Testament Stereochrist Archaic

Testament, Stereochrist, Archaic

ArchaicTestament
Saarbrücken, Garage
12.06.2008
Was kann es schöneres geben: zuerst das EM-Länderspiel Deutschland – Kroatien bei einem kalten Weizenbier genießen, um danach voller Freude über einen klaren Sieg unserer Jungs 10 Meter weiter einer großartigen Thrash Show einer Bay Area-Legende beizuwohnen. Aber wie man weiß, kommt man öfter mal schneller als die Frau will (oder wie das Sprichwort heißt), und die Laune ist nach dem 1:2-Schlamassel der deutschen Nationalmannschaft erst mal etwas im Keller. Also eigentlich genau richtig, um die Aggressionen in einem Moshpit, unterlegt von den Tönen TESTAMENTs, raus zu hauen. Allerdings konnte man an diesem Abend lange nach selbigem suchen, aber dazu später mehr…

Erst einmal das Bierchen leeren, das Klo aufsuchen, und dann kann es endlich losgehen. Als ich um kurz vor acht die Garage betrete, höre ich schon die Töne der ungarischen Thrasher von ARCHAIC. War wohl doch nix mit einer Beginnverlegung auf 20 Uhr, so daß die von Bands wie SODOM, KREATOR und DESTRUCTION beeinflussten Buben erst einmal ohne den Beistand der Fußballanhänger auskommen müssen. Davon lässt sich auf der Bühne aber niemand beirren, man macht mächtig Dampf und glänzt mit starken technischen Fähigkeiten. Guter Auftakt!

Nach kurzer Umbaupause steht dann erst mal ein dickes Fragezeichen über meiner Stirn: Was, bitteschön, hat denn eine Band wie STEREOCHRIST als Vorband für TESTAMENT auf der Bühne verloren??? Steckt etwa die ungarische Mafia dahinter, daß eine zweite dort beheimatete Band die Amis auf der Tour begleiten darf? Jedenfalls will man zeigen, daß EKTOMORF wohl nicht die einzige Band ist, die eine 1:1-Kopie ihrer Faves erstellen kann. Was für EKTOMORF und SOULFLY gilt, ist bei STEREOCHRIST mit ihrer Verehrung (bzw. Kopie) für (von) DOWN nicht anders. Und dafür hätte man wohl kaum das DOWN-Shirt des Klampfers als Beweis heranziehen müssen. Allerdings muß den Osteuropäern zugute gehalten werden, daß sie es schaffen, Stimmung zu verbreiten und nicht wenige der Anwesenden zu rhythmischem Kopfnicken zu animieren. Aber da ich persönlich mit Bands wie DOWN & Co. überhaupt nichts anfangen kann, suche ich lieber das Weite, bevor meine Ausführungen über STEREOCHRIST noch subjektiver werden!

Kurze Raucherpause, und sofort durch die Reihen gewütet und mir einen Platz direkt vor der Bühne erkämpft. MOMENT…irgendwas stimmt nicht an diesem Bild. Nun gut, in der ersten Reihe stehe ich zwar, aber wieso ist hier kein Gedränge? Warum können sich noch während des „The New Order“-Intros problemlos 2 Leute neben mich platzieren? Sogar die verhassten Handy-Filmer nehmen mir keinen Platz weg, sondern können sich fast frei bewegen. Mit anderen Worten: es hätte um einiges mehr los sein können.

TESTAMENT scheint dies egal zu sein. Sie stürmen mit Abklingen des Intros auf die Bühne und legen sofot mit „Over The Wall“ los. Solch einen selbstbewussten Einstieg können sich eigentlich nur Bands leisten, die genau wissen, welche Killer sie in der Hinterhand haben. Und von diesen sollten an diesem Abend auch noch reichlich folgen. Zunächst gibt’s auch mal die volle Kelle Alte-Schule („Into The Pit“, Apocalyptic City“ (!!!), „Practice What You Preach“, „The New Order“), bevor „Electric Crown“ dann eine Brücke in die Jetztzeit schlägt („More Than Meets The Eye“, „Low“, „Trail Of Tears“, das göttliche „Henchman Ride“, Souls Of Black“).

Chuck Billy erweist sich am heutigen Abend mal wieder als stimmgewaltiges Ungetüm mit Hang zur guten Laune. Immer wieder bearbeitet er seinen Mikroständer, als sei dieser eine Gitarre, und versucht, das an diesem Abend - wie schon erwähnt - recht lahmarschige Publikum anzustacheln. Total niedlich dabei: eine Mini-Wall Of Death, was mich allerdings aber zur folgenden Frage führt: Wieso um alles in dieser bekackten Welt muß diese beschissene Unsitte vom Metalcore in den Thrash-Bereich transportiert werden??? Egal, diese Frage wird in nächster Zeit eh nicht beantwortet werden, also wird die Konzentration auf das Wesentliche gerichtet. Dies wäre neben der genialen Setlist und der Power des indianisch-stämmigen Frontviehs natürlich auch das Götter-Duo Skolnick/Peterson, das beim Zuschauer immer wieder für eine dicke Maulsperre sorgt. Und während der eher ruhigere Alex Skolnick seine Les Paul mit dem Feeling eines Bluesgitarristen und der virtuosen Technik eines Metal-Gitarren-Gottes bearbeitet, geht sein Gegenpart Eric Peterson in der Rolle des riffenden Metal-Monsters auf, unterstützt von einer eher metallisch wirkenden Dean Flying V. 2 Gitarristen, die für sich betrachtet unterschiedlicher nicht sein könnten, aber als Duo unmöglich zu schlagen sind!

Unmöglich zu schlagen ist auch der Zugabenblock, der von den „The Gathering“-Krachern „D.N.R.“ und „3 Days In Darkness“ eröffnet wird und in grandiose Versionen von Klassikern der Sorte „Alone In The Dark“ und „Disciples Of The Watch“ mündet. Danach gibt dann auch das Fehlen des eigentlich unverzichtbaren „Burnt Offerings“ keinen Grund zur Klage, schließlich sind die Genickmuskeln angesichts einer fast perfekten Setlist (bei der einzig das ruhigere „Trail Of Tears“ etwas die Aggression aus der Show nimmt) eh schon überstrapaziert. Schade nur, daß an diesem Abend nur recht wenige Leute Probleme mit ihrer Halsmuskulatur haben dürften. Bleibt zu hoffen, daß die Amis im Herbst noch einmal nach Saarbrücken zurück kehren und ein etwas besser gefülltes Haus rocken!
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