Tourettes Defloration The Atmosfear

Tourettes, Defloration, The Atmosfear

DeflorationTourettes
Leipzig, Kulturbundhaus
13.10.2007
Der erste Scheddel nach der Sommerpause ließ die Stromgitarrenfans wieder ins etwas geräumigere Kulturbundhaus pilgern. Vieles ist beim Alten geblieben (Eintrittspreis, Atmosphäre, die alterwürdige Putzfrau), einige Neuerungen wie dem Bier, welches anstatt aus der Flasche endlich vom Fass kam sowie die deutlich verbesserte Bühnenbeleuchtung nahm man wohlwollend zur Kenntnis, und gut gefüllt war es ebenfalls. Dann also los ins Geschehen.

THE ATMOSFEAR aus Göttingen gaben die Anheizer und nahmen dies gleich von Anfang an sehr ernst. Die Oberkörper von überflüssiger Kleidung befreit hatten sie zumindest schon einmal das weibliche Publikum auf der Interessentenseite, den männlichen Protagonisten rückte man persönlich auf die Pelle, indem Frontmann Olli mit dem Mikro in der Hand durch die vorderen Reihen stiefelte und jeder steif herumstehenden Person erst einmal ein paar Songzeilen ins Gesicht brüllte. Dass dabei der Death Metal auch nicht zu kurz kam, verdankte man vor allem dem Rest der Mannschaft, der mit gelungenen Rhythmen und der einen oder anderen Melodie für genügend Abwechslung sorgte. Zwar waren die Anfeuerungsversuche generell zu begrüßen, im Fall des noch nicht ganz warmen Leipziger Publikums bewirkte ein Teil davon aber eher das Gegenteil. Einige Zuschauer hatten gar Angst vor dem aggressiven Hünen und drängten sich eher von der Bühne weg (Rotzen in die Menge bringt da auch kaum Pluspunkte). Und das Publikum mit Gewalt auf die Bühne bekommen zu wollen, sieht beim Scheitern schon etwas gewollt aus. Nichtsdestotrotz konnte die Band abgesehen davon sowohl musikalisch als auch vom Stageacting her überzeugen, nur die Klamotten hätten sie meiner Meinung nach ruhig anlassen können.

Wo wir gerade bei Angst waren: Wem bereits beim Anblick der ersten Band die Knie geschlottert haben, der dürfte sich beim Erscheinen von DEFLORATIONs Uwe spontan die Hosen vollgedurchfallt haben. Dieser Zweimeter-irgendwas-Koloss fällt schon in der Fußgängerzone aus dem Rahmen und wenn man dem dann noch ein Mikro in die Hand drückt, kann ja nur irgendwas tierisch Aggressives dabei herauskommen. Verstärkt durch seine knüppelnden Bandkollegen wurde jegliche eventuell noch im Raum herumschwirrende Melodie an der Wand zerdrückt, allein der todesmetallische Angriff nach vorn schien zu zählen. Das Publikum dankte es der Band mit immer stärker werdenden Applaudierungen.

Die TOURETTES sind einmal um die ganze Welt gereist, um nur ein einziges Mal beim Scheddel spielen zu können – oder so ähnlich. Jedenfalls gingen die Australier mit jeder Menge Enthusiasmus an den Start, nach ein paar Minuten rückte der instrumentale Teil der Band aber zusehends in den Hintergrund, um Frontfrau Michele Platz zu machen. Seit dem aktuellen Album komplett auf dem Trip „Frau röchelt ins Mikro während Rest der Band knackige Riffs hinterher schießt“ spielend, fällt einem beim Anblick dieser Band zum Begriff „Angela Gossow“ nur ein kleines, schüchternes blondes Mädchen ein. Die Frauen sind von ihr fasziniert, die Männer schwanken stets zwischen „die hat irgendwas“ und „ich hab schon wieder Angst“, aber was sich dort auf den Brettern des Kulturbundhauses abspielt, ist jedenfalls eine durchweg gelungene Show. Bis an die Erschöpfungsgrenze biegt, springt, schwitzt und grunzt sich die Sängerin durch die auch unabhängig vom Gebotenen ansprechenden Songs und hat zwischendurch sogar noch Luft, um mit einem kleinen Liedchen zu demonstrieren, dass sie auch „richtig“ singen kann (und dass auch Frauen weit und fest spucken können). Die anfängliche Skepsis überwindend lässt sich die Menge nach und nach weiter ins Geschehen herein ziehen und will am Ende gar nicht mehr so richtig gehen.
Doch die Band musste auch irgendwann ihr Känguruh erwischen und es blieb ein sehr spannender und abwechslungsreicher Abend zurück. Bitte auch demnächst mehr davon!

Fotos von Yvonne

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