Keep It True XII
Keep It True XII
Lauda-Königshofen, Tauber-Franken-Halle
24.04.2009
24.04.2009
Vier Männer und ein Polo - die Festivalsaison 2009 beginnt nicht unbedingt geräumig, aber dafür wartet das Bergland um Lauda-Königshofen mit Bilderbuchwetter und Postkartenidylle auf. Da sich die Tauberfrankenbadenserbayern der Sage nach zudem auf's Bierbrauen verstehen sollen, ist die Stimmung recht ausgelassen, als endlich die Handballhalle ins Blickfeld rückt: Willkommen im Reich der Kutte!
In diesem Jahr wartet das im rückwärtig orientierten Fanbereich innig geliebte Festival erstmals mit zwei Programmtagen auf, was neben doppelt so vielen Bands auch einen gewissen Zuwachs im Zeltlager nach sich zieht - erfreulicherweise wird diesem Umstand mit einem Outdoor-Bierwagen Rechnung getragen. Da auch das Frühstück am nahe gelegenen Sportplatz gesichert scheint, stürzen wir uns kopfüber ins reichlich bestückte Programm - mögen Modesünden und alte Weisen ihren unheiligen Charme verbreiten...
Freitag
Den Auftakt der Veranstaltung besorgen gegen Mittag IN SOLITUDE, die im Nebel nicht nur durch ihr vergleichsweise geringes Alter auffallen, sondern auch mit von kundiger Hand bemaltem Ledermantel punkten können. Dadurch gewinnt die erwartet konservative Mischung aus Heavy Metal und düsteren Untertönen eine angenehm räudige Mystik, die Songs wie "Witches Sabbath" und "In The Darkness" gut zu Gesicht steht - solche Leute also schmeißen in Uppsala Grabsteine um. Insgesamt ein etwas motivationsarmer, aber gutklassiger Schwedenhappen, der sich in absehbarer Zeit durchaus für einen späteren Slot anbieten könnte.
Selbiges gilt in weitaus größerem Maße für die nun folgenden Bayern von ATLANTEAN KODEX, die sich für ihren zweiten Gig mit Sänger Johannes Korda verstärkt haben: Mag der geneigte Hörer zunächst vom Trummer'schen Fehlgriff in die Trachtenkiste geschockt sein, so zeigt sich nach dem eingespielten Intro "The White Ship" die Klasse einer Band, die den epischen Metalsound der 80er eingesogen und auf ihre eigene Art und Weise vervollkommnet hat. Zu Gehör kommen neben der komplett göttlichen "The Pnakotic Demos"-EP auch Songs der Vinylveröffentlichung, von denen vor Allem ein etwas schnellerer Brecher im Ohr bleibt. Unumstrittener Höhepunkt ist jedoch das mit Hilfe von Felipe (PROCESSION) intonierte "The Hidden Folk" - majestätischer, pathetischer und gänsehauterzeugender als mit derart makellosem, zweistimmigem Gesang kann man diese Form der Musik nicht darbieten. Wir sind unwürdig, unwürdig, unwürdig...
Nach dieser Offenbarung kann es eigentlich nur noch bergab gehen, was die nun folgenden ASKA allerdings so gar nicht einsehen wollen. Fast schon verdächtig gut gelaunt servieren die Texaner dem Publikum eine dezent amerikanisierte NWoBHM-Breitseite, die sich gewaschen hat, und angesichts der Güte solcher Stücke wie "Valkyries" und "Crown Of Thorns" wiegt auch das permanente MAIDEN-Worshipping im ersten Teil des Sets nicht allzu schwer. Klar, man hört den Amis ihre Wurzeln zu jeder Zeit an, aber es gibt auf dieser Welt verdammt nochmal schlechtere Referenzen als die britischen Giganten, und obwohl der Sound gerade in den ruhigen Passagen (remember ICED EARTH?) ein paar Feinheiten schluckt, kann man den souverän agierenden Grinsebacken einen gelungenen Gig bescheinigen.
Für die nun folgenden CLOVEN HOOF wiederum wäre "gelungen" eine nurmehr klägliche Untertreibung, denn die seit 30 Jahren aktiven Briten legen hier und heute einen derart überzeugenden Auftritt hin, dass selbst der persönliche Erstkontakt tödlich ausfällt: Optisch dem hochexplosiven Leder-Röhrenjeans-Metallapplikations-Look frönend, liefern sich vor Allem Bassist Lee Payne und der stimmlich kaum gealterte Russ North eine Charmebolzenduell oberster Liga, welches die mittlerweile etwas dichter stehenden Reihen phasenweise komplett aus den Turnschuhen kippen lässt - mehr Spielfreude kann man einfach nicht versprühen. Von diesem Enthusiasmus profitiert natürlich auch die musikalische Seite, die alterslosen Heavy Metal urbritischer Machart mit feiner Ironie angesichts der eigenen Langlebigkeit verbindet: Perlen wie "Astral Rider", "Mistress Of The Forest", oder "Highlander" - allesamt vom 20 Jahre alten "Sultan's Ransom" - verschmelzen mit den noch älteren "Nova Battlestar" und "Road Of Eagles" zu einem DER Höhepunkte des KIT - soviel sei an dieser Stelle schon einmal vorweggenommen - oder Falk? [rs]
Da sieht man mal, dass der Mann noch Nachholbedarf hat: Auf keinen Fall wollen wir doch den krönenden Abschluss in Form des uralten "Laying Down the Law" vergessen. Den Klassiker"Gates of Gehennah" indes hebt man sich offenbar auf...
Dann RUTHLESS! Für mich ein grandioses Ereignis, zumal die Band vornehmlich Stücke der ersten MLP "Metal Without Mercy" zu Gehör bringt: Nach dem eingespielten Intro steigt man mit "Gates of Hell" ein, um anschließend das gnadenlos geile Titelstück in die Runde zu schleudern. Im Verlaufe des Sets folgen "Bury the Axe" und "Mass Killer", sowie ein unveröffentlichtes Stück namens "Wind Of War", welches sich demnächst als Bonus des "Metal Without Mercy"-Re-Releases die Ehre geben soll (s. Myspace-Seite der Combo).
Leider fällt das einzige schnelle Stück der Setlist - "Discipline of Steel" - wegen des offenbar fehlenden Gitarrensounds ungemein ab, woran auch Gitarrist Kenny McGee's konfuse Blicke zur Technik nichts ändern können. Nach der Bandvorstellung, bei welcher neben LA-Thrash-Legende und Kopfsockenträger Jim Durkin (Ex-DARK ANGEL, DREAMS OF DAMNATION) vor allem Sakko-Träger Jack Black (Bass) als "best dressed member of the band" gewürdigt wird, beschliesst man den Set mit "Sign of the Cross" vom zweiten Album. [fg]
Mit EXUMER steht danach eine Band in den Startlöchern, an der sich die Geister erstmals deutlich scheiden: Aufgrund der musikhistorischen Stellung der Band haben vor Allem die älteren Fans ein Problem mit der doch deutlich im Hardcore verwurzelten Attitüde, die im Verlauf des Konzertes im unvermeidlichen Circlepit gipfelt. Die Mitglieder von EXUMER haben sich offenbar in Richtungen entwickelt, die manchen Anwesenden ein Dorn im Auge sind - zum KIT komme man "des Spirits wegen", nicht um einer nach "Skinheadband" aussehenden Altherrentruppe beim sich vermeintlich der Moderne anbiedernden "Hardcore-Gebelle" zuzuhören. Glücklicherweise sehen das die ebenso reichlich anwesenden Nachwuchs-Thrasher ganz anders, und so geht im vorderen Drittel des Publikums dann doch Einiges. Angesichts des engagierten, aber musikalisch höchst durchwachsenen Konzertes also durchaus ein Erfolg für die Band. [rs]
Erwähnenswert ist vielleicht noch der lausige Gitarrensound im ersten Teil der Show. Zu Gehör kommen unter anderem "Destructive Solution", "Xiron Darkstar" und "Possessed by Fire".
"Ist er es? - Ja, er ist es: The EXXPLORER!" Die Underground-Klassiker des US-Metal kommen beim Publikum trotz - oder gerade wegen - ihres nicht immer zugänglichen Materials vorzüglich an. Gleich der Opener "Guilty as Charged" vom Debüt "Symphonies Of Steel" zeigt, dass die Zeichen am heutigen Tag auf Oldschool stehen, was man mit "Exxplorer", "Run For Tomorrow" und "Metal Detectors" auch im weiteren Verlauf der Show unterstreicht. Einziger Wermutstropfen sind die schmerzlich vermissten hohen und langanhaltenden Schreie - angesichts der sonst runden Performance bleibt der Gesamteindruck aber trotzdem ein positiver.
Nicht einmal ansatzweise positiv hingegen die Folgeerscheinungen des Auftritts: Ed Lavolpe kommt am Tag nach dem Auftritt ins Krankenhaus, da die Wunde seiner kurz zuvor erfolgten Blinddarm-OP während des Gigs aufriss und sich entzündete. Von dieser Stelle gute Besserung!
Um den (neben der Spielzeit) einzigen Negativpunkt von TYRANT gleich vorwegzunehmen: Auch hier fehlen die spitzen Schreie der 80er-Alben vollständig, was angesichts des ebenfalls ungespitzten 1996er-Albums "King of Kings" allerdings nur bedingt überraschend ist. Die mittlerweile recht grauen (Greg May, Rocky Rockwell) und speckigen Herren (Glen May im zerrissenem Shirt gewährt tiefe Einblicke, was wohl manchem Ästheten im anwesenden Volk weniger gefällt) rocken durch alle drei Alben ihrer Karriere, wobei dem Debüt die größte Aufmerksamkeit zukommt. Angefangen von "Warriors of Metal" und "Listen to the Preacher", über "Its Too Late to Pray", die Halbballade "The Beginning of the End", "King of Kings", sowie das abschließende "War" werden im Verlauf der Show offenbar Männerträume war - bei "Legions of the Dead" fängt Arno Hofmann vom Heavy neben mir gar an zu beten. Insgesamt also eine verdammt gute Stunde doomig-dunkel stampfenden US Stahls mit fast schon religiöser Wirkung (die den Kauf des optisch zweifelhaften Batik-T-Shirts mehr als rechtfertigt? [rs]).
Unmittelbar im Anschluss dann Aufruhr im Griechencamp: ABATTOIR erheben ihr faltiges Haupt, was den etatmäßigen Reisebegleiter Menelaos von jetzt auf gleich in ein Bündel rosaroter Kindheitserinnerung verwandelt. Die kommenden Tage werden wohl der Klärung der Frage gewidmet sein, ob TYRANT besser waren, oder ob ABBATOIR die Nase vorn hatten - damit aber zum Auftritt selbst.
Mit Juan Garcia, der dem KIT 2005 mit AGENT STEEL schon schon die Ehre erwiesen hat, ist ein alter Bekannter mit von der Partie, und am Konzept hat sich trotz anderer Band nichts verschoben: Speed, Speed, Speed. Höhepunkt des Gigs ist der Klassiker "Screams from the Grave", daneben werden "The Enemy" und "Maniac" vom Debüt verbraten, und auch das "Ace Of Spades"-Cover lässt sich en passant recht formidabel rausrotzen. Der neue Sänger Steve Gaines gefällt nicht nur bei den Eigenkompositionen, sondern wird auch dem hinsichtlich der Lineup-Überschneidungen fast schon logischen EVIL DEAD-Knaller "Annihilation of Civilization" vollauf gerecht. Deshalb - und aufgrund des angenehm nach vorn preschenden Songmaterials - ist der Auftritt am Ende eine runde Sache, wie euch Menelaos sicherlich bestätigen wird...
Finaaaale, ohooo! Zumindest für den heutigen Freitag, und LIZZY BORDEN haben sich aus diesem kühlen Grunde dann auch reichlich schick gemacht. Lizzy selbst trägt ja seit geraumer Zeit die Loden schwarz, vielleicht um angesichts der Bühnenshow Flecken zu vermeiden, doch in muikalischer Hinsicht gibt sich das Urgestein erfreulich solide: Getragen von reichlich Blut und Brustfilet rockt sich die Band durch ihren Mix aus metallischem Hard Rock und radiotauglichen Überhängen, kontrastiert archäologische Perlen des Kalibers "Give 'em The Axe" - samt namengebendem Werkzeug - mit Material der neuen Scheibe ("Abnormal"), und scheint vor Allem ein Herz für das singfreudige Publikum zu haben. Dementsprechend werden "Notorious", "There Will Be Blood", sowie später "American Metal" und "Me Against The World" gnadenlos abgefeiert; die eigentlich eher balladeske Nummer "Psychopath" reicht man dem Energielevel angemessen gar in etwas druckvollerer Ausfertigung über den Tresen.
Unter Hinzunahme der obligatorischen Requisiten, die im Verlauf der Show dargeboten werden, also eine sehr gelungene Vorstellung, die dann auch gleich zwei Zugaben nach sich zieht. Nach dem feurigen "We Got The Power" und "Something's Crawling" werden die beiden Tänzerinnen Julia und Steffi artig verabschiedet, bevor es mit dem RAINBOW-Klassiker "Long Live Rock n' Roll" auf die Zielgeraden geht. Nachdem TOKYO BLADE auf dem 11. KIT exakt das gleiche Cover brachten, fragt man sich fast, wer den Regenbogen auf dem nächsten KIT steigen lassen wird... [fg]
01. Abnormal
02. Give 'Em The Axe
03. Notorious
04. Live Forever
05. Rod Of Iron
06. Be One Of Us
07. Outcast
08. Tomorrow Never Comes
09. Under Your Skin
10. Hell Is For Heroes
11. Master Of Disguise
12. Psychopath
13. We Only Come Out At Night
14. There Will Be Blood Tonight
15. American Metal
16. Me Against The World
17. Red Rum
18. We Got The Power
19. Something's Crawlin'
20. Long Live Rock And Roll (RAINBOW Cover)
Samstag
9.00 Uhr. Angesichts der Wetterprognosen scheint es fast unglaublich, aber auch heute empfängt uns Lauda mit wahrem Königswetter: Die Sonne brennt und der Kopf dröhnt fröhlich nach, während auf dem direkt neben der Halle gelegenen Parcours ein paar Fahrschülerinnen fleißig ihre Runden drehen. Keine Frage, dass die Damen im heiratsfähigen Alter nach gefühlten Sekunden zum ersten Höhepunkt des Tages avancieren und sich fortan allerhand grobmotorischen Komplimenten ausgesetzt sehen - der entspannten Prüfungsvorbereitung düften die zeitweise bis zu 150 Zuschauer allerdings eher abträglich sein.
Im Inneren der Halle haben sich derweil DEJA VU auf die Bretter gewuchtet und besorgen mit solidem Heavy Metal-Handwerk den musikalischen Wake Up-Call. Die Süddeutschen füllen ihren kurzweiligen Set je zur Hälfte mit hymnischen Stampfern und etwas schnelleren Brettern, und sie bleiben dabei stets eingängig. Und auch wenn hier nicht unbedingt der große Hammer geschwungen wird: DEJA VU wissen zumindest, wie man die Meute mit soliden Granaten aus den Federn bombt - eine beim Opener bekanntlich nicht ganz unwichtige Qualität. Die zweisprachigen Ansagen ("this next song ist der Titeltrack...") sind im Übrigen durchaus witzig, morgens halb 1 in Deutschland.
Für ein Wechselbad der Gefühle sorgen im Anschluss PROCESSION, denn die derzeit (zu Recht) gehypten Chilenen schicken sich bei bestem Sound umgehend an, den gerade erwachten Freunden der Beatmusik den Schlummertrunk zu reichen. Zu Gehör kommen alle sechs Songs des Vierers, doch die Mischung aus CANDLEMASS (Musik) und REV BIZ (gerade beim Gesang) sieht sich zwei ernsten Problemen gegenüber: Zum Einen ist die Halle etwas zu groß für diese Art von Musik, zum Anderen sorgt der mittägliche Lichteinfall nicht unbedingt für kontemplative Atmosphäre. Somit werden die unheimlich kraftvoll intonierten Elegien leider nur von wenigen Fans gewürdigt, von denen dafür aber umso leidenschaftlicher. Großer Auftritt einer Band mit fast schon unheimlichem Potenzial.
Unheimliches Potenzial schlummert der Legende nach auch in THE GATES OF SLUMBER, und angeblich hat sich selbiges auf deren letzter Scheibe "Conqueror" endgültig Bahn gebrochen. Der Auftritt verspricht also allemal interessant zu werden. Zunächst jedoch der standesgemäße Downer: Phasenweise komplett fehlender Monitorsound im neuen Stück "Children Of Satan" sorgt für einen verständlicherweise extrem angepissten Karl Simon, sorgt leider auch für eine extrem nach "amerikanisches Rockstargehabe" riechende Grundstimmung. Zwar fangen sich sowohl Technik als auch Karl nach relativ kurzer Zeit, aber subjektiv ist der Gig zu diesem Zeitpunkt schon leicht beschmutzt. Dazu wächst mit jedem gespielten Stück die Einsicht, dass das neue Material ("Ice Worm", "Trapped In The Web") mitnichten der erwartete Entwicklungsschritt in epischere Gefilde ist, sondern lediglich eine Fortsetzung des bisherigen, eher altbackenen Schaffens des Dreiers. Den frenetischen Fanblock vor der Bühne indes scheint das gar nicht zu stören und so werden die Musiker zumindest in Teilen des Publikums nach allen Regeln der Kunst abgefeiert. Aus diesem Blickwinkel also durchaus eine gelungene Vorstellung.
Richtig interessant wird es anschließend mit MILITIA, die den Auftakt der heutigen Texas-Thrash-Kur markieren. Quantitativ kann man mit nur einer offiziellen EP (1985, zwei "richtige" Songs) und etwas Demomaterial in der Hinterhand zwar keine Bäume ausreißen, aber qualitativ sind dieser technisch versierten Breitseite samt extrem gut konserviertem Fronter nur wenige Zeitgenossen gewachsen. Gerade die unglaublichen Screams von Mike Soliz sorgen dafür, dass dieser Reunion-Gig zu einem Thrash/Speed-Feuerwerk oberster Liga gerät und neben den alten fraglos auch ein paar neue Fans mit glücklichen Gesichtern in die Pause schickt. Gemessen an den Publikumsreaktionen und der persönlichen Erwartungshaltung ein zwar kurzes, aber dafür wirklich grandioses Konzert, dem die exzellente Publikumsbindung der Amis schlussendlich die wohlverdiente Krone aufsetzt.
In diese aufgeheizte Stimmung hinein platzen nun RIGOR MORTIS, die ihr mindestens streitbares Logodesign angeblich mit überaus formidablen Songs wettmachen werden - kündigt zumindest der in diesen Dingen beschlagene Kollege Geissler an. Und bereits nach dem energisch rausgeknüppelten Opener "Mummified" steht fest, dass der Mann Ahnung hat: Die Texaner feuern trotz merklich gealtertem Personal (gerade Sänger Bruce Corbitt hat zu kämpfen) vom Start weg aus allen Rohren, legen mit "Shroud Of Gloom" gleich noch eine Splittergranate nach, bevor mit "Cattle Decapitation" ein etwas vertrackterer Titel für zeitweilige Entspannung im Speed-Inferno sorgt.
Zu diesem Zeitpunkt ist für Corbitt - der im übergroßen WARBEAST-Shirt fast verloren geht - dann auch erstmals die Luft raus, denn das folgende "Die In Pain" wird von Bassist Casey Orr rausgeräudet. Selbiger findet sich im Verlauf des Gigs übrigens noch ein paar Mal am Mikro wieder, und auch wenn er Corbitts kranker Röhre nicht vollends das Wasser reichen kann, kocht die Stimmung bei Songs wie "Wizard Of Gore", "Contagious Contamination", "Dead Fish" und "Demons" unabhängig vom jeweiligen Sänger zusehends über. Mit "Re-Animator" setzen die glänzend aufgelegten Amis vor bewegungsfreudigem Publikum den Schlusspunkt unter einen abartig geilen Gig.
Wie passend, dass man es laut Corbitt aufgrund der Publikumsreaktionen auf dem KIT nun noch einmal wissen wolle - Simon says: "All hail the wizards of gore!"
Seltsames kündigt sich bei den nun folgenden LIVING DEATH an: Fronter Thorsten hat unter Umständen zu ausgiebig an der Pulverdose genascht und macht während des laut Umstehenden an Klassikern eher armen Sets vor Allem seiner angestauten Libido Luft. Dass sich das bisweilen wie Gaynight-goes-Karneval ausnimmt, in den Ansagen gar grotesk-komödiantisches Potenzial erkennen lässt, lenkt leider nur unwesentlich vom gebotenen Material ab - und der mäßig technische Thrash ist nach der verstrichenen Zeit schlichtweg nicht mehr lebensfähig. Zu Gehör kommen mit "Bastard (at the Busstop)“ und „The Testament of Mr George“ Stücke vom stilistischen Wasserscheide-Album "Worlds Neuroses", während das für KIT-Kreise wohl interessantere Debüt mit keinem Ton gewürdigt wird. Das abschließende "Eisbein (mit Sauerkraut)" fasst es dann auch recht gut zusammen: Gefällig, nicht mehr.
Dieser Abfall an Spannung wiederum tut ZOUILLE & HANTSON erstaunlich gut. Mir persönlich sind die Franzosen weder in ihrer heutigen Konstellation, noch unter dem Namen SORTILÈGE bekannt, doch genau diesem Umstand wird wohl aufgrund des grandiosen Openers "D'ailleurs" und des nicht minder starken "Gladiateurs" Abhilfe geschafft werden. Zu Gehör kommt in der guten Stunde sehr melodische und facettenreiche Kost zwischen Metal und Hard Rock, die recht stark vom Gesang lebt und in ihren filigranen Momenten vielleicht etwas mehr Druck vertragen könnte - als Begleitung zur bereits bei LIVING DEATH begonnenen Nahrungsaufnahme schlägt sich die Band allerdings überaus formidabel. Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang vielleicht der vorgestellte neue Song, der orientalische Melodieführung mit einer dicken LA-Schlagseite kombiniert und ein prima Dessert abgibt.
Satt und zufrieden geht es nun mit den Holländern PICTURE weiter, die vor Allem im Haarbereich neue Maßstäbe setzen: Während man den meisten der bisher aufgetretenen Musiker zumindest am schwindenden Fell das Alter ansehen konnte, hat sich Sänger Pete Lovell offensichtlich von keiner einzigen seiner - mittlerweile etwas grauer gewordenen - Locken getrennt. Die Flokatihaube sitzt perfekt und wird durch das gewagt-klischeehafte Lederoutfit passend ergänzt.
Musikalisch gibt es klassischen Hard Rock, der in ausgewählten Momenten auch etwas metallischere Regionen beackert, ohne jedoch daselbst Wurzeln zu schlagen. Richtig Stimmung kommt beim zentral platzierten "Eternal Dark"-Quartett aus Titelsong, "Griffons Guard The Gold", "The Blade" und vor Allem dem fantastischen "Battle For The Universe" auf, bei welchem schlicht sämtliche Register der musikalischen Ausrichtung ineinandergreifen - große Klasse und aufgrund des kraftvollen Sounds wirklich mitreißend. Die Fans haben, was sie wollen, daher konzentrieren sich die Holländer in der Folge auf Material des anstehenden Albums "Old Dogs, New Tricks". Das wirkt zwar mitunter etwas altbacken, profitiert allerdings derart vom Sog des erwähnten Oldschool-Blocks, dass man PICTURE gerne noch eine Zugabe gestatten würde. Hinter den Kulissen allerdings werden derweil bereits andere Pläne ausgebrütet...
Der erste Headliner des Abends wurde zwar etwas nebulös als "NWoBHM Anniversary" angekündigt, doch seit geraumer Zeit stand fest, dass es sich um das Coverprojekt ROXXCALIBUR handeln würde. Zu erwarten sind daher Coverversionen alter Stücke, die angesichts der Position im Billing mit allerhand Gastauftritten aufwarten dürften - und genau das tun sie auch. Nach zwei Songs mit dem etatmäßigen Sänger Alexx Stahl - "Angel Of Fear" (RADIUM) und "War Of The Ring" (ARC) - gibt sich auf der Bühne allerhand Prominenz die Klinke in die Hand, wobei naturgemäß der Sängerposten im Vordergrund steht.
Los geht's mit Ozzy, ach was, Brian Ross, der mit BLITZKRIEGs "Blitzkrieg" zwar nicht überrascht, die Nadel des sich ohnehin überschlagenden Stimmungsbarometers jedoch aus dem Stand in die tiefrote Zone befördert. Ob das nun an ihm oder der prototypischen Übernummer liegt, weiss niemand so genau - beim folgenden "Break Free" (SATAN) jedenfalls könnte man manchen der Anwesenden das Grinsen nicht mal mit viel Gewalt aus dem Gesicht bügeln.
Kein Stück besser wird das beim anschließenden Stelldichein von Jess Cox, der seinen Merch-Stand kurz verlassen hat, um das in all seinem Klischee endgeile "Wild Catz" (TYGERS OF PAN TANG) in die Meute zu feuern - und dann Platz für den "Rainbow Warrior" (BLEAK HOUSE) zu machen, der von Graham Shaw besungen wird.
Angemessen verhärtet findet sich anschließend "7 Days Of Splendour" von JAMESON RAID wieder, dem Sänger Terry Dark durch seine britische Uptown-Coolness eine angenehm sinistre Ausstrahlung verleiht. Irgendwie Christopher Lee meets Latenight-Talker, auf jeden Fall sehr cool.
Ebenfalls sehr cool anschließend Enid Williams, die ein wenig aussieht, wie eine mittlerweile beruflich integrierte Karrierefrau, die nochmal in die Lederkluft ihrer Jugensünde geworfen wird. Allerdings sind GIRLSCHOOL noch immer aktiv und das hört man den mit ordentlich Dampf intonierten Stücken "Race With The Devil" (THE GUN) und - natürlich! - "Emergency" auch deutlich an. Zudem lässt die Dame wie alle Musiker dieses Jubiläums zu jeder Zeit erkennen, dass sie vor Allem Spass an der Sache hat, während sich das Publikum kollektiv in Rauschzustände versetzt.
Es folgt Vorhang Nummer zwei für den bereits gestern extrem positiv aufgefallenen Russ North von CLOVEN HOOF, der nun gemeinsam mit seinem Bassisten Lee Payne den Knaller "Gates Of Gehenna" nachliefert. Erneut eine unglaublich energiegeladenen Performance des an Mr. Bean erinnernden Engländers, die durch die Klasse des eigentlichen Songs perfekt ergänzt wird.
Publikumsseitig überschlagen sich anschließend die Ereignisse, denn Dave Hill setzt im Vorgriff auf das kommende KIT schonmal die Dämonen frei: Berauschend, wie sich hunderte Kehlen zu "Night Of The Demon" und dem fast schon als Retrohymne tauglichen "Don't Break The Circle" verausgaben, während Mister Hill seine stimmlich einwandfreie Darbietung durch kübelweise Charme zu krönen versteht.
Nach einer kleinen Umbaupause im hinteren Bereich servieren Harry Conklin und Schlagzeuger Thunderstick (im komplett albernen Glitzerkostüm) zwei Nummern von SAMSON: "Bright Lights" und "Too Close To Rock" sind durchaus OK, verlieren allerdings ein wenig durch eine weitere Unterbrechung, die Thunderstick für etwas Selbstdarstellung zu nutzen versteht. Nicht ganz zwingend, zumal die Luft in der Halle mittlerweile ihren Aggregatzustand gewechselt hat und die Idee einer Zigarette in der Nachluft fast schon erlöserisches Potenzial zu bergen scheint. TANK samt Tom Angelripper, sowie GRIM REAPER samt Conklin/Stahl fallen aus diesem Grunde auch flach.
Zurück im Gedränge, beschließen zwei MAIDEN-Stücke ein selbst für den unbedarften Hörer großartiges Konzert: "22 Acacia Avenue" und vor Allem "Running Free" sind zwar selbst in der Allstarbesetzung kein Gegner für die Dickinson-Variante, sorgen jedoch durch ihren enorm verbindenden Mitsingfaktor für ein überzeugendes Finale der reichlich überzogenen Spielzeit. Und soviel steht fest: ARMORED SAINT werden es hier im Anschluss nicht gerade einfach haben...
Das allerdings macht den Amis überhaupt nichts aus, und mit "Reign Of Fire" geht man sogleich daran, eben jenen im doch ziemlich ausgelaugten Publikum zu entfesseln. Die Band ist überaus engagiert bei der Sache, John Bush singt über die komplette Distanz und Tonleiter tadellos, doch mir als nicht unbedingt mit der Band Vertrauten fehlt über die Spielzeit von immerhin 90 Minuten ein wenig der überzeugende Kurzschluss. ARMORED SAINT sind eingespielt, keine Frage, aber angesichts der meines Erachtens recht unauffälligen Kompositionen ist eine schicksalhafte Jugendbegegnung mit der Band wohl Grundvoraussetzung für euphorische Reaktionen. Somit bleibt eine solide, vielleicht an fehlender Vorbildung krankende Vorstellung, die gegen den vorher abgefackelten Retrosturm erwartungsgemäß keine Chance hat.
Was also bleibt nach zwei Tagen Kuttenschau bestehen? - Zunächst die Gewissheit, dass man ein ebenso nostalgisches wie charmantes Festival erlebt hat: Motivierte Bands trafen auf ein recht homogenes und begeisterungsfähiges Publikum, bei dem die Bewegungsdefizite der Älteren durch reichlich hungrigen Nachwuchs kompensiert wurden. Zudem war die Abwechslung innerhalb des Billings größer als bei vergleichbaren Veranstaltungen im Extrembereich, was (zumindest für mich) zu keiner Zeit Ermüdungserscheinungen aufkommen ließ. Nimmt man hierzu noch die optimale Verpflegungssituation (...all hail the Sportlerklause!), bleibt das KIT in allen relevanten Disziplinen klar über dem Durchschnitt.
Einziger Kritikpunkt wäre die Hallensituation, die einem "echten" Festival unter freiem Himmel zu keinem Zeitpunkt da Wasser reichen kann - die Luft war lüftungsbedingt recht stickig, beim mittäglichen Sonnenschein kam fast schon holländische Gewächshausschwüle auf. Mag sein, dass diese subjektive Kritik auch daher rührt, dass die Vorteile der Halle (Witterungsunabhängigkeit) in den zwei Tagen zu keinem Zeitpunkt benötigt wurden - hätte es geregnet, fiele die Beurteilung hier vielleicht anders aus.
Ansonsten gilt jedoch: Daumen hoch an die Organisatoren und Bands, sowie ein metallischer Gruß an all jene, die dieses Wochenende zu einer echten Kurzweil gemacht haben. Skal! [rs]
Bericht: Falk Geißler, Ralf Scheidler
Bilder: Ralf Häfner
Gruß an das griechisch-deutsche Reisegrübbsche!
In diesem Jahr wartet das im rückwärtig orientierten Fanbereich innig geliebte Festival erstmals mit zwei Programmtagen auf, was neben doppelt so vielen Bands auch einen gewissen Zuwachs im Zeltlager nach sich zieht - erfreulicherweise wird diesem Umstand mit einem Outdoor-Bierwagen Rechnung getragen. Da auch das Frühstück am nahe gelegenen Sportplatz gesichert scheint, stürzen wir uns kopfüber ins reichlich bestückte Programm - mögen Modesünden und alte Weisen ihren unheiligen Charme verbreiten...
Freitag
Den Auftakt der Veranstaltung besorgen gegen Mittag IN SOLITUDE, die im Nebel nicht nur durch ihr vergleichsweise geringes Alter auffallen, sondern auch mit von kundiger Hand bemaltem Ledermantel punkten können. Dadurch gewinnt die erwartet konservative Mischung aus Heavy Metal und düsteren Untertönen eine angenehm räudige Mystik, die Songs wie "Witches Sabbath" und "In The Darkness" gut zu Gesicht steht - solche Leute also schmeißen in Uppsala Grabsteine um. Insgesamt ein etwas motivationsarmer, aber gutklassiger Schwedenhappen, der sich in absehbarer Zeit durchaus für einen späteren Slot anbieten könnte.
Selbiges gilt in weitaus größerem Maße für die nun folgenden Bayern von ATLANTEAN KODEX, die sich für ihren zweiten Gig mit Sänger Johannes Korda verstärkt haben: Mag der geneigte Hörer zunächst vom Trummer'schen Fehlgriff in die Trachtenkiste geschockt sein, so zeigt sich nach dem eingespielten Intro "The White Ship" die Klasse einer Band, die den epischen Metalsound der 80er eingesogen und auf ihre eigene Art und Weise vervollkommnet hat. Zu Gehör kommen neben der komplett göttlichen "The Pnakotic Demos"-EP auch Songs der Vinylveröffentlichung, von denen vor Allem ein etwas schnellerer Brecher im Ohr bleibt. Unumstrittener Höhepunkt ist jedoch das mit Hilfe von Felipe (PROCESSION) intonierte "The Hidden Folk" - majestätischer, pathetischer und gänsehauterzeugender als mit derart makellosem, zweistimmigem Gesang kann man diese Form der Musik nicht darbieten. Wir sind unwürdig, unwürdig, unwürdig...
Nach dieser Offenbarung kann es eigentlich nur noch bergab gehen, was die nun folgenden ASKA allerdings so gar nicht einsehen wollen. Fast schon verdächtig gut gelaunt servieren die Texaner dem Publikum eine dezent amerikanisierte NWoBHM-Breitseite, die sich gewaschen hat, und angesichts der Güte solcher Stücke wie "Valkyries" und "Crown Of Thorns" wiegt auch das permanente MAIDEN-Worshipping im ersten Teil des Sets nicht allzu schwer. Klar, man hört den Amis ihre Wurzeln zu jeder Zeit an, aber es gibt auf dieser Welt verdammt nochmal schlechtere Referenzen als die britischen Giganten, und obwohl der Sound gerade in den ruhigen Passagen (remember ICED EARTH?) ein paar Feinheiten schluckt, kann man den souverän agierenden Grinsebacken einen gelungenen Gig bescheinigen.
Für die nun folgenden CLOVEN HOOF wiederum wäre "gelungen" eine nurmehr klägliche Untertreibung, denn die seit 30 Jahren aktiven Briten legen hier und heute einen derart überzeugenden Auftritt hin, dass selbst der persönliche Erstkontakt tödlich ausfällt: Optisch dem hochexplosiven Leder-Röhrenjeans-Metallapplikations-Look frönend, liefern sich vor Allem Bassist Lee Payne und der stimmlich kaum gealterte Russ North eine Charmebolzenduell oberster Liga, welches die mittlerweile etwas dichter stehenden Reihen phasenweise komplett aus den Turnschuhen kippen lässt - mehr Spielfreude kann man einfach nicht versprühen. Von diesem Enthusiasmus profitiert natürlich auch die musikalische Seite, die alterslosen Heavy Metal urbritischer Machart mit feiner Ironie angesichts der eigenen Langlebigkeit verbindet: Perlen wie "Astral Rider", "Mistress Of The Forest", oder "Highlander" - allesamt vom 20 Jahre alten "Sultan's Ransom" - verschmelzen mit den noch älteren "Nova Battlestar" und "Road Of Eagles" zu einem DER Höhepunkte des KIT - soviel sei an dieser Stelle schon einmal vorweggenommen - oder Falk? [rs]
Da sieht man mal, dass der Mann noch Nachholbedarf hat: Auf keinen Fall wollen wir doch den krönenden Abschluss in Form des uralten "Laying Down the Law" vergessen. Den Klassiker"Gates of Gehennah" indes hebt man sich offenbar auf...
Dann RUTHLESS! Für mich ein grandioses Ereignis, zumal die Band vornehmlich Stücke der ersten MLP "Metal Without Mercy" zu Gehör bringt: Nach dem eingespielten Intro steigt man mit "Gates of Hell" ein, um anschließend das gnadenlos geile Titelstück in die Runde zu schleudern. Im Verlaufe des Sets folgen "Bury the Axe" und "Mass Killer", sowie ein unveröffentlichtes Stück namens "Wind Of War", welches sich demnächst als Bonus des "Metal Without Mercy"-Re-Releases die Ehre geben soll (s. Myspace-Seite der Combo).
Leider fällt das einzige schnelle Stück der Setlist - "Discipline of Steel" - wegen des offenbar fehlenden Gitarrensounds ungemein ab, woran auch Gitarrist Kenny McGee's konfuse Blicke zur Technik nichts ändern können. Nach der Bandvorstellung, bei welcher neben LA-Thrash-Legende und Kopfsockenträger Jim Durkin (Ex-DARK ANGEL, DREAMS OF DAMNATION) vor allem Sakko-Träger Jack Black (Bass) als "best dressed member of the band" gewürdigt wird, beschliesst man den Set mit "Sign of the Cross" vom zweiten Album. [fg]
Mit EXUMER steht danach eine Band in den Startlöchern, an der sich die Geister erstmals deutlich scheiden: Aufgrund der musikhistorischen Stellung der Band haben vor Allem die älteren Fans ein Problem mit der doch deutlich im Hardcore verwurzelten Attitüde, die im Verlauf des Konzertes im unvermeidlichen Circlepit gipfelt. Die Mitglieder von EXUMER haben sich offenbar in Richtungen entwickelt, die manchen Anwesenden ein Dorn im Auge sind - zum KIT komme man "des Spirits wegen", nicht um einer nach "Skinheadband" aussehenden Altherrentruppe beim sich vermeintlich der Moderne anbiedernden "Hardcore-Gebelle" zuzuhören. Glücklicherweise sehen das die ebenso reichlich anwesenden Nachwuchs-Thrasher ganz anders, und so geht im vorderen Drittel des Publikums dann doch Einiges. Angesichts des engagierten, aber musikalisch höchst durchwachsenen Konzertes also durchaus ein Erfolg für die Band. [rs]
Erwähnenswert ist vielleicht noch der lausige Gitarrensound im ersten Teil der Show. Zu Gehör kommen unter anderem "Destructive Solution", "Xiron Darkstar" und "Possessed by Fire".
"Ist er es? - Ja, er ist es: The EXXPLORER!" Die Underground-Klassiker des US-Metal kommen beim Publikum trotz - oder gerade wegen - ihres nicht immer zugänglichen Materials vorzüglich an. Gleich der Opener "Guilty as Charged" vom Debüt "Symphonies Of Steel" zeigt, dass die Zeichen am heutigen Tag auf Oldschool stehen, was man mit "Exxplorer", "Run For Tomorrow" und "Metal Detectors" auch im weiteren Verlauf der Show unterstreicht. Einziger Wermutstropfen sind die schmerzlich vermissten hohen und langanhaltenden Schreie - angesichts der sonst runden Performance bleibt der Gesamteindruck aber trotzdem ein positiver.
Nicht einmal ansatzweise positiv hingegen die Folgeerscheinungen des Auftritts: Ed Lavolpe kommt am Tag nach dem Auftritt ins Krankenhaus, da die Wunde seiner kurz zuvor erfolgten Blinddarm-OP während des Gigs aufriss und sich entzündete. Von dieser Stelle gute Besserung!
Um den (neben der Spielzeit) einzigen Negativpunkt von TYRANT gleich vorwegzunehmen: Auch hier fehlen die spitzen Schreie der 80er-Alben vollständig, was angesichts des ebenfalls ungespitzten 1996er-Albums "King of Kings" allerdings nur bedingt überraschend ist. Die mittlerweile recht grauen (Greg May, Rocky Rockwell) und speckigen Herren (Glen May im zerrissenem Shirt gewährt tiefe Einblicke, was wohl manchem Ästheten im anwesenden Volk weniger gefällt) rocken durch alle drei Alben ihrer Karriere, wobei dem Debüt die größte Aufmerksamkeit zukommt. Angefangen von "Warriors of Metal" und "Listen to the Preacher", über "Its Too Late to Pray", die Halbballade "The Beginning of the End", "King of Kings", sowie das abschließende "War" werden im Verlauf der Show offenbar Männerträume war - bei "Legions of the Dead" fängt Arno Hofmann vom Heavy neben mir gar an zu beten. Insgesamt also eine verdammt gute Stunde doomig-dunkel stampfenden US Stahls mit fast schon religiöser Wirkung (die den Kauf des optisch zweifelhaften Batik-T-Shirts mehr als rechtfertigt? [rs]).
Unmittelbar im Anschluss dann Aufruhr im Griechencamp: ABATTOIR erheben ihr faltiges Haupt, was den etatmäßigen Reisebegleiter Menelaos von jetzt auf gleich in ein Bündel rosaroter Kindheitserinnerung verwandelt. Die kommenden Tage werden wohl der Klärung der Frage gewidmet sein, ob TYRANT besser waren, oder ob ABBATOIR die Nase vorn hatten - damit aber zum Auftritt selbst.
Mit Juan Garcia, der dem KIT 2005 mit AGENT STEEL schon schon die Ehre erwiesen hat, ist ein alter Bekannter mit von der Partie, und am Konzept hat sich trotz anderer Band nichts verschoben: Speed, Speed, Speed. Höhepunkt des Gigs ist der Klassiker "Screams from the Grave", daneben werden "The Enemy" und "Maniac" vom Debüt verbraten, und auch das "Ace Of Spades"-Cover lässt sich en passant recht formidabel rausrotzen. Der neue Sänger Steve Gaines gefällt nicht nur bei den Eigenkompositionen, sondern wird auch dem hinsichtlich der Lineup-Überschneidungen fast schon logischen EVIL DEAD-Knaller "Annihilation of Civilization" vollauf gerecht. Deshalb - und aufgrund des angenehm nach vorn preschenden Songmaterials - ist der Auftritt am Ende eine runde Sache, wie euch Menelaos sicherlich bestätigen wird...
Finaaaale, ohooo! Zumindest für den heutigen Freitag, und LIZZY BORDEN haben sich aus diesem kühlen Grunde dann auch reichlich schick gemacht. Lizzy selbst trägt ja seit geraumer Zeit die Loden schwarz, vielleicht um angesichts der Bühnenshow Flecken zu vermeiden, doch in muikalischer Hinsicht gibt sich das Urgestein erfreulich solide: Getragen von reichlich Blut und Brustfilet rockt sich die Band durch ihren Mix aus metallischem Hard Rock und radiotauglichen Überhängen, kontrastiert archäologische Perlen des Kalibers "Give 'em The Axe" - samt namengebendem Werkzeug - mit Material der neuen Scheibe ("Abnormal"), und scheint vor Allem ein Herz für das singfreudige Publikum zu haben. Dementsprechend werden "Notorious", "There Will Be Blood", sowie später "American Metal" und "Me Against The World" gnadenlos abgefeiert; die eigentlich eher balladeske Nummer "Psychopath" reicht man dem Energielevel angemessen gar in etwas druckvollerer Ausfertigung über den Tresen.
Unter Hinzunahme der obligatorischen Requisiten, die im Verlauf der Show dargeboten werden, also eine sehr gelungene Vorstellung, die dann auch gleich zwei Zugaben nach sich zieht. Nach dem feurigen "We Got The Power" und "Something's Crawling" werden die beiden Tänzerinnen Julia und Steffi artig verabschiedet, bevor es mit dem RAINBOW-Klassiker "Long Live Rock n' Roll" auf die Zielgeraden geht. Nachdem TOKYO BLADE auf dem 11. KIT exakt das gleiche Cover brachten, fragt man sich fast, wer den Regenbogen auf dem nächsten KIT steigen lassen wird... [fg]
01. Abnormal
02. Give 'Em The Axe
03. Notorious
04. Live Forever
05. Rod Of Iron
06. Be One Of Us
07. Outcast
08. Tomorrow Never Comes
09. Under Your Skin
10. Hell Is For Heroes
11. Master Of Disguise
12. Psychopath
13. We Only Come Out At Night
14. There Will Be Blood Tonight
15. American Metal
16. Me Against The World
17. Red Rum
18. We Got The Power
19. Something's Crawlin'
20. Long Live Rock And Roll (RAINBOW Cover)
Samstag
9.00 Uhr. Angesichts der Wetterprognosen scheint es fast unglaublich, aber auch heute empfängt uns Lauda mit wahrem Königswetter: Die Sonne brennt und der Kopf dröhnt fröhlich nach, während auf dem direkt neben der Halle gelegenen Parcours ein paar Fahrschülerinnen fleißig ihre Runden drehen. Keine Frage, dass die Damen im heiratsfähigen Alter nach gefühlten Sekunden zum ersten Höhepunkt des Tages avancieren und sich fortan allerhand grobmotorischen Komplimenten ausgesetzt sehen - der entspannten Prüfungsvorbereitung düften die zeitweise bis zu 150 Zuschauer allerdings eher abträglich sein.
Im Inneren der Halle haben sich derweil DEJA VU auf die Bretter gewuchtet und besorgen mit solidem Heavy Metal-Handwerk den musikalischen Wake Up-Call. Die Süddeutschen füllen ihren kurzweiligen Set je zur Hälfte mit hymnischen Stampfern und etwas schnelleren Brettern, und sie bleiben dabei stets eingängig. Und auch wenn hier nicht unbedingt der große Hammer geschwungen wird: DEJA VU wissen zumindest, wie man die Meute mit soliden Granaten aus den Federn bombt - eine beim Opener bekanntlich nicht ganz unwichtige Qualität. Die zweisprachigen Ansagen ("this next song ist der Titeltrack...") sind im Übrigen durchaus witzig, morgens halb 1 in Deutschland.
Für ein Wechselbad der Gefühle sorgen im Anschluss PROCESSION, denn die derzeit (zu Recht) gehypten Chilenen schicken sich bei bestem Sound umgehend an, den gerade erwachten Freunden der Beatmusik den Schlummertrunk zu reichen. Zu Gehör kommen alle sechs Songs des Vierers, doch die Mischung aus CANDLEMASS (Musik) und REV BIZ (gerade beim Gesang) sieht sich zwei ernsten Problemen gegenüber: Zum Einen ist die Halle etwas zu groß für diese Art von Musik, zum Anderen sorgt der mittägliche Lichteinfall nicht unbedingt für kontemplative Atmosphäre. Somit werden die unheimlich kraftvoll intonierten Elegien leider nur von wenigen Fans gewürdigt, von denen dafür aber umso leidenschaftlicher. Großer Auftritt einer Band mit fast schon unheimlichem Potenzial.
Unheimliches Potenzial schlummert der Legende nach auch in THE GATES OF SLUMBER, und angeblich hat sich selbiges auf deren letzter Scheibe "Conqueror" endgültig Bahn gebrochen. Der Auftritt verspricht also allemal interessant zu werden. Zunächst jedoch der standesgemäße Downer: Phasenweise komplett fehlender Monitorsound im neuen Stück "Children Of Satan" sorgt für einen verständlicherweise extrem angepissten Karl Simon, sorgt leider auch für eine extrem nach "amerikanisches Rockstargehabe" riechende Grundstimmung. Zwar fangen sich sowohl Technik als auch Karl nach relativ kurzer Zeit, aber subjektiv ist der Gig zu diesem Zeitpunkt schon leicht beschmutzt. Dazu wächst mit jedem gespielten Stück die Einsicht, dass das neue Material ("Ice Worm", "Trapped In The Web") mitnichten der erwartete Entwicklungsschritt in epischere Gefilde ist, sondern lediglich eine Fortsetzung des bisherigen, eher altbackenen Schaffens des Dreiers. Den frenetischen Fanblock vor der Bühne indes scheint das gar nicht zu stören und so werden die Musiker zumindest in Teilen des Publikums nach allen Regeln der Kunst abgefeiert. Aus diesem Blickwinkel also durchaus eine gelungene Vorstellung.
Richtig interessant wird es anschließend mit MILITIA, die den Auftakt der heutigen Texas-Thrash-Kur markieren. Quantitativ kann man mit nur einer offiziellen EP (1985, zwei "richtige" Songs) und etwas Demomaterial in der Hinterhand zwar keine Bäume ausreißen, aber qualitativ sind dieser technisch versierten Breitseite samt extrem gut konserviertem Fronter nur wenige Zeitgenossen gewachsen. Gerade die unglaublichen Screams von Mike Soliz sorgen dafür, dass dieser Reunion-Gig zu einem Thrash/Speed-Feuerwerk oberster Liga gerät und neben den alten fraglos auch ein paar neue Fans mit glücklichen Gesichtern in die Pause schickt. Gemessen an den Publikumsreaktionen und der persönlichen Erwartungshaltung ein zwar kurzes, aber dafür wirklich grandioses Konzert, dem die exzellente Publikumsbindung der Amis schlussendlich die wohlverdiente Krone aufsetzt.
In diese aufgeheizte Stimmung hinein platzen nun RIGOR MORTIS, die ihr mindestens streitbares Logodesign angeblich mit überaus formidablen Songs wettmachen werden - kündigt zumindest der in diesen Dingen beschlagene Kollege Geissler an. Und bereits nach dem energisch rausgeknüppelten Opener "Mummified" steht fest, dass der Mann Ahnung hat: Die Texaner feuern trotz merklich gealtertem Personal (gerade Sänger Bruce Corbitt hat zu kämpfen) vom Start weg aus allen Rohren, legen mit "Shroud Of Gloom" gleich noch eine Splittergranate nach, bevor mit "Cattle Decapitation" ein etwas vertrackterer Titel für zeitweilige Entspannung im Speed-Inferno sorgt.
Zu diesem Zeitpunkt ist für Corbitt - der im übergroßen WARBEAST-Shirt fast verloren geht - dann auch erstmals die Luft raus, denn das folgende "Die In Pain" wird von Bassist Casey Orr rausgeräudet. Selbiger findet sich im Verlauf des Gigs übrigens noch ein paar Mal am Mikro wieder, und auch wenn er Corbitts kranker Röhre nicht vollends das Wasser reichen kann, kocht die Stimmung bei Songs wie "Wizard Of Gore", "Contagious Contamination", "Dead Fish" und "Demons" unabhängig vom jeweiligen Sänger zusehends über. Mit "Re-Animator" setzen die glänzend aufgelegten Amis vor bewegungsfreudigem Publikum den Schlusspunkt unter einen abartig geilen Gig.
Wie passend, dass man es laut Corbitt aufgrund der Publikumsreaktionen auf dem KIT nun noch einmal wissen wolle - Simon says: "All hail the wizards of gore!"
Seltsames kündigt sich bei den nun folgenden LIVING DEATH an: Fronter Thorsten hat unter Umständen zu ausgiebig an der Pulverdose genascht und macht während des laut Umstehenden an Klassikern eher armen Sets vor Allem seiner angestauten Libido Luft. Dass sich das bisweilen wie Gaynight-goes-Karneval ausnimmt, in den Ansagen gar grotesk-komödiantisches Potenzial erkennen lässt, lenkt leider nur unwesentlich vom gebotenen Material ab - und der mäßig technische Thrash ist nach der verstrichenen Zeit schlichtweg nicht mehr lebensfähig. Zu Gehör kommen mit "Bastard (at the Busstop)“ und „The Testament of Mr George“ Stücke vom stilistischen Wasserscheide-Album "Worlds Neuroses", während das für KIT-Kreise wohl interessantere Debüt mit keinem Ton gewürdigt wird. Das abschließende "Eisbein (mit Sauerkraut)" fasst es dann auch recht gut zusammen: Gefällig, nicht mehr.
Dieser Abfall an Spannung wiederum tut ZOUILLE & HANTSON erstaunlich gut. Mir persönlich sind die Franzosen weder in ihrer heutigen Konstellation, noch unter dem Namen SORTILÈGE bekannt, doch genau diesem Umstand wird wohl aufgrund des grandiosen Openers "D'ailleurs" und des nicht minder starken "Gladiateurs" Abhilfe geschafft werden. Zu Gehör kommt in der guten Stunde sehr melodische und facettenreiche Kost zwischen Metal und Hard Rock, die recht stark vom Gesang lebt und in ihren filigranen Momenten vielleicht etwas mehr Druck vertragen könnte - als Begleitung zur bereits bei LIVING DEATH begonnenen Nahrungsaufnahme schlägt sich die Band allerdings überaus formidabel. Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang vielleicht der vorgestellte neue Song, der orientalische Melodieführung mit einer dicken LA-Schlagseite kombiniert und ein prima Dessert abgibt.
Satt und zufrieden geht es nun mit den Holländern PICTURE weiter, die vor Allem im Haarbereich neue Maßstäbe setzen: Während man den meisten der bisher aufgetretenen Musiker zumindest am schwindenden Fell das Alter ansehen konnte, hat sich Sänger Pete Lovell offensichtlich von keiner einzigen seiner - mittlerweile etwas grauer gewordenen - Locken getrennt. Die Flokatihaube sitzt perfekt und wird durch das gewagt-klischeehafte Lederoutfit passend ergänzt.
Musikalisch gibt es klassischen Hard Rock, der in ausgewählten Momenten auch etwas metallischere Regionen beackert, ohne jedoch daselbst Wurzeln zu schlagen. Richtig Stimmung kommt beim zentral platzierten "Eternal Dark"-Quartett aus Titelsong, "Griffons Guard The Gold", "The Blade" und vor Allem dem fantastischen "Battle For The Universe" auf, bei welchem schlicht sämtliche Register der musikalischen Ausrichtung ineinandergreifen - große Klasse und aufgrund des kraftvollen Sounds wirklich mitreißend. Die Fans haben, was sie wollen, daher konzentrieren sich die Holländer in der Folge auf Material des anstehenden Albums "Old Dogs, New Tricks". Das wirkt zwar mitunter etwas altbacken, profitiert allerdings derart vom Sog des erwähnten Oldschool-Blocks, dass man PICTURE gerne noch eine Zugabe gestatten würde. Hinter den Kulissen allerdings werden derweil bereits andere Pläne ausgebrütet...
Der erste Headliner des Abends wurde zwar etwas nebulös als "NWoBHM Anniversary" angekündigt, doch seit geraumer Zeit stand fest, dass es sich um das Coverprojekt ROXXCALIBUR handeln würde. Zu erwarten sind daher Coverversionen alter Stücke, die angesichts der Position im Billing mit allerhand Gastauftritten aufwarten dürften - und genau das tun sie auch. Nach zwei Songs mit dem etatmäßigen Sänger Alexx Stahl - "Angel Of Fear" (RADIUM) und "War Of The Ring" (ARC) - gibt sich auf der Bühne allerhand Prominenz die Klinke in die Hand, wobei naturgemäß der Sängerposten im Vordergrund steht.
Los geht's mit Ozzy, ach was, Brian Ross, der mit BLITZKRIEGs "Blitzkrieg" zwar nicht überrascht, die Nadel des sich ohnehin überschlagenden Stimmungsbarometers jedoch aus dem Stand in die tiefrote Zone befördert. Ob das nun an ihm oder der prototypischen Übernummer liegt, weiss niemand so genau - beim folgenden "Break Free" (SATAN) jedenfalls könnte man manchen der Anwesenden das Grinsen nicht mal mit viel Gewalt aus dem Gesicht bügeln.
Kein Stück besser wird das beim anschließenden Stelldichein von Jess Cox, der seinen Merch-Stand kurz verlassen hat, um das in all seinem Klischee endgeile "Wild Catz" (TYGERS OF PAN TANG) in die Meute zu feuern - und dann Platz für den "Rainbow Warrior" (BLEAK HOUSE) zu machen, der von Graham Shaw besungen wird.
Angemessen verhärtet findet sich anschließend "7 Days Of Splendour" von JAMESON RAID wieder, dem Sänger Terry Dark durch seine britische Uptown-Coolness eine angenehm sinistre Ausstrahlung verleiht. Irgendwie Christopher Lee meets Latenight-Talker, auf jeden Fall sehr cool.
Ebenfalls sehr cool anschließend Enid Williams, die ein wenig aussieht, wie eine mittlerweile beruflich integrierte Karrierefrau, die nochmal in die Lederkluft ihrer Jugensünde geworfen wird. Allerdings sind GIRLSCHOOL noch immer aktiv und das hört man den mit ordentlich Dampf intonierten Stücken "Race With The Devil" (THE GUN) und - natürlich! - "Emergency" auch deutlich an. Zudem lässt die Dame wie alle Musiker dieses Jubiläums zu jeder Zeit erkennen, dass sie vor Allem Spass an der Sache hat, während sich das Publikum kollektiv in Rauschzustände versetzt.
Es folgt Vorhang Nummer zwei für den bereits gestern extrem positiv aufgefallenen Russ North von CLOVEN HOOF, der nun gemeinsam mit seinem Bassisten Lee Payne den Knaller "Gates Of Gehenna" nachliefert. Erneut eine unglaublich energiegeladenen Performance des an Mr. Bean erinnernden Engländers, die durch die Klasse des eigentlichen Songs perfekt ergänzt wird.
Publikumsseitig überschlagen sich anschließend die Ereignisse, denn Dave Hill setzt im Vorgriff auf das kommende KIT schonmal die Dämonen frei: Berauschend, wie sich hunderte Kehlen zu "Night Of The Demon" und dem fast schon als Retrohymne tauglichen "Don't Break The Circle" verausgaben, während Mister Hill seine stimmlich einwandfreie Darbietung durch kübelweise Charme zu krönen versteht.
Nach einer kleinen Umbaupause im hinteren Bereich servieren Harry Conklin und Schlagzeuger Thunderstick (im komplett albernen Glitzerkostüm) zwei Nummern von SAMSON: "Bright Lights" und "Too Close To Rock" sind durchaus OK, verlieren allerdings ein wenig durch eine weitere Unterbrechung, die Thunderstick für etwas Selbstdarstellung zu nutzen versteht. Nicht ganz zwingend, zumal die Luft in der Halle mittlerweile ihren Aggregatzustand gewechselt hat und die Idee einer Zigarette in der Nachluft fast schon erlöserisches Potenzial zu bergen scheint. TANK samt Tom Angelripper, sowie GRIM REAPER samt Conklin/Stahl fallen aus diesem Grunde auch flach.
Zurück im Gedränge, beschließen zwei MAIDEN-Stücke ein selbst für den unbedarften Hörer großartiges Konzert: "22 Acacia Avenue" und vor Allem "Running Free" sind zwar selbst in der Allstarbesetzung kein Gegner für die Dickinson-Variante, sorgen jedoch durch ihren enorm verbindenden Mitsingfaktor für ein überzeugendes Finale der reichlich überzogenen Spielzeit. Und soviel steht fest: ARMORED SAINT werden es hier im Anschluss nicht gerade einfach haben...
Das allerdings macht den Amis überhaupt nichts aus, und mit "Reign Of Fire" geht man sogleich daran, eben jenen im doch ziemlich ausgelaugten Publikum zu entfesseln. Die Band ist überaus engagiert bei der Sache, John Bush singt über die komplette Distanz und Tonleiter tadellos, doch mir als nicht unbedingt mit der Band Vertrauten fehlt über die Spielzeit von immerhin 90 Minuten ein wenig der überzeugende Kurzschluss. ARMORED SAINT sind eingespielt, keine Frage, aber angesichts der meines Erachtens recht unauffälligen Kompositionen ist eine schicksalhafte Jugendbegegnung mit der Band wohl Grundvoraussetzung für euphorische Reaktionen. Somit bleibt eine solide, vielleicht an fehlender Vorbildung krankende Vorstellung, die gegen den vorher abgefackelten Retrosturm erwartungsgemäß keine Chance hat.
Was also bleibt nach zwei Tagen Kuttenschau bestehen? - Zunächst die Gewissheit, dass man ein ebenso nostalgisches wie charmantes Festival erlebt hat: Motivierte Bands trafen auf ein recht homogenes und begeisterungsfähiges Publikum, bei dem die Bewegungsdefizite der Älteren durch reichlich hungrigen Nachwuchs kompensiert wurden. Zudem war die Abwechslung innerhalb des Billings größer als bei vergleichbaren Veranstaltungen im Extrembereich, was (zumindest für mich) zu keiner Zeit Ermüdungserscheinungen aufkommen ließ. Nimmt man hierzu noch die optimale Verpflegungssituation (...all hail the Sportlerklause!), bleibt das KIT in allen relevanten Disziplinen klar über dem Durchschnitt.
Einziger Kritikpunkt wäre die Hallensituation, die einem "echten" Festival unter freiem Himmel zu keinem Zeitpunkt da Wasser reichen kann - die Luft war lüftungsbedingt recht stickig, beim mittäglichen Sonnenschein kam fast schon holländische Gewächshausschwüle auf. Mag sein, dass diese subjektive Kritik auch daher rührt, dass die Vorteile der Halle (Witterungsunabhängigkeit) in den zwei Tagen zu keinem Zeitpunkt benötigt wurden - hätte es geregnet, fiele die Beurteilung hier vielleicht anders aus.
Ansonsten gilt jedoch: Daumen hoch an die Organisatoren und Bands, sowie ein metallischer Gruß an all jene, die dieses Wochenende zu einer echten Kurzweil gemacht haben. Skal! [rs]
Bericht: Falk Geißler, Ralf Scheidler
Bilder: Ralf Häfner
Gruß an das griechisch-deutsche Reisegrübbsche!