Hells Pleasure Open Air
Hells Pleasure Open Air
Pößneck, Moto-Cross-Strecke
20.07.2007
20.07.2007
Pößneck in Thüringen ist ein ziemlich beschauliches Fleckchen: Umgeben von sanft geschwungenen Bergen, Wald und Maisfeldern zieht sich die hübsch restaurierte Altstadt um einen höheren Gipfel, an welchen sich bei hellstem Sonnenschein die Oberstadt schmiegt, wie eine Katze an den Kamin. Hier sitzen an stillen Bächen Gänse zur Mittagsruhe und die Probleme dieser Welt reduzieren sich auf die Größe eines Rostbrätels oder die Frage, wie man diesen sonnigen Tag am unauffälligsten verbringt – der perfekte Platz also, um ein Metalfest zu veranstalten.
In seinem nunmehr dritten Jahr fährt das Hells Pleasure ein Billing auf, welches man nicht durchweg kennen muss, allerdings finden sich mit SHINING, DOOMSHINE und NEGURA BUNGET ein paar Edelhäppchen, die man hierzulande eher selten zu Gesicht bekommt und folglich nicht verpassen sollte. [rs]
Bevor sich der Schlund für höllische Freuden auftun würde, müssen allerdings die himmlischen Schleusen geleert werden. Binnen kurzer Zeit verklumpt sich der endlos weite Himmel über dem Zeltplatz zu einer dichten grauen Masse, und von den verfinsterten Bergen hallt der Zorn jener Gottheit wider, der es endlich auch auf den Keks geht, dass der kleine Festivalnachwuchs den Namen "Thor" gröhlend, quer über den Campingplatz latscht.
Dort wo im einen Augenblick der weiße Leichtbau-Pavillion von Aldi noch einer ganzen Reihe von Betrunkenen Schatten zu spenden vermochte, sieht man im nächsten Augenblick wie die wenigen geistesgegenwärtigen Personen die Ecken dieser flatternden Behausung halten, da sich Stangen und alles Stabilisierende schon längst auf dem Luftweg verabschiedet haben.
Im übernächsten Augenblick stehen oder liegen diverse durchnässte Gestalten in den Ruinen ihrer goldenen Städte, und trinken auf den Untergang durch die Sinnflut. Dies hält natürlich nicht lange an, und bald schon haben viele emsige langhaarige Chaoten ihr Imperium aus Müll, 5-Minuten-Terrinen und Alkohol in voller Pracht restauriert. [jb]
FREITAG
Den musikalischen Auftakt machen DEATHRONATION, eine junge Band aus Nürnberg, deren Death der alten Schule zumindest live eine ordentliche Thrashkante mitbekommt. Der Zuspruch hält sich openertypisch in Grenzen, allerdings sind schon jetzt ein paar unkaputtbare Maniacs dabei, sich kaputt zu machen und die insgesamt gut in die Hüfte gehenden Songs mit jedem einzelnen Haar zu würdigen. Das überwiegend schnelle Material sollte bei anhaltendem Idealismus demnächst auch für einen Slot weiter oben reichen, bis dahin bleibt das Gebotene grundsolides Handwerk aus Franken. [rs]
Tatsächlich: Der „Oldskull Death“ der 3-Mann Band ist ein richtig fetziger Opener, was aber wie gewöhnlich - als erste Band des Abends – und vollkommen zu Unrecht nicht wirklich viele mitreissen konnte.
Etwas besser haben es da schon SPEARHEAD aus dem Vereinigten Königreich, die ihren Hörern die Thematik des 2. Weltkriegs mit der richtigen Portion aus Thrash, Black&Death ins Fleisch brennen und sogar mehrere Headbanger hervorlocken können.
Dem Frontmann wird der Osten Deutschlands dann wohl etwas suspekt, und so verbringt er die Zeit nach dem Auftritt sowie den nächsten Abend etwas einsam und deplaziert auf einer Bank im Bierzelt. [jb]
„War Metal“ - das ruft dem geneigten Bildungsbürger natürlich sofort IN BATTLE ins Gedächtnis. Die waren mal prinzipiell nicht schlecht, aber hatten doch nie die zündenden Tracks von DEFLESHED zu bieten, mit denen man SPEARHEAD vielleicht vergleichen könnte: Pfeilschnell, gesättigt mit soviel Black wie Thrash Metal und dadurch klassisches Birne-ab-Material. Dazu sorgt der extrem rot- und langhaarige Fronter nicht zuletzt dadurch für Belustigung, dass er einem ebenfalls anwesenden Henrinator in Sachen Niedlichkeit das Wasser reichen kann – soweit das bei gestandenen Metallern eben möglich ist.
RAVEN BLACK NIGHT fallen diversen Organisationstätigkeiten zum Opfer, können auf Distanz allerdings auch nicht überzeugen. Selbst Mitglieder von ZEMIAL retten das lauwarme Heavy-Metal-Gebräu nebst suboptimalem Sänger nicht mehr. [rs]
Gegen elf Uhr Abends ist der optimale Zeitpunkt für den Auftritt der Rumänen von NEGURA BUNGET gekommen, welche sich durch ausgiebige Deutschlandtouren eine stattliche Fangemeinde erworben haben: Der rasche aber sachte Einfall der Dunkelheit kreiert jene mystische und hingebungsvolle Atmosphäre, die die Band seit jeher zu nutzen und verstärken versteht - doch trotz dieser Vorraussetzungen fehlt heute das gewisse Etwas und der Auftritt verläuft eher farblos. Wenigen Liedern wohnen an diesem Abend die klaren Vocals inne, die sonst die atemberaubende Stimmung heraufbeschwören und jedem Hörer die uneingeschränkte Leidenschaft der Band für ihre Musik klarmachen. Als Publikumsmagnet leider eine kleine Enttäuschung. [jb]
Einspruch, Herr Kollege: Natürlich drängt das gebotene Material – vor allem der neuen Scheibe – merklich rauer, ungeschliffener in den Nachthimmel, als man das vom Silberteller gewohnt ist, aber trotzdem sind die durch allerlei Holzblasinstrumente, Trommeln und Ähnliches veredelten Tracks auch livehaftig ein formidables Erlebnis. Zusammen mit den überbordenden Nebelschwaden und den reichlich verwachsenen Musikern ein Hauch Karpaten in Thüringen, der mir durchaus zusagt....
NECROS CHRISTOS sind dann wohl das, was man Untergrund-Kult nennt: Eine Band, die durch Image und reichlich Spielwut eine treue Anhängerschar aufgebaut hat und dadurch trotz recht austauschbarer Musik einen gewissen Ruf genießt. So auch heute – drückender Death Metal von der Stange, dazu reichlich kalkulierte satanische Symbolik und fertig ist ein Semi-Headliner, den man auch gut gegen DEATHRONATION hätte tauschen können.
ANCIENT RITES haben anschließend richtig Pech, da der klanglich durchwachsene Gig auch von diversen technischen Problemen überschattet wird, was der Atmosphäre natürlich nicht unbedingt zuträglich ist. Die Band zockt sich folglich auch eher durchschnittlich durch ihren Set, Gunter sieht mit Glatze einfach schlecht aus und so pilgern wir bald gen Zeltplatz, wo das Volk sich bis in die frühen Morgenstunden verlustiert. [rs]
SAMSTAG
Als Opener für den zweiten Tag fungieren die verrückten Zwetschgen von EARTH FLIGHT. Anfangs denken viele, ein Irrer mit offenem, rotzgrünem Hemd, welches an der Taille eine wunderschöne Batman-Gürtelschnalle offenbart und von lustigen Schlaghosen gekrönt wird, hätte die Bühne gestürmt um dort Senf zu verzapfen. Aber als sich die Hippie-Fledermaus als Frontmann von EARTH FLIGHT entpuppt und die Band obendrein wahnsinnigen und wahnsinnig guten Psychedelic/Hard Rock/Progressive und was noch alles spielt, ist breite Zustimmung angesagt. [jb]
Tatsache: Vor allem das Auftreten der sympathischen Rocker ist mehr, als die letzten beiden Bands des Vorabends zusammen auf die Bretter brachten. Chapeau! [rs]
Auf diesen Auftritt der latent "verrückten" Art folgt der zweite Publikumsmagnet: DEFLORATION, die sich durch kurzfristig aufgehängte Plakate angekündigt haben, welche besagen: DEFLORATION FREIBIER 15:30 Uhr.
Frontmann und Publikumsliebling Uwe - 2,10m, 100 Kilo, Schlachterhose - offenbart schließlich, dass es für die First-Row-Banger extra ein paar Fässchen gibt (die im übrigen schnell vernichtet sind), und plaudert ein wenig aus dem Nähkästchen, da die Band ja aus unmittelbarer Nähe stammt.
Der folgende Auftritt ist rundherum gelungen, das Death-Gemetzel verheerend, die Haare am Fliegen, und trotz des einsetzenden Regens macht es Spaß, dem gut gelaunten Trupp bei der Arbeit zuzuschauen. Nichts überragend Neues, aber eine grundsolide und überaus sympathische Vorstellung. [jb]
Weiter geht’s mit den meinerseits sehnlich erwarteten DOOMSHINE, die leider Gottes bereits nach dem zweiten Song mit einer Gitarrenpanne zu kämpfen haben und ihren Set daher auf 4 Tracks zusammenstreichen müssen. Neben „Venus Day“ und „Where Nothing Hurts But Solitude“ sind das gleich zwei neue Songs, sowie die bereitwillig gegebene Zugabe „Shine On Sad Angel“, die erwartungsgemäß zu regeln weiß. Starker Gig einer Band, die man Anhängern von SOLITUDE AETURNUS live und konserviert nur ans Herz legen kann. [rs]
EURE ERBEN müssen unsererseits leider entfallen, dafür geht es gleich mit HELRUNAR weiter. Diese schaffen es erwartungsgemäß die breite Masse anzuziehen, und liefern eine klasse Performance, bei der sich all die nassen Tiere das Wasser aus der Mähne bangen können - Titel wie "Dreifach Dorn" stacheln die Menge wortwörtlich zu Leistungen im oberen Drehzahlbereich an. [jb]
Publikumsseitig mit Sicherheit der Gewinner des Festivals, auch wenn mir persönlich die Melange aus flirrenden Riffschleifen und reichlich Melodei nach drei, vier Songs etwas schal wird. Objektiv sind HELRUNAR aber eine der Bands, die ihre Ruf als gute Liveband auf dem Hells Pleasure problemlos zu verteidigen wissen und dafür entsprechend belohnt werden. [rs]
Kurz vor 8 Uhr begeben sich viele der Anwesenden wieder zum Zeltplatz, da sich niemand für hierzulande unbekanntere Bands zu interessieren scheint. Ziemlich schade, denn all jene verpassen die Band OPERA IX aus Italien, die für mich die größte (positive) Überraschung des ganzen Festivals ist. Zwar wussten die Samples im Internet überhaupt nicht zu begeistern, weswegen ich fast abgeneigt war mir den Auftritt anzuschauen, doch live zocken die stilecht gewandeten Stiefelburschen richtig geilen, stimmigen Black Metal mit unauffällig bereichernder Keyboarduntermalung und klasse Vocals. Dies zieht dann auch relativ schnell die Aufmerksamkeit der Hinterbliebenen auf sich, welche der Band gebührenden Zoll entrichten. [jb]
DESASTER zeigen anschließend, warum sie eine – wenn nicht die – Speerspitze des angeschwärzten Thrash Metals sind, zumal wenn es um Livepräsenz geht: Was diese Band aus jeder noch so kleinen Bühne holt, wie hier mit aller Macht gepost, gebangt und geflachst wird, ohne eine Unze an Glaubwürdigkeit einzubüßen, ist heute so unglaublich wie beim ersten Gig, dem ich beiwohnen durfte. So wird dem hungrigen Publikum eine Granate nach der anderen in die Bauchgegend gejagt, stehen neue Songs wie „Satans Soldiers Syndicate“ tadellos neben Gassenhauern des Kalibers „Metallized Blood“ und am Ende weiß eigentlich niemand mehr, wie Konzerte damals - vor DESASTER - aussahen. Müssen wohl ziemlich mickrige, traurige Angelegenheiten gewesen sein... [rs]
Unbestritten eine der besten Live-Bands überhaupt, die mit brachialem Tempo, jagenden Riffs, Blasts und hammermässigen Vocals noch aus dem finstersten BM-Poser den Thrashwahnsinn herauskitzelt. Wie ein Anwesender danach meint: "Die hätten auch alleine als Headliner spielen können, ich wär gekommen". Eine Band der man ansieht, dass ihnen ihre Mucke Spaß macht und dass eben dieser Spaß auf die Fans übergeht.
Nachdem die letzten Liveerfahrungen mit SECRETS OF THE MOON durchweg enttäuschten und aufgrund enormer Hungergefühle fallen die Deutschen leider aus und wir finden uns erst zu MORTUARY DRAPE wieder vor den Brettern ein. Auch diese altgediente italienische Band kann heute leider nicht überzeugen, was nicht zuletzt am trashigen Auftreten liegt: Auf der Bühne steht eine rudimentäre Kanzel, welche dem Frontmann - verkleidet als Priester – als Kulisse für seine Predigt des gepflegten Geknüppels dient. So unbestritten die musikalischen Fähigkeiten der Band auch sein mögen – live ist das Ganze ein eher lässlicher Spaß, der nur selten überzeugen kann.
Gegen 1 Uhr nachts ist es schließlich soweit: Der groß angekündigte Hauptact SHINING steht vor der Tür und trotz des miesen Wetters drängt sich eine stattliche Menge vor der Bühne, auf welcher gerade ein paar Kahlgeschorene aufbauen. Gerade das Jungvolk scheint sich sehr für die Band zu interessieren, was sie durch lautstarke „Kvarforth“-Rufe kundgaben, und obwohl man sich zeitweise wie auf einem Teeniekonzert vorkommt, beschließen wir uns ein genaueres Bild des für seinen Hang zur Selbstinszenierung und Selbstglorifizierung bekannten Herrn zu verschaffen.
Als es endlich losgeht, marschiert eine dünne, hagere Gestalt im Stechschritt auf die Bühne und präsentiert sich zunächst ausgiebig selbst. Der etwas seltsame Gang, die kajalgeschwärzten Augen und die Vorliebe sich zu zeigen – fast alles schreit nach Fluch der Karibik, als sich der mit Armbinden versehene und reichlich blutverschmierte Fronter von denen bejubeln lässt, die sonst sagen würden Personenkult, Aufmerksamkeitsheischerei und überhebliche Selbstdarstellung fänden sie doof. [jb]
Das ändert allerdings nichts an der Tatsache, dass SHINING mittlerweile einen Backkatalog angehäuft haben, der nahezu makellos ist und dass die Schweden durch minimalistische Beleuchtung und metaltypische Überzeichnung eine ziemlich morbide Stimmung erschaffen, der man sich zugegebenermaßen öffnen muss. Mir jedenfalls kriecht beim Opener „Vemodets Arkitektur“, und mehr noch beim Übersong „Lat Oss Ta Allt Fran Varandra“, eine derart angenehme Gänsehaut über den Rücken, dass die Faszination des Konstrukts SHINING zumindest nachvollziehbar wird. Leider muss das Konzert hier durch einen längeren Stromausfall unterbrochen werden, die Musiker relaxen in diversen Posen und betrinken sich, um anschließend mit neuer Kraft fortzufahren und dem Volk neben dem kompletten neuen Album auch noch „Submit To Selfdestruction“, „Claws Of Perdition“ und „Nagonting Är Jävligt Fel“ zu servieren. Mag sein, dass die ausufernde Spielzeit eine Folge von Kvarforths Präsentationstrieb ist, mag sein, dass die zunehmend zur Schau gestellten, vollkommen aufgeschlitzten Arm- und Oberkörperpartien nurmehr ein Klischee bedienen und die animalischen Posen bei dem ein oder anderen für einen schalen Beigeschmack sorgen – die Einheit von Konzept, Auftreten und kompositorischem Genius lässt SHINING nach wie vor wie ein offenes Messer aus dem Mitbewerberfeld hervorstechen. [rs]
Abschliessend bleibt zu sagen, dass besonders den Veranstaltern ein Lob gebührt, weil so manches heutzutage nicht mehr selbstverständlich ist.
Die sanitären Anlagen waren für 2 Tage komplett ausreichend, die Klos wurden geleert, die Securities waren bestimmt aber freundlich, es gab keine größeren Auseinandersetzungen und die Preise der fast durchgängig angebotenen Speisen und Getränke waren fair. Dazu wurden Handzettel verteilt, in denen auf das ab 3 Uhr (!) erhältliche Katerfrühstück hingewiesen wurde. Was kann man sich – abgesehen von einem etwas breiteren Speiseangebot - mehr wünschen? [jb]
Vielleicht, dass bei vertretenen Händlern auch mal etwas genauer hingeschaut wird, da der mit reichlich Hakenkreuz-Symbolik aufwartende Ureuropa-Stand so gar nicht zum unpolitischen Habitus der überaus freundlichen und angenehm dimensionierten Veranstaltung passen wollte. Ansonsten aber Daumen hoch für die Auflage 2007 – man sieht sich im nächsten Jahr! [rs]
www.hells-pleasure.de
Bericht: Julian Baumann, Ralf Scheidler
Fotos: Julian Baumann, Henri Kramer
In seinem nunmehr dritten Jahr fährt das Hells Pleasure ein Billing auf, welches man nicht durchweg kennen muss, allerdings finden sich mit SHINING, DOOMSHINE und NEGURA BUNGET ein paar Edelhäppchen, die man hierzulande eher selten zu Gesicht bekommt und folglich nicht verpassen sollte. [rs]
Bevor sich der Schlund für höllische Freuden auftun würde, müssen allerdings die himmlischen Schleusen geleert werden. Binnen kurzer Zeit verklumpt sich der endlos weite Himmel über dem Zeltplatz zu einer dichten grauen Masse, und von den verfinsterten Bergen hallt der Zorn jener Gottheit wider, der es endlich auch auf den Keks geht, dass der kleine Festivalnachwuchs den Namen "Thor" gröhlend, quer über den Campingplatz latscht.
Dort wo im einen Augenblick der weiße Leichtbau-Pavillion von Aldi noch einer ganzen Reihe von Betrunkenen Schatten zu spenden vermochte, sieht man im nächsten Augenblick wie die wenigen geistesgegenwärtigen Personen die Ecken dieser flatternden Behausung halten, da sich Stangen und alles Stabilisierende schon längst auf dem Luftweg verabschiedet haben.
Im übernächsten Augenblick stehen oder liegen diverse durchnässte Gestalten in den Ruinen ihrer goldenen Städte, und trinken auf den Untergang durch die Sinnflut. Dies hält natürlich nicht lange an, und bald schon haben viele emsige langhaarige Chaoten ihr Imperium aus Müll, 5-Minuten-Terrinen und Alkohol in voller Pracht restauriert. [jb]
FREITAG
Den musikalischen Auftakt machen DEATHRONATION, eine junge Band aus Nürnberg, deren Death der alten Schule zumindest live eine ordentliche Thrashkante mitbekommt. Der Zuspruch hält sich openertypisch in Grenzen, allerdings sind schon jetzt ein paar unkaputtbare Maniacs dabei, sich kaputt zu machen und die insgesamt gut in die Hüfte gehenden Songs mit jedem einzelnen Haar zu würdigen. Das überwiegend schnelle Material sollte bei anhaltendem Idealismus demnächst auch für einen Slot weiter oben reichen, bis dahin bleibt das Gebotene grundsolides Handwerk aus Franken. [rs]
Tatsächlich: Der „Oldskull Death“ der 3-Mann Band ist ein richtig fetziger Opener, was aber wie gewöhnlich - als erste Band des Abends – und vollkommen zu Unrecht nicht wirklich viele mitreissen konnte.
Etwas besser haben es da schon SPEARHEAD aus dem Vereinigten Königreich, die ihren Hörern die Thematik des 2. Weltkriegs mit der richtigen Portion aus Thrash, Black&Death ins Fleisch brennen und sogar mehrere Headbanger hervorlocken können.
Dem Frontmann wird der Osten Deutschlands dann wohl etwas suspekt, und so verbringt er die Zeit nach dem Auftritt sowie den nächsten Abend etwas einsam und deplaziert auf einer Bank im Bierzelt. [jb]
„War Metal“ - das ruft dem geneigten Bildungsbürger natürlich sofort IN BATTLE ins Gedächtnis. Die waren mal prinzipiell nicht schlecht, aber hatten doch nie die zündenden Tracks von DEFLESHED zu bieten, mit denen man SPEARHEAD vielleicht vergleichen könnte: Pfeilschnell, gesättigt mit soviel Black wie Thrash Metal und dadurch klassisches Birne-ab-Material. Dazu sorgt der extrem rot- und langhaarige Fronter nicht zuletzt dadurch für Belustigung, dass er einem ebenfalls anwesenden Henrinator in Sachen Niedlichkeit das Wasser reichen kann – soweit das bei gestandenen Metallern eben möglich ist.
RAVEN BLACK NIGHT fallen diversen Organisationstätigkeiten zum Opfer, können auf Distanz allerdings auch nicht überzeugen. Selbst Mitglieder von ZEMIAL retten das lauwarme Heavy-Metal-Gebräu nebst suboptimalem Sänger nicht mehr. [rs]
Gegen elf Uhr Abends ist der optimale Zeitpunkt für den Auftritt der Rumänen von NEGURA BUNGET gekommen, welche sich durch ausgiebige Deutschlandtouren eine stattliche Fangemeinde erworben haben: Der rasche aber sachte Einfall der Dunkelheit kreiert jene mystische und hingebungsvolle Atmosphäre, die die Band seit jeher zu nutzen und verstärken versteht - doch trotz dieser Vorraussetzungen fehlt heute das gewisse Etwas und der Auftritt verläuft eher farblos. Wenigen Liedern wohnen an diesem Abend die klaren Vocals inne, die sonst die atemberaubende Stimmung heraufbeschwören und jedem Hörer die uneingeschränkte Leidenschaft der Band für ihre Musik klarmachen. Als Publikumsmagnet leider eine kleine Enttäuschung. [jb]
Einspruch, Herr Kollege: Natürlich drängt das gebotene Material – vor allem der neuen Scheibe – merklich rauer, ungeschliffener in den Nachthimmel, als man das vom Silberteller gewohnt ist, aber trotzdem sind die durch allerlei Holzblasinstrumente, Trommeln und Ähnliches veredelten Tracks auch livehaftig ein formidables Erlebnis. Zusammen mit den überbordenden Nebelschwaden und den reichlich verwachsenen Musikern ein Hauch Karpaten in Thüringen, der mir durchaus zusagt....
NECROS CHRISTOS sind dann wohl das, was man Untergrund-Kult nennt: Eine Band, die durch Image und reichlich Spielwut eine treue Anhängerschar aufgebaut hat und dadurch trotz recht austauschbarer Musik einen gewissen Ruf genießt. So auch heute – drückender Death Metal von der Stange, dazu reichlich kalkulierte satanische Symbolik und fertig ist ein Semi-Headliner, den man auch gut gegen DEATHRONATION hätte tauschen können.
ANCIENT RITES haben anschließend richtig Pech, da der klanglich durchwachsene Gig auch von diversen technischen Problemen überschattet wird, was der Atmosphäre natürlich nicht unbedingt zuträglich ist. Die Band zockt sich folglich auch eher durchschnittlich durch ihren Set, Gunter sieht mit Glatze einfach schlecht aus und so pilgern wir bald gen Zeltplatz, wo das Volk sich bis in die frühen Morgenstunden verlustiert. [rs]
SAMSTAG
Als Opener für den zweiten Tag fungieren die verrückten Zwetschgen von EARTH FLIGHT. Anfangs denken viele, ein Irrer mit offenem, rotzgrünem Hemd, welches an der Taille eine wunderschöne Batman-Gürtelschnalle offenbart und von lustigen Schlaghosen gekrönt wird, hätte die Bühne gestürmt um dort Senf zu verzapfen. Aber als sich die Hippie-Fledermaus als Frontmann von EARTH FLIGHT entpuppt und die Band obendrein wahnsinnigen und wahnsinnig guten Psychedelic/Hard Rock/Progressive und was noch alles spielt, ist breite Zustimmung angesagt. [jb]
Tatsache: Vor allem das Auftreten der sympathischen Rocker ist mehr, als die letzten beiden Bands des Vorabends zusammen auf die Bretter brachten. Chapeau! [rs]
Auf diesen Auftritt der latent "verrückten" Art folgt der zweite Publikumsmagnet: DEFLORATION, die sich durch kurzfristig aufgehängte Plakate angekündigt haben, welche besagen: DEFLORATION FREIBIER 15:30 Uhr.
Frontmann und Publikumsliebling Uwe - 2,10m, 100 Kilo, Schlachterhose - offenbart schließlich, dass es für die First-Row-Banger extra ein paar Fässchen gibt (die im übrigen schnell vernichtet sind), und plaudert ein wenig aus dem Nähkästchen, da die Band ja aus unmittelbarer Nähe stammt.
Der folgende Auftritt ist rundherum gelungen, das Death-Gemetzel verheerend, die Haare am Fliegen, und trotz des einsetzenden Regens macht es Spaß, dem gut gelaunten Trupp bei der Arbeit zuzuschauen. Nichts überragend Neues, aber eine grundsolide und überaus sympathische Vorstellung. [jb]
Weiter geht’s mit den meinerseits sehnlich erwarteten DOOMSHINE, die leider Gottes bereits nach dem zweiten Song mit einer Gitarrenpanne zu kämpfen haben und ihren Set daher auf 4 Tracks zusammenstreichen müssen. Neben „Venus Day“ und „Where Nothing Hurts But Solitude“ sind das gleich zwei neue Songs, sowie die bereitwillig gegebene Zugabe „Shine On Sad Angel“, die erwartungsgemäß zu regeln weiß. Starker Gig einer Band, die man Anhängern von SOLITUDE AETURNUS live und konserviert nur ans Herz legen kann. [rs]
EURE ERBEN müssen unsererseits leider entfallen, dafür geht es gleich mit HELRUNAR weiter. Diese schaffen es erwartungsgemäß die breite Masse anzuziehen, und liefern eine klasse Performance, bei der sich all die nassen Tiere das Wasser aus der Mähne bangen können - Titel wie "Dreifach Dorn" stacheln die Menge wortwörtlich zu Leistungen im oberen Drehzahlbereich an. [jb]
Publikumsseitig mit Sicherheit der Gewinner des Festivals, auch wenn mir persönlich die Melange aus flirrenden Riffschleifen und reichlich Melodei nach drei, vier Songs etwas schal wird. Objektiv sind HELRUNAR aber eine der Bands, die ihre Ruf als gute Liveband auf dem Hells Pleasure problemlos zu verteidigen wissen und dafür entsprechend belohnt werden. [rs]
Kurz vor 8 Uhr begeben sich viele der Anwesenden wieder zum Zeltplatz, da sich niemand für hierzulande unbekanntere Bands zu interessieren scheint. Ziemlich schade, denn all jene verpassen die Band OPERA IX aus Italien, die für mich die größte (positive) Überraschung des ganzen Festivals ist. Zwar wussten die Samples im Internet überhaupt nicht zu begeistern, weswegen ich fast abgeneigt war mir den Auftritt anzuschauen, doch live zocken die stilecht gewandeten Stiefelburschen richtig geilen, stimmigen Black Metal mit unauffällig bereichernder Keyboarduntermalung und klasse Vocals. Dies zieht dann auch relativ schnell die Aufmerksamkeit der Hinterbliebenen auf sich, welche der Band gebührenden Zoll entrichten. [jb]
DESASTER zeigen anschließend, warum sie eine – wenn nicht die – Speerspitze des angeschwärzten Thrash Metals sind, zumal wenn es um Livepräsenz geht: Was diese Band aus jeder noch so kleinen Bühne holt, wie hier mit aller Macht gepost, gebangt und geflachst wird, ohne eine Unze an Glaubwürdigkeit einzubüßen, ist heute so unglaublich wie beim ersten Gig, dem ich beiwohnen durfte. So wird dem hungrigen Publikum eine Granate nach der anderen in die Bauchgegend gejagt, stehen neue Songs wie „Satans Soldiers Syndicate“ tadellos neben Gassenhauern des Kalibers „Metallized Blood“ und am Ende weiß eigentlich niemand mehr, wie Konzerte damals - vor DESASTER - aussahen. Müssen wohl ziemlich mickrige, traurige Angelegenheiten gewesen sein... [rs]
Unbestritten eine der besten Live-Bands überhaupt, die mit brachialem Tempo, jagenden Riffs, Blasts und hammermässigen Vocals noch aus dem finstersten BM-Poser den Thrashwahnsinn herauskitzelt. Wie ein Anwesender danach meint: "Die hätten auch alleine als Headliner spielen können, ich wär gekommen". Eine Band der man ansieht, dass ihnen ihre Mucke Spaß macht und dass eben dieser Spaß auf die Fans übergeht.
Nachdem die letzten Liveerfahrungen mit SECRETS OF THE MOON durchweg enttäuschten und aufgrund enormer Hungergefühle fallen die Deutschen leider aus und wir finden uns erst zu MORTUARY DRAPE wieder vor den Brettern ein. Auch diese altgediente italienische Band kann heute leider nicht überzeugen, was nicht zuletzt am trashigen Auftreten liegt: Auf der Bühne steht eine rudimentäre Kanzel, welche dem Frontmann - verkleidet als Priester – als Kulisse für seine Predigt des gepflegten Geknüppels dient. So unbestritten die musikalischen Fähigkeiten der Band auch sein mögen – live ist das Ganze ein eher lässlicher Spaß, der nur selten überzeugen kann.
Gegen 1 Uhr nachts ist es schließlich soweit: Der groß angekündigte Hauptact SHINING steht vor der Tür und trotz des miesen Wetters drängt sich eine stattliche Menge vor der Bühne, auf welcher gerade ein paar Kahlgeschorene aufbauen. Gerade das Jungvolk scheint sich sehr für die Band zu interessieren, was sie durch lautstarke „Kvarforth“-Rufe kundgaben, und obwohl man sich zeitweise wie auf einem Teeniekonzert vorkommt, beschließen wir uns ein genaueres Bild des für seinen Hang zur Selbstinszenierung und Selbstglorifizierung bekannten Herrn zu verschaffen.
Als es endlich losgeht, marschiert eine dünne, hagere Gestalt im Stechschritt auf die Bühne und präsentiert sich zunächst ausgiebig selbst. Der etwas seltsame Gang, die kajalgeschwärzten Augen und die Vorliebe sich zu zeigen – fast alles schreit nach Fluch der Karibik, als sich der mit Armbinden versehene und reichlich blutverschmierte Fronter von denen bejubeln lässt, die sonst sagen würden Personenkult, Aufmerksamkeitsheischerei und überhebliche Selbstdarstellung fänden sie doof. [jb]
Das ändert allerdings nichts an der Tatsache, dass SHINING mittlerweile einen Backkatalog angehäuft haben, der nahezu makellos ist und dass die Schweden durch minimalistische Beleuchtung und metaltypische Überzeichnung eine ziemlich morbide Stimmung erschaffen, der man sich zugegebenermaßen öffnen muss. Mir jedenfalls kriecht beim Opener „Vemodets Arkitektur“, und mehr noch beim Übersong „Lat Oss Ta Allt Fran Varandra“, eine derart angenehme Gänsehaut über den Rücken, dass die Faszination des Konstrukts SHINING zumindest nachvollziehbar wird. Leider muss das Konzert hier durch einen längeren Stromausfall unterbrochen werden, die Musiker relaxen in diversen Posen und betrinken sich, um anschließend mit neuer Kraft fortzufahren und dem Volk neben dem kompletten neuen Album auch noch „Submit To Selfdestruction“, „Claws Of Perdition“ und „Nagonting Är Jävligt Fel“ zu servieren. Mag sein, dass die ausufernde Spielzeit eine Folge von Kvarforths Präsentationstrieb ist, mag sein, dass die zunehmend zur Schau gestellten, vollkommen aufgeschlitzten Arm- und Oberkörperpartien nurmehr ein Klischee bedienen und die animalischen Posen bei dem ein oder anderen für einen schalen Beigeschmack sorgen – die Einheit von Konzept, Auftreten und kompositorischem Genius lässt SHINING nach wie vor wie ein offenes Messer aus dem Mitbewerberfeld hervorstechen. [rs]
Abschliessend bleibt zu sagen, dass besonders den Veranstaltern ein Lob gebührt, weil so manches heutzutage nicht mehr selbstverständlich ist.
Die sanitären Anlagen waren für 2 Tage komplett ausreichend, die Klos wurden geleert, die Securities waren bestimmt aber freundlich, es gab keine größeren Auseinandersetzungen und die Preise der fast durchgängig angebotenen Speisen und Getränke waren fair. Dazu wurden Handzettel verteilt, in denen auf das ab 3 Uhr (!) erhältliche Katerfrühstück hingewiesen wurde. Was kann man sich – abgesehen von einem etwas breiteren Speiseangebot - mehr wünschen? [jb]
Vielleicht, dass bei vertretenen Händlern auch mal etwas genauer hingeschaut wird, da der mit reichlich Hakenkreuz-Symbolik aufwartende Ureuropa-Stand so gar nicht zum unpolitischen Habitus der überaus freundlichen und angenehm dimensionierten Veranstaltung passen wollte. Ansonsten aber Daumen hoch für die Auflage 2007 – man sieht sich im nächsten Jahr! [rs]
www.hells-pleasure.de
Bericht: Julian Baumann, Ralf Scheidler
Fotos: Julian Baumann, Henri Kramer