Envy Deerhunter & O Stranger Bend My Heart Of Darkness

Envy, Deerhunter & O Stranger Bend My Heart Of Darkness

DeerhunterO Stranger Bend My Heart Of Darkness
Leipzig, UT Connewitz
19.11.2007
Bevor der Konzertbericht klassischerweise beginnt, sollen noch einige Sätze über das uneigennützige Projekt UT Connewitz gesagt werden. Die Betreiber benötigten noch nie kommunale Mittel o.ä.
Es sind einfach ein Haufen Enthusiasten, die das alte Kino erhalten wollen. Die Eintrittspreise richten sich nach den Unkosten und da sie alle ehrenamtlich arbeiten, sind diese äußerst fair. Alle anderen Einnahmen fließen ausschließlich in den Erhalt des Kinos.

Volles Haus UT Connewitz. Sogar eine Menschenschlange bildet sich am Eingang. Das gab es seinerzeit noch nicht einmal bei den RED SPARROWES. Hier scheint sich etwas wirklich Großes anzubahnen. Dabei erscheint der Name so klein; ENVY. Mitnichten! Denn die fünf winzigen Japaner sind schon seit einer geraumer Zeit musikalisch im Geschäft und starten mit ihren letzten Alben heftig durch. Kein Wunder, dass ihre Musik soviel Anklang findet. Soviel endzeitliches birgt sich in ihr. Müßig zu erwähnen, dass die anderen beiden Bands DEERHUNTER und O STRANGER BEND ... ebenso vertieft künstlerisch unterwegs sind. Heute passt alles perfekt zusammen.

O STRANGER BEND MY MY HEART OF DARKNESS heißt es zum Anfang der Show. Die sympathische Band aus Leipzig mit dem langen Namen lässt ihre Instrumentalmusik zu gigantischen Soundblasen anschwellen um sie jäh zerplatzen zu lassen. Ähnlich vergleichbar arbeitet RED SPAROWES oder die oft zitierte Band MOGWAI. Aber gerade mal nach einem Jahr Bandhistorie spielt die Band perfekt zusammen, ist geradezu beseelt von dem Gedanken, im Strom ihrer Musik aufzugehen. Und so verstummt das Publikum, klappt kollektiv die Kinnladen herunter und staunt. Die Band lässt sich auch bei einem belächelten Zwischenfall von Apple nicht beirren, wartet bis der Fehler beim Hintergrundfilm behoben ist und walzt musikalisch das UT platt. Berauschender Beifall, zustimmende Pfiffe, Erstaunen. Hier wächst etwas Enormes mitten unter uns heran.

Noch schräger arbeitet DEERHUNTER aus Atlanta [Georgia/USA]. Hier verfremdet Sänger Lockett Pundt seinen Gesang in elektronisch verzerrten Wiederholungsschleifen, Hall-Effekten und Überlagerungen. Ein wenig erinnert es an die Frühphase von THE MUSIC. Aber DEERHUNTER arbeitet wesentlich künstlerischer - manischer. So kann sich das Publikum der einstündlichen Zelebrierung von Schmerz, Klage und Endzeitlichkeit nur schwer entziehen. Mit jedem Song sind die Zuschauer mehr und mehr gebannt. Vor allem die neuen Songs ziehen alle Register; Elektronika, Screamo und Rock. Hier passt einfach alles zusammen. Mitunter gelingt es der Band, ihre Musik live prachtvoller entfalten zu lassen als auf Album.

ENVY bricht mit allen Konventionen und vertieft sich in ihrem Gemenge aus Hardcore, Noise und Screamo. Bahnbrechend hierbei ist die kompromisslose Härte, welche von halbakustischen Parts stimmungsvoll unterbrochen wird. Zahllose Harmonien begleiten die wuchtigen Motetten. Die zwergenhaften Japaner, die noch vor Konzertbeginn ganz entspannt an den Fanreihen vorbei flanierten, brechen sich musikalisch und bewegungstechnisch Bahn. Laut, sanft und immer wieder Fan nah. Auch hier wirkt die Musik lebendiger, härter und voluminöser als auf ihren Alben. Letztendlich sind die dargebotenen Auflösungen vielschichtiger und allumfassender als bei Zimmerlautstärke. So kommt es auch, dass lautstark geforderte Zugaben zweimal erfüllt werden, bis dann kurz nach Null Uhr der Aufbruch naht.

Man spürt, dass das UT Connewitz am musikalischen Puls der Zeit sitzt und so für ein volles Haus sorgen kann. Eine so junge Band wie O STRANGER ... hätte bspw. woanders sicher nicht so schnell einen Supportslot bekommen. Und so wird im alten Kino Nachwuchs gefördert.

An diesem Abend ist alles gelungen, was gelingen kann. Drei geniale Bands für wenig Zaster. Das gibt es nicht einmal mehr in andereren übersättigten Szenen. Sogar die T-Shirt-Preise bewegen sich im Mittelfeld, so dass von Kommerz, Ausverkauf etc. pp. nicht die Rede sein kann. Und Öko-Bier gibt es auch. Wenn das kein Anreiz ist?
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