diesem Einstieg kann ja nichts schief gehen. Ob es Glück bringt, wenn mitten im Set die Saiten reißen und neue aufgezogen werden müssen? Wir behaupten das mal einfach. So können die Leipziger Sympathiepunkte sammeln und zocken vor allem vor der mitgereisten Fanschar ein druckvolles Thrash-Programm, das einen gelungenen Auftakt zum dritten kühlen Bier und Sonnenbrand bietet. Nur mir bringt die Zwangspause nichts, weil die Kamera abkackt. [dt]
DAWN OF AZAZEL - das Trio aus Neuseeland hackt sich durch eine reichliche halbe Stunde Hochgeschwindigkeits-Death-Metal, der eine gewisse Verwandschaft zu den Amis IMMOLATION erkennen lässt, dabei aber wesentlich komplexer und frickeliger daher kommt. Die erste Reihe lässt, animiert durch den gut mit dem Publikum kommunizierenden und lustig behackten Fronter, die Haare kreisen und auch IMMOLATION lassen sich, gewandet u.a. in Sommerhut und Badelatschen, gemütlich dieses gute Konzert von DAWN OF AZAZEL reinlaufen. [tr]
Die dichtgedrängten Fans bekommen von GRAVE eine erste amtliche und routinierte Show um die Ohren geknallt, die es in sich hat. Ihr substantieller Mix aus Slow-Mo-Death und zügigen Parts kommt auch am Nachmittag noch gut an, was der volle Bühnenvorplatz und die zahlreich erhobenen Fäuste und kreisenden Matten beweisen. Mit Songs von ihrem ersten Album “Into The Grave” über “Soulless” bis hin zu dem arschtretenden neuen Album “As Rapture Comes” reicht die abwechslungsreiche Songauswahl. Danach inspiziert die Rhythmussektion das Festivalgelände, post mit Fans und gibt freundlich Autogramme. Feine Sache, meine Herren. [dt]
LIFTHRASIL haben leider die Arschkarte gezogen, denn pünktlich zum Gig zieht auch der erste Regen mit auf das Gelände. Tja, hättet ihr mal lieber nicht so viel vom Sturm gekrächzt. Für Black Metaller mag das ja vielleicht noch eine gelungene Kulisse sein, aber viele Zuschauer scheinen eher Angst vor den evil Regentropfen zu haben und ergreifen sicherheitshalber die Flucht. Der recht ansprechende Black Metal mit deutschen Texten und der einen oder anderen Melodie ist es jedenfalls bestimmt nicht, weswegen kaum jemand vor der Bühne steht.
Genauso angeschwärzt, aber wieder in strahlendem Sonnenschein bekämpfen die Österreicher ASMODEUS einmal mehr das Licht und all ihre Ausgeburten. Bedeutend düsterer und rasanter als ihre LineUp-Vorgänger blitzen aber auch hier abundzu so etwas wie Strukturen oder Melodien durch. Hauptsächlich regiert aber das rasselnde Schlagzeug, so dass vor allem die härteren unter den Schwarzweiß-Freunden ordentlich bedient werden. [cr]
KRISIUN haben Spaß an den brasilianischen Temperaturen. Das merkt man an der Spielfreude, dem gekonnten Posing sowie den enthuasiastischen Fans. Die sympatische Boller-Band aus Südamerika knallt dem bangfreudigen Publikum stets Klassiker vor die Füße, weswegen bei vielen die Oberkörper auf und nieder sausen. Fantastische Idee, wenn ihr mich fragt.[dt]
Und nun sollen eigentlich GRAVEWORM spielen, stattdessen kommt aber erst einmal eine Durchsage, dass die Südtiroler trotz unserer wunderbaren deutschen Autobahnen ordentlich im Stau stecken und noch gar nicht da sind. Da die sturen Amerikaner von IMMOLATION unter keinen Umständen ihren Slot tauschen wollen (noch nicht genügend getankt oder wie?), ist also erstmal Ruhe angesagt. Als eine runde halbe Stunde später dann die Band abgehetzt eintrifft und ohne merklichen Soundcheck zu spielen beginnt, ist die Freude allerdings eher getrübt. Sicher, Frontitaliener Stefan trägt gekonnt wie immer die gute Stimmung des melodiösen Keyboard-Black Metals ins aktive Publikum, aber der ungleich abgemischte Sound ist nicht wirklich optimal anzuhören.
IMMOLATION habe ich anschließend wegen der unverständlichen Aktion vorher boykottiert (naja, auf diesen Ami-Prügel-Death stehe ich eh nicht so), während Kollege Schmiedestahl wohl mal wieder das Innenleben von Bierbechern untersucht hat. Da müsst ihr euch dann wohl selbst ausmalen, wie das gewesen ist. [cr]
Beim Gig von ENSIFERUM regnet es und irgendwie ist es im Zelt beim Bier wärmer, trockener und gemütlicher. Deren hymnische Musik passt hervorragend zu dieser Bierzeltsituation, wo ich Leute treffe, an die ich mich zur Belustigung anderer seltsamerweise am nächsten Tag nicht erinnern kann. [dt]
Tja, während der Kollege lieber einen trinkt, pendle ich immer zwischen Bühnenrand und sicherer Zuflucht hin und her, da ENSIFERUM unter anderem auch mit vielen Stücken des aktuellen Albums ordentlich Laune machen, andererseits meine wasserlösliche Kleidung doch irgendwie den Regen scheut. Viele der Anwesende vor der Bühne haben allerdings nicht mit diesem Problem zu kämpfen. Dem Wetter trotzend kreisen die Fäuste und recken sich die Matten nach oben…oder so ähnlich…[cr]
Während der gusseiserne Blutkammerpapst bei BEHEMOTH im Zelt selig der Bierdämmerung huldigt, und Kollege Rosenau das Geschehen mit schmerzendem Ischias nur aus der Ferne mitbekommt, ziehen die Polen kräftig vom Leder. Zur Begeisterung aller Anwesenden. Neben einer energiegeladenen sowie hitbespickten Show gibt es auch viel zu sehen. Ich ziehe respektvoll meine Schlafmütze vor den ehrwürdigen Fans und dieser Ausnahmeband. [dt]
…und ich danke der Welt für die Erfindung einer Luftmatratze, hab aber (meiner Blase sei Dank) immerhin noch mitbekommen, wie BEHEMOTH ein TURBONEGRO-Cover als Zugabe gegeben haben. [cr]
SAMSTAG
Nach ausgiebigem Sonnenbad und einem erfrischendem Abstecher ins ortseigene Waldbad kann es auch am zweiten Tag endlich wieder zur Sache gehen. Frisch gestärkt zieht es mich zu den Viking Metallern von THRUDVANGAR. Deren Musik ist zwar geprägt von Klischees jedweder Art, sei es nun das ewige Huldigen der nordischen Mythen mit schwer angesagten deutschen Texten, den aufdringlichen Keyboards oder zuckersüßen Melodiebonbons, irgendwie ist der fast schon naive Umgang mit dem Genre dann auf gewisse Art und Weise auch sympathisch und spaßig.
Die in unseren Landen fast schon omnipräsenten PURGATORY legen dafür im Anschluss wieder einmal ordentlich los. „Pure Death fuckin’ Metal“ steht’s geschrieben und genau das bekommt man hier auch zu hören. Eigenartig klingt nur der Sound, welcher die Gitarren fast vollständig verschluckt, dafür den Bass aber umso mehr zur Geltung bringt. Sei’s drum, den enthusiastischen Fan interessiert solch ein Schnickschnack nicht, der schüttelt seinen Kopf lieber frei von allen lästigen intelligenten Gedanken. [cr]
OUTRAGE ziehen erstaunlich viele putzmuntere Leute an. Kein Wunder! Haben sie doch am Abend zuvor ordentlich für sich Werbung im Bierzelt gemacht. Aber das weiß ich nur aus dritter Hand, obwohl ich in meiner von GRAVE signierten Hose einen Promo-Aufkleber fand und nicht zuordnen konnte, von wem und wann ich den bekam. Nach kurzer Aufklärung und einem fassungslosen Blick meinerseits genieße ich den bewegungsfreudigen Gig. Ein wenig erinnert mich ihre Mucke an CEREBROCIDE (R.I.P.), der sich mit zügig gespielten Death-Thrash beschreiben lässt, mit guten Leads und guter Taktung. Empfehlenswert. [dt]
Also ich bin mir nicht sicher, was sie dir gestern zu trinken gegeben haben, lieber Daniel. Aber von vielen Leuten kann hier nun wirklich nicht die Rede sein, die verstecken sich alle lieber im schattigen Schatten. Nichtsdestotrotz gefällt der mich eher an SIX FEET UNDER erinnernde Sound der Österreicher durch Eingängigkeit und immer mal wieder eingestreute gute Ideen. Auch das Growlen beherrscht der Sänger ziemlich gut, aber leider erkennen das Publikum die Qualität der Band nur nach und nach.
Um MOSHQUITO in diesen Landen zu entrinnen, muss man schon verdammt ignorant veranlagt sein, da die Death/Thrasher momentan scheinbar in jedem Hühnerstall auftreten. Deshalb ist es auch nicht weiter verwunderlich, dass durchaus wieder mehr Besucher den Weg vor die Bühne finden. Geboten bekommen sie eine sehr solide Show mit ordentlichen Krachern, die auch um ihre nicht zu verbergenden PANTERA-Anleihen kein großes Geheimnis machen und dies letztlich in einer Cover-Version auch zeigen. [cr]
Die altehrwürdigen EMINENZ treten mit einem fantastischen Set vor versammelter und neugieriger Fan-Mannschaft auf. Ihre Songs kombinieren sie kongenial mit einer optischen Show. Ein riesiges mit Grillkoteletts bespicktes Holzkreuz dominiert die Bühne genauso wie der agile Frontmann, welcher neben den starken Grunts auch mal große Feuerbälle ausspuckt und nachhaltig unterstreicht, wer hier Chef im Ring ist. Ein neues Album ist auch in Aussicht, also kann ja gar nichts schiefgehen. [dt]
Altehrwürdig hin oder her, die Aufmachung der blutbesudelten Band mit enganliegenden und maßgeschneiderten Plastik-Kettenhemden ist doch mehr als antiquiert und nur noch peinlich, wenn man so etwas in ernster Absicht präsentiert. Die ebenso antiquierten, keyboardschwangeren Songs dagegen können eine gewisse Eingängigkeit nicht von der Hand weisen, so dass ich den alten Herren gern beim Spiel zuschaue. [cr]
Sicherlich sind ELUVEITIE mit ihrem Folk/Death Metal auf dem Papier die exotischste Band des Festivals. Haben die Schweizer aber erst einmal losgelegt, dann zeigt sich sehr schnell, dass trotz Flöten, Leier und Geige eindeutig der Death Metal im Vordergrund steht. Die sympathischen acht Musiker entfachen mit ihren spritzigen Songs in kürzester Zeit eine Riesenstimmung voller herumhüpfenden und bangenden Menschen, einige machen sogar beides auf einmal. Getrübt wird der Spaß lediglich durch ein gebrochenes Drumpedal, die lange Wartezeit nutzt entweder der Bassist oder der Dudelsackspieler (nur ihre Mutter kann die beiden wohl auseinanderhalten) die Gunst der Stunde, um dem Publikum den Unterschied zwischen Äpfeln und Birnen zu erklären. Ein toller Auftritt eines Geheimtips, der dankenswerterweise hervorragend von den Anwesenden angenommen wird. [cr]
Einen dichtgepackten Platz bescheren ebenso LEGION OF THE DAMNED, die fulminant die Massen mit ihrem fetten Oldschool-Thrash im Griff haben. Von Anfang bis Ende gibt es nur Killersongs wie „Malevolent Rapture“, „Son Of The Jackal“, „Bleed For Me“ und „Sepulchral Ghoul“. Der glasklare Sound und die ausgewogene Lichtshow unterstreichen die starke Performance der vier Holländer. Da bleiben keine Wünsche offen und alle können vergnüglich die Matten wirbeln oder den Bierbecher kreisen lassen. Es ist erstaunlich wie die Mannen von der Vorgängerband OCCULT mit demselben Sound jetzt so einen großen Erfolg haben. Fantastisch!
Einen langsamen und hüftlahmen Einstieg legen GOD DETHRONED hin. Denn wenn man mit „Faithless“ und „Hating Life“ startet, darf man keine überschwänglichen Reaktionen erwarten. Aber das ändert sich, als sie ältere Songs aus der frühen und mittleren Bandperiode (O-Ton: "This is 'The Warcult!') auspacken und vor sich eine tosende See von wirbelnden Haarmatten sehen. Der Sound ist wie bei fast allen Bands Oberklasse (was nicht zuletzt am Hellraiser eigenen Mischmeister liegt) und lässt vor Freude die Ohren schlackern. Und das ohne lästig säuselnde Hinterlassenschaft.
DARK FUNERAL lassen erst einmal auf sich warten und kündigen ihre Anwesenheit durch eine lange Pause und einem noch längeren Intro an. Nachdem sie sich feiern haben lassen, zocken die Schweden ein routiniertes Set mit einigen kleinen Überraschungen. Neben neuem Material spielen die vier belederten Nordfichten auch die eine oder andere schwarze Perle aus der frühesten Phase der Band. Humor beweisen die Maskenmänner, indem sie sich selbst auf den Arm nehmen („The next song is also about Satan.“). Alles in allem bieten DARK FUNERAL ein gutes Songprogramm, aber optisch und beweglich sind die Herren etwa so müde wie es ihre aktuellen Masken implizieren. Leider haben viele diese Show nur von ihren Zelten aus hören können. So ist das Konzertgelände wie leergeblasen. So schlecht waren DARK FUNERAL nun doch auch nicht. [dt]
SONNTAG
DISASTER K.F.W. knüppeln ein starkes Set zur nachmittäglich schwülen Stunde in die offenen Weiten des noch wenig frequentierten Konzertgeländes. Noch liegen die meisten in den Kojen, verrichten ihre Morgentoilette oder schlappen noch im besser frequentierten Steinbruch herum, um genießerisch das gut angewärmte Gewässer zu durchschwimmen und allerlei Schabernack zu treiben. Aber einer muss ja den Anfang machen und den machen die Weimarer um Skelleton verdammt gut und professionell. Hits wie „Fear Is Our Crowd“ gibt es auch und einen Pfefferminztee für mich und meinen lädierten Magen. Von wegen „Hartlack“ am Morgen.
Irgendwie waren DAWN OF FATE hinter der Bühne lustiger als On Stage. Warum habt ihr eure Kunstpimmel nicht ausgepackt? Jedenfalls ist der ausufernde Mix aus progressivem, zügigem und räudigen Material nicht jedermanns Geschmack, aber ein gutes Pendant zu den eben aufgetretenen DISASTER K.F.W. [dt]
Mir wiederum hat es gereicht, einmal am Vorabend von hinten mit einem Plastikjohnny penetriert worden zu sein. Und ebenso habe ich mich gefreut, einmal etwas neueres Material der Band zu hören zu bekommen, deren neues Album ja schon seit Jahren auf sich warten lässt, aber nun hoffentlich ernsthafte Züge annimmt. [cr]
Die agilen HELRUNAR zeigen anschließend einmal mehr, dass man sich für gelungenen Black Metal nicht zwingend Schminke ins Gesicht spachteln oder selbst mit seiner Mutter plötzlich nur noch konsequent norwegisch sprechen muss. Nein, ihr deutschsprachiger, paganisierter Schwarzmetall kann hauptsächlich musikalisch punkten, auch wenn natürlich trotzdem ein wenig Dunkelheit am Himmel dem Auftritt nicht geschadet hätte. [cr]
Die als Ersatz für SULPHUR eingesprungenen Damen und Herren von D.A.M.N. können wohl hauptsächlich mit der Optik punkten. Die Fans sind trotzdem schwer begeistert von der röchelnden Frontblondine und wollen die sympathische Band nicht von der Bühne lassen. Doch irgendwann ist auch der stärkste Deathmetal-Mann müde von den schon recht abwechslungslosen sowie simpel durchgeknüppelten Tracks und verlangt nach mehr Abwechslung. [dt]
Die gibt es dann mit den dänischen ILLNATH. Sie ersetzen die gecancelten BELPHEGOR auf überraschend unterhaltsame und professionelle Weise. Stilistisch und optisch irgendwo zwischen GRAVEWORM und CRADLE OF FILTH ist diese Band eine wunderbare Bereicherung für jedes Festival, zumal die netten Jungs gleich mal ein Teil ihres Merchandises den echten Fans zuwerfen. Musikalisch gibt es auch nichts zu meckern und lässt zumindest die in der Ferne aufkommende ENDSTILLE wittern. [dt]
ENDSTILLE? Na bloß nicht. Die optisch etwas klischeehaften Dänen spielen mit ihren verspielten Keyboardorgien da in einem ganz anderen Stadion. Musikalisch eine wirklich gelungene Sache, aber die klinisch saubere Show lässt den einen oder anderen Sympathiefunken doch arg vermissen. [cr]
Bei OBSCENITY versammeln sich mittlerweile mehr Leute, die sich langsam aus den Zelten und vom Campinggelände schälen und beinahe „Thriller“-like zur Bühne wanken. Ob noch jemand aus den festgetrampelten Grasnarben gelugt hat, soll der Fantasie überlassen werden. Inzwischen schmeckt auch das Bier wieder und entsprechend bangfreudig ist das Publikum. Ich erinnere nur an die aufwachende Schnapsleiche neben der Bühne, die noch nicht im Vollbesitz der geistigen und körperlichen Kräfte ist, aber wie wild auf allen Vieren losbangt. Die spielwütige Band schafft es, mit ihren tempostarken sowie variantenreichen Songs demnach Tote zu erwecken sowie ein musikalisches MG-Geschützfeuer unter die Fans zu ballern, die natürlich zu älterem, auch zu ganz neuem Material vom letzten Album „Where Sinners Bleed“ wild abhotten und durstig nach Zugaben verlangen. Auf jeden Fall war neben ILLNATH dieser Auftritt der erste große Höhepunkt an diesem Konzerttag. Wenn nicht ein bedrohlicher Gewitteramboss aufziehen würde, der nach dem Auftritt erst mal viele dazu veranlasst, zurück zu den Zelten zu pilgern, um alles und sich selbst sturmsicher zu machen.
Nach zwanzig bis dreißig Minuten ist dann schon alles vorbei. Während noch violette Blitze über den Wolken verhangenen Himmel zucken, gehen schon viele wieder zur Bühne, um den starken Auftritt von VADER nicht zu verpassen. Die Polen fahren ein betonhartes Deathmetal-Brett mit abwechslungsreichen Knüppelattacken und doomigen Parts. Dafür werden sie von den Anwesenden kräftig umjubelt und zum Bleiben animiert. Ein Regenbogen umwölbt wie auf Bestellung das Festivalgelände und umrahmt atmosphärisch die kompakte Darbietung der Hyperblasttruppe. Natürlich verzögern sich die folgenden Auftritte gewitterbedingt nach hinten.
Lang erwartet und endlich bekommen! ENDSTILLE binden wohl an diesem Abend die meisten Fans an sich und können sich gemeinsam mit L.O.T.D. wohl verdientermaßen den Fan-Ehrenpreis anheften. Die mitreißenden und fiesen Blackmetal-Epen werden vom fernen Wetterleuchten und Blitzattacken wie ein riesiges Naturstroboskop untermalt und tragen zu einer gelungenen Show bei. Der agile Frontmann kippt sich Schweineblut (denke ich zumindest) über seinen Oberkörper und spritzt von dieser Substanz eine ordentliche Ladung mit seinem Propellerbanging in die ersten Reihen. Weil die Fans die Band so dermaßen frenetisch umjubeln, bekommen sie auch gleich zwei Zugaben. Das gab es so bei all den Tagen nicht. Insofern ein voller Erfolg für ENDSTILLE.
Eine durchwachsene aber durchweg heitere Animiershow bieten DIE APOKALYPTISCHEN REITER, die mit „Friede Sei Mit Dir“ einen fulminanten Einstieg finden und am Ende dann mit einigen Klassikern (u.a. „Reitermania“) ihren Höhepunkt finden. Die ermüdenden Fans nehmen die offene Geste an und bedanken sich mit lautstarken Beifallsbekundungen. Aber erst nachdem sie artig Pitrone zum Geburtstag gratulieren, lockert sich die anfängliche Schreimüdigkeit, so dass alle ihren Spaß haben. Fuchs, der wie ein Flummi über die Bühne springt. Pest, der eine männliche Seemannsbraut dankend ablehnt mit der Gestik, dass ihm heute nach mehr Busen zumute ist und eben die beiden Fans, welche den Crowdsurf-Wettbewerb gewinnen und hinterher den Merchandise-Stand der Reiter plündern dürfen. „Revolution“-äre Ambitionen scheinen im Publikum nicht auffindbar zu sein. Trotzdem ein starker Song. Die REITER bieten mit ihrem Auftritt einen Farbtupfer auf diesem Festival, der gerne angenommen wird. Die kontrastreiche Show ist, auch wenn die Reiter diesmal nicht alle musikalischen Geschmäcker genügend bedienen wollen, ein sehr guter und abwechslungsreicher Auftakt für die lang erwarteten UNLEASHED, die nach kurzem Soundcheck die Bühne betreten.
UNLEASHED schreiten dann zu fortgeschrittener Stunde erhaben auf die Bühne und das Bangfeuerwerk kann beginnen. Aktuelle Knaller von ihrem Überwerk „Midvinterblod“ kommen ebenso zum Zuge wie immer noch frisch klingende Klassiker wie „Never Ending Hate“, „Death Metal Victory“ und „Into Glory Ride“. Das sympathische Auftreten der Jungs um Johnny, die Klassikershow und übliche Gesten sind schon Tradition, genauso wie die Segnung Odins durch einen guten Umtrunk aus dem Trinkhorn. Trotz der vorgerückten Stunde verlangen die bangfreudigen Fans auch hier Zugaben, die sie auch bekommen. Die energiereiche Show der Schweden krönt drei wunderbare Tage und Nächte in Mark Schönstedt, die manche so schnell nicht vergessen werden.
Resümierend füge ich hinzu, dass dieses kleine und feine Geburtstagsfestival des Hellraisers für sein Größenverhältnis starke Bands auftreten ließ, den Fans genügend Raum, Bier- und Fressstände bot, um sich gut zu amüsieren, wohl zu fühlen und alles friedlich verlaufen zu lassen. Erinnert sei auch an die klasse Duschmöglichkeit, die verhältnismäßig sauberen Dixies und die Bademöglichkeit am Steinbruch zehn Fußminuten entfernt. Den Dorfbewohnern muss es anscheinend auch gefallen haben, denn selten sah man so interessierte und verwunderte Blicke. Auf die nächsten 15 Jahre! [dt]
Fotos von Madlen Krell
Und da ja irgendwer dem Kollegen Thalheim in regelmäßigen Abständen seine Pillen verabreichen muss, habe ich mich ebenfalls gut ausgerüstet in die Pampa gewagt und zumindest für den Freitag noch den Tobias zwecks Interview mit eingesackt. Allerdings hatte ich schon am Tag zuvor mit fiesen Rückenschmerzen zu kämpfen. Aber was soll’s, Indianer kennen keinen Schmerz, und Metaller ebenso wenig. [cr]
FREITAG
Klasse Show, BETRAYER! Nach diesem Einstieg kann ja nichts schief gehen. Ob es Glück bringt, wenn mitten im Set die Saiten reißen und neue aufgezogen werden müssen? Wir behaupten das mal einfach. So können die Leipziger Sympathiepunkte sammeln und zocken vor allem vor der mitgereisten Fanschar ein druckvolles Thrash-Programm, das einen gelungenen Auftakt zum dritten kühlen Bier und Sonnenbrand bietet. Nur mir bringt die Zwangspause nichts, weil die Kamera abkackt. [dt]
DAWN OF AZAZEL - das Trio aus Neuseeland hackt sich durch eine reichliche halbe Stunde Hochgeschwindigkeits-Death-Metal, der eine gewisse Verwandschaft zu den Amis IMMOLATION erkennen lässt, dabei aber wesentlich komplexer und frickeliger daher kommt. Die erste Reihe lässt, animiert durch den gut mit dem Publikum kommunizierenden und lustig behackten Fronter, die Haare kreisen und auch IMMOLATION lassen sich, gewandet u.a. in Sommerhut und Badelatschen, gemütlich dieses gute Konzert von DAWN OF AZAZEL reinlaufen. [tr]
Die dichtgedrängten Fans bekommen von GRAVE eine erste amtliche und routinierte Show um die Ohren geknallt, die es in sich hat. Ihr substantieller Mix aus Slow-Mo-Death und zügigen Parts kommt auch am Nachmittag noch gut an, was der volle Bühnenvorplatz und die zahlreich erhobenen Fäuste und kreisenden Matten beweisen. Mit Songs von ihrem ersten Album “Into The Grave” über “Soulless” bis hin zu dem arschtretenden neuen Album “As Rapture Comes” reicht die abwechslungsreiche Songauswahl. Danach inspiziert die Rhythmussektion das Festivalgelände, post mit Fans und gibt freundlich Autogramme. Feine Sache, meine Herren. [dt]
LIFTHRASIL haben leider die Arschkarte gezogen, denn pünktlich zum Gig zieht auch der erste Regen mit auf das Gelände. Tja, hättet ihr mal lieber nicht so viel vom Sturm gekrächzt. Für Black Metaller mag das ja vielleicht noch eine gelungene Kulisse sein, aber viele Zuschauer scheinen eher Angst vor den evil Regentropfen zu haben und ergreifen sicherheitshalber die Flucht. Der recht ansprechende Black Metal mit deutschen Texten und der einen oder anderen Melodie ist es jedenfalls bestimmt nicht, weswegen kaum jemand vor der Bühne steht.
Genauso angeschwärzt, aber wieder in strahlendem Sonnenschein bekämpfen die Österreicher ASMODEUS einmal mehr das Licht und all ihre Ausgeburten. Bedeutend düsterer und rasanter als ihre LineUp-Vorgänger blitzen aber auch hier abundzu so etwas wie Strukturen oder Melodien durch. Hauptsächlich regiert aber das rasselnde Schlagzeug, so dass vor allem die härteren unter den Schwarzweiß-Freunden ordentlich bedient werden. [cr]
KRISIUN haben Spaß an den brasilianischen Temperaturen. Das merkt man an der Spielfreude, dem gekonnten Posing sowie den enthuasiastischen Fans. Die sympatische Boller-Band aus Südamerika knallt dem bangfreudigen Publikum stets Klassiker vor die Füße, weswegen bei vielen die Oberkörper auf und nieder sausen. Fantastische Idee, wenn ihr mich fragt.[dt]
Und nun sollen eigentlich GRAVEWORM spielen, stattdessen kommt aber erst einmal eine Durchsage, dass die Südtiroler trotz unserer wunderbaren deutschen Autobahnen ordentlich im Stau stecken und noch gar nicht da sind. Da die sturen Amerikaner von IMMOLATION unter keinen Umständen ihren Slot tauschen wollen (noch nicht genügend getankt oder wie?), ist also erstmal Ruhe angesagt. Als eine runde halbe Stunde später dann die Band abgehetzt eintrifft und ohne merklichen Soundcheck zu spielen beginnt, ist die Freude allerdings eher getrübt. Sicher, Frontitaliener Stefan trägt gekonnt wie immer die gute Stimmung des melodiösen Keyboard-Black Metals ins aktive Publikum, aber der ungleich abgemischte Sound ist nicht wirklich optimal anzuhören.
IMMOLATION habe ich anschließend wegen der unverständlichen Aktion vorher boykottiert (naja, auf diesen Ami-Prügel-Death stehe ich eh nicht so), während Kollege Schmiedestahl wohl mal wieder das Innenleben von Bierbechern untersucht hat. Da müsst ihr euch dann wohl selbst ausmalen, wie das gewesen ist. [cr]
Beim Gig von ENSIFERUM regnet es und irgendwie ist es im Zelt beim Bier wärmer, trockener und gemütlicher. Deren hymnische Musik passt hervorragend zu dieser Bierzeltsituation, wo ich Leute treffe, an die ich mich zur Belustigung anderer seltsamerweise am nächsten Tag nicht erinnern kann. [dt]
Tja, während der Kollege lieber einen trinkt, pendle ich immer zwischen Bühnenrand und sicherer Zuflucht hin und her, da ENSIFERUM unter anderem auch mit vielen Stücken des aktuellen Albums ordentlich Laune machen, andererseits meine wasserlösliche Kleidung doch irgendwie den Regen scheut. Viele der Anwesende vor der Bühne haben allerdings nicht mit diesem Problem zu kämpfen. Dem Wetter trotzend kreisen die Fäuste und recken sich die Matten nach oben…oder so ähnlich…[cr]
Während der gusseiserne Blutkammerpapst bei BEHEMOTH im Zelt selig der Bierdämmerung huldigt, und Kollege Rosenau das Geschehen mit schmerzendem Ischias nur aus der Ferne mitbekommt, ziehen die Polen kräftig vom Leder. Zur Begeisterung aller Anwesenden. Neben einer energiegeladenen sowie hitbespickten Show gibt es auch viel zu sehen. Ich ziehe respektvoll meine Schlafmütze vor den ehrwürdigen Fans und dieser Ausnahmeband. [dt]
…und ich danke der Welt für die Erfindung einer Luftmatratze, hab aber (meiner Blase sei Dank) immerhin noch mitbekommen, wie BEHEMOTH ein TURBONEGRO-Cover als Zugabe gegeben haben. [cr]
SAMSTAG
Nach ausgiebigem Sonnenbad und einem erfrischendem Abstecher ins ortseigene Waldbad kann es auch am zweiten Tag endlich wieder zur Sache gehen. Frisch gestärkt zieht es mich zu den Viking Metallern von THRUDVANGAR. Deren Musik ist zwar geprägt von Klischees jedweder Art, sei es nun das ewige Huldigen der nordischen Mythen mit schwer angesagten deutschen Texten, den aufdringlichen Keyboards oder zuckersüßen Melodiebonbons, irgendwie ist der fast schon naive Umgang mit dem Genre dann auf gewisse Art und Weise auch sympathisch und spaßig.
Die in unseren Landen fast schon omnipräsenten PURGATORY legen dafür im Anschluss wieder einmal ordentlich los. „Pure Death fuckin’ Metal“ steht’s geschrieben und genau das bekommt man hier auch zu hören. Eigenartig klingt nur der Sound, welcher die Gitarren fast vollständig verschluckt, dafür den Bass aber umso mehr zur Geltung bringt. Sei’s drum, den enthusiastischen Fan interessiert solch ein Schnickschnack nicht, der schüttelt seinen Kopf lieber frei von allen lästigen intelligenten Gedanken. [cr]
OUTRAGE ziehen erstaunlich viele putzmuntere Leute an. Kein Wunder! Haben sie doch am Abend zuvor ordentlich für sich Werbung im Bierzelt gemacht. Aber das weiß ich nur aus dritter Hand, obwohl ich in meiner von GRAVE signierten Hose einen Promo-Aufkleber fand und nicht zuordnen konnte, von wem und wann ich den bekam. Nach kurzer Aufklärung und einem fassungslosen Blick meinerseits genieße ich den bewegungsfreudigen Gig. Ein wenig erinnert mich ihre Mucke an CEREBROCIDE (R.I.P.), der sich mit zügig gespielten Death-Thrash beschreiben lässt, mit guten Leads und guter Taktung. Empfehlenswert. [dt]
Also ich bin mir nicht sicher, was sie dir gestern zu trinken gegeben haben, lieber Daniel. Aber von vielen Leuten kann hier nun wirklich nicht die Rede sein, die verstecken sich alle lieber im schattigen Schatten. Nichtsdestotrotz gefällt der mich eher an SIX FEET UNDER erinnernde Sound der Österreicher durch Eingängigkeit und immer mal wieder eingestreute gute Ideen. Auch das Growlen beherrscht der Sänger ziemlich gut, aber leider erkennen das Publikum die Qualität der Band nur nach und nach.
Um MOSHQUITO in diesen Landen zu entrinnen, muss man schon verdammt ignorant veranlagt sein, da die Death/Thrasher momentan scheinbar in jedem Hühnerstall auftreten. Deshalb ist es auch nicht weiter verwunderlich, dass durchaus wieder mehr Besucher den Weg vor die Bühne finden. Geboten bekommen sie eine sehr solide Show mit ordentlichen Krachern, die auch um ihre nicht zu verbergenden PANTERA-Anleihen kein großes Geheimnis machen und dies letztlich in einer Cover-Version auch zeigen. [cr]
Die altehrwürdigen EMINENZ treten mit einem fantastischen Set vor versammelter und neugieriger Fan-Mannschaft auf. Ihre Songs kombinieren sie kongenial mit einer optischen Show. Ein riesiges mit Grillkoteletts bespicktes Holzkreuz dominiert die Bühne genauso wie der agile Frontmann, welcher neben den starken Grunts auch mal große Feuerbälle ausspuckt und nachhaltig unterstreicht, wer hier Chef im Ring ist. Ein neues Album ist auch in Aussicht, also kann ja gar nichts schiefgehen. [dt]
Altehrwürdig hin oder her, die Aufmachung der blutbesudelten Band mit enganliegenden und maßgeschneiderten Plastik-Kettenhemden ist doch mehr als antiquiert und nur noch peinlich, wenn man so etwas in ernster Absicht präsentiert. Die ebenso antiquierten, keyboardschwangeren Songs dagegen können eine gewisse Eingängigkeit nicht von der Hand weisen, so dass ich den alten Herren gern beim Spiel zuschaue. [cr]
Sicherlich sind ELUVEITIE mit ihrem Folk/Death Metal auf dem Papier die exotischste Band des Festivals. Haben die Schweizer aber erst einmal losgelegt, dann zeigt sich sehr schnell, dass trotz Flöten, Leier und Geige eindeutig der Death Metal im Vordergrund steht. Die sympathischen acht Musiker entfachen mit ihren spritzigen Songs in kürzester Zeit eine Riesenstimmung voller herumhüpfenden und bangenden Menschen, einige machen sogar beides auf einmal. Getrübt wird der Spaß lediglich durch ein gebrochenes Drumpedal, die lange Wartezeit nutzt entweder der Bassist oder der Dudelsackspieler (nur ihre Mutter kann die beiden wohl auseinanderhalten) die Gunst der Stunde, um dem Publikum den Unterschied zwischen Äpfeln und Birnen zu erklären. Ein toller Auftritt eines Geheimtips, der dankenswerterweise hervorragend von den Anwesenden angenommen wird. [cr]
Einen dichtgepackten Platz bescheren ebenso LEGION OF THE DAMNED, die fulminant die Massen mit ihrem fetten Oldschool-Thrash im Griff haben. Von Anfang bis Ende gibt es nur Killersongs wie „Malevolent Rapture“, „Son Of The Jackal“, „Bleed For Me“ und „Sepulchral Ghoul“. Der glasklare Sound und die ausgewogene Lichtshow unterstreichen die starke Performance der vier Holländer. Da bleiben keine Wünsche offen und alle können vergnüglich die Matten wirbeln oder den Bierbecher kreisen lassen. Es ist erstaunlich wie die Mannen von der Vorgängerband OCCULT mit demselben Sound jetzt so einen großen Erfolg haben. Fantastisch!
Einen langsamen und hüftlahmen Einstieg legen GOD DETHRONED hin. Denn wenn man mit „Faithless“ und „Hating Life“ startet, darf man keine überschwänglichen Reaktionen erwarten. Aber das ändert sich, als sie ältere Songs aus der frühen und mittleren Bandperiode (O-Ton: "This is 'The Warcult!') auspacken und vor sich eine tosende See von wirbelnden Haarmatten sehen. Der Sound ist wie bei fast allen Bands Oberklasse (was nicht zuletzt am Hellraiser eigenen Mischmeister liegt) und lässt vor Freude die Ohren schlackern. Und das ohne lästig säuselnde Hinterlassenschaft.
DARK FUNERAL lassen erst einmal auf sich warten und kündigen ihre Anwesenheit durch eine lange Pause und einem noch längeren Intro an. Nachdem sie sich feiern haben lassen, zocken die Schweden ein routiniertes Set mit einigen kleinen Überraschungen. Neben neuem Material spielen die vier belederten Nordfichten auch die eine oder andere schwarze Perle aus der frühesten Phase der Band. Humor beweisen die Maskenmänner, indem sie sich selbst auf den Arm nehmen („The next song is also about Satan.“). Alles in allem bieten DARK FUNERAL ein gutes Songprogramm, aber optisch und beweglich sind die Herren etwa so müde wie es ihre aktuellen Masken implizieren. Leider haben viele diese Show nur von ihren Zelten aus hören können. So ist das Konzertgelände wie leergeblasen. So schlecht waren DARK FUNERAL nun doch auch nicht. [dt]
SONNTAG
DISASTER K.F.W. knüppeln ein starkes Set zur nachmittäglich schwülen Stunde in die offenen Weiten des noch wenig frequentierten Konzertgeländes. Noch liegen die meisten in den Kojen, verrichten ihre Morgentoilette oder schlappen noch im besser frequentierten Steinbruch herum, um genießerisch das gut angewärmte Gewässer zu durchschwimmen und allerlei Schabernack zu treiben. Aber einer muss ja den Anfang machen und den machen die Weimarer um Skelleton verdammt gut und professionell. Hits wie „Fear Is Our Crowd“ gibt es auch und einen Pfefferminztee für mich und meinen lädierten Magen. Von wegen „Hartlack“ am Morgen.
Irgendwie waren DAWN OF FATE hinter der Bühne lustiger als On Stage. Warum habt ihr eure Kunstpimmel nicht ausgepackt? Jedenfalls ist der ausufernde Mix aus progressivem, zügigem und räudigen Material nicht jedermanns Geschmack, aber ein gutes Pendant zu den eben aufgetretenen DISASTER K.F.W. [dt]
Mir wiederum hat es gereicht, einmal am Vorabend von hinten mit einem Plastikjohnny penetriert worden zu sein. Und ebenso habe ich mich gefreut, einmal etwas neueres Material der Band zu hören zu bekommen, deren neues Album ja schon seit Jahren auf sich warten lässt, aber nun hoffentlich ernsthafte Züge annimmt. [cr]
Die agilen HELRUNAR zeigen anschließend einmal mehr, dass man sich für gelungenen Black Metal nicht zwingend Schminke ins Gesicht spachteln oder selbst mit seiner Mutter plötzlich nur noch konsequent norwegisch sprechen muss. Nein, ihr deutschsprachiger, paganisierter Schwarzmetall kann hauptsächlich musikalisch punkten, auch wenn natürlich trotzdem ein wenig Dunkelheit am Himmel dem Auftritt nicht geschadet hätte. [cr]
Die als Ersatz für SULPHUR eingesprungenen Damen und Herren von D.A.M.N. können wohl hauptsächlich mit der Optik punkten. Die Fans sind trotzdem schwer begeistert von der röchelnden Frontblondine und wollen die sympathische Band nicht von der Bühne lassen. Doch irgendwann ist auch der stärkste Deathmetal-Mann müde von den schon recht abwechslungslosen sowie simpel durchgeknüppelten Tracks und verlangt nach mehr Abwechslung. [dt]
Die gibt es dann mit den dänischen ILLNATH. Sie ersetzen die gecancelten BELPHEGOR auf überraschend unterhaltsame und professionelle Weise. Stilistisch und optisch irgendwo zwischen GRAVEWORM und CRADLE OF FILTH ist diese Band eine wunderbare Bereicherung für jedes Festival, zumal die netten Jungs gleich mal ein Teil ihres Merchandises den echten Fans zuwerfen. Musikalisch gibt es auch nichts zu meckern und lässt zumindest die in der Ferne aufkommende ENDSTILLE wittern. [dt]
ENDSTILLE? Na bloß nicht. Die optisch etwas klischeehaften Dänen spielen mit ihren verspielten Keyboardorgien da in einem ganz anderen Stadion. Musikalisch eine wirklich gelungene Sache, aber die klinisch saubere Show lässt den einen oder anderen Sympathiefunken doch arg vermissen. [cr]
Bei OBSCENITY versammeln sich mittlerweile mehr Leute, die sich langsam aus den Zelten und vom Campinggelände schälen und beinahe „Thriller“-like zur Bühne wanken. Ob noch jemand aus den festgetrampelten Grasnarben gelugt hat, soll der Fantasie überlassen werden. Inzwischen schmeckt auch das Bier wieder und entsprechend bangfreudig ist das Publikum. Ich erinnere nur an die aufwachende Schnapsleiche neben der Bühne, die noch nicht im Vollbesitz der geistigen und körperlichen Kräfte ist, aber wie wild auf allen Vieren losbangt. Die spielwütige Band schafft es, mit ihren tempostarken sowie variantenreichen Songs demnach Tote zu erwecken sowie ein musikalisches MG-Geschützfeuer unter die Fans zu ballern, die natürlich zu älterem, auch zu ganz neuem Material vom letzten Album „Where Sinners Bleed“ wild abhotten und durstig nach Zugaben verlangen. Auf jeden Fall war neben ILLNATH dieser Auftritt der erste große Höhepunkt an diesem Konzerttag. Wenn nicht ein bedrohlicher Gewitteramboss aufziehen würde, der nach dem Auftritt erst mal viele dazu veranlasst, zurück zu den Zelten zu pilgern, um alles und sich selbst sturmsicher zu machen.
Nach zwanzig bis dreißig Minuten ist dann schon alles vorbei. Während noch violette Blitze über den Wolken verhangenen Himmel zucken, gehen schon viele wieder zur Bühne, um den starken Auftritt von VADER nicht zu verpassen. Die Polen fahren ein betonhartes Deathmetal-Brett mit abwechslungsreichen Knüppelattacken und doomigen Parts. Dafür werden sie von den Anwesenden kräftig umjubelt und zum Bleiben animiert. Ein Regenbogen umwölbt wie auf Bestellung das Festivalgelände und umrahmt atmosphärisch die kompakte Darbietung der Hyperblasttruppe. Natürlich verzögern sich die folgenden Auftritte gewitterbedingt nach hinten.
Lang erwartet und endlich bekommen! ENDSTILLE binden wohl an diesem Abend die meisten Fans an sich und können sich gemeinsam mit L.O.T.D. wohl verdientermaßen den Fan-Ehrenpreis anheften. Die mitreißenden und fiesen Blackmetal-Epen werden vom fernen Wetterleuchten und Blitzattacken wie ein riesiges Naturstroboskop untermalt und tragen zu einer gelungenen Show bei. Der agile Frontmann kippt sich Schweineblut (denke ich zumindest) über seinen Oberkörper und spritzt von dieser Substanz eine ordentliche Ladung mit seinem Propellerbanging in die ersten Reihen. Weil die Fans die Band so dermaßen frenetisch umjubeln, bekommen sie auch gleich zwei Zugaben. Das gab es so bei all den Tagen nicht. Insofern ein voller Erfolg für ENDSTILLE.
Eine durchwachsene aber durchweg heitere Animiershow bieten DIE APOKALYPTISCHEN REITER, die mit „Friede Sei Mit Dir“ einen fulminanten Einstieg finden und am Ende dann mit einigen Klassikern (u.a. „Reitermania“) ihren Höhepunkt finden. Die ermüdenden Fans nehmen die offene Geste an und bedanken sich mit lautstarken Beifallsbekundungen. Aber erst nachdem sie artig Pitrone zum Geburtstag gratulieren, lockert sich die anfängliche Schreimüdigkeit, so dass alle ihren Spaß haben. Fuchs, der wie ein Flummi über die Bühne springt. Pest, der eine männliche Seemannsbraut dankend ablehnt mit der Gestik, dass ihm heute nach mehr Busen zumute ist und eben die beiden Fans, welche den Crowdsurf-Wettbewerb gewinnen und hinterher den Merchandise-Stand der Reiter plündern dürfen. „Revolution“-äre Ambitionen scheinen im Publikum nicht auffindbar zu sein. Trotzdem ein starker Song. Die REITER bieten mit ihrem Auftritt einen Farbtupfer auf diesem Festival, der gerne angenommen wird. Die kontrastreiche Show ist, auch wenn die Reiter diesmal nicht alle musikalischen Geschmäcker genügend bedienen wollen, ein sehr guter und abwechslungsreicher Auftakt für die lang erwarteten UNLEASHED, die nach kurzem Soundcheck die Bühne betreten.
UNLEASHED schreiten dann zu fortgeschrittener Stunde erhaben auf die Bühne und das Bangfeuerwerk kann beginnen. Aktuelle Knaller von ihrem Überwerk „Midvinterblod“ kommen ebenso zum Zuge wie immer noch frisch klingende Klassiker wie „Never Ending Hate“, „Death Metal Victory“ und „Into Glory Ride“. Das sympathische Auftreten der Jungs um Johnny, die Klassikershow und übliche Gesten sind schon Tradition, genauso wie die Segnung Odins durch einen guten Umtrunk aus dem Trinkhorn. Trotz der vorgerückten Stunde verlangen die bangfreudigen Fans auch hier Zugaben, die sie auch bekommen. Die energiereiche Show der Schweden krönt drei wunderbare Tage und Nächte in Mark Schönstedt, die manche so schnell nicht vergessen werden.
Resümierend füge ich hinzu, dass dieses kleine und feine Geburtstagsfestival des Hellraisers für sein Größenverhältnis starke Bands auftreten ließ, den Fans genügend Raum, Bier- und Fressstände bot, um sich gut zu amüsieren, wohl zu fühlen und alles friedlich verlaufen zu lassen. Erinnert sei auch an die klasse Duschmöglichkeit, die verhältnismäßig sauberen Dixies und die Bademöglichkeit am Steinbruch zehn Fußminuten entfernt. Den Dorfbewohnern muss es anscheinend auch gefallen haben, denn selten sah man so interessierte und verwunderte Blicke. Auf die nächsten 15 Jahre! [dt]
Fotos von Madlen Krell