Sear Bliss Defloration Enemy Target

Sear Bliss, Defloration, Enemy Target

DeflorationEnemy TargetSear Bliss
Leipzig, Moritzbastei
08.05.2009
Bisweilen ist es schon unglaublich, welche Zusammenstellungen auf Konzerten zustande kommen, und auch Leipzigs Scheddel-Crew lässt es sich beim letzten Akt vor der Sommerpause nicht nehmen, mit SEAR BLISS, DEFLORATION und ENEMY TARGET einen zumindest abenteuerlichen Eindruck zu hinterlassen. Sei's drum, vielleicht vertragen sich die deutschen Gurgelschweine ganz gut mit dem seltenen ungarischen Bläserpanda - zumindest für Abwechslung sollte gesorgt sein, als gegen 10 die Lichter ausgehen...

Den Openerjob übernehmen ENEMY TARGET aus Thüringen, die trotz relativ kurzer Bandgeschichte keine Unbekannten sein dürften: Lineup-Überschneidungen mit den REITERN und DISASTER K.F.W. zeugen von solider Vorbildung, und so flutscht der zunächst konventionell treibende Elchtod dann auch recht willig ins Bewegungszentrum. Ein schöner Stimmungswechsel gelingt dem Fünfer nach etwas Standard zudem mit der paganesk angehauchten Leadgitarre des dritten Songs ("Targetized"?), welche gleich einem Startschuss in den hochwertigeren Teil des Sets überleitet: Der Grundtenor wird plötzlich angenehm hymnisch, AMON AMARTH und BOLT THROWER schauen mehrfach mit gezücktem Schwert um die Ecke, und im Publikum hat man scheinbar der Bangschalter umgelegt. Zumindest kommen die verbleibenden Kompositionen - neben der kompletten Debüt-Mini gibt es heute auch ein neues Stück - merklich besser an, was verdientermaßen für einen gelungen Ausklang sorgt.
Trotz des (mit Blick auf den musikalischen Stil) befremdlichen Namens und des mitunter grenzwertigen Sounds also eine runde Vorstellung, die Lust auf das erste Vollwertfutter macht.

Pause, Licht aus, Uwe an: "Bewegt euch, ihr Muschis...!" - DEFLORATION wissen offenbar, wie man die scheue Meute bei den Eiern packt, denn anders ist der Andrang nach der Unterbrechung nicht zu erklären. Die Pößnecker Rasselbande steigt schön feist mit "Suicidal Tendencies" ein und zelebriert in der Folge nicht nur gut 40 Minuten Death Metal vom Allerfeinsten, sondern kann auch publikumsseitig die besten Reaktionen für sich verbuchen.
Erstaunlich ist dabei die Qualität der Stücke, die sämtlichen Schaffensphasen entstammen und trotzdem ein konstant hohes Niveau halten können, welches durch die enorme Spielfreude der Band natürlich weiter an Ausstrahlung gewinnt. Die Jungs sind extrem fit an ihren Instrumenten, posen nebenher wie necht Ruprecht zu Weihnachten, und lassen bei anspruchsvollen Passagen einfach ihren Frostriesenfronter die Arbeit machen (der in seiner Gestik mittlerweile entfernt an NAPALM DEATHs Barney erinnert). Klasse Arbeitsteilung, die zusammen mit Uwes gelegentlichen Ausflügen ins Publikum natürlich eine enorme Bindung zum Moshvolk etabliert.
Größtes Plus des heutigen Gigs ist jedoch der unglaubliche Flow: DEFLORATION halten ihr Level ohne den kleinsten Stimmungsabfall, Songreihenfolge und jeder einzelne Part wirken in beinahe maschineller Präzision zusammen, und so stellt sich nach zwei, drei Stücken unvermeidlich dieses Gefühl zwischen Autopilot und körperlicher Ekstase ein, das einen Metalgig nun mal ausmacht - wenn jedes Break zugleich kleiner Tod und Adrenalinschub ist. Das Fazit fällt dementsprechend simpel aus: Saustarke Vorstellung, die mit dem Uraltklopper "Xtreme Blowjob" sogar noch eine hochverdiente Zugabe einfahren kann. [rs]

Musikalisch deutlich ruhiger angesiedelt sollen nun SEAR BLISS das Zepter übernehmen und in Richtung Epik, Dramatik und Black Metal schwenken. Offenbar ist aber das Publikum dermaßen geschafft, dass sich die Reihen bereits gefährlich lichten. Ein langer Soundcheck, der beim finalen Test den Gesang und die obligatorische Posaune fast vollständig verschluckt, lässt Schlimmstes vermuten, was sogleich dann auch noch prompt eintrifft. Ein furchtbarer Soundbrei, an dem noch einige Songs lang herumgebastelt wird, lässt erst gar keine echte Atmosphäre aufkommen. Offenbar hätte der Mann an den Reglern vorher lieber seine Wollmütze abnehmen sollen.
Ob dies der Grund für die Zurückhaltung der Band ist, sei mal dahingestellt, jedenfalls wirken die Ungarn verglichen mit früheren Auftritten ziemlich zurückhaltend. Ausschweifende Musik bedarf aber auch ausschweifender Gesten oder zumindest dem Gefühl, etwas Besonderem beizuwohnen. Daran mangelt es einfach, da kann auch das gute Songmaterial (gespielt werden hauptsächlich Songs der letzten beiden Alben) nicht mehr alle ertrinkenden Kühe vor der Sturmflut retten, auch wenn natürlich ein bangender Posaunenspieler immer noch einen Hingucker wert ist, von dem man am Wochenende seinen Großeltern erzählen kann. [cr]

Fotos von Philipp

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