Swedish Metal Invasion: Ram Portrait Devil Lee Rot Cult Of The Fox

Swedish Metal Invasion: Ram, Portrait, Devil Lee Rot, Cult Of The Fox

Cult Of The FoxDevil Lee RotPortraitRAM
Bitterfeld, Festung
28.09.2007
Nach 10 Minuten Fußweg vom Bahnhof Richtung Goitzsche, durch friedliche dunkle Straßen und vorbei an Hecken und Bauzäunen, wird sehr schnell klar: Die Festung in Bitterfeld hat trotz Umzugs kein Stück ihres metallischen Charmes eingebüßt. Fast erwartet man, dass sich die Mischung aus unverputzten Wänden und einer Oldschool-Kuttendichte von geschätzten 100 Prozent dem Auge als schwarzweiße, leicht übersteuerte Fotokopie darbietet, die Pausenmusik von BROCAS HELM bis MANILLA ROAD muß an diesem Abend einfach vom Plattenteller stammen und einige der anwesenden Metaller beschwören unbekümmert Zeiten herauf, in denen Leopardenstretch nebst Netzhemd und weißen Knöchelschuhen das Nonplusultra der subkulturellen Abendgarderobe darstellte.
Für einen Moment beschleicht mich gar der Gedanke, dass die Kollegen Hauptmann und Meyer jeden Moment mit Bier und PRIEST-Shirt in der Tür stehen müssten – aber das wäre dann wohl doch zuviel des Guten. So get ready for a Heavy Metal Tyranny!

Erste Band des musikalischen Programms sind CULT OF THE FOX - natürlich aus Schweden, natürlich kauzig und natürlich NWoBHM bis ins Mark. Die relativ junge Formation ist im Auftreten noch nicht ganz sicher, macht diesen Umstand – und ihren Nachteil als Opener – jedoch durch recht zugkräftiges Liedgut wieder wett.
Merklich druckvoller als auf dem Demo zockt man sich durch stets mit markanten Leads versehenen wahren Stahl, der in den Soloparts zwar etwas die Rhythmusgitarre vermissen lässt, im Großen und Ganzen dank guter Chorusarbeit jedoch durchaus zu überzeugen weiß. Den für die erste Band bereits ordentlichen Zuspruch heizen diverse Geschenke in Shirtform weiter an, bevor nach einer halben Stunde der Hammer fällt. Gelungener Auftakt eines großen Abends.

Mit DEVIL LEE ROT folgt an zweiter Stelle der geheime Publikumsfavorit, was an der leicht thrashigen Ausrichtung liegen mag, die dem Festungspublikum ja seit jeher am Herzen zu liegen scheint. Dazu kommt, dass die Band sehr eingespielt wirkt, ihr Spikes'n'Leather-Image folglich auch musikalisch in Perfektion transportiert und den Club nach zwei Songs fraglos im wahrstählernen Griff hat. Dies zeigt sich zum Einen an den zahlreichen Fans, die bangenderweise die klassische „ein Bein auf dem Bühnenrand“-Pose einnehmen, zum Anderen ist die Luftgitarrendichte selbst im mittleren Teil des Saales ganz beträchtlich.
Unter Mitwirkung des Bassisten von CULT OF THE FOX (im EXCITER-Shirt!) brennen die in schmerzhaft enge Röhrenjeans gewandeten Schweden in der Folge ein Feuerwerk der guten Laune ab, bei welchem „Future Invaders“, „Hellmachine“ und „Metal Dictator“ nur einige der zahllosen Highlights sind. Grandios und livehaftig definitiv empfehlenswert!

Gleiches gilt – auf die Gefahr der Wiederholung hin – auch für PORTRAIT, die bisher völlig am Rezensenten vorbei musizierten. Der Thrashfaktor wird wieder etwas zurückgenommen, dafür gibt es überdimensionierte Lederarmschienen samt Nieten und eine satte MERCYFUL FATE-Breitseite, die der Zeitreise Tür und Tor öffnet.
Wie alle Bands des Abends machen PORTRAIT mitnichten etwas Neues, allerdings scheint der Gott des wahren Metals in Schweden momentan mit etwas größerer Kelle auszuteilen, was sich an der Spielfreude zeigt, die den Elchtötern mit jedem Griff, jedem Ton, aus den Instrumenten fließt. Entsprechend überschwänglich sind die Reaktionen des mittlerweile kompakt stehenden Publikums, welches zum Teil enorme Anreisewege auf sich nahm, um dem Abend beizuwohnen – die gerade mal zwei Demos der Band werden abgefeiert wie weiland Jesus Superstar und als bei der Zugabe schließlich die Bühne zum Entern freigegeben wird, bleibt den Kunstmalern höchstselbst nur wenig Platz zum Posen: Heavy Metal Darkness!

Den finalen Schlag verabreichen schließlich RAM, heute von NIFELHEIMs Tyrant am Bass verstärkt. Das hebt natürlich den Kultfaktor, allerdings hat die Band solche Spirenzchen keinesfalls nötig, da die markanten Songs der beiden Veröffentlichungen auch so ein Garant für erstklassige Unterhaltung sind. Daran ändert auch der Fakt nichts, dass das von ebenso zuvorkommenden wie anmutigen Damen zu unanständig niedrigen Preisen kredenzte Bier mittlerweile Wirkung zeigt – bei Abrissbirnen des Kalibers „Shadowman“, „Machine Invaders“ oder „Sudden Impact“ schalten die metallischen Naviga- tionssysteme flächendeckend auf Automatik und sorgen für dicke Nacken am laufenden Band.
Keine Ahnung, wann ich das letzte Mal soviel Spaß bei einem Konzert hatte, aber nach diesem Abend in Bitterfeld bleibt vor allem die Gewissheit, dass Metal noch immer den Drang nach ganz innen hat, um dort für gnadenloses Wohlbefinden zu sorgen. Und mehr kann man von einem Konzert eigentlich nicht verlangen – obwohl: Wo waren eigentlich Hauptmann und Meyer...?


Fotos: Anja Cwielag und Angelica Norén

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