IV. In Flammen Open Air
IV. In Flammen Open Air
Torgau, Entenfang
10.07.2009
10.07.2009
Auf frischem Gelände präsentiert sich die 4. Ausgabe des In Flammen Open Airs, mit jeder Menge frischen Bäumen zum Abfackeln, erneut 2 Tagen zum Abfeiern sowie jeder Menge Pferdekacke zum Ausweichen und Rumspielen. Der Torgauer Entenfang präsentiert sich mit jeder Menge Grün, festen Toiletten und dem namensgebenden Gasthof als idealer Veranstaltungsort mit jeder Menge Wachstumspotential. Eine familiäre Atmosphäre, unstressige Park- und Campingbedingungen sowie faire Preise und nicht zuletzt eine handverlesene, breit gefächerte Bandauswahl sorgen bereits im Vorfeld für angenehme Vorfreude.
Freitag:
Fast schon überpünktlich eröffnen dann MORTJURI das 4. In Flammen, begnügen sich aber nicht mit einem leichten Zündeln, sondern brennen mit ihrem melodischen Death/Black schon zu Beginn jede Menge imaginäres Holz nieder. Gelungene Kompositionen, die mit ordentlich Spielfreude und einem hervorragenden Sound dargebracht werden, locken alsbald die ersten Zuschauer aus ihren Zelten. Man mag sich darüber streiten, inwiefern die selbstironischen Ansagen der Atmosphäre schaden können, auf solch einem heimeligen Festival jedenfalls wird sich wohl kaum jemand daran stören, im Gegenteil.
Schöne Wortspiele ließen sich aufgrund des Zusammentreffens von BLASTING STORM und den schon fast orkanartigen Winden des Torgauer Vorstadtbiotops hervorzaubern. Das lassen wir der Seriosität halber mal und schauen uns lieber die mit wehenden Haaren ihren eigenwilligen Black Metal zelebrierenden Bandmitglieder an. Eigenwillig insofern, dass sich zu blutgefrierenden Schreien from outer space mit schöner Regelmäßigkeit beinahe grindcore-artige Growls und Strukturen einschleichen. Das reicht in jedem Fall, um sich zunächst einmal von der Masse abzuheben.
Bands mit dem Namen und dem prolligen Auftreten von GROBER KNÜPPEL versuchen damit meist von ihrem spielerischen Können oder sonstigen Defiziten abzulenken. Bei den Jungs aus Nordrhein-Westfalen allerdings verbirgt sich nach einigem genauen Hinhören zwischen den stets kompromisslos auf den Punkt gebrachten Hardcore-Brocken durchaus irgendwo ein gewisser Anspruch. Den stumpfen Rhythmen und direkten Brüllansagen kann man sich nur schwer entziehen, so dass sich die Dorfjugend gar zum ersten Moshpit versammelt.
RECAPTURE stehen echt drauf, das Publikum mit ihrem unspektakulären Äußeren in Sicherheit zu wiegen, um sie danach Stück für Stück auf gemeinste Art und Weise zu demontieren. Fesselnde, abwechslungsreiche und ungemein drückende Death-Thrash-Bomben, in denen Frontwalküre Michelle stets mit vollem Körpereinsatz die gemeinsten Töne aus ihren Tiefen herauspresst, lassen das Publikum ihr Letztes geben. Auf diese Band kann man sich verlassen wie auf nen Pornostar: Jederzeit und überall bereit, um mit enormer Standfestigkeit das Maximum aus dem Gegenüber herauszupumpen.
So ist es dann auch kaum verwunderlich, dass für GALADRIEL nicht mehr allzu viel Energie übrig zu sein scheint. Auch sonst haben die Slowaken mit ihrem dunklen Gothic Metal (und somit leichtem Exotenstatus) es etwas schwer beim Publikum. Trotz des krankheitsbedingt fehlenden zweiten Gitarristen machen die Instrumentalfraktion und der männliche Halsbonbon-Sänger zwar eine recht gute Figur, nur will der weibliche Gegenpart so ganz und gar nicht ins Bild passen. Es liegt die Vermutung nahe, das Publikum steht momentan eher auf Elfenschlachten als auf Elfengesang.
Die Hallenser WANDAR sind in diesen Breiten auch keine ganz Unbekannten mehr. Somit trifft ihr heroisch angehauchter Black Metal erneut auf genügend interessierte Ohren. Überraschend ist bei ihrem Auftritt einmal mehr die starke musikalische Variabilität, denn zwischen den rasenden Kreisch- und Blastattacken sorgen auch die epischen Hymnen für ein wohliges Gefühl in der Magengegend, während die rechte Hand bereits nach dem imaginären Schwert nestelt.
GORATH wirken zunächst wie eine dieser typischen belgischen Knüppelkombos, begeistern kurz darauf aber mit einer unglaublich abwechslungsreichen Black Metal Walze, die die müden Beine noch einmal ordentlich ins Schlottern geraten lässt. Auf allerhöchstem technischem Niveau brennt man zum Ende des ersten Tages ein Feuerwerk an großartigen Riffs und Melodien ab, so dass an ein vorzeitiges Schlafengehen nicht zu denken ist.
Samstag:
Noch nicht allzu lange am Start, aber bereits mit einem recht guten Gespür für groovige Death Metal Riffs kommen PRIMING PRESSURE daher und schicken sich an, den Festivalbesuchern das Steak aus dem Mundwinkel zu hämmern. Da kann man schon mal seine Brotzeit unterbrechen und den Leipzigern eine Chance geben, an Motivation scheint es jedenfalls nicht zu mangeln, auch wenn man in der generationenübergreifenden Band sicher noch etwas feilen kann.
“Zuhilf, die Piraten kommen!”, und sie scheinen schon eine ganze Weile unterwegs zu sein, denn PIRATES OF ACHERON sehen zwar altersmäßig nicht so aus, als hätten sie die 80er bewusst erlebt, die Klamotten und vor allem die Musik sprechen da aber eine ganz andere Sprache. Würde man die Augen schließen und hätte das entsprechende Alter, man könnte sich glatt in die Anfangszeiten von KREATOR oder SODOM zurückversetzen, denn hier wird den alten Haudegen gehuldigt, gehuldigt und nochmals gehuldigt.
Grindcore an sich ist in Konservenform ja meist nur etwas für Demenzkranke oder absolute Gewohnheitstiere, da sich nach einer knappen Minute das Geschehen grundsätzlich zu wiederholen scheint. Live dagegen sind die kurzen Aggressionshappen für den entsprechend Veranlagten die ideale Möglichkeit, alles und jeden zu vergessen und total legitim auszuflippen. Wenn wie bei den Berlinern von DISEASED GHOUL noch eine derart gut gelaunte Band die ganze Grunz-Quiek-Dresch-Schweinerei von sich gibt, steht einer totalen Party nichts mehr im Wege. Selten war Rülpsen in Gesellschaft so unterhaltsam.
Schon wieder eine ordentliche Packung Thrash, dieses Mal aber von der eher modernen Sorte gibt es von KINGDOM OF SALVATION. Gesanglich mit leichten Death-Einflüssen versehen zocken die Leverkusener fast schon routiniert ihre schnellen Riffs und spritzigen Melodien herunter. Das geht auf jeden Fall ins Ohr und in die Beine, nur irgendwie stellt man sich Thrash von der Spielart und auch vom Auftreten her irgendwie etwas weniger „sauber“ vor, so dass eine etwas bizarre Situation entsteht. Wie eine frisch renovierte Hauswand im Leipziger Süden, während überall drum herum die Spraydosen ihre Spuren hinterlassen haben.
PROFANATION sind und waren seit jeher einer dieser Bands, die wohl niemals aus der Masse der gefühlten Millionen Death Metal Bands herausragen werden und dies wohl auch nicht wollen. Durchaus kurzweilig und unterhaltsam kommen ihre druckvollen, aggressiven und bluttriefenden Stücke daher, originell oder irgendwie herausragend ist aber nichts davon. Dennoch, im heutigen Rahmen nutzen viele Leute die Gelegenheit, ihrem Steak statt Ketchup noch ne Portion Todesmetall obendrauf zu legen.
ALTUM ATRAMENTUM aus Thüringen indes versuchen, den teilweise doch recht festgetretenen Black Metal Pfaden das eine oder andere Blümchen am Wegesrand hinzuzufügen. Markant dürfte dabei der Einsatz einer Geigerin (samt Geige natürlich) sein, die einigen ausgewählten Stücken eine besondere Note verleiht. Aber auch ohne sie wird der Abwechslung deutlich Genüge getan. Klirrende Aggressivität und ausufernde Melodiebögen reichen sich die güldene Saite hin und her, der markante Gesang wechselt teilweise ins Dreistimmige und den ähnlich gearteten Kollegen WANDAR vom Vortag dankt man freundlich für die „Inspiration“. Ja, auch im Black Metal kann man freundlich sein.
DELTA CEPHEID haben in Torgau bereits letztes Jahr die Schwarte krachen lassen. Seitdem mussten sicher noch einige weitere Ringelschwänze ihr Leben lassen, denn mit enormem Selbstbewusstsein knallt man den Besuchern eine technisch brillante und stets überraschende Death Metal Symphonie um die Ohren, bei der man sich eigentlich immer nur fragt, wie sehr das Ganze irgendwann mal mit einer fetten Produktion knallen wird. Stilgrenzen, wo seid ihr? Hier jedenfalls sieht man nur ihre Staubwolken.
Aus all dem Schmutz tauchen dann aber alsbald einige glatt gebügelte Recken heraus, um ganz im Stile des Ying Yang wieder eine Schachtel Black Metal anzubrechen. Mit neuem Album im Gepäck lassen MOR DAGOR ein riffbetontes, schwedisch orientiertes Inferno auf die Zuschauer niederprasseln, die alsbald schützend die Hand vor ihr Getränk halten müssen, aus Angst vor spontaner Überhitzung. Pinkelpausen gönnen ihnen die Essener jedenfalls auch nicht, denn Platz zum Verschnaufen ist in ihren rasenden Prügelkompositionen nicht vorgesehen. Wer dafür stark genug ist, kann jedenfalls Matten und Fäuste ungeniert kreisen lassen.
Am Vorabend noch mit übergroßer, selbst gebastelter Pommesgabel auf Promo-Tour durch die Reihen marschiert, präsentieren sich DRAGONSFIRE mit ihrem Lieblingsspielzeug nun auch auf der Bühne. Die Befürchtung, dass die Hessen mit ihrem traditionellen Heavy Metal zwischen all den todesmutigen Zuschauern untergehen könnten, bewahrheitet sich zum Glück nicht. Im Gegenteil, die mitreißenden Riffs, die naive Gutlaune-Attitüde des Genres und ein sympathischer Frontmann ziehen schnell das Publikum in ihren Bann und setzen damit sicherlich einen weiteren Glanzpunkt des Festivals.
Böse Zungen könnten behaupten, dass DAWN OF FATE immer noch von einer Handvoll Songs aus der Vergangenheit profitieren und nur an dieser Stelle auf der Bühne stehen dürfen, weil einer der Bandmitglieder mit dem Veranstalter schläft. Nichtsdestotrotz gehört die In Flammen Hausband irgendwie zur Veranstaltung, zumal es heute mit dem Abschied des langjährigen Gitarristen passend zur neuen Festival-Location auch eine Art Neuanfang zu feiern gibt. Ein Neuanfang, der auch mit neuen, technisch deutlich ausgefuchsteren Death/Thrash Stücken geprägt ist, dennoch die offene Ausrichtung der Band nicht verloren hat. Die Torgauer jedenfalls fressen ihnen nach wie vor das Futter aus der Hand.
Auch bei CLITEATER gilt es einen Abschied gebührend zu feiern. Hier nimmt der Drummer seinen Hut und das Publikum wird entsprechend ermuntert, es noch einmal ordentlich krachen zu lassen. Der Grindcore der Holländer gibt sich zwar kurz, knackig und gewohnt unverständlich, nichtsdestotrotz sorgen die immer wieder mal hervorlugenden knackigen Grooves und nicht zuletzt die motivierende Art des Frontgurglers für einen ungemeinen Motivationsschub, der den Platz vor der Bühne in Asche verwandelt. Was danach folgt ist eine wildgewordene, teilweise außer Kontrolle geratene Party, die ihresgleichen sucht. Als schließlich ein Großteil der Meute auf die Bühne geholt wird, kann sich kaum noch jemand beherrschen. Zwei besonders auffällige Exemplare lassen es sich dabei nicht nehmen, der Reihe nach Hosen, Unterhosen und untere Hoden zu präsentieren und einen auf Schwanzpropeller zu machen. Das schockiert dann aber selbst den Porngrind-erprobten Sänger, der den Rest des Auftritts lieber alleine und ohne die Gefahr einer spontanen Besteigung beendet. In jedem Fall aber ein Ereignis, was man nicht so schnell vergessen kann.
Das haben zu fortgeschrittener Stunde auch DARK FORTRESS zu spüren. Obwohl der Auftritt und das Songmaterial der Landshuter Blackies gewohnt hochgradig ausfallen, gibt sich das Publikum doch etwas ausgelaugt. Dennoch hat eine der Speerspitzen des deutschen Black Metals die Headliner-Position mehr als verdient, auch wenn die Professionalität fast schon wieder eine kleine Wand zwischen Band und Meute entstehen lässt. Weitläufige und hymnische Melodiebögen sind die Schaumkronen auf der Woge aus sirrenden Gitarrenriffs, kauzigem Gekeife und flottem Drumming, welche unbarmherzig das letzte Stückchen Leben auslöscht und von der einst grünen Landschaft nur noch einen schwarzen, ausgebrannten und dunklen Wald zurücklässt.
Fazit:
Das vierte In Flammen hat seine Erwartungen mehr als erfüllt. Trotz des eher bescheidenen Wetters fanden sich doch ein paar Hundert Fans für die wirklich sehr abwechslungsreiche und gelungene Bandauswahl. Echte Durchhänger waren eigentlich nicht vorhanden, auch die eher unbekannteren Bands hatten allesamt etwas zu bieten. Zudem war der Sound bis auf kleinere Ausnahmen durchweg sehr gelungen und in genau der richtigen Lautstärke, so dass man auch ohne Ohrstöpsel glücklich werden konnte (Was ja leider in den letzten Jahren zur Ausnahme gehört). Die Wahl der Verpflegung stellte einen zwar nicht gerade vor große Entscheidungsschwierigkeiten, aber immerhin konnte man stets zwischen Steak und Bratwurst, später sogar auch noch zwischen Pommes wählen.
Die Location wusste wirklich sehr zu gefallen und bietet auch im nächsten Jahr noch genügend Platz für jede Menge weitere Besucher, die sich hoffentlich endlich mal einen Ruck geben und ihre Hintern bewegen. Zu wünschen wäre es allen Beteiligten jedenfalls, denn würde jeder so viel Herzblut und Arbeit in solch eine Veranstaltung stecken, bliebe kaum noch Zeit für eine Wirtschaftskrise.
Fotos von Madlen Krell, außer Priming Pressure von Christian
Freitag:
Fast schon überpünktlich eröffnen dann MORTJURI das 4. In Flammen, begnügen sich aber nicht mit einem leichten Zündeln, sondern brennen mit ihrem melodischen Death/Black schon zu Beginn jede Menge imaginäres Holz nieder. Gelungene Kompositionen, die mit ordentlich Spielfreude und einem hervorragenden Sound dargebracht werden, locken alsbald die ersten Zuschauer aus ihren Zelten. Man mag sich darüber streiten, inwiefern die selbstironischen Ansagen der Atmosphäre schaden können, auf solch einem heimeligen Festival jedenfalls wird sich wohl kaum jemand daran stören, im Gegenteil.
Schöne Wortspiele ließen sich aufgrund des Zusammentreffens von BLASTING STORM und den schon fast orkanartigen Winden des Torgauer Vorstadtbiotops hervorzaubern. Das lassen wir der Seriosität halber mal und schauen uns lieber die mit wehenden Haaren ihren eigenwilligen Black Metal zelebrierenden Bandmitglieder an. Eigenwillig insofern, dass sich zu blutgefrierenden Schreien from outer space mit schöner Regelmäßigkeit beinahe grindcore-artige Growls und Strukturen einschleichen. Das reicht in jedem Fall, um sich zunächst einmal von der Masse abzuheben.
Bands mit dem Namen und dem prolligen Auftreten von GROBER KNÜPPEL versuchen damit meist von ihrem spielerischen Können oder sonstigen Defiziten abzulenken. Bei den Jungs aus Nordrhein-Westfalen allerdings verbirgt sich nach einigem genauen Hinhören zwischen den stets kompromisslos auf den Punkt gebrachten Hardcore-Brocken durchaus irgendwo ein gewisser Anspruch. Den stumpfen Rhythmen und direkten Brüllansagen kann man sich nur schwer entziehen, so dass sich die Dorfjugend gar zum ersten Moshpit versammelt.
RECAPTURE stehen echt drauf, das Publikum mit ihrem unspektakulären Äußeren in Sicherheit zu wiegen, um sie danach Stück für Stück auf gemeinste Art und Weise zu demontieren. Fesselnde, abwechslungsreiche und ungemein drückende Death-Thrash-Bomben, in denen Frontwalküre Michelle stets mit vollem Körpereinsatz die gemeinsten Töne aus ihren Tiefen herauspresst, lassen das Publikum ihr Letztes geben. Auf diese Band kann man sich verlassen wie auf nen Pornostar: Jederzeit und überall bereit, um mit enormer Standfestigkeit das Maximum aus dem Gegenüber herauszupumpen.
So ist es dann auch kaum verwunderlich, dass für GALADRIEL nicht mehr allzu viel Energie übrig zu sein scheint. Auch sonst haben die Slowaken mit ihrem dunklen Gothic Metal (und somit leichtem Exotenstatus) es etwas schwer beim Publikum. Trotz des krankheitsbedingt fehlenden zweiten Gitarristen machen die Instrumentalfraktion und der männliche Halsbonbon-Sänger zwar eine recht gute Figur, nur will der weibliche Gegenpart so ganz und gar nicht ins Bild passen. Es liegt die Vermutung nahe, das Publikum steht momentan eher auf Elfenschlachten als auf Elfengesang.
Die Hallenser WANDAR sind in diesen Breiten auch keine ganz Unbekannten mehr. Somit trifft ihr heroisch angehauchter Black Metal erneut auf genügend interessierte Ohren. Überraschend ist bei ihrem Auftritt einmal mehr die starke musikalische Variabilität, denn zwischen den rasenden Kreisch- und Blastattacken sorgen auch die epischen Hymnen für ein wohliges Gefühl in der Magengegend, während die rechte Hand bereits nach dem imaginären Schwert nestelt.
GORATH wirken zunächst wie eine dieser typischen belgischen Knüppelkombos, begeistern kurz darauf aber mit einer unglaublich abwechslungsreichen Black Metal Walze, die die müden Beine noch einmal ordentlich ins Schlottern geraten lässt. Auf allerhöchstem technischem Niveau brennt man zum Ende des ersten Tages ein Feuerwerk an großartigen Riffs und Melodien ab, so dass an ein vorzeitiges Schlafengehen nicht zu denken ist.
Samstag:
Noch nicht allzu lange am Start, aber bereits mit einem recht guten Gespür für groovige Death Metal Riffs kommen PRIMING PRESSURE daher und schicken sich an, den Festivalbesuchern das Steak aus dem Mundwinkel zu hämmern. Da kann man schon mal seine Brotzeit unterbrechen und den Leipzigern eine Chance geben, an Motivation scheint es jedenfalls nicht zu mangeln, auch wenn man in der generationenübergreifenden Band sicher noch etwas feilen kann.
“Zuhilf, die Piraten kommen!”, und sie scheinen schon eine ganze Weile unterwegs zu sein, denn PIRATES OF ACHERON sehen zwar altersmäßig nicht so aus, als hätten sie die 80er bewusst erlebt, die Klamotten und vor allem die Musik sprechen da aber eine ganz andere Sprache. Würde man die Augen schließen und hätte das entsprechende Alter, man könnte sich glatt in die Anfangszeiten von KREATOR oder SODOM zurückversetzen, denn hier wird den alten Haudegen gehuldigt, gehuldigt und nochmals gehuldigt.
Grindcore an sich ist in Konservenform ja meist nur etwas für Demenzkranke oder absolute Gewohnheitstiere, da sich nach einer knappen Minute das Geschehen grundsätzlich zu wiederholen scheint. Live dagegen sind die kurzen Aggressionshappen für den entsprechend Veranlagten die ideale Möglichkeit, alles und jeden zu vergessen und total legitim auszuflippen. Wenn wie bei den Berlinern von DISEASED GHOUL noch eine derart gut gelaunte Band die ganze Grunz-Quiek-Dresch-Schweinerei von sich gibt, steht einer totalen Party nichts mehr im Wege. Selten war Rülpsen in Gesellschaft so unterhaltsam.
Schon wieder eine ordentliche Packung Thrash, dieses Mal aber von der eher modernen Sorte gibt es von KINGDOM OF SALVATION. Gesanglich mit leichten Death-Einflüssen versehen zocken die Leverkusener fast schon routiniert ihre schnellen Riffs und spritzigen Melodien herunter. Das geht auf jeden Fall ins Ohr und in die Beine, nur irgendwie stellt man sich Thrash von der Spielart und auch vom Auftreten her irgendwie etwas weniger „sauber“ vor, so dass eine etwas bizarre Situation entsteht. Wie eine frisch renovierte Hauswand im Leipziger Süden, während überall drum herum die Spraydosen ihre Spuren hinterlassen haben.
PROFANATION sind und waren seit jeher einer dieser Bands, die wohl niemals aus der Masse der gefühlten Millionen Death Metal Bands herausragen werden und dies wohl auch nicht wollen. Durchaus kurzweilig und unterhaltsam kommen ihre druckvollen, aggressiven und bluttriefenden Stücke daher, originell oder irgendwie herausragend ist aber nichts davon. Dennoch, im heutigen Rahmen nutzen viele Leute die Gelegenheit, ihrem Steak statt Ketchup noch ne Portion Todesmetall obendrauf zu legen.
ALTUM ATRAMENTUM aus Thüringen indes versuchen, den teilweise doch recht festgetretenen Black Metal Pfaden das eine oder andere Blümchen am Wegesrand hinzuzufügen. Markant dürfte dabei der Einsatz einer Geigerin (samt Geige natürlich) sein, die einigen ausgewählten Stücken eine besondere Note verleiht. Aber auch ohne sie wird der Abwechslung deutlich Genüge getan. Klirrende Aggressivität und ausufernde Melodiebögen reichen sich die güldene Saite hin und her, der markante Gesang wechselt teilweise ins Dreistimmige und den ähnlich gearteten Kollegen WANDAR vom Vortag dankt man freundlich für die „Inspiration“. Ja, auch im Black Metal kann man freundlich sein.
DELTA CEPHEID haben in Torgau bereits letztes Jahr die Schwarte krachen lassen. Seitdem mussten sicher noch einige weitere Ringelschwänze ihr Leben lassen, denn mit enormem Selbstbewusstsein knallt man den Besuchern eine technisch brillante und stets überraschende Death Metal Symphonie um die Ohren, bei der man sich eigentlich immer nur fragt, wie sehr das Ganze irgendwann mal mit einer fetten Produktion knallen wird. Stilgrenzen, wo seid ihr? Hier jedenfalls sieht man nur ihre Staubwolken.
Aus all dem Schmutz tauchen dann aber alsbald einige glatt gebügelte Recken heraus, um ganz im Stile des Ying Yang wieder eine Schachtel Black Metal anzubrechen. Mit neuem Album im Gepäck lassen MOR DAGOR ein riffbetontes, schwedisch orientiertes Inferno auf die Zuschauer niederprasseln, die alsbald schützend die Hand vor ihr Getränk halten müssen, aus Angst vor spontaner Überhitzung. Pinkelpausen gönnen ihnen die Essener jedenfalls auch nicht, denn Platz zum Verschnaufen ist in ihren rasenden Prügelkompositionen nicht vorgesehen. Wer dafür stark genug ist, kann jedenfalls Matten und Fäuste ungeniert kreisen lassen.
Am Vorabend noch mit übergroßer, selbst gebastelter Pommesgabel auf Promo-Tour durch die Reihen marschiert, präsentieren sich DRAGONSFIRE mit ihrem Lieblingsspielzeug nun auch auf der Bühne. Die Befürchtung, dass die Hessen mit ihrem traditionellen Heavy Metal zwischen all den todesmutigen Zuschauern untergehen könnten, bewahrheitet sich zum Glück nicht. Im Gegenteil, die mitreißenden Riffs, die naive Gutlaune-Attitüde des Genres und ein sympathischer Frontmann ziehen schnell das Publikum in ihren Bann und setzen damit sicherlich einen weiteren Glanzpunkt des Festivals.
Böse Zungen könnten behaupten, dass DAWN OF FATE immer noch von einer Handvoll Songs aus der Vergangenheit profitieren und nur an dieser Stelle auf der Bühne stehen dürfen, weil einer der Bandmitglieder mit dem Veranstalter schläft. Nichtsdestotrotz gehört die In Flammen Hausband irgendwie zur Veranstaltung, zumal es heute mit dem Abschied des langjährigen Gitarristen passend zur neuen Festival-Location auch eine Art Neuanfang zu feiern gibt. Ein Neuanfang, der auch mit neuen, technisch deutlich ausgefuchsteren Death/Thrash Stücken geprägt ist, dennoch die offene Ausrichtung der Band nicht verloren hat. Die Torgauer jedenfalls fressen ihnen nach wie vor das Futter aus der Hand.
Auch bei CLITEATER gilt es einen Abschied gebührend zu feiern. Hier nimmt der Drummer seinen Hut und das Publikum wird entsprechend ermuntert, es noch einmal ordentlich krachen zu lassen. Der Grindcore der Holländer gibt sich zwar kurz, knackig und gewohnt unverständlich, nichtsdestotrotz sorgen die immer wieder mal hervorlugenden knackigen Grooves und nicht zuletzt die motivierende Art des Frontgurglers für einen ungemeinen Motivationsschub, der den Platz vor der Bühne in Asche verwandelt. Was danach folgt ist eine wildgewordene, teilweise außer Kontrolle geratene Party, die ihresgleichen sucht. Als schließlich ein Großteil der Meute auf die Bühne geholt wird, kann sich kaum noch jemand beherrschen. Zwei besonders auffällige Exemplare lassen es sich dabei nicht nehmen, der Reihe nach Hosen, Unterhosen und untere Hoden zu präsentieren und einen auf Schwanzpropeller zu machen. Das schockiert dann aber selbst den Porngrind-erprobten Sänger, der den Rest des Auftritts lieber alleine und ohne die Gefahr einer spontanen Besteigung beendet. In jedem Fall aber ein Ereignis, was man nicht so schnell vergessen kann.
Das haben zu fortgeschrittener Stunde auch DARK FORTRESS zu spüren. Obwohl der Auftritt und das Songmaterial der Landshuter Blackies gewohnt hochgradig ausfallen, gibt sich das Publikum doch etwas ausgelaugt. Dennoch hat eine der Speerspitzen des deutschen Black Metals die Headliner-Position mehr als verdient, auch wenn die Professionalität fast schon wieder eine kleine Wand zwischen Band und Meute entstehen lässt. Weitläufige und hymnische Melodiebögen sind die Schaumkronen auf der Woge aus sirrenden Gitarrenriffs, kauzigem Gekeife und flottem Drumming, welche unbarmherzig das letzte Stückchen Leben auslöscht und von der einst grünen Landschaft nur noch einen schwarzen, ausgebrannten und dunklen Wald zurücklässt.
Fazit:
Das vierte In Flammen hat seine Erwartungen mehr als erfüllt. Trotz des eher bescheidenen Wetters fanden sich doch ein paar Hundert Fans für die wirklich sehr abwechslungsreiche und gelungene Bandauswahl. Echte Durchhänger waren eigentlich nicht vorhanden, auch die eher unbekannteren Bands hatten allesamt etwas zu bieten. Zudem war der Sound bis auf kleinere Ausnahmen durchweg sehr gelungen und in genau der richtigen Lautstärke, so dass man auch ohne Ohrstöpsel glücklich werden konnte (Was ja leider in den letzten Jahren zur Ausnahme gehört). Die Wahl der Verpflegung stellte einen zwar nicht gerade vor große Entscheidungsschwierigkeiten, aber immerhin konnte man stets zwischen Steak und Bratwurst, später sogar auch noch zwischen Pommes wählen.
Die Location wusste wirklich sehr zu gefallen und bietet auch im nächsten Jahr noch genügend Platz für jede Menge weitere Besucher, die sich hoffentlich endlich mal einen Ruck geben und ihre Hintern bewegen. Zu wünschen wäre es allen Beteiligten jedenfalls, denn würde jeder so viel Herzblut und Arbeit in solch eine Veranstaltung stecken, bliebe kaum noch Zeit für eine Wirtschaftskrise.
Fotos von Madlen Krell, außer Priming Pressure von Christian