With Full Force X
With Full Force X
Flughafen Roitzschjora
08.07.2003
08.07.2003
[Bemerkung vorweg: Bedingt durch diverse festivaltypische Aktivitäten (*schluck*) und die Überschneidungen zwischen Main und Tent Stage habe ich leider nur einen Bruchteil der Bands sehen können. Und da ich leider auch nicht beim RH bin und damit auf diverse Hilfsschreiberlinge verzichten muß, fehlen eben einige der Bands, die ich wirklich sehen wollte, wie z.B RYKER'S, DISCHARGE oder (besonders schmerzhaft für mich) MY DYING BRIDE und OPETH. Nehmts mir nicht übel, okay?]
Donnerstag
Dank cleverer Planung und Verzicht auf einige lukrative Arbeitsstunden gehörten wir zu den Ersten, die auf dem nahe dem Flugfeld Rojtzschjora (was'n Name! An den werde ich mich wohl auch in zehn Jahren noch nicht gewöhnt haben...) bei Leipzig gelegenen Gelände ankamen - mit der angenehmen Folge, daß unser Zelt nichtmal zwei Minuten Fußmarsch vom Festivalgelände entfernt lag. Der weniger angenehme Nebeneffekt: Quasi direkt neben uns befand sich die überdachte Cocktailbar, in der sich bis sechs Uhr morgens ganze Heerscharen von Metallern und Punks (und sonstigen Perversen) zu Pop-und Rockklassikern sowie NDW-"perlen" grölend die Lichter ausschossen...
Naja, da wir eh kaum geschlafen haben, wars egal.
Freitag
Das Full Force begann mit einem Paukenschlag. TOTENMOND kamen, sahen und sorgten für erste Risse im Trommelfell des Rezensenten. Auf ihren Platten wirken sie ja schon reichlich destruktiv und finster, aber live walzten sie die - gemessen an der Tageszeit zahlreichen - vor der Bühne stehenden Gestalten einfach nur nieder. Zwei Trümmercover ("macht kaputt, was Euch kaputt macht" und "Polizei-SA-SS") setzten dem Lärm die Krone auf und machten deutlich, daß TOTENMOND wesentlich mehr sind als die Summe der ihnen immer wieder gern unterstellten Provokationen. Daumen hoch für eine energetische Show!
DRITTE WAHL sorgten danach für den ersten echten Höhepunkt des Festivals. Vor bunt gemischtem Publikum lieferten sie einen Klasseset ab, der mit etlichen Standards ("free hash", "so wie Ihr seid" oder das bei mir immer wieder Gänsehaut verursachende "greif ein") aufwartete, zum Schluß jedoch ein echtes Bonbon bot: "highway to hell" mit Bon Scott am Mikro! Okay, es war nicht ganz Bon, aber doch verdammt nah dran. Von mir aus hätten sie gut und gern noch 'ne Stunde weiterspielen dürfen...
Aber es sollte noch besser kommen: NAPALM DEATH bewiesen, daß sie zurecht zu den am meisten verehrten Bands der Extremmetalszene gehören. Barney (mit kurzen Haaren und schicker Kniebandage) tobte über die Bühne wie ein angeschossenes Wildschwein auf Preiselbeerentzug, die Band packte lobenswerterweise auch den einen oder anderen Altsong aus und spätstens mit dem finalen "nazi punks fuck off" hatten sie wohl auch den letzten Anwesenden überzeugt. Die Reaktionen vor der Bühne sprachen jedenfalls Bände.
PRONG sind meines Erachtens eine der wichtigsten Bands der Szene. Allein für ihren Groovehammer "beg to differ" gehören sie heilig gesprochen. Leider, leider haben sie sich viel von ihrem möglichen Status selbst verscherzt beziehungsweise kaputtgemacht - ersteres durch das arrogante Rockstargehabe ihres Fronters, letzteres durch halbgare Veröffentlichungen wie die aktuelle CD. Und genauso verlief auch ihr Gig: musikalisch top ("snap your fingers, snap your neck" ist einfach mal ein Klassiker!), die Ansagen und die Posen allerdings unterste Schublade. Schade.
Und es ging zwiespältig weiter. SUBWAY TO SALLY genießen zurecht Starstatus. Alben wie "Foppt den Dämon" oder "Hochzeit" können eben nur ganz wenige Bands schreiben. Was mir allerdings überhaupt nicht paßt, ist die immer martialischere Ausrichtung der Potsdamer. Was sich auf dem aktuellen Werk "Engelskrieger" bereits andeutete, wurde live zur bitteren Gewißheit: Diese Band will offensichtlich den Erfolg, den RAMMSTEIN haben - und leider nutzen sie dazu inzwischen teilweise die gleichen musikalischen Mittel. Nur konsequent, daß man da vergeblich auf einige gewohnte STS-Klassiker wartete. Und da im Soundbrei (zu laut, zu baßlastig) auch die meisten der immer noch genialen Melodien untergingen, bleibt als Fazit eben nur: Energielevel zehn, Gänsehaut null. Selbst das eigentlich wunderbar melancholische "Minne" wirkte diesmal irgendwie aggressiv.
Aggressiv ist ein gutes Stichwort: SIX FEET UNDER überraschten mich live ebenfalls, allerdings im Gegensatz zu STS positiv. Lag vielleicht daran, daß sie hauptsächlich auf älteres Material zurückgriffen, vielleicht aber auch daran, daß sie die teilweise nervigen deathmetalfremden Einflüsse der letzten beiden Scheiben konsequent außen vor ließen und einfach nur tierisch rockten. Bei "TNT" hatten das dann endlich alle um mich herum begriffen und feierten eine gigantische Party. Cooler Gig!
JBO hab ich mir geschenkt - erstens spielten sie Samstag abend eh nochmal im Zelt und zweitens langweilen ihre Konzerte inzwischen ein wenig.
SOULFLY dagegen wollte ich durchaus sehen, da mir diverse Bekannte versicherten, sie seien eine der charismatischsten Livebands unserer Tage und man dürfe sie nicht nur anhand ihrer (langweiligen) Platten beurteilen. Allerdings hab ich diesen Wunsch nach etwa einer Viertelstunde begraben und bin fett grinsend gegangen. Mag ja sein, daß die Band auch in Deutschland ein unübersehbares Heer an Anhängern und Superstarstatus hat, aber das, was sie in Roitzschjora boten, war erbärmlich. Gegen die Verlockungen einer Dose Billig-Ravioli zum Abendessen hatten sie jedenfalls nicht den Hauch einer Chance.
Knüppelnacht
Heilige Scheiße! Was war das denn?! Verglichen mit den Knüllern, die die vergangenen Freitagnächte dieses Festivals durch ihre Anwesenheit ehrten (man erinnere sich nur an den denkwürdigen ASPHYX-Gig!), war die diesjährige "Nacht der Härtesten" nur ein laues Lüftchen.
Dabei begann es mit ENTHRONED eigentlich ganz ordentlich. Black Metal war das Gebot der Stunde - soweit ich als Außenstehender das beurteilen kann, reichlich old school und mit dem Charisma, das eine "leck mich am Arsch!"-Attitüde verbreiten kann. Ich hab insgesamt maximal eine Minute mehr-oder-weniger-Midtempo gehört, ansonsten schwangen die Belgier die ICE-Keule. Bei weitem nicht perfekt, aber wer erwartet das schon von solcher Musik? Eben. Ich hab mich gut unterhalten gefühlt.
AMON AMARTH setzten danach sogar noch einen drauf. Die Band ist meiner bescheidenen Meinung nach zur Zeit das Beste, was die Szene im Bereich Viking Metal anzubieten hat und erntete völlig zurecht enthusiastische Reaktionen. Einer der drei besten Gigs des diesjährigen WFF.
Und dann war Schluß mit der Herrlichkeit. Die folgenden vier Bands (unter ihnen die als "absoluter Kult" hochgehypten MACABRE und ZYKLON sowie die angeblich "beste deutsche Blackmetalband" (bruhaha!) EISREGEN langweilten dermaßen, daß ich beinahe im Stehen eingeschlafen wäre.
Der Fairness halber sollte ich allerdings gestehen, daß gerade die Letztgenannten mächtig abgefeiert wurden. Mein Geschmack war es allerdings absolut nicht.
Samstag
Samstag mittag wurde es Zeit zum Niederknien: DEBRIS INC. - die neue Band von Dave Chandler [Saint Vitus] und Ron Holzner [Trouble] - betraten die Bühne. Wer nicht da war - und das waren etliche, es war erschreckend leer vor der Bühne - sollte sich exakt jetzt in den Allerwertesten beißen. KYUSS-artige Riffs treffen wahlweise auf MOTÖRHEAD'sche Räudigkeit oder CANDLEMASS-Melancholie. Diese Band sollte jeder kennen, der auch nur ansatzweise etwas mit Doom oder Stoner Rock anfangen kann!
"Hol mir 'ne Bockwurst", "we mosh", "Herr Fuchs schleicht durch den Wald", "Kranker Tannenbaum" - na, klingelts? Richtig, MANOS! Was hab ich gelacht! Diesen Verrückten fällt aber auch immer wieder was neues ein, was man noch an ein Saiteninstrument hängen könnte. Diesmal waren es (unvollständige Liste:) eine Schaufel, ein Besen und ein Sonnenschirm. Dazu einen Vogelkäfig auf den Rücken und eine Dederonhaushaltsschürze um den Leib und schon steht das WFF kopf... Das Wunderbare an dieser Band ist die Tatsache, daß sie zwar durchaus als Spaßband funktioniert, aber genausogut auch einen ernsthaften Thrash-Gig spielen könnte. Das Songmaterial dazu haben sie jedenfalls. Aber egal, jedenfalls zogen sie wie immer eine Menge Leute an und die Wiese füllte sich endlich.
Dadurch hatten unter anderem ENTOMBED einen würdigen Rahmen für ihre Songs. Live ist das Ganze für mich immer noch die ideale Umsetzung des "MOTÖRHEAD trifft swedish death metal" - Konzeptes. An diese Energie kommen allerhöchstens noch THE CROWN oder CRACK UP ran. Und spätestens, wenn die Schweden "left hand path" auspacken, ist eh alles gut.
MACABRE sind angeblich Kult. SAINT VITUS dagegen kann man mit keinem anderen Wort beschreiben, es sei denn, man verfällt in eine ellenlange Ansammlung von Superlativen, von denen "zeitlos genial" noch der zurückhaltendste ist. Die wahrscheinlich langsamste Rockband der Welt zockte sich ins Nirwana und zog vom Black Metaller bis zum SEPULTURA-Jünger so ziemlich jeden in ihren Bann. Allein für die Ehre, diese Band live sehen zu dürfen, hat sich der Eintritt fürs WFF gelohnt. Ein riesiges Dankeschön an die Macher des Festivals!
Ach ja: "born too late" war natürlich der finale Song. Wundert das irgendwen?
CLAWFINGER sind eigentlich sowas tot, daß sie schon seltsam riechen müßten. Die letzten Platten waren nicht mehr als laue Kopien der alten Glanztaten und die arroganten Aussagen in verschiedenen Interviews taten ihr Übriges. Doch beim Full Force feierten die Crossoverhelden der Neunziger ihre lautstarke Auferstehung. Ich hatte nichts von diesem Konzert erwartet und wurde von der Energie der Band völlig aus den Socken geknallt. Sicher, Zaks Ansagen sind peinlich wie eh und je, das Stageacting ist auch, ähem, gewöhnungsbedürftig, aber trotzdem knallten Songs wie "nigher", "truth" oder das finale "do what I say" mächtig. Und wenigstens einer hatte den Dreh raus: der Bassist (mit arschlanger Matte) war ein absoluter Aktivposten und bangte sich um Kopf und Kragen.
DESTRUCTION sind - man möge mir verzeihen - für mich immer die schwächste Band der "Großen Drei des deutschen Thrash" gewesen. Klar, sie haben nette Songs, aber wirklich mitgerissen hat mich keines ihrer Alben. Und live verstärkt sich diese Wirkung eher noch. Nett, aber beileibe nicht zwingend.
Und noch eine Live-Auferstehung: SEPULTURA hatte ich spätestens nach ihrem Rohrkrepierer "against" abgeschrieben und mich gar nicht mehr ernsthaft mit den neuen Platten beschäftigt. Sollte ich vielleicht nachholen... Jedenfalls sind die Brasilianer für einen Gutteil des barbarischen Nackenmuskelkaters verantwortlich, den ich zur Zeit mit mir herumschleppe. Derrick Greene ist ein absolut sympathischer Frontmann, der zudem noch mit einer klasse Stimme aufwarten kann. Und die Tatsache, daß SEPULTURA auch noch einige wirklich alte Songs aus dem Hut zauberten, war das I-Tüpfelchen auf einem Gig, der im quasi direkten Vergleich SOULFLY zur Teenieband degradierte.
Gähn...schnarch...war da noch was? Ach ja: TYPE O NEGATIVE. Daß die nicht selbst einschlafen bei ihrer Musik, ist ein echtes Wunder. Und wieso sie immer noch als Metalband gelten, kann mir wohl auch keiner schlüssig erklären, fürchte ich. Entbehrlich.
Saturday night fever
JBO hatten es sich nicht nehmen lassen, zum zehnjährigen Full-Force-Jubiläum ein spezielles Programm auf die Beine zu stellen. Natürlich waren diverse "normale" Klasiker dabei ("Verteidiger des wahren Blödsinns"), aber den Löwenanteil der Show bestritten die Franken mit Songs, die mir ein ums andere mal ein Grinsen ins Gesicht zauberten. Los gings mit dem bekannten "enter sandman"-Cover, in dessen Mittelteil allerdings eine "breaking the law"-Version eingebaut wurde, die schon fast einer Imitation des Origials gleichkam (inklusive "Halford" natürlich). Bei "roots bloody roots" kam - wie gewohnt - Meister Pavarotti auf die Bühne, der es sich allerdings nicht nehmen ließ, danach noch "Highway to hell" (cool, konnte aber nicht gegen die DRITTE-WAHL-Version vom Vortag bestehen) und einen Song von "Virgina Ferro" zu zocken. Und wenn ich nicht so, ähem, müde *g* gewesen wäre, könnte ich mich vielleicht auch noch daran erinnern, welcher MAIDEN-Song da gecovert wurde... Außerdem gabs nochmal METALLICA ("seek and destroy") und SLAYER ("south of heaven", hier war Hannes allerdings stimmtechnisch nicht mal ansatzweise auf der Höhe, aber wer bitteschön kann von sich behaupten, Tom Araya perfekt imitieren zu können?) zu hören. War wirklich erfrischend, mal ein anderes JBO-Programm geboten zu bekommen.
Sonntag
MAMBO KURT erfreut sich ja in der SZENE wachsender Beliebtheit - und mal ehrlich: der Mann ist so daneben, daß es schon wieder gut ist. "Hells bells" war dermaßen schief, daß mir die Lachtränen über die Wangen liefen. Auf jeden Fall ein Konzert, wie es zum Wachwerden nicht besser sein könnte. Die Meute rastete komplett aus und trug den Heimorgelhelden buchstäblich auf Händen - sein abschließender Stagedive gehört schließlich inzwischen dazu.
DIE APOKALYPTISCHEN REITER hatten es danach erwartungsgemäß erstmal schwer, das Stimmungslevel zu halten. Mit fortschreitender Spieldauer bekamen sie die Massen allerdings immer besser in den Griff. Nur ich oller Nörgler mußte natürlich wieder mal gelangweilt in der Gegend rumstehen und sie unspektakulär finden...
Und danach wurde es richtig schlimm (auch wenn der eigentliche Tiefpunkt des Festivals noch bevorstand): RAGING SPEEDHORN. Was sollte das eigentlich darstellen? Eine noch schlechtere Newmetalband als LIMP BIZKIT? KORN für ganz Arme? Oder einfach nur eine Herde Prolls, die furchtbar gern PITCHSHIFTER wären? Ich habe keine Ahnung, aber eins steht fest: Diese Band braucht kein Schwein. Sorry.
Danach hab ich es tatsächlich zum ersten Mal an diesem Wochenende geschafft, mich ins Zelt zu verirren. War eine verdammt gute Entscheidung, denn PYOGENESIS rockten. Und wie! "Blue Smileys plan", "love nation sugarhead" und ihr Hit "don't you say maybe" trieben das dichtgefüllte Zelt schier in den Wahnsinn. Endlich mal wieder eine Band, die den Charterfolg auch verdient.
Wir kamen gerade rechtzeitig zur Hauptbühne zurück, um den erwähnten Tiefpunkt des Full Force mitdurchleiden zu "dürfen": DIE HAPPY. Welcher Teufel die Verantwortlichen geritten hat, diese Band einzuladen, weiß ich nicht. Die Sängerin fühlte sich wer weiß wie sexy und brachte Ansagen, für die sich selbst POISON geschämt hätten. Dazu war die Musik erschreckend belanglos. Das Schlimmste aber war, daß mehr als die Hälfte der Anwesenden feierten, als wäre das, was da auf der Bühne abging, die Reunion von UNANIMATED...
Aber zum Glück gibt es ja noch Bands, auf deren Livequalitäten man sich absolut verlassen kann. Ich habe zum Beispiel noch nie von einem wirklich schlechten OVERKILL-Konzert gehört, geschweige denn, daß ich eins erlebt hätte. Und die Thrash-Urgesteine überzeugten auch diesmal. Die Songauswahl war vom Allerfeinsten: "bastard nation", "elimination", "I hate" - Thrash-Herz, was willst Du mehr? Nur gerecht, daß OVERKILL wie der leibhaftige Messias gefeiert wurden. "In union we stand" hätte Blitz gar nicht selbst singen brauchen - und bei "fuck you" war der gesamte Bereich vor der Bühne ein einziges Meer von Mittelfingern. So lange die Band solche Gigs spielt, verzeihe ich ihnen auch weiterhin das eine oder andere schwache Studioalbum...
ANTHRAX hab ich ehrlich gesagt nie wirklich gemocht. Da konnten sie allerdings musikalisch absolut nix für - sie hatten einfach nur den Frevel begangen, ARMORED SAINT den Sänger auszuspannen und somit deren Ende zu beschleunigen...
Am Sonntag mußte ich allerdings feststellen, daß Jon Bush in seiner neuen Band bestens aufgehoben ist. ANTHRAX holzten sich durch ihren melodischen Thrash, daß es eine wahre Freude war. Und da sie dabei auch noch äußerst bodenständig und spielfreudig rüberkamen, gibts für mich nur eine Reaktion: Daumen hoch! Und ich werde mir ihre Platten mal ausgiebig zu Gemüte führen. Versprochen...
SICK OF IT ALL dirigierten die Massen souverän, konnten mich allerdings nicht so recht mitreißen - OVERKILL und ANTRHAX hatten die Meßlatte einfach zu hoch gelegt. Aber den Anwesenden hats offensichtlich gefallen - jedenfalls waren die Reaktionen merh als euphorisch und die Amis wurden gehörig gefeiert. Aber ich wußte ja, was noch auf uns zukommt und sparte meinen Atem lieber....
Und das war bitter nötig. Zwei Gitarristen, zwei Drummer, ein Basser, ein Keyboarder und ein Sänger = WAAAAAHNSIIIIINN!!!! MINISTRY kamen, spielten und herrschten. Al Jourgensen wirkte auch wieder ein wenig fitter (auch wenn seine Vocals permanent gepitcht und mit Hall versehen wurde - war das vielleicht nötig, um stimmliche Schwächen des Fronters zu übertünchen?). Nach dem Abgesang von WHITE ZOMBIE und PITCHSHIFTER gibt es keine Band mehr, die MINISTRY in ihrem Metier das Wasser reichen könnte. Und selbst WHITE ZOMBIE waren live immer zwei Klassen unter dem Barker/Jourgensen-Orchester anzusiedeln. Klassegig einer Klasseband!
Doch es geht immer noch besser. Ich war eigentlich überzeugt, daß SLAYER in dem Sturm, den MINISTRY entfacht hatten, gnadenlos untergehen würden, zumal ich das letzte Full-Force-Gastspiel von Araya und Co. noch vor Augen hatte, wo sie einfach nur dem letzten Song entgegenspielten und absolut gelangweilt wirkten.
Aber diesmal war alles anders. Tom war richtig gut gelaunt - ich habe ihn sogar - man lese und staune - zum ersten Mal lachen hören! Selbst seine mit Sicherheit nicht absolut ehrlich gemeinten Ansagen ("Es ist so toll, hier zu spielen." Blablabla! SLAYER haben schon vor sechsstelligen Zuschauermassen gespielt, die so laut brüllten, daß man es selbst während der Songs hörte. Dagegen war dieser Gig eine Oase der Ruhe. Erzähle mir keiner, daß Araya nicht mehr erwartet hatte!) kamen diesmal wesentlich sympathischer rüber als gewohnt. Und da die Band songtechnisch eh nichts falsch machen kann (bei dem Backkatalog kein Wunder), war der SLAYER-Auftritt der Höhepunkt eines an Glanzlichtern weiß der Geier nicht armen Festivals.
Fazit: Ich mag die Kerle immer noch nicht, vor allem Arayas Aussagen und Ansichten stoßen mir ein ums andere Mal sauer auf. Aber musikalisch sind sie über jeden Zweifel erhaben.
The Last Supper
Leider, leider, leider konnte ich zwei meiner absoluten Lieblingsbands (wie zu Anfang erwähnt) nicht sehen, da ich Montag mittag bereits auf Arbeit (und vor allem geistig anwesend) sein mußte. Da ich wenigstens noch ein wenig von der Stimmung im Zelt aufschnappen wollte, machte ich mich eher zufällig bereits während des DORO- Gigs dorthin auf. Was soll ich sagen? Ich erwartete gut abgehangenen, vorhersehbaren, peinlichen Hardrock und bekam - das volle Metalbrett. Für mich die absolute Überraschung dieses Festivals. Die Frau hat Hummeln im Hintern und bei aller Professionalität den Blick für den Realitäten bewahrt. Selbst die beiden totgenudelten Uraltklassiker "all we are" und - natürlich - "Für immer" machten auf einmal mächtig Spaß. Kann ich live nur jedem empfehlen.
Ganz anders MOONSPELL. Nach "irreligious" litten die Portugiesen ja sowieso unter Geschmacksverirrung, was ihre Studioalben angeht, aber auch live sind sie inzwischen das Papier nicht mehr wert, auf dem die Tourplakate gedruckt werden. Dann geh ich doch lieber zu den SISTERS OF MERCY. Die sind auch seit Jahren peinlich, aber wenigstens vergewaltigen sie ihre alten Songs nicht so grausam, wie MOONSPELL das tun...
Noch ein Wort an die Veranstalter: Ich hab mich wirklich amüsiert in Roitzschjora, aber für nächstes Jahr hab ich trotzdem ein paar Bitten:
(1) Bitte versucht SOLITUDE AETURNUS, BOLT THROWER und DESULTORY (von mir aus alle im Zelt, die beiden letzten Bands wären schließlich ideal für die Knüppelnacht) zu buchen. Wenn Ihr DESULTORY wirklich zur einer (von mir aus auch einmaligen) Reunionshow überredet, würde ich wohl auf Knien nach Roitzschjora rutschen...
(2) Die Eingänge zum Festivalgelände sollten nochmal verbreitert werden. Gerade bei den großen Bands steht man sonst schon mal die eine oder andere Viertelstunde ungeduldig in einer Menschenmenge statt vor der Bühne. Dasselbe gilt übrigens für den Durchgang von der Main zur Tent Stage.
(3) Wie jedesmal: Muß der Eintritt für den Metalmarkt wirklich sein? Ich war jetzt seit Jahren nicht mehr drin, weil ich nicht einsehe, für simples Umsehen Geld zu bezahlen.
Donnerstag
Dank cleverer Planung und Verzicht auf einige lukrative Arbeitsstunden gehörten wir zu den Ersten, die auf dem nahe dem Flugfeld Rojtzschjora (was'n Name! An den werde ich mich wohl auch in zehn Jahren noch nicht gewöhnt haben...) bei Leipzig gelegenen Gelände ankamen - mit der angenehmen Folge, daß unser Zelt nichtmal zwei Minuten Fußmarsch vom Festivalgelände entfernt lag. Der weniger angenehme Nebeneffekt: Quasi direkt neben uns befand sich die überdachte Cocktailbar, in der sich bis sechs Uhr morgens ganze Heerscharen von Metallern und Punks (und sonstigen Perversen) zu Pop-und Rockklassikern sowie NDW-"perlen" grölend die Lichter ausschossen...
Naja, da wir eh kaum geschlafen haben, wars egal.
Freitag
Das Full Force begann mit einem Paukenschlag. TOTENMOND kamen, sahen und sorgten für erste Risse im Trommelfell des Rezensenten. Auf ihren Platten wirken sie ja schon reichlich destruktiv und finster, aber live walzten sie die - gemessen an der Tageszeit zahlreichen - vor der Bühne stehenden Gestalten einfach nur nieder. Zwei Trümmercover ("macht kaputt, was Euch kaputt macht" und "Polizei-SA-SS") setzten dem Lärm die Krone auf und machten deutlich, daß TOTENMOND wesentlich mehr sind als die Summe der ihnen immer wieder gern unterstellten Provokationen. Daumen hoch für eine energetische Show!
DRITTE WAHL sorgten danach für den ersten echten Höhepunkt des Festivals. Vor bunt gemischtem Publikum lieferten sie einen Klasseset ab, der mit etlichen Standards ("free hash", "so wie Ihr seid" oder das bei mir immer wieder Gänsehaut verursachende "greif ein") aufwartete, zum Schluß jedoch ein echtes Bonbon bot: "highway to hell" mit Bon Scott am Mikro! Okay, es war nicht ganz Bon, aber doch verdammt nah dran. Von mir aus hätten sie gut und gern noch 'ne Stunde weiterspielen dürfen...
Aber es sollte noch besser kommen: NAPALM DEATH bewiesen, daß sie zurecht zu den am meisten verehrten Bands der Extremmetalszene gehören. Barney (mit kurzen Haaren und schicker Kniebandage) tobte über die Bühne wie ein angeschossenes Wildschwein auf Preiselbeerentzug, die Band packte lobenswerterweise auch den einen oder anderen Altsong aus und spätstens mit dem finalen "nazi punks fuck off" hatten sie wohl auch den letzten Anwesenden überzeugt. Die Reaktionen vor der Bühne sprachen jedenfalls Bände.
PRONG sind meines Erachtens eine der wichtigsten Bands der Szene. Allein für ihren Groovehammer "beg to differ" gehören sie heilig gesprochen. Leider, leider haben sie sich viel von ihrem möglichen Status selbst verscherzt beziehungsweise kaputtgemacht - ersteres durch das arrogante Rockstargehabe ihres Fronters, letzteres durch halbgare Veröffentlichungen wie die aktuelle CD. Und genauso verlief auch ihr Gig: musikalisch top ("snap your fingers, snap your neck" ist einfach mal ein Klassiker!), die Ansagen und die Posen allerdings unterste Schublade. Schade.
Und es ging zwiespältig weiter. SUBWAY TO SALLY genießen zurecht Starstatus. Alben wie "Foppt den Dämon" oder "Hochzeit" können eben nur ganz wenige Bands schreiben. Was mir allerdings überhaupt nicht paßt, ist die immer martialischere Ausrichtung der Potsdamer. Was sich auf dem aktuellen Werk "Engelskrieger" bereits andeutete, wurde live zur bitteren Gewißheit: Diese Band will offensichtlich den Erfolg, den RAMMSTEIN haben - und leider nutzen sie dazu inzwischen teilweise die gleichen musikalischen Mittel. Nur konsequent, daß man da vergeblich auf einige gewohnte STS-Klassiker wartete. Und da im Soundbrei (zu laut, zu baßlastig) auch die meisten der immer noch genialen Melodien untergingen, bleibt als Fazit eben nur: Energielevel zehn, Gänsehaut null. Selbst das eigentlich wunderbar melancholische "Minne" wirkte diesmal irgendwie aggressiv.
Aggressiv ist ein gutes Stichwort: SIX FEET UNDER überraschten mich live ebenfalls, allerdings im Gegensatz zu STS positiv. Lag vielleicht daran, daß sie hauptsächlich auf älteres Material zurückgriffen, vielleicht aber auch daran, daß sie die teilweise nervigen deathmetalfremden Einflüsse der letzten beiden Scheiben konsequent außen vor ließen und einfach nur tierisch rockten. Bei "TNT" hatten das dann endlich alle um mich herum begriffen und feierten eine gigantische Party. Cooler Gig!
JBO hab ich mir geschenkt - erstens spielten sie Samstag abend eh nochmal im Zelt und zweitens langweilen ihre Konzerte inzwischen ein wenig.
SOULFLY dagegen wollte ich durchaus sehen, da mir diverse Bekannte versicherten, sie seien eine der charismatischsten Livebands unserer Tage und man dürfe sie nicht nur anhand ihrer (langweiligen) Platten beurteilen. Allerdings hab ich diesen Wunsch nach etwa einer Viertelstunde begraben und bin fett grinsend gegangen. Mag ja sein, daß die Band auch in Deutschland ein unübersehbares Heer an Anhängern und Superstarstatus hat, aber das, was sie in Roitzschjora boten, war erbärmlich. Gegen die Verlockungen einer Dose Billig-Ravioli zum Abendessen hatten sie jedenfalls nicht den Hauch einer Chance.
Knüppelnacht
Heilige Scheiße! Was war das denn?! Verglichen mit den Knüllern, die die vergangenen Freitagnächte dieses Festivals durch ihre Anwesenheit ehrten (man erinnere sich nur an den denkwürdigen ASPHYX-Gig!), war die diesjährige "Nacht der Härtesten" nur ein laues Lüftchen.
Dabei begann es mit ENTHRONED eigentlich ganz ordentlich. Black Metal war das Gebot der Stunde - soweit ich als Außenstehender das beurteilen kann, reichlich old school und mit dem Charisma, das eine "leck mich am Arsch!"-Attitüde verbreiten kann. Ich hab insgesamt maximal eine Minute mehr-oder-weniger-Midtempo gehört, ansonsten schwangen die Belgier die ICE-Keule. Bei weitem nicht perfekt, aber wer erwartet das schon von solcher Musik? Eben. Ich hab mich gut unterhalten gefühlt.
AMON AMARTH setzten danach sogar noch einen drauf. Die Band ist meiner bescheidenen Meinung nach zur Zeit das Beste, was die Szene im Bereich Viking Metal anzubieten hat und erntete völlig zurecht enthusiastische Reaktionen. Einer der drei besten Gigs des diesjährigen WFF.
Und dann war Schluß mit der Herrlichkeit. Die folgenden vier Bands (unter ihnen die als "absoluter Kult" hochgehypten MACABRE und ZYKLON sowie die angeblich "beste deutsche Blackmetalband" (bruhaha!) EISREGEN langweilten dermaßen, daß ich beinahe im Stehen eingeschlafen wäre.
Der Fairness halber sollte ich allerdings gestehen, daß gerade die Letztgenannten mächtig abgefeiert wurden. Mein Geschmack war es allerdings absolut nicht.
Samstag
Samstag mittag wurde es Zeit zum Niederknien: DEBRIS INC. - die neue Band von Dave Chandler [Saint Vitus] und Ron Holzner [Trouble] - betraten die Bühne. Wer nicht da war - und das waren etliche, es war erschreckend leer vor der Bühne - sollte sich exakt jetzt in den Allerwertesten beißen. KYUSS-artige Riffs treffen wahlweise auf MOTÖRHEAD'sche Räudigkeit oder CANDLEMASS-Melancholie. Diese Band sollte jeder kennen, der auch nur ansatzweise etwas mit Doom oder Stoner Rock anfangen kann!
"Hol mir 'ne Bockwurst", "we mosh", "Herr Fuchs schleicht durch den Wald", "Kranker Tannenbaum" - na, klingelts? Richtig, MANOS! Was hab ich gelacht! Diesen Verrückten fällt aber auch immer wieder was neues ein, was man noch an ein Saiteninstrument hängen könnte. Diesmal waren es (unvollständige Liste:) eine Schaufel, ein Besen und ein Sonnenschirm. Dazu einen Vogelkäfig auf den Rücken und eine Dederonhaushaltsschürze um den Leib und schon steht das WFF kopf... Das Wunderbare an dieser Band ist die Tatsache, daß sie zwar durchaus als Spaßband funktioniert, aber genausogut auch einen ernsthaften Thrash-Gig spielen könnte. Das Songmaterial dazu haben sie jedenfalls. Aber egal, jedenfalls zogen sie wie immer eine Menge Leute an und die Wiese füllte sich endlich.
Dadurch hatten unter anderem ENTOMBED einen würdigen Rahmen für ihre Songs. Live ist das Ganze für mich immer noch die ideale Umsetzung des "MOTÖRHEAD trifft swedish death metal" - Konzeptes. An diese Energie kommen allerhöchstens noch THE CROWN oder CRACK UP ran. Und spätestens, wenn die Schweden "left hand path" auspacken, ist eh alles gut.
MACABRE sind angeblich Kult. SAINT VITUS dagegen kann man mit keinem anderen Wort beschreiben, es sei denn, man verfällt in eine ellenlange Ansammlung von Superlativen, von denen "zeitlos genial" noch der zurückhaltendste ist. Die wahrscheinlich langsamste Rockband der Welt zockte sich ins Nirwana und zog vom Black Metaller bis zum SEPULTURA-Jünger so ziemlich jeden in ihren Bann. Allein für die Ehre, diese Band live sehen zu dürfen, hat sich der Eintritt fürs WFF gelohnt. Ein riesiges Dankeschön an die Macher des Festivals!
Ach ja: "born too late" war natürlich der finale Song. Wundert das irgendwen?
CLAWFINGER sind eigentlich sowas tot, daß sie schon seltsam riechen müßten. Die letzten Platten waren nicht mehr als laue Kopien der alten Glanztaten und die arroganten Aussagen in verschiedenen Interviews taten ihr Übriges. Doch beim Full Force feierten die Crossoverhelden der Neunziger ihre lautstarke Auferstehung. Ich hatte nichts von diesem Konzert erwartet und wurde von der Energie der Band völlig aus den Socken geknallt. Sicher, Zaks Ansagen sind peinlich wie eh und je, das Stageacting ist auch, ähem, gewöhnungsbedürftig, aber trotzdem knallten Songs wie "nigher", "truth" oder das finale "do what I say" mächtig. Und wenigstens einer hatte den Dreh raus: der Bassist (mit arschlanger Matte) war ein absoluter Aktivposten und bangte sich um Kopf und Kragen.
DESTRUCTION sind - man möge mir verzeihen - für mich immer die schwächste Band der "Großen Drei des deutschen Thrash" gewesen. Klar, sie haben nette Songs, aber wirklich mitgerissen hat mich keines ihrer Alben. Und live verstärkt sich diese Wirkung eher noch. Nett, aber beileibe nicht zwingend.
Und noch eine Live-Auferstehung: SEPULTURA hatte ich spätestens nach ihrem Rohrkrepierer "against" abgeschrieben und mich gar nicht mehr ernsthaft mit den neuen Platten beschäftigt. Sollte ich vielleicht nachholen... Jedenfalls sind die Brasilianer für einen Gutteil des barbarischen Nackenmuskelkaters verantwortlich, den ich zur Zeit mit mir herumschleppe. Derrick Greene ist ein absolut sympathischer Frontmann, der zudem noch mit einer klasse Stimme aufwarten kann. Und die Tatsache, daß SEPULTURA auch noch einige wirklich alte Songs aus dem Hut zauberten, war das I-Tüpfelchen auf einem Gig, der im quasi direkten Vergleich SOULFLY zur Teenieband degradierte.
Gähn...schnarch...war da noch was? Ach ja: TYPE O NEGATIVE. Daß die nicht selbst einschlafen bei ihrer Musik, ist ein echtes Wunder. Und wieso sie immer noch als Metalband gelten, kann mir wohl auch keiner schlüssig erklären, fürchte ich. Entbehrlich.
Saturday night fever
JBO hatten es sich nicht nehmen lassen, zum zehnjährigen Full-Force-Jubiläum ein spezielles Programm auf die Beine zu stellen. Natürlich waren diverse "normale" Klasiker dabei ("Verteidiger des wahren Blödsinns"), aber den Löwenanteil der Show bestritten die Franken mit Songs, die mir ein ums andere mal ein Grinsen ins Gesicht zauberten. Los gings mit dem bekannten "enter sandman"-Cover, in dessen Mittelteil allerdings eine "breaking the law"-Version eingebaut wurde, die schon fast einer Imitation des Origials gleichkam (inklusive "Halford" natürlich). Bei "roots bloody roots" kam - wie gewohnt - Meister Pavarotti auf die Bühne, der es sich allerdings nicht nehmen ließ, danach noch "Highway to hell" (cool, konnte aber nicht gegen die DRITTE-WAHL-Version vom Vortag bestehen) und einen Song von "Virgina Ferro" zu zocken. Und wenn ich nicht so, ähem, müde *g* gewesen wäre, könnte ich mich vielleicht auch noch daran erinnern, welcher MAIDEN-Song da gecovert wurde... Außerdem gabs nochmal METALLICA ("seek and destroy") und SLAYER ("south of heaven", hier war Hannes allerdings stimmtechnisch nicht mal ansatzweise auf der Höhe, aber wer bitteschön kann von sich behaupten, Tom Araya perfekt imitieren zu können?) zu hören. War wirklich erfrischend, mal ein anderes JBO-Programm geboten zu bekommen.
Sonntag
MAMBO KURT erfreut sich ja in der SZENE wachsender Beliebtheit - und mal ehrlich: der Mann ist so daneben, daß es schon wieder gut ist. "Hells bells" war dermaßen schief, daß mir die Lachtränen über die Wangen liefen. Auf jeden Fall ein Konzert, wie es zum Wachwerden nicht besser sein könnte. Die Meute rastete komplett aus und trug den Heimorgelhelden buchstäblich auf Händen - sein abschließender Stagedive gehört schließlich inzwischen dazu.
DIE APOKALYPTISCHEN REITER hatten es danach erwartungsgemäß erstmal schwer, das Stimmungslevel zu halten. Mit fortschreitender Spieldauer bekamen sie die Massen allerdings immer besser in den Griff. Nur ich oller Nörgler mußte natürlich wieder mal gelangweilt in der Gegend rumstehen und sie unspektakulär finden...
Und danach wurde es richtig schlimm (auch wenn der eigentliche Tiefpunkt des Festivals noch bevorstand): RAGING SPEEDHORN. Was sollte das eigentlich darstellen? Eine noch schlechtere Newmetalband als LIMP BIZKIT? KORN für ganz Arme? Oder einfach nur eine Herde Prolls, die furchtbar gern PITCHSHIFTER wären? Ich habe keine Ahnung, aber eins steht fest: Diese Band braucht kein Schwein. Sorry.
Danach hab ich es tatsächlich zum ersten Mal an diesem Wochenende geschafft, mich ins Zelt zu verirren. War eine verdammt gute Entscheidung, denn PYOGENESIS rockten. Und wie! "Blue Smileys plan", "love nation sugarhead" und ihr Hit "don't you say maybe" trieben das dichtgefüllte Zelt schier in den Wahnsinn. Endlich mal wieder eine Band, die den Charterfolg auch verdient.
Wir kamen gerade rechtzeitig zur Hauptbühne zurück, um den erwähnten Tiefpunkt des Full Force mitdurchleiden zu "dürfen": DIE HAPPY. Welcher Teufel die Verantwortlichen geritten hat, diese Band einzuladen, weiß ich nicht. Die Sängerin fühlte sich wer weiß wie sexy und brachte Ansagen, für die sich selbst POISON geschämt hätten. Dazu war die Musik erschreckend belanglos. Das Schlimmste aber war, daß mehr als die Hälfte der Anwesenden feierten, als wäre das, was da auf der Bühne abging, die Reunion von UNANIMATED...
Aber zum Glück gibt es ja noch Bands, auf deren Livequalitäten man sich absolut verlassen kann. Ich habe zum Beispiel noch nie von einem wirklich schlechten OVERKILL-Konzert gehört, geschweige denn, daß ich eins erlebt hätte. Und die Thrash-Urgesteine überzeugten auch diesmal. Die Songauswahl war vom Allerfeinsten: "bastard nation", "elimination", "I hate" - Thrash-Herz, was willst Du mehr? Nur gerecht, daß OVERKILL wie der leibhaftige Messias gefeiert wurden. "In union we stand" hätte Blitz gar nicht selbst singen brauchen - und bei "fuck you" war der gesamte Bereich vor der Bühne ein einziges Meer von Mittelfingern. So lange die Band solche Gigs spielt, verzeihe ich ihnen auch weiterhin das eine oder andere schwache Studioalbum...
ANTHRAX hab ich ehrlich gesagt nie wirklich gemocht. Da konnten sie allerdings musikalisch absolut nix für - sie hatten einfach nur den Frevel begangen, ARMORED SAINT den Sänger auszuspannen und somit deren Ende zu beschleunigen...
Am Sonntag mußte ich allerdings feststellen, daß Jon Bush in seiner neuen Band bestens aufgehoben ist. ANTHRAX holzten sich durch ihren melodischen Thrash, daß es eine wahre Freude war. Und da sie dabei auch noch äußerst bodenständig und spielfreudig rüberkamen, gibts für mich nur eine Reaktion: Daumen hoch! Und ich werde mir ihre Platten mal ausgiebig zu Gemüte führen. Versprochen...
SICK OF IT ALL dirigierten die Massen souverän, konnten mich allerdings nicht so recht mitreißen - OVERKILL und ANTRHAX hatten die Meßlatte einfach zu hoch gelegt. Aber den Anwesenden hats offensichtlich gefallen - jedenfalls waren die Reaktionen merh als euphorisch und die Amis wurden gehörig gefeiert. Aber ich wußte ja, was noch auf uns zukommt und sparte meinen Atem lieber....
Und das war bitter nötig. Zwei Gitarristen, zwei Drummer, ein Basser, ein Keyboarder und ein Sänger = WAAAAAHNSIIIIINN!!!! MINISTRY kamen, spielten und herrschten. Al Jourgensen wirkte auch wieder ein wenig fitter (auch wenn seine Vocals permanent gepitcht und mit Hall versehen wurde - war das vielleicht nötig, um stimmliche Schwächen des Fronters zu übertünchen?). Nach dem Abgesang von WHITE ZOMBIE und PITCHSHIFTER gibt es keine Band mehr, die MINISTRY in ihrem Metier das Wasser reichen könnte. Und selbst WHITE ZOMBIE waren live immer zwei Klassen unter dem Barker/Jourgensen-Orchester anzusiedeln. Klassegig einer Klasseband!
Doch es geht immer noch besser. Ich war eigentlich überzeugt, daß SLAYER in dem Sturm, den MINISTRY entfacht hatten, gnadenlos untergehen würden, zumal ich das letzte Full-Force-Gastspiel von Araya und Co. noch vor Augen hatte, wo sie einfach nur dem letzten Song entgegenspielten und absolut gelangweilt wirkten.
Aber diesmal war alles anders. Tom war richtig gut gelaunt - ich habe ihn sogar - man lese und staune - zum ersten Mal lachen hören! Selbst seine mit Sicherheit nicht absolut ehrlich gemeinten Ansagen ("Es ist so toll, hier zu spielen." Blablabla! SLAYER haben schon vor sechsstelligen Zuschauermassen gespielt, die so laut brüllten, daß man es selbst während der Songs hörte. Dagegen war dieser Gig eine Oase der Ruhe. Erzähle mir keiner, daß Araya nicht mehr erwartet hatte!) kamen diesmal wesentlich sympathischer rüber als gewohnt. Und da die Band songtechnisch eh nichts falsch machen kann (bei dem Backkatalog kein Wunder), war der SLAYER-Auftritt der Höhepunkt eines an Glanzlichtern weiß der Geier nicht armen Festivals.
Fazit: Ich mag die Kerle immer noch nicht, vor allem Arayas Aussagen und Ansichten stoßen mir ein ums andere Mal sauer auf. Aber musikalisch sind sie über jeden Zweifel erhaben.
The Last Supper
Leider, leider, leider konnte ich zwei meiner absoluten Lieblingsbands (wie zu Anfang erwähnt) nicht sehen, da ich Montag mittag bereits auf Arbeit (und vor allem geistig anwesend) sein mußte. Da ich wenigstens noch ein wenig von der Stimmung im Zelt aufschnappen wollte, machte ich mich eher zufällig bereits während des DORO- Gigs dorthin auf. Was soll ich sagen? Ich erwartete gut abgehangenen, vorhersehbaren, peinlichen Hardrock und bekam - das volle Metalbrett. Für mich die absolute Überraschung dieses Festivals. Die Frau hat Hummeln im Hintern und bei aller Professionalität den Blick für den Realitäten bewahrt. Selbst die beiden totgenudelten Uraltklassiker "all we are" und - natürlich - "Für immer" machten auf einmal mächtig Spaß. Kann ich live nur jedem empfehlen.
Ganz anders MOONSPELL. Nach "irreligious" litten die Portugiesen ja sowieso unter Geschmacksverirrung, was ihre Studioalben angeht, aber auch live sind sie inzwischen das Papier nicht mehr wert, auf dem die Tourplakate gedruckt werden. Dann geh ich doch lieber zu den SISTERS OF MERCY. Die sind auch seit Jahren peinlich, aber wenigstens vergewaltigen sie ihre alten Songs nicht so grausam, wie MOONSPELL das tun...
Noch ein Wort an die Veranstalter: Ich hab mich wirklich amüsiert in Roitzschjora, aber für nächstes Jahr hab ich trotzdem ein paar Bitten:
(1) Bitte versucht SOLITUDE AETURNUS, BOLT THROWER und DESULTORY (von mir aus alle im Zelt, die beiden letzten Bands wären schließlich ideal für die Knüppelnacht) zu buchen. Wenn Ihr DESULTORY wirklich zur einer (von mir aus auch einmaligen) Reunionshow überredet, würde ich wohl auf Knien nach Roitzschjora rutschen...
(2) Die Eingänge zum Festivalgelände sollten nochmal verbreitert werden. Gerade bei den großen Bands steht man sonst schon mal die eine oder andere Viertelstunde ungeduldig in einer Menschenmenge statt vor der Bühne. Dasselbe gilt übrigens für den Durchgang von der Main zur Tent Stage.
(3) Wie jedesmal: Muß der Eintritt für den Metalmarkt wirklich sein? Ich war jetzt seit Jahren nicht mehr drin, weil ich nicht einsehe, für simples Umsehen Geld zu bezahlen.