Never Say Die! Tour 2008

Never Say Die! Tour 2008

ArchitectsCarnifexDespised IconParkway DriveProtest The HeroUnearthWhitechapel
Köln, Essigfabrik
08.11.2008
Die „Never Say Die!“-Tour sollte an diesem Abend im Grunde genommen eher der Ausklang eines Currywurst, Bier und SLAYER orientierten Wochenendes im Ruhrpott bei Kollege Hauptmann werden. Für Bands wie UNEARTH und…naja sagen wir ein paar Bier lohnt es sich schließlich auch nach Köln zu fahren und sieben Bands auf die Mütze zu bekommen, die hauptsächlich den neuen Trend, nämlich „Deathcore“ zelebrieren. Wie immer man diese neuen Schubladen auch nennen mag, was einen erwartet, steht im Grunde schon vorher fest: viele Kapukids mit Rucksäcken (warum eigentlich?) und dem Ziel, möglichst oft einen Windmühlenkick in den Hintern zu bekommen und jede Menge energiegeladene Musik, die sich zum gemeinsamen Abfeiern anbietet. Na dann mal los… [bg]

Als erste Band dürfen die Kalifornier CARNIFEX in der mittlerweile schon sehr gut gefüllten Halle einen Ausblick darauf geben, was die Besucher heute hier erwarten wird, nämlich ununterbrochenes Doublebass Sperrfeuer, unmenschliches Gekreische und Beatdowns im Sekundentakt. Die Truppe ballert ihren Deathcore jedenfalls mit verdammt viel Hass in die bewegungsfreudige Meute, auch wenn das Sumo-Posing des dicken Gitarristen ebenso wenig geht wie die dämliche Ansage des Sängers, man solle doch beim nächsten Circle Pit einfach alle über den Haufen rennen, die nicht dran teilnehmen wollen. Geh kacken, Junge! [mh]

„Inmitten der Blast-, Knüppel- und Riffgewitter bleibt der Wiedererkennungswert weit zurück, denn in jedem Song wird gleich viel gekotzt, geprügelt und "abortig" gewildert.“ Genau wie Kollege Thalheim die letzte WHITECHAPEL Platte besprochen hat, klingt die Band auch live – nur noch ein wenig stumpfer. Nicht zuletzt dank des völlig eindimensionalen Geshoutes wirkt der Auftritt unglaublich zäh und eintönig. Nach zwei Songs weiß man alles über die Band und das Ganze ist nur noch so spannend wie ein Huflattich. [bg]

Viel spannender als unscheinbare Grünpflanzen sind jedoch die Kanadier PROTEST THE HERO, die das recht einseitig geratenem Never Say Die!-Programm ordentlich durcheinander wirbeln. Die abgefahrene Mischung aus Postcore und Prog-Rock sorgt bei den anwesenden Fans für ordentlich Ringelpiez; bei Nichtkennern stößt sie eher auf Verwirrung. Oft ist es auch der einzigartige, ganz und gar nicht Tough-Guy-mäßige, hohe Gesang von Frontmann Rody, der die pubertierende Deathcore-Horde verwirrt. Auf jeden Fall sind die Songs der beiden Alben "Kezia" und "Fortress" der Aufatmer des Abends, auch wenn im Pit auch hier ordentlich die Post abgeht. [yb]

Die größte Arschkarte des Abends ziehen leider die Briten ARCHITECTS, die nach nur wenigen Sekunden ihren Opener aufgrund technischer Probleme abbrechen müssen. Das anschließende Troubleshooting killt etwa die Hälfte der Spielzeit, weshalb die Band am Ende gerade mal ne Viertelstunde über die Bretter wüten darf. Dafür füllt man die lange Pause smart mit MADONNAs „Frozen“ und „I Wanna Dance With Somebody“ von WHITNEY HOUSTON, was sowohl Geschmack beweist als auch beim Publikum überraschend gut ankommt.
Die anschließende Mini Show sprüht nur so von Energie und unterstreicht, dass die junge Truppe eine ernstzunehmende Hoffnung im siechenden Metalcore Genre darstellt, auch wenn es natürlich schwer fällt, sich nach nur drei oder vier Songs ein vernünftiges Urteil zu bilden. Von dieser Band würde ich in Zukunft gerne mehr sehen. [mh]

Auch wenn's musikalisch schwerverdaulich ist: In der Essigfarbik scheint jeder Zweite auf DESPISED ICON zu stehen. Die euphorischen Reaktionen im Publikum spornen die zweite kanadische Band dieses Abends natürlich noch mehr an. Warum die lautstarke Bande allerdings gleich zwei Schreihälse braucht, bleibt weiterhin ein Rätsel. Dem breaklastigen Brachial-Deathcore hat's nämlich weder genützt noch geschadet. [yb]

Zugegeben, nach den letzten beiden Alben haben UNEARTH bei mir persönlich ein wenig an Reiz verloren. „The Oncoming Storm“ hat die Messlatte derart hoch gelegt, dass die Band seitdem ein wenig in der Belanglosigkeit versumpft. Umso schöner ist es, dass sich die Jungs heute auf ihre Stärken besinnen. So wemmst der Opener „Endless“ den Kollegen Hauptmann und mich gleich mal gute fünf Meter weiter nach hinten, und es wird mehr Energie in der Essigfabrik freigesetzt als am kompletten restlichen Abend.
Auf melodischere Stücke wird seltener zurückgegriffen und dem mosh- und beatdownorientierten Publikum entsprechend eher eine musikalisch-brachiale Breitaxt entgegengesetzt. „The Great Dividers“, „Giles“ und natürlich das finale „Black Hearts Now Reign“ sorgen für jede Menge Bewegung im Pit und für einen mehr als gelungenen Gig, von dem man bei den folgenden PARKWAY DRIVE nicht grade sprechen kann… [bg]

Nach der UNEARTH-Show gab es auch gar keine andere Richtung mehr als bergab. Erst recht nicht für die Australier PARKWAY DRIVE, die wohl zuviel Sonne auf die Mütze bekommen haben, um gegen die Energiebündel aus Massachusetts ansticken zu können. Coole Songs und gnadenlose Breakdowns hin und her - ein bisschen lieblos kommt die Performance der Band schon an, besonders wenn man zwischen den Stücken lange Pausen und endlos erscheinende Ansagen von Fronter Winston ertragen muss. Zwar ist die Hütte immer noch am Kochen (große Teile des Publikums scheinen gar nur wegen PWD anwesend zu sein), aber UNEARTH wären dem Headliner-Status weit eher gerecht geworden. [yb]

Ganz ehrlich: ohne die netten Kollegen und UNEARTH hätte ich diesen Abend nicht überstanden und wäre wahrscheinlich schon nach der ersten Band nach Hause getigert. Was sich die Veranstalter dabei gedacht haben, für die kleine Essigfabrik derart viele Karte zu verkaufen, ist mir schlicht und ergreifend ein Rätsel. Nach zwei Stunden tropfte bereits der Schweiß von der Decke, unzählige Besucher mussten sich auf engstem Raum Richtung Ausgang quetschen und man konnte für die Wege zur Theke oder auf den Klo fast eine halbe Stunde einplanen. Dass bei dem Aggrogewitter von der Bühne nicht auch die Stimmung umgeschlagen ist, muss dem Publikum hoch angerechnet werden. Vor allem da der Rest des Abends auch nicht unter einem guten Stern stand.
Häufige Ausfälle der Musik, teilweise unnötig lange Umbaupausen, überteuerte Bierpreise und sogar für den größten Deathcore Fanatiker eine unausgewogene Bandauswahl bestimmten die Szenerie. Am Ende bleibt das Gewissen, dass ich eine solche Tour nicht noch einmal besuchen würde und die veganen Sandwiches (plus Bedienung) und UNEARTH, das Herausragende an diesem Abend waren. [bg]

Fotos von Yvonne
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