Graspop Metal Meeting
Graspop Metal Meeting
Belgien, Dessel
26.06.2009
26.06.2009
Das Navigationsgerät kennt die Niederlande nicht. Mit Recht, möchte man meinen. Tragisch aber, dass man auf dem Weg ins belgische Dessel durch Holland muss. So wird die Fahrt zum Graspop Metal Meeting zu einem kleinen Abenteuer. Mit unbedeutender Verspätung erreicht man schließlich das riesige Areal, auf dem hier der Bär steppt.
Ungefähr 50.000 Gäste wollen drei Tage lang wissen, was läuft. Die meisten von ihnen stammen aus Belgien und den Niederlanden; vereinzelt trifft man auch Franzosen oder Deutsche. Insgesamt vier Bühnen stehen den Besuchern zur Auswahl – die Hauptbühne und drei Zeltbühnen. Die hochkarätige Bandauswahl deckt ein enorm breites Spektrum ab. Von den Softrockern JOURNEY bis zur den Black Metallern WOLVES IN THE THRONE ROOM ist so ziemlich alles vertreten, was die gitarrenlastige Musik so hergibt.
Freitag: Einmal Pommes mit Brüsten und Kopfstimme, bitte!
Warum nennt man ein Metalfestival eigentlich GrasPOP? Weil es hier überall nach Gras riecht? Weil man hier im Gras so schön poppen kann? Diese Fragen verschwinden im Reich der Belanglosigkeiten, als sich auf der riesigen Zeltbühne STATIC-X breit machen. Die Mannen um Frisurwunder Wayne Static dürfen hier eine Stunde lang auf die Bretter, und so kommt der geneigte Evil-Disco-Tänzer in den Genuss der größten Gassenhauer, von denen sich in der Bandgeschichte so einige angesammelt haben. Der Sound ist geil, die Stimmung super, aber Halt: Irgendetwas fesselt die Aufmerksamkeit der männlichen Konzertbesucher. Richtig, Brüste, was sonst? Die daran fest gewachsene Dame darf den Musikern zwischen den Songs Schnappes kredenzen und sonst gar merkwürdige Verrenkungen präsentieren. Sowas entlockt einem weiblichen STATIC-Fan natürlich nur ein herzhaftes Gähnen. Dann lieber noch mehr Evil Disco! Noch mehr „Cannibal“ und „I'm With Stupid“!
Heiß ist es hier. Draußen knallt einem die Sonne auf die Rübe; die großen Zelte verwandeln sich in gigantische Saunen, so dass einem der Schweiß auch in Sturzbächen läuft, wenn man eigentlich nur blöd in der Gegend herumsteht. Bei solchen Temperaturen muss man viel trinken, hat Mutti immer gesagt. Und so wagt man sich an den Bierstand und probiert das holländische Bier, das es hier gibt. Nach ein paar Schlucken hat man sich auch daran gewöhnt. Das Essen hat hier leider keine 4-Sterne-Qualitäten; die Pommes, für die die Belgier ja berühmt sind, scheinen ganz lecker. Umständlich auch das Markensystem: Man muss sein Geld erst in Marken umtauschen, bevor man an den zahlreichen Ständen etwas Nahrhaftes erwerben kann. Nach ein bisschen Kopfrechnerei stellt man auch mit Entsetzen fest, dass die Preise hier, anders als das Essen, ziemlich gesalzen sind.
Mit Ronnie James Dio und Tony Iommi von HEAVEN & HELL stehen währenddessen zwei wahre Giganten auf der Bühne, und man stellt erfreut fest, dass auch alte Herren noch amtlich rocken können. Eine Legende breitet sich auch danach im Zelt auf der Bühne aus. DOWN rocken einem gewaltig den Arsch weg. An der Spitze Phil Anselmo, der zwar stimmlich Großes leistet, motorisch aber etwas unkoordiniert wirkt, was man wohl als kleine Nachwirkungen vergangener Eskapaden deuten kann.
Das kommt davon, wenn man Freunden einen Gefallen tun will. Statt die Discobühne aus der Nähe zu inspizieren, lasse ich mich überreden, dem Auftritt von MÖTLEY CRÜE beizuwohnen, was sich im Nachhinein als böser Fehler herausstellt. Die fiese Kopfstimme Vince Neils ist sicher Geschmackssache, aber das Gefühl, dass der alte Sack heute noch höher kreischt als sonst, wird man trotzdem nicht los. Auffallend auch, dass die beiden Leinwände an den Seiten der Hauptbühne hier nicht wie üblich den Auftritt der Band zeigen, sondern ein paar Videospielereien. Da wird man doch glatt das Gefühl nicht los, die MÖTLEYs hätten was zu verbergen. Handelt es sich dabei um Falten und Doppelkinne oder doch um eine vertuschte Playback-Nachhilfe für Neils Gänsehaut-Gesang. Dass man die Zeit, in der der Sänger hinter der Bühne einen tiefen Zug aus der Sauerstoffmaske nimmt, mit grottenschlechten Soli füllt, macht das ganze Theater auch nicht besser. Legendensterben leicht gemacht!
Samstag: Die Invasion der Nippelköpfe
Ein kleiner Wermutstropfen zu Beginn des zweiten Tages: KILLSWITCH ENGAGE mussten ihren Auftritt wegen eines Todesfalls in der Familie leider absagen. Größtes Beileid! Nach einem Beruhigungsbier widmet man sich dann dem übrig gebliebenen Tagesprogramm, das auch ohne Adam D. und Howard Jones nicht von schlechten Eltern ist.
Es ist immer noch nicht kühler geworden, und auch das angekündigte Gewitter lässt sich nirgends blicken. So wird wenigstens keiner vom Regen nass. Das brütend heiße Wetter passt aber irgendwie zu MASTODON, die gerade arschcool über die Hauptbühne schlurfen. Anders als man es von einem riesigen Urelefanten erwartet, ist da nicht viel Bewegung drin. Dafür läuft musikalisch aber gerade etwas Unvergleichliches ab.
Das Kontrastprogramm bilden eine Horde wild gewordener Australier. PARKWAY DRIVE ist einer der doofsten Bandnamen, die es gibt. Live lässt das Breakdown-Monster von der Südhalbkugel aber keinen Stein auf dem anderen.
Leider treiben einen die tropischen Temperaturen mit gefühlten 120% Luftfeuchtigkeit wieder aus dem Zelt nach draußen. Dort legen Bandana-Schädel Jamey Jasta und seine HATEBREED-Crew zum ultimativen Vernichtungsschlag an. Bei dem Wetter hat man allerdings nicht wirklich Bock sich mit lyrisch hochwertigem Material wie „Destroy Everything“ zu widmen.
Im entlegendsten Winkel spielt derweil eine der besten Bands des Festivals. Die Franzosen DAGOBA haben leider noch nicht die Popularität erreicht, die sie eigentlich verdienen. Ihr sich vor FEAR FACTORY verbeugender, doch trotzdem eigenständiger Sound käme auf einer großen Bühne sicher auch hervorragend zur Geltung.
Die Menschen tragen hier sehr merkwürdige Kopfbedeckungen. Klar, Mutti hat gesagt, dass man bei Sonne immer was auf der Birne tragen muss, weil einem sonst die Haare ausfallen, aber muss es denn ausgerechnet ein rosa Stoffkäppchen mit einem Nippel drauf sein? Damit sich auch ganz bestimmt alle schlüpfrig amüsieren, laufen hier nicht nur hunderte Nippelköpfe herum, sondern auch diverse Damen und Herren mit aufblasbaren Monstertitten. Eigentlich ein risikofreier Weg zur Brustvergrößerung, den man unterstützen sollte.
Meine Fresse, Dave Wyndorf ist ja aufgequollen wie ein Hefeteig. Passend zur fetten Erscheinung des Frontmanns gibt es dann aber auch eine fette Show von MONSTER MAGNET. Zu „Powertrip“ und „Space Lord“ singt dann auch das ganze Zelt mit. „I'm never gonna work another day in my life!“ Rüchtüch! Lieber jeden Tag rocken mit MONSTER MAGNET!
Traut man unzuverlässigen Quellen, so soll der Auftritt von KORN der langweiligste auf dem ganzen Festival gewesen sein. Genau: Dieser Auftritt war langweilig, und die Erde ist eine Scheibe. Mindestens genauso belebend wie beim Rock am Ring zeigen die alte Dreadlock-Säcke, dass noch mächtig Feuer in den Adidasbuxen steckt. Das Zusammenspiel der Band ist derart tight, dass es ein Hochgenuss ist, Klassiker wie „Blind“, „Here To Stay“ und „Freak On A Leash“ live mitzuerleben und mitzugrölen.
VOLBEAT sind mittlerweile richtig groß, und so verwundert es auch nicht, dass das Zelt bei ihrem Auftritt zu Bersten gefüllt ist. Dass sie hier auf der Zeltbühne der Höhepunkt des Abends sind, geschieht völlig zu Recht. Denn was eignet sich schon besser, um eine Mörderstimmung unter eine Menge feierwütiger Menschen zu bringen als eine Handvoll VOLBEAT-Songs?
Vielleicht SLIPKNOT? Die Maskenmänner verpassen dem gelungenen Tag dann endgültig den Gnadenstoß. Die Show wirkt zwar etwas routiniert; das Unterhaltungslevel klettert aber nochmals um einige Stufen nach oben. Nicht zuletzt bei Hinhocken-Aufspringen-Showeinlage bei der Zugabe „Spit It Out“ machen alle mit. Corey Taylor kommt bestimmt vor Lachen nicht mehr in den Schlaf, wenn er daran denkt, dass er tausende Menschen dazu gebracht hat, vor ihm niederzuknien. Und das auch noch mit einer so schrecklich-schrägen Maske...muhaha! Eine gute Show ist eben alles, was die Leute wollen...
Sonntag: The Flying Bierbechers from Hell
Guten Morgen, liebe Sonne! Huch, sie ist ja gar nicht da! Auch gut, dann stinkt man vielleicht mal nicht so, wenn man nach einem langen Festivaltag ins Bettchen fällt. Doch die frische Brise hält nicht lange an. Am frühen Nachmittag klettern die Temperaturen wieder auf ein kaum auszuhaltendes Level. Dazu kommen der aufgewirbelte Staub und die überall herum fliegenden Wiesenreste. Das alles bleibt natürlich an einem kleben, so dass man sich später an diesem letzten Festivaltage weder riechen, noch anschauen mag.
Zu allem Überfluss gehen die Festivalbesucher auch der trendigen Sportart der Bierbecherwerfens nach, in der an diesem Wochenende in Qualität und Quantität so mancher Rekord gebrochen wird. Schweiß, Dreck und Bier ergibt dann ein unvergleichliches Eau de Toilette à la Graspop.
Warum zum Geier müssen LAMB OF GOD so früh auf die Bühne? Es ist 13 Uhr, und sowohl Körper als auch Geist befinden sich noch halb im nächtlichen Energiesparmodus. Dafür kann man aber auch kaum schöner geweckt werden. Die Band um Randy Blythe spielt derart tight und auf technisch höchsten Level Granaten wie „Black Label“, „Redneck“ und „Now You've Got Something To Die For“ runter, dass man im Halbschlaf fröhlich vor sich hinsabbert. Ein paar Stunden später, und der warmgelaufene Körper wäre vor Freude im Dreieck gesprungen.
An TRIVIUM geht man zwar nicht mit so hohen Erwartungen heran, wird aber positiv überrascht, wieviel Spaß der Auftritt der Jungspunde macht. Eher unfreiwillig komisch sind dabei die Ansagen von Chefanimateur Matt Heafy: „Move everything you have! Your heads, your fists, your legs, your tits, your dicks...“ Öhm ja, später vielleicht...
Leider lässt die Kondition dann etwas nach, so dass man ALL THAT REMAINS und DEVILDRIVER in einer entspannten Sitzhaltung verfolgt. Beide Bands glänzen durch ein hohes Energielevel. Wenn es in den Zelten doch nicht so verdammt heiß wäre...
Hannibal Lecter ist auch hier? „Das Schweigen der Lämmer“ als Musical? Achso, es ist nur David Draiman, der sich samt Gesichtsmaske und Zwangsjacke mit einer Sackkarre auf die Bühne fahren lässt. Vielleicht eine Parodie auf die protzigen Motorradauftritte von MANOWAR?
Imposant, episch, monumental, perfekt – das sind wohl die Attribute, die auf Auftritt von DISTURBED am ehesten zutreffen. Vielleicht ein wenig zu perfekt. Frontmann Draiman ist zwar auch live mit einer unerreichbaren Stimme gesegnet, die das ganze Festival mit einer wohligen Gänsehaut erfüllen dürfte, doch wirkt er auf der Bühne kühl und unnahbar, wie ein General, der Diktator über seine Fans. David braucht bloß die muskelbepackten Arme heben, und alle verfallen in einen euphorischen Jubel.
Ein paar stark angetrunkene junge Männer freuen sich über den Auftritt der Band so sehr, dass sie sich entblößen und das freudige Ereignis inmitten des Publikums mit reichlich Urin begießen. Ob Dave Draiman das gut finden würde?
Das letzte miterlebte Liveerlebnis dieses Festivals sind die alten Thrash-Recken ANTHRAX, die, mit neuem Frontmann versehen, dem Energielevel der jüngeren Bands in nichts nachstehen.
Auch wenn alle Belgier und Holländer verrückt sind, es oft zu voll war, und die Preise nicht unbedingt nett zum kleineren Geldbeutel sind, ist das Graspop für alle zu Empfehlen, die sich abwechslungsreich unterhalten lassen wollen.
Ungefähr 50.000 Gäste wollen drei Tage lang wissen, was läuft. Die meisten von ihnen stammen aus Belgien und den Niederlanden; vereinzelt trifft man auch Franzosen oder Deutsche. Insgesamt vier Bühnen stehen den Besuchern zur Auswahl – die Hauptbühne und drei Zeltbühnen. Die hochkarätige Bandauswahl deckt ein enorm breites Spektrum ab. Von den Softrockern JOURNEY bis zur den Black Metallern WOLVES IN THE THRONE ROOM ist so ziemlich alles vertreten, was die gitarrenlastige Musik so hergibt.
Freitag: Einmal Pommes mit Brüsten und Kopfstimme, bitte!
Warum nennt man ein Metalfestival eigentlich GrasPOP? Weil es hier überall nach Gras riecht? Weil man hier im Gras so schön poppen kann? Diese Fragen verschwinden im Reich der Belanglosigkeiten, als sich auf der riesigen Zeltbühne STATIC-X breit machen. Die Mannen um Frisurwunder Wayne Static dürfen hier eine Stunde lang auf die Bretter, und so kommt der geneigte Evil-Disco-Tänzer in den Genuss der größten Gassenhauer, von denen sich in der Bandgeschichte so einige angesammelt haben. Der Sound ist geil, die Stimmung super, aber Halt: Irgendetwas fesselt die Aufmerksamkeit der männlichen Konzertbesucher. Richtig, Brüste, was sonst? Die daran fest gewachsene Dame darf den Musikern zwischen den Songs Schnappes kredenzen und sonst gar merkwürdige Verrenkungen präsentieren. Sowas entlockt einem weiblichen STATIC-Fan natürlich nur ein herzhaftes Gähnen. Dann lieber noch mehr Evil Disco! Noch mehr „Cannibal“ und „I'm With Stupid“!
Heiß ist es hier. Draußen knallt einem die Sonne auf die Rübe; die großen Zelte verwandeln sich in gigantische Saunen, so dass einem der Schweiß auch in Sturzbächen läuft, wenn man eigentlich nur blöd in der Gegend herumsteht. Bei solchen Temperaturen muss man viel trinken, hat Mutti immer gesagt. Und so wagt man sich an den Bierstand und probiert das holländische Bier, das es hier gibt. Nach ein paar Schlucken hat man sich auch daran gewöhnt. Das Essen hat hier leider keine 4-Sterne-Qualitäten; die Pommes, für die die Belgier ja berühmt sind, scheinen ganz lecker. Umständlich auch das Markensystem: Man muss sein Geld erst in Marken umtauschen, bevor man an den zahlreichen Ständen etwas Nahrhaftes erwerben kann. Nach ein bisschen Kopfrechnerei stellt man auch mit Entsetzen fest, dass die Preise hier, anders als das Essen, ziemlich gesalzen sind.
Mit Ronnie James Dio und Tony Iommi von HEAVEN & HELL stehen währenddessen zwei wahre Giganten auf der Bühne, und man stellt erfreut fest, dass auch alte Herren noch amtlich rocken können. Eine Legende breitet sich auch danach im Zelt auf der Bühne aus. DOWN rocken einem gewaltig den Arsch weg. An der Spitze Phil Anselmo, der zwar stimmlich Großes leistet, motorisch aber etwas unkoordiniert wirkt, was man wohl als kleine Nachwirkungen vergangener Eskapaden deuten kann.
Das kommt davon, wenn man Freunden einen Gefallen tun will. Statt die Discobühne aus der Nähe zu inspizieren, lasse ich mich überreden, dem Auftritt von MÖTLEY CRÜE beizuwohnen, was sich im Nachhinein als böser Fehler herausstellt. Die fiese Kopfstimme Vince Neils ist sicher Geschmackssache, aber das Gefühl, dass der alte Sack heute noch höher kreischt als sonst, wird man trotzdem nicht los. Auffallend auch, dass die beiden Leinwände an den Seiten der Hauptbühne hier nicht wie üblich den Auftritt der Band zeigen, sondern ein paar Videospielereien. Da wird man doch glatt das Gefühl nicht los, die MÖTLEYs hätten was zu verbergen. Handelt es sich dabei um Falten und Doppelkinne oder doch um eine vertuschte Playback-Nachhilfe für Neils Gänsehaut-Gesang. Dass man die Zeit, in der der Sänger hinter der Bühne einen tiefen Zug aus der Sauerstoffmaske nimmt, mit grottenschlechten Soli füllt, macht das ganze Theater auch nicht besser. Legendensterben leicht gemacht!
Samstag: Die Invasion der Nippelköpfe
Ein kleiner Wermutstropfen zu Beginn des zweiten Tages: KILLSWITCH ENGAGE mussten ihren Auftritt wegen eines Todesfalls in der Familie leider absagen. Größtes Beileid! Nach einem Beruhigungsbier widmet man sich dann dem übrig gebliebenen Tagesprogramm, das auch ohne Adam D. und Howard Jones nicht von schlechten Eltern ist.
Es ist immer noch nicht kühler geworden, und auch das angekündigte Gewitter lässt sich nirgends blicken. So wird wenigstens keiner vom Regen nass. Das brütend heiße Wetter passt aber irgendwie zu MASTODON, die gerade arschcool über die Hauptbühne schlurfen. Anders als man es von einem riesigen Urelefanten erwartet, ist da nicht viel Bewegung drin. Dafür läuft musikalisch aber gerade etwas Unvergleichliches ab.
Das Kontrastprogramm bilden eine Horde wild gewordener Australier. PARKWAY DRIVE ist einer der doofsten Bandnamen, die es gibt. Live lässt das Breakdown-Monster von der Südhalbkugel aber keinen Stein auf dem anderen.
Leider treiben einen die tropischen Temperaturen mit gefühlten 120% Luftfeuchtigkeit wieder aus dem Zelt nach draußen. Dort legen Bandana-Schädel Jamey Jasta und seine HATEBREED-Crew zum ultimativen Vernichtungsschlag an. Bei dem Wetter hat man allerdings nicht wirklich Bock sich mit lyrisch hochwertigem Material wie „Destroy Everything“ zu widmen.
Im entlegendsten Winkel spielt derweil eine der besten Bands des Festivals. Die Franzosen DAGOBA haben leider noch nicht die Popularität erreicht, die sie eigentlich verdienen. Ihr sich vor FEAR FACTORY verbeugender, doch trotzdem eigenständiger Sound käme auf einer großen Bühne sicher auch hervorragend zur Geltung.
Die Menschen tragen hier sehr merkwürdige Kopfbedeckungen. Klar, Mutti hat gesagt, dass man bei Sonne immer was auf der Birne tragen muss, weil einem sonst die Haare ausfallen, aber muss es denn ausgerechnet ein rosa Stoffkäppchen mit einem Nippel drauf sein? Damit sich auch ganz bestimmt alle schlüpfrig amüsieren, laufen hier nicht nur hunderte Nippelköpfe herum, sondern auch diverse Damen und Herren mit aufblasbaren Monstertitten. Eigentlich ein risikofreier Weg zur Brustvergrößerung, den man unterstützen sollte.
Meine Fresse, Dave Wyndorf ist ja aufgequollen wie ein Hefeteig. Passend zur fetten Erscheinung des Frontmanns gibt es dann aber auch eine fette Show von MONSTER MAGNET. Zu „Powertrip“ und „Space Lord“ singt dann auch das ganze Zelt mit. „I'm never gonna work another day in my life!“ Rüchtüch! Lieber jeden Tag rocken mit MONSTER MAGNET!
Traut man unzuverlässigen Quellen, so soll der Auftritt von KORN der langweiligste auf dem ganzen Festival gewesen sein. Genau: Dieser Auftritt war langweilig, und die Erde ist eine Scheibe. Mindestens genauso belebend wie beim Rock am Ring zeigen die alte Dreadlock-Säcke, dass noch mächtig Feuer in den Adidasbuxen steckt. Das Zusammenspiel der Band ist derart tight, dass es ein Hochgenuss ist, Klassiker wie „Blind“, „Here To Stay“ und „Freak On A Leash“ live mitzuerleben und mitzugrölen.
VOLBEAT sind mittlerweile richtig groß, und so verwundert es auch nicht, dass das Zelt bei ihrem Auftritt zu Bersten gefüllt ist. Dass sie hier auf der Zeltbühne der Höhepunkt des Abends sind, geschieht völlig zu Recht. Denn was eignet sich schon besser, um eine Mörderstimmung unter eine Menge feierwütiger Menschen zu bringen als eine Handvoll VOLBEAT-Songs?
Vielleicht SLIPKNOT? Die Maskenmänner verpassen dem gelungenen Tag dann endgültig den Gnadenstoß. Die Show wirkt zwar etwas routiniert; das Unterhaltungslevel klettert aber nochmals um einige Stufen nach oben. Nicht zuletzt bei Hinhocken-Aufspringen-Showeinlage bei der Zugabe „Spit It Out“ machen alle mit. Corey Taylor kommt bestimmt vor Lachen nicht mehr in den Schlaf, wenn er daran denkt, dass er tausende Menschen dazu gebracht hat, vor ihm niederzuknien. Und das auch noch mit einer so schrecklich-schrägen Maske...muhaha! Eine gute Show ist eben alles, was die Leute wollen...
Sonntag: The Flying Bierbechers from Hell
Guten Morgen, liebe Sonne! Huch, sie ist ja gar nicht da! Auch gut, dann stinkt man vielleicht mal nicht so, wenn man nach einem langen Festivaltag ins Bettchen fällt. Doch die frische Brise hält nicht lange an. Am frühen Nachmittag klettern die Temperaturen wieder auf ein kaum auszuhaltendes Level. Dazu kommen der aufgewirbelte Staub und die überall herum fliegenden Wiesenreste. Das alles bleibt natürlich an einem kleben, so dass man sich später an diesem letzten Festivaltage weder riechen, noch anschauen mag.
Zu allem Überfluss gehen die Festivalbesucher auch der trendigen Sportart der Bierbecherwerfens nach, in der an diesem Wochenende in Qualität und Quantität so mancher Rekord gebrochen wird. Schweiß, Dreck und Bier ergibt dann ein unvergleichliches Eau de Toilette à la Graspop.
Warum zum Geier müssen LAMB OF GOD so früh auf die Bühne? Es ist 13 Uhr, und sowohl Körper als auch Geist befinden sich noch halb im nächtlichen Energiesparmodus. Dafür kann man aber auch kaum schöner geweckt werden. Die Band um Randy Blythe spielt derart tight und auf technisch höchsten Level Granaten wie „Black Label“, „Redneck“ und „Now You've Got Something To Die For“ runter, dass man im Halbschlaf fröhlich vor sich hinsabbert. Ein paar Stunden später, und der warmgelaufene Körper wäre vor Freude im Dreieck gesprungen.
An TRIVIUM geht man zwar nicht mit so hohen Erwartungen heran, wird aber positiv überrascht, wieviel Spaß der Auftritt der Jungspunde macht. Eher unfreiwillig komisch sind dabei die Ansagen von Chefanimateur Matt Heafy: „Move everything you have! Your heads, your fists, your legs, your tits, your dicks...“ Öhm ja, später vielleicht...
Leider lässt die Kondition dann etwas nach, so dass man ALL THAT REMAINS und DEVILDRIVER in einer entspannten Sitzhaltung verfolgt. Beide Bands glänzen durch ein hohes Energielevel. Wenn es in den Zelten doch nicht so verdammt heiß wäre...
Hannibal Lecter ist auch hier? „Das Schweigen der Lämmer“ als Musical? Achso, es ist nur David Draiman, der sich samt Gesichtsmaske und Zwangsjacke mit einer Sackkarre auf die Bühne fahren lässt. Vielleicht eine Parodie auf die protzigen Motorradauftritte von MANOWAR?
Imposant, episch, monumental, perfekt – das sind wohl die Attribute, die auf Auftritt von DISTURBED am ehesten zutreffen. Vielleicht ein wenig zu perfekt. Frontmann Draiman ist zwar auch live mit einer unerreichbaren Stimme gesegnet, die das ganze Festival mit einer wohligen Gänsehaut erfüllen dürfte, doch wirkt er auf der Bühne kühl und unnahbar, wie ein General, der Diktator über seine Fans. David braucht bloß die muskelbepackten Arme heben, und alle verfallen in einen euphorischen Jubel.
Ein paar stark angetrunkene junge Männer freuen sich über den Auftritt der Band so sehr, dass sie sich entblößen und das freudige Ereignis inmitten des Publikums mit reichlich Urin begießen. Ob Dave Draiman das gut finden würde?
Das letzte miterlebte Liveerlebnis dieses Festivals sind die alten Thrash-Recken ANTHRAX, die, mit neuem Frontmann versehen, dem Energielevel der jüngeren Bands in nichts nachstehen.
Auch wenn alle Belgier und Holländer verrückt sind, es oft zu voll war, und die Preise nicht unbedingt nett zum kleineren Geldbeutel sind, ist das Graspop für alle zu Empfehlen, die sich abwechslungsreich unterhalten lassen wollen.