Wacken Open Air IXX

Wacken Open Air IXX

As I Lay DyingCarcassHatebreedIron MaidenKillswitch EngageSoilworkThe HauntedUnearth
Wacken
31.07.2008
Voll, voller, Wacken! Auch in diesem Jahr war das Kult-Festival im deutschen Norden ein kuscheliges Vergnügen. Wenn nicht sogar, aufgrund der Anwesenheit einiger eiserner Jungfrauen, noch kuscheliger als je zuvor. Doch das gewaltige Gruppenkuscheln unter Metalfans wurde nicht nur vom Klirren echten britischen Stahls begleitet, sondern auch von der Trällerei einiger Kitschmetaller, dem Skalpellrasseln wieder aufgetauter Hobby-Pathologen, dem Pöbeln amerikanischer Circle-Pit-Anstifter und vielen anderen exotischen Geräuschen. So fühlten sich Ohren und Augen drei Tage lang abwechslungsreich unterhalten. Besonders hilfreich waren dabei die an True und Black Stage angebrachten großen Leinwände, die beim Massenandrang oft den cooleren Blick auf die Musiker erlaubten (ohne wären mir Bruce Dickinsons fantastische Hose und so manche lustige Drummer-Fresse verborgen geblieben).

Leider war das Biertrinken vor allem etwas für Leute mit prall gefülltem Geldbeutel. Getränke- und Merchandise-Preise trieben dem gemeinen Metalfan nicht gerade die Freudentränen in die Augen. Die Örtchen zum Loswerden der für teuer Geld einverleibten Speisen und Getränke scheinen immer noch stiefmütterlich behandelt und dem hohen Niveau eines so großen Festivals inklusive der Massen an Besuchern nicht mal annähernd angepasst. Als trotzige Reaktion darauf (oder auch nur aus Faulheit) veredelten die meisten männlichen Festivalbesucher den Acker mit ihrem Urin und sorgten dafür, dass an das Wacken-Festival in olfaktorischer Hinsicht keine schönen Erinnerungen bleiben.

Ansonsten erinnert man sich, zumindest auf dem Festivalgelände, an ein sehr angenehmes und internationales Miteinander. Auf den Zeltplätzen sollen mitdenkende Zeitgenossen einige Feuerchen entfacht haben. Ernsthaft verletzt worden soll aber glücklicherweise keiner. [yb]

Nun also zum musikalischen Programm....


Donnerstag, 31. Juli: “All Entrances are also Exits!”

Bedingt durch unsere etwas verspätete Ankunft dürfen IRON MAIDEN das geneigte Ohr mit lediglich drei Songs benetzen, was angesichts der glänzend aufgelegten Briten eine wahre Schande ist. Sollte im zahlreich aufgelaufenen Pulikum - der Platz vor beiden Hauptbühnen starrt vor Menschen - jedoch durchgängig so viel Simmung gewesen sein wie nun bei "Can I Play With Madness", "The Clairvoyant" und "Fear Of The Dark", dann dürften beide Seiten ihren Spaß gehabt haben, zumal Dickinsons Stimme mindestens so unvergleichlich daherkommt wie seine flauschige Hosenkreation.
Richtig bedauerlich wird das Ganze, als befreundete Glückspilze später von "Wasted Years", "Rime Of The Ancient Mariner" und "Heaven Can Wait" vor wechselnden Bühnenbildern schwärmen - da hilft den Enttäuschten dann nur noch der Metmann... [rs]

Was will man über IRON MAIDEN noch für Worte verlieren? Bevor sie die Bühne betreten ist der Ansturm gigantisch, jeder will sie sehen und keiner soll enttäuscht werden. IRON MAIDEN bieten in der Folge nur ihre Klassiker, von den Alben nach "Fear Of The Dark" gibt's nichts, aber ihre Gassenhauer werden frenetisch abgefeiert. Die Bühnenshow lässt auch keine Wünsche offen - ob jetzt Eddie als Riesencyborg oder Bruce als Powerslave - ds Gesamtpaket ist den Besuch rundum wert. Dazu noch ein absolut sympathischer Sänger, der die Massen wie kaum ein anderer zu begeistern weiß und der Gig ist vollkommen. [mbo]


Freitag, 1. August

PRIMORDIAL schlagen sich auf der Party Stage passabel, ohne jedoch einen ihrer magischen Momente zu entfesseln. Das mag zum Einen daran liegen, dass es zu früh, zu voll und zu hell ist; das könnte aber auch einem seltsam unzufriedenen Nemtheanga geschuldet sein, der im Verlauf des Gigs nie wirklich bei der Sache scheint. "The Coffin Ships", Heathen Tribes" oder "Gods To The Godless" sind dadurch zwar keine schlechteren Songs, doch hat man das Ganze mittlerweile einfach schon beseelter erlebt. Insgesamt also ein solider Auftritt mit reichlich Luft nach oben. [rs]

JOB FOR A COWBOY sind am frühen Nachmittag auf der Black Stage zugange und holen die im siebten Metal-Himmel schwebenden Gäste wieder in die böse Deathmetal-Realität zurück. Eine Realität, in der man sich jedoch sehr wohl fühlen kann. [yb]

Gott im Himmel, was soll bitte sehr die Verarsche namens CYNIC, die sich hier über die Nebenbühne schnarcht? Angelockt vom durchaus bekannten Namen wird dem geneigten Ohr sodann ein kruder Bastard aus versoffenem Jazzmetal und unterirdischem "Gesang" ins Ohr gepresst, der selbst alkoholisierten Die-Hard-Fans die Flipflops auszieht. Die lallen im Fallen dann zwar noch etwas von "neuer Sänger", aber es ist ehrlich gesagt schwer vorstellbar, dass diese Instrumentalonanie durch irgendeine Besetzungsmaßnahme zu retten ist. Menschen, die im heimischen Wandschrank sauber datierte Kassetten mit ihren eigenen Übungsmitschnitten verwahren ("Wie geil bin ICH denn bitte?!"), können meist keine Songs schreiben. Und sollten sich tunlichst von der Bühne fern halten. [rs]

Danach eröffnen UNEARTH auf der True Metal Stage den lustigen Metalcore-Reigen, zu dem sich am folgenden Tag noch einige Genrekollegen gesellen werden. Die Bostoner bieten eine energiegeladene Show inklusive Massencrowdsurfing und riesigen Circlepits. Als Sahnehäubchen zur gewohnt leckeren Torte gibt's einen neuen Song vom im Oktober erscheinenden Album “The March”, der einem schon mal das Wasser im Mund zusammen laufen lässt. Am Ende des gelungenen Auftritts übernimmt Fronter Trevor höchstpersönlich das Crowdsurfen. Dass sein Mikro bei dieser abenteuerlich aussehenden Aktion nicht verloren geht, grenzt an ein Wunder.

Die schwedischen Modern-Metaller SOILWORK liefern einen sehr schicken Gig ab. Was den hitgeladenen Auftritt allerdings etwas versäuerte waren die langen Pausen zwischen den Songs und die leicht nervigen Ansagen von Sänger Björn “Speed” Strid.
Ganz anders: OPETH. Hier wartet man geradezu auf die Ansagen von Mastermind Mikael Åkerfeldt. Seine trockenen Reden sind die unterhaltsamste Moderation des gesamten Festivals. Auch das musikalische Rundherum gehört zu den intensivsten Momenten, die an diesem Wochenende erlebt werden dürfen. Die überlangen Songs entfalten auch auf dem Wackener Acker eine wahrhaft atemberaubende Wirkung. Spätestens bei “The Drapery Falls” erreichen die anwesenden Fans gemeinsam den Höhepunkt. [yb]

Zu CHILDREN OF BODOM wurde es dann voll. Die Jungs boten Songs von jedem Album, auch von ihrer neuen Scheibe und die Fans haben sie gierig verschlungen. Alexi Laiho präsentierte sich in bester Laune und die Truppe ließ sich auch nicht für einige Späße lumpen, so wurde zum Beispiel als Anspielung für den vorangegangen Regen "Umbrella" angespielt. Einige Songs der Band kann man inzwischen gut und gerne als Klassiker bezeichnen, und das konnte man beim Publikum deutlich spüren. [mbo]

Spät am Abend poltern die Schweden THE HAUNTED über die Party Stage und servieren dabei coolen Thrash mit modernem Einschlag. Auch hier werden die in die Magengrube hämmernden Songs von Geduld strapazierenden Ansagen unterbrochen. [yb]

Kranker als GORGOROTH - oder besser: Ghaal - kann man eigentlich nicht aussehen. Dies ist die wichtigste Erkenntnis des feuerumtosten Soundorkans, den die Norweger auf der Hauptbühne abziehen. Passend dazu serviert man der dicht gepackten Meute das Skandalbühnenbild aus Polen nebst reichlich Schlachtereiabfällen, was die beeindruckende musikalische Wucht angmessen in Szene setzt und für sich genommen schon den Besuch lohnt. Allerdings sind abgemagerte Extremmetaller für den nur mäßig ange-evil-ten Sombrerosklaven auf Dauer schwer zu ertragen, zumal die Musik nicht eben abechslungreich ausfällt.

Nach zwei, drei Bier geht es folglich und unvermeidlich rüber zur Jugendsünde Nummer eins - the mighty CREMATORY!!! Die sind verdammt gut drauf, geben sich auf ihre Art sehr publikumsnah und spielen mit "Tears Of Time" gleich mal einen lange nicht gehörten Monstersong, was einen nicht unerheblich großen Stein im Brett gewisser Leute zur Folge hat. Neben neueren Stücken wie "Höllenbrand" und "Pray" ist es dann schließlich die Hymne "The Fallen", die dem gelungenen Auftritt die Krone aufsetzt und als Ohrwurm noch lange durch die Nacht geistert - saustark.[rs]


Samstag, 2. August

Ganz früh am Samstag schleppen sich einige wenige zu 3 INCHES OF BLOOD, die leider nicht viel Bewegung in die müden Knochen der Frühaufsteher bringen können. Dazu kommt, dass Co-Vocalist Jamie Hooper nicht dabei sein kann, dessen Abwesenheit allerdings die wenigsten Fans zu stören scheint. [mbo]

Etwas besser ergeht es den Dänen von MERCENARY, die auf der Party Stage doch auf einige Resonanz stoßen. Derart angeheizt zockt man einen vielseitigen Set, welcher neben Songs der etwas härteren letzten Scheibe auch Perlen der grandiosen Vorgänger in petto hat und durch das gelungene gesangliche Wechselspiel reichlich Dynamik versprüht. Im Liverahmen fällt auf, dass die neueren Stücke durch ihre Hackstahl-Attitüde sehr gut funktionieren, während das melodischere Frühwerk - nicht zuletzt aufgrund des superben Klargesangs - eher den Genießer anspricht. Macht zusammen einen runden, durchweg hochklassigen Guten-Morgen-Gig.

Den hätten sich "...from Tampa, Florida: OBITUARY!!!" sicher auch gewünscht, aber die etwas statische Aufgabenerfüllung der Floridianer reisst leider nur bedingt mit. Natürlich freut sich der Nacken bei "Frozen In Time", "On The Floor", "Final Thoughts" oder "Chopped In Half" nicht minder, doch die ganz heiße Scheiße - remember Reunion-Show im schweißgetränkten FTC-Zelt? - ist das heute nicht. Einfach ein solider Showcase, wir sind noch da, unsere Songs sind irgendwie doch ganz gut, macht was draus. Machen wir, aber nächstes Mal bitte mit etwas mehr Esprit. [rs]

“Are You Ready to Loose Your Mind?” Immer doch! Prollcore à la HATEBREED bietet zwar nichts Spannendes, ist aber auf dem Wacken ein bisher noch nicht gesehenes Ereignis. Jamey Jasta und seine Jungs machen die Bühne platt, schmettern noch plattere Songs ins Publikum und...es funktioniert! Die Menge tobt. Dazu gibt's ordentlich Kawumm, weil's so schön passt. Warum nicht? Auch der Metalcore sollte mal offen für Neues sein, und wenn man auch nur mit ein paar Pyros Eindruck hinterlässt...

Die musikalisch feinfühligeren AS I LAY DYING schließen nahtlos daran an und führen die Circlepit-Orgie fort. Ihr Auftritt wirkt sehr souverän, aber wie immer leicht unterkühlt. Das Publikum wird dabei immer fest an der Leine gehalten. Die Clean Vocals zählen nicht wirklich zu den besten des Genres und nehmen gerade beim Live-Erlebnis den Riffsalven einiges an Durchschlagskraft. Glücklicherweise gibt es ja noch die alten Songs. NEAERA-Frontmann Benny darf bei einem Song Tim Lambesis am Mikro unterstützen.

Abgewrackte Hippies, die hübsche Liedchen über das Leichen sezieren zum besten geben – die alten Splatter-Helden CARCASS feiern in diesem Jahr ihre große Bühnen-Reunion. Alt sind sie geworden, aber cool sind sie immer noch. Schon bei der zwei Stunden vorher stattfindenden Autogrammstunden wurden sie bejubelt; der Auftritt der Kultband wird, zumindest für die über 25jährigen unter den Wacken-Besuchern, zu einem wahren Ereignis. Alle Phasen des Bandschaffens werden gewürgt...ääh...gewürdigt. Gitarrist Michael Amott hat ARCH ENEMY-Frontröhre Angela Gossow mitgebracht, die in einem kurzen Gastauftritt beim Zerteilen der Knochen hilft. Für eine weitere Überraschung sorgt das kurze Drumsolo von Original-Drummer Ken Owen, der 1999 nach einer schweren Hirnblutung in ein mehrmonatiges Koma fiel, mittlerweile aber wieder mit ein paar leichten Schlägen das Drumkit verhauen kann.

Sehr sympathisch sind auch die Metalcore-Stars KILLSWITCH ENGAGE. Dementsprechend feiert das Publikum zu Hits wie “Rose Of Sharyn”, “My Last Serenade” oder “My Curse”. Howard Jones' Stimme und Adam Ds Herumalbereien (inklusive einer kleinen Sangeseinlage über, die von ihm scheinbar auch nicht sonderlich gemochten, Emos) sorgen wie gewohnt beste augenzwinkernde Unterhaltung. Den Höhepunkt bildet das abschießend dargebrachte Dio-Cover “Holy Diver”.

Und noch ein Reunion. Heiß erwartet wurde auch der Auftritt der Melodic Death-Urgesteine AT THE GATES, und was hat's gebracht? Die Band scheint keinen Tag gealtert und begeistert mit dem ursprünglichem Schweden-Sound. [yb]

NIGHTWISH nahmen nun die Headliner Position ein und boten einen mehr als verbesserungswürdigen Auftritt. Eine mäßige Lightshow und eine Sängerin, die den Rest ihres Daseins im Schatten ihrer Vorgängerin verbringen wird. Vereinzelte Tarja-Rufe waren die Konsequenz ihrer mittelmäßigen gesangelichen Leistung und ihren Ansprachen, die einfach keine Publikumsnähe zustande brachten. [mbo]

Das ist ja das Letzte! Oder zumindest die letzte Band. Der rockende finnische Maskenball LORDI darf dem Festival den Gnadenstoß geben. Die Erscheinung der fünf verkleideten Nordländer erinnert an KISS, bloß nicht ganz so furchteinflößend. Musikalisch ist's nicht ganz so spektakulär wie die Gewandung. Radiotauglicher, unspannender Hard Rock. Dazu knallt und brennt es überall. Es regnet Feuer aus Drumsticks, Gitarrenhälsen und Äxten (aus dem Hintern wäre noch ein cooler Effekt gewesen), während das Fronttier von Song zu Song seine Klamotte pimpt und sich für einen Song den kurzen “German Tank” U.D.O. auf die Bühne holt. Davon träumt man wenigstens bunt... [yb]


Leider muss der Bericht ohne tolle Hochglanz-Bandfotos auskommen, da wir nicht zu den 90 wichtigsten Magazinen der Welt gehören und deshalb keine Genehmigung erhielten vom Fotograben aus zu fotografieren. Aber wir arbeiten weiterhin dran!!
Fotos von Yvonne

Bildergalerie

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