W.O.A. XX

W.O.A. XX

Amon AmarthCathedralDer WDoroEndstilleEnslavedGamma RayGWARHammerfallHeaven & HellHeaven Shall BurnIn ExtremoIn FlamesInsidious DiseaseMachine HeadMotörheadNapalm DeathNevermorePainRageRunning WildSarkeSaxonUFOVolbeatVreidWalls Of JerichoWhiplash
Wacken
29.07.2009
Das Festival der Festivals! Während es anderswo noch um die Musik geht, wird in Wacken alles getan, um die teuer zahlenden Besucher rundherum zu unterhalten. Modernes Metal-Entertainment mit ein bisschen musikalischer Untermalung sozusagen. Da gibt es ein schniekes Mittelalterdörfchen mit Minne, Met und moppligen Maiden. Nicht zu vergessen die Jungs, die sich unter dem Vorwand des Rollenspiels mit Schwert und Axt mal richtig kloppen dürfen. Apropos Kloppen: Ein Wrestling-Zelt steht dieser Jahr auch auf dem Wacken-Acker rum.
Das und allerlei andere Attraktionen sorgen wieder einmal dafür, dass man für den Weg von einer Bühne zur anderen etwas mehr Zeit einplanen muss. Und nein, Wacken riecht nicht gut. Es riecht sogar verdammt eklig nach verrottetem Grünzeug und den Ausscheidungen gefühlter 100.000 ungewaschener Metaller. Aber wir wollen hier mal nicht alles schlecht reden... [yb]

Richtig, zumal sich bei Ankunft auf diesem Acker - unsererseits schon am Donnerstag - nach Sekunden das gute Gefühl der Heimkehr einstellt: Stroh unter den Füßen, ein flammender Schädel vor dem weiten Himmelsrund, Stromgitarren umschmeicheln das Ohr, und auf dem Grill müht sich von kundiger Hand geschnittenes Fleisch um angenehme Bräunung, damit das goldene Getränk der Götter seinen großen Abend in angemessener Begleitung antreten kann. Die Seele hüpft in freudiger Erwartung, also rein ins Getümmel und geben wir dem Affen Zucker...[rs]

Donnerstag

Gleich zum Auftakt wartet eine alles andere als schwierige Entscheidung auf den noch ungewässerten Metallkopp: D.A.D. oder SCHANDMAUL, dänische Eier oder deutsche Säcke? - Klare Sache, also auf zur Party Stage, wo sich die Küstennebelwerfer bereits gut eingerichtet haben. Der Andrang ist naturgemäß überschaubar, doch wie auf dem WFF spinnen D.A.D. auch auf dem heiligen Acker erfolgreich am Bande, welches Musiker an Meute bindet. Dazu ein frisch gezapftes Bier, den Hut etwas tiefer ins Gesicht gezogen, und hinter der Sonnenbrille fleißig an neuen Lachfalten gearbeitet - "Sleeping My Day" kriegen wir später.

Stephan Weidner alias DER W scheint 2009 im Angriffsmodus zu verbringen, denn nach dem WFF darf er nun auch das Wacken Open Air zu recht günstiger Zeit mit seinen leicht muffigen Befindlichkeitsgedanken schwängern. Dass der gute Mann dabei trotz Einzelgängerlyrik immer ein wenig anbiedernd rüberkommt, sei ihm ob der über ihm geleerten Kübel verziehen – schlussendlich entern regelmäßig schlechtere Musiker die Festivalbühnen dieses Landes.
Dementsprechend widerhakenfrei steht man sich dann auch durch die aktuellen Nummern, von denen das mit Streicherunterstützung dargebotene „Angst“ sicherlich die interessanteste ist, während die Handbremse im Abgehbereich für diesen Acker noch etwas zu fest sitzt. Und mal ehrlich: Das Rock am Ring soll ja auch sehr gewöhnlich, ach was, gewöhnlich sehr schön sein…

Damit aber zum nächsten Programmpunkt, und was haben wir uns gesehnt: Endlich Glamour, endlich gute Laune, endlich fuckin‘ Awards auf dem Wacken! Und dann auch noch die vom Metal Hammer, der bekanntlich größten, besten und überhaupt most credible voice of the metal underground, wo geben tut. Unwillkürlich fragt man sich gar, ob die vergangenen W:O:As wirklich so lustig gewesen sein können, wo doch neben Wrestling-Arena, Mittelalterbühne und Kino vor Allem diese unheimlich gran-di-ooose- Stimmungsbombe namens Metal Hammer Awards gefehlt hat. 30 Minuten lang schreit sich Sabina Classen die Halswirbelsäule aus der Nase, was allerdings nichts daran ändert, dass die Vorstellungen der Hammer-Redaktion (nebst Leserschaft) in puncto Metalszene offenbar so breit gefächert sind wie Dieter Bohlens Frauengeschmack.
Logische Folge sind verdutzte Gesichter ob der hypehörigen Nominierungen, hier und da weint ein junger Metalhead vor Ratlosigkeit völlig enthemmt die Farbe vom BLIND GUARDIAN-Shirt, die Bierstände haben mittlerweile wahrscheinlich ihren Wochenendumsatz in Sack und Tüten. Aber was soll das Klagen: Zumindest wissen wir jetzt definitiv, dass SUBWAY TO SALLY besser als RAMMSTEIN sind und METALLICA „leider nur per Videobotschaft zugeschaltet sein können“ – aber auch die haben sich sicher tierisch gefreut. – „Wacken!!! Kann ich euch nochmal schreien hören…“

An diese Stimmungskanonade anzuknüpfen, fällt den meinerseits herbeigesehnten RUNNING WILD im Anschluss leider gar nicht mal so leicht, obwohl man am heutigen Tag eigentlich einen grandiosen Schlusspunkt unter die eigene Bandgeschichte setzen will. Los geht's mit dem "Pile Of Skulls"-Intro "Chamber Of Lies", dem man jedoch unverständlicherweise nicht gleich den Smasher "Whirlwind" folgen lässt - den hebt man sich für später auf, um statt dessen mit "Port Royal" und "Bad To The Bone" eher konservativ zu starten. Rolf und Sidekicks geben sich dem Anlass entsprechend alle Mühe, haben für den Abschied tief in der Klamottenkiste gewühlt und nutzen den gebotenen Raum auf der Bühne weidlich aus, nur fehlt der entscheidende Klick, der aus einem routinierten Konzert ein Erlebnis macht. Auffällig ist darüber hinaus ein Überangebot an Stampfern, während das Überalbum "Pile Of Skulls" - wie auch "Black Hand Inn" - sträflich vernachlässigt wird: Wie kann man das eher behäbige "Soulless" spielen, aber "The Phantom..." und "The Privateer" ignorieren? Wo bleiben Glanztaten wie "Black Wings Of Death" und "Lead Or Gold", die das so unvermeidliche wie langweilige "Prisoners Of Our Time" ohne Anlauf in die Tasche stecken? - Auf's Drumsolo würde ich dafür ausnahmsweise gern verzichten...
Mit viel gutem Willen kommt man in den Genuss eines überlangen Sets aus Klassikern und aktuellem Material und kann ein Häkchen hinter "RUNNING WILD, Abschiedsgig" setzen - für all jene, die Deutschlands meiste Piraten vor ein paar Jahren an gleicher Stelle in Höchstform gesehen haben, dürfte das Spektakel indes ein wenig zu farblos ausfallen, auch wenn es dafür keine rationale Erklärung gibt. Objektiv gesehen eine solide Darbietung, für mich persönlich neben dem gleich im Anschluss verpennten Gig von GRAND MAGUS eine der größeren Schlappen des ersten Festivaltages. Mal schauen, wie sich Monsieur Halling tröstet... [rs]

Fette Gitarren erklingen, die Drums wummern und überraschenderweise ertönt Dios Stimme. Wieso überraschend? Ganz einfach, weil ich, meine Freunde und viele andere Menschen auf eine leere Bühne starren. Das Konzert wurde eine Bühne weiter nach rechts verlegt, da heißt es nun sich von den wabernden Massen rüberquetschen zu lassen, um die Metallegende schlechthin zu bestaunen. HEAVEN & HELL aka BLACK SABBATH sind am Start und haben enorme Spiellaune und einen bombastischen Sound mitgebracht. Dio ist hervorragend bei Stimme und Tony Iommi äh, naja…steht halt rum und spielt Gitarre, dafür aber wie kein zweiter, denn es gibt ihn nur einmal. Die Songs sitzen und Granaten wie ‘‘Heaven and Hell‘‘, ‘‘Dehumanizer‘‘ oder ‘‘The Mob Rules‘‘ lassen einen in alten Zeiten schwelgen und das schüttere Haupthaar in Wallung bringen. Wer in dem Alter noch in der Lage ist, eine so kraftvolle Performance hinzulegen und so euphorisierend auf das Publikum zu wirken, der hat den allergrößten Respekt verdient und deshalb sage ich: Hut ab die Herren![ph]


Freitag

Aufstehen, Dosenbrötchen, grimmig schauen - Zeit für etwas Kraft durch VRRREID. Die Lieblingsnorweger gleichen ihren BM-typischen Startplatz um 11 Uhr durch stylisch-schwarze Uniformierung aus und legen mit Material der aktuellen Wiederstandsschallplatte auch sehr gut vor, was angesichts des immer garstig rockenden Schwarzmetalls der Kapelle nicht weiter verwundert. Ein erster Blick in die verknautschte Runde zeigt überdies unverhofft zahlreichen Zuspruch, der von zustimmendem Nicken bis hin zu vereinzelten Amputationsversuchen im Kopfbereich reicht und zeigt, dass VREID mittlerweile doch auf eine recht solide Fanbasis bauen können. Einmal mehr ein gelungener Gig - jetzt aber fix zum britischen Weckservice nebenan... [rs]

…und da gibt es wie immer reichlich auf die Omme, aber wer hätte das bei NAPALM DEATH auch anders erwartet?! Niemand und deshalb verwundert es auch nicht, dass die Leute zu tausenden vor der Bühne stehen und das Grindcore-Gewitter über sich ergehen lassen. Das Übliche wird einem geboten: Shane wackelt und hat 'ne feine Tonsur, Drummer Danny klöppelt uns ordentlich eins vorn Schädel, Gitarrist Mitch keift ab und an rum und Barney macht einen auf Epileptiker. Alles wie beim Alten also. Da kann man nichts verkehrt machen.

Im Anschluss gibt es eher ruhige, rockige Klänge zu bestaunen, denn UFO bitten zum musikalischen Stelldichein. Genau die richtige Musik am frühen Morgen, wenn das erste Bierchen noch nicht so richtig den Hals runter will. Hits wie ‘‘Too Hot To Handle‘‘ oder ‘‘Loser‘‘ dürfen nicht fehlen und verbreiten gute Stimmung. Von tosendem Applaus zu sprechen, wäre bei den Alt-Rockern aber übertrieben - dennoch machen UFO ihre Sache grundsolide.

Nachdem diese leichten Klänge besänftigen, ist es nun Zeit, aus diesem Prinzessinnenschlaf gerissen zu werden. Und wer eignet sich da besser als Nordmänner mit dem Hang zur Kriegsthematik? Richtig, ENDSTILLE selbst stehen auf der Black Stage. Sänger Iblis ist heute nicht zugegen, wird aber adäquat von KOLDBRANN-Fronter Mannevond ersetzt. Wobei man sich fragt, wie der so schnell alle deutschen Texte lernen konnte. Egal, ENDSTILLE brettern wie immer durch ihr Set, ‘‘Bastard‘‘ oder auch ‘‘Endstilles Reich‘‘ sind die Titel der nächsten 45 Minuten. Entweder man mag das, oder man mag das nicht. Den meisten Leuten vor der Black Stage scheint es zu gefallen, und so verlassen ENDSTILLE unter großem Jubel die Bühne. [ph]

Großen Jubel können auch GAMMA RAY verbuchen, allerdings eher mit etwas staubigem Material: Richtig laut wird es nämlich erst gegen Ende des Sets, als man mit "Future World" und "I Want Out" zwei HELLOWEEN-Kracher ins Gedränge feuert, gegen die keine der beiden Bands mehr anstinken konnte. Ansonsten liefert das wie immer gut gelaunte Melodic-Urgestein klassisch süßliche Unterhaltung, die leicht schmeckt und nicht belastet - für die fortgeschrittene Mittagsstunde also durchaus angemessen.

WALLS OF JERICHO läuten anschließend eine wohlverdiente Pause ein - die Wahl zwischen Supernanny Candace und einer Lamacun kann das kleinasiatische Fleischgebäck mit einer kleinen Rolle seitwärts problemlos für sich entscheiden.

Und der Körper braucht ja auch Energie: Mit NEVERMORE wird es nun nämlich ziemlich mighty! Kam im Vorfeld noch die Frage nach den Livequalitäten der Amis auf, so wischt man bereits mit den Openern "This Sacrament" und "The River Dragon Has Come" sämtliche Zweifel vom Acker: Warrel Dane ist mit Sicherheit kein schöner Anblick, aber was der Kerl hier und heute stimmlich abzieht, ist schlicht und ergreifend perfekt. Dazu gibt sich die Band angenehm zurückhaltend und lässt vor ergriffener Kulisse ihre Kompositionen für sich sprechen: "Dead Heart, In A Dead World", "Enemies Of Reality", "The Heart Collector", "Narcosynthesis", "This Godless Endeavor", "Inside Four Walls", "I, Voyager", "Born" - wer diesen Auftritt verpasst hat, darf nun ganz schnell nach der Kuscheldecke greifen und sich leise in den Schlaf heulen. Grandioses Kino in überwiegend granatigem Soundgewand! [rs]

„Habe Treppe…“ – nicht erst seit KISS ist bekannt, dass echte Rockbands gerne mit stählernen Niveauwechslern arbeiten, was HAMMERFALL vielleicht zu ihrem metallischen Bühnendesign inspiriert haben könnte. Dazu noch ein schlichtes Logoschild und etwas Feuer – mehr brauchen die Schweden heute nicht, um ein bunt gemischtes Völkchen vor die große Bühne zu locken.
Umso erfeulicher, dass auch Mister Cans trotz verboten aussehendem Dreitagebartversuch bestens bei Stimme ist: Der Einstieg gerät mit „Bloodbound“ und „Renegade“ samt Pyros herrlich pathosschwanger, bevor man sich über „Last Man Standing“ und den zeitlosen Teflonkracher „Heeding The Call“ an den einzig wahren Schlüpferstürmer herantastet – „Glory To The Brave“! Bei dieser Übernummer zeigt sich dann auch, dass im Publikum nicht wenige Heimlich-die Balladen-Hörer vertreten sind, denn die Textsicherheit im weiteren Umfeld ist angesichts der tiefroten Emo-Skala wahrlich beeindruckend und macht das Herzstück des Gigs zu etwas seltsam Berührendem.
Nach dem im Trance verlorenen „Life Is Now“ darf zu „Riders On The Storm“ wieder die Keule tanzen, bis nach dem Hammerfall dann auch das letzte Herz in Flammen steht – wie schon bei NEVERMORE ein ganz starker Auftritt, der so manchen Headliner alt aussehen lässt und mal wieder nach einer Indoorhuldigung schreit. [rs]

Auf der Wet Stage schwingen direkt danach WHIPLASH die Old-School-Thrash-Keule und bringen das zum Zerbersten gefüllte Zelt gut in Wallung. Partystimmung macht sich breit, und das Auditorium löst die Haargummis, um kräftig die Matte zu schwingen. Gewöhnungsbedürftig ist sicherlich die enorm hohe Stimme von Sänger Tony Portaro. Doch so war das nun mal in den Achtzigern; da wurde halt nicht gegrunzt, sondern möglichst schrill gesungen. WHIPLASH macht es sichtlich Spaß, vor dem abgehenden Publikum zu spielen, und so geben sie alles, um den Pegel zu halten, was ihnen auch gelingt. Verschwitzt und vergnügt beenden sie nach fünfzig Minuten einen formidablen Gig. [ph]

Zurück zur Main Stage, zurück zu MOTÖRHEAD. Lemmy und Konsorten wollen heute scheinbar gleich vom Start weg Gas geben und bringen die Massen mit "Iron Fist" und "Stay Clean" ohne Vorspiel auf Betriebstemperatur. Als dann auch "Metropolis" relativ zeitig hinterhergeworfen wird, fragt man sich langsam, ob die routiniert aufspielenden Urgesteine noch etwas vorhaben - und siehe da: Nach dem knackig-trockenen "Going To Brazil" wird der erste und letzte Lemmy aller Zeiten von drei leicht bekleideten Damen umgarnt, die zu "Killed By Death" zeigen, dass das Thema Tanzen in Deutschland nicht bei Two Step und Walzer endet. Der Meister ist "amused", legt mit "Ace Of Spades" noch einen drauf und verabschiedet sich schließlich unter tatkräftiger Mithilfe von Nina C. (SKEW SISKIN) mit "Overkill". Das war MOTÖRHEAD, das war Rock and Roll! [rs]

Da MOTÖRHEAD mich noch nie aus den Socken haue konnten, gehe ich lieber ins Zelt zu INSIDIOUS DISEASE. Die kennt keiner? Ihr werdet sie kennenlernen. Die All- Star- Truppe besteht aus Mitgliedern von DIMMU BORGIR, NAPALM DEATH und den seligen MORGOTH. Sänger Marc besticht durch Kontaktlinsen, die sehr stark blau leuchten, das liegt wohl am Schwarzlicht. Der Mann kann aber mehr, nämlich viehisch rumblöken. INSIDIOUS DISEASE brettern los als gäbe es kein Morgen, mal old schoolig, mal grindig, mal superschnell. Sehr facettenreich das Dargebotene. Das Publikum geht auch ordentlich steil. Geiler Auftritt von einer Band, von der in Zukunft noch einiges zu hören sein wird![ph]

Kann es sein, dass IN FLAMES auf ihre musikalische Anziehungskraft nicht mehr so ganz vertrauen? Die Feuer- und Knallbumm-Show der Schweden ist jedenfalls so gigantisch und laut, dass man ganz vergisst, dass auf der Bühne ja noch eine Band Musik darbietet. Dass das Feuerwerk die Band locker übertönt, ist dem gefühlt auf Zimmerlautstärke stattfindenden Sound zu verdanken. Leute, so macht das doch keinen Spaß! Das ist Metal! Das muss laut sein! So kann man sich auch daheim eine CD einlegen und dazu ein Lagerfeuer abfackeln. Die Performance der Band war sicher gut, obwohl für Fans älterer Alben nicht wirklich was dabei war, aber ein gelungenes Konzert hört sich definitiv anders an. [yb]

Sehr richtig, aber das liegt nach dem wirklich witzigen Videointro weniger an der Lautstärke als an dem Umstand, dass die Schweden nur noch bedingt von ihren Songs leben können: "Take This Life", "Invincible", und das flutschige "Disconnected" sind durchaus veritable Unterhaltung von Tatort-Kaliber, aber insgesamt bleibt von der Band in einem auf der Blinke- und Blubberseite überwältigen Set nicht mehr allzu viel hängen. Das schreit nach dem nächsten großen Schritt der Bandgeschichte - Stichwort "The Dome 666"... [rs]

Da freut man sich schon auf AMON AMARTH - schließlich treten die bärtigen Schweden heute mit einer Special-Show inklusive Wikingerschiff auf – und dann das. Genau wie zuvor bei IN FLAMES zuvor ist der Sound (zumindest auf der linken Seite der Black Stage) grauenvoll und vor allem grauenvoll leise. Die ganze Wucht, die Durchschlagskraft, das Charisma der Band sozusagen vom Winde verweht. Das schlägt sich auch auf die Stimmung der Zuschauer nieder: Von lautstarken Beschwerden bis zu humorvollen Statements („Kannst du vielleicht mal vorgehen und denen sagen, die sollen lauter machen?“) reichen die Reaktionen der Fans. Die Wikinger ziehen trotz Matschsounds ihre gelungene Show durch, und als der Sound gegen Ende des Sets dann doch noch ein wenig besser wird, fühlt man sich prächtig unterhalten. [yb]

Prächtig unterhalten fühlen sich anschließend auch die Fans von DORO - schließlich hat die Grande Dame des Heavy Metal mit "We Are The Metalheads" nicht nur die ebenso klischeetriefende wie eingängige Hymne des Festivals geschrieben, sondern weiß auch sonst, wie man das Publikum durch einen Mix aus Klassikern und Standardware bei der Stange hält. Mag der Auftakt mit "Für immer" auch etwas hüftsteif ausfallen - spät genug ist es mittlerweile ja - bekommt man im Verlauf der Jubiläumsshow dann doch wieder ganz genau das, was man erwartet: Stadionmetal samt Mitsingfaktor, PRIEST-Cover und einem Gastauftritt von Sabina Classen, die hier deutlich besser aufgehoben ist, als bei den vorangegangenen Awards. - Philipp, was macht die misanthropische Abendgestaltung?[rs]

Mein Traum wird doch noch wahr, ich darf Nocturno Culto mal live erleben, allerdings nicht mit seiner Punkband DARKTHRONE, sondern mit SARKE. Macht ja nichts, denn auch die haben einiges auf Tasche. Geboten wird hier Old School Black Metal. Schleifend und an Größen wie CELTIC FROST erinnernd. Sehr fein das Ganze, auch wenn das Zelt nicht gerade zum Platzen voll ist. Als Special Guest hat man heute Tom g. Warrior eingeladen, der bei ‘‘Dethroned Emperor‘‘ die Bühne betritt und sich das Mikro krallt. Wenn er doch die alberne Wollmütze abnehmen würde, aber naja, man kann nicht alles haben.[ph]

Der Rest der Nacht versinkt im bunten Nebel, nur schlaglichtartig durchdrungen von Bierbank-Soli, Kuttenvergleichen, weißen Russen und liebevoll entkorkten Metflaschen, die mit lachenden Augen ihrem Endzweck zugeführt werden. In diesen Momenten sind wir doch alle irgendwie gleich, in diesen Stunden ist DIO auch aus der kleinsten Anlage immer noch der Größte, wenn er den heiligen Taucher ins Land der Metalltiger schickt: "You've been down too long in the midnight sea...." - Ist es wirklich schon so spät? Na gut, ein Russe noch und dann geht's schlafen... [rs]


Samstag

Den Weckruf besorgen heute RAGE, die ihr Jubiläum bei genauerer Betrachtung taktisch günstig platziert haben: Zu dieser Stunde musizieren die Deutschen konkurrenzlos, was sich an der schieren Menge vor der Bühne eindrucksvoll zeigt. Zurückgesteckt wird indes nicht: Der Gig glänzt trotz Tageslicht mit Pyroshow, sowie namhaften Gastspielen der obersten Liga: Schmier von DESTRUCTION, der blinde Wächter Hansi Kürsch, und U-Bahn-Fahrer Fish geben sich zur Feier des Tages die Klinke in die Hand und rocken die virtuelle Hütte ohne erkennbare Gegenwehr. Während der seines vollen Haares beraubte Kürsch gleich drei Songs intoniert - "Set The World On Fire", "All I Want" und "Invisible Horizons" - darf Fish beim etwas zweifelhafen Contest-Beitrag "Gib dich nie auf" ran, was den mittelmäßigen Eindruck allerdings nur bedingt revidiert. Insgesamt aber trotzdem eine unerwartet gute Vorstellung, die nur knapp unter dem Headliner-Gig 2007 rangiert.

Exotenalarm anschließend bei CATHEDRAL: Die kauzigen Briten würden vom Auftreten her glatt als Brit-Rock-Protagonisten durchgehen, wenn sie nicht schon so verdammt alt und satt aussähen. Zudem dauert es bis Song Nummer drei - "North Berwick Witch Trials" - bis der Funke zumindest auf einen Teil des Publikums überspringt. Ein etwas unverständlicher Auftakt, zumal man den ebenfalls prima als Opener geeigneten Rocker "Corpse Cycle" sogar im letzten Drittel des Sets versteckt. Dem entsprechend schleppt man sich bei brennendem Zentralgestirn durch Songs, die zwar angenehm zum Rumstehen sind, aber als Gesamtpaket etwas zu zahnlos dargeboten werden und den Schluss nahelegen, dass CATHEDRAL entweder mit einer Clubshow gerechnet haben, oder Wacken für eine regionale Stehparty der Freiwilligen Feuerwehr halten - trotz "Hopkins (The Witchfinder General)" nicht ganz überzeugend.[rs]

HEAVEN SHALL BURN dürfen dieses Jahr auch mal auf der großen Bühne ran. Sichtlich nervös, aber extrem sympathisch steigen die in edler Einheitsmontur gekleideten Thüringer mit „Endzeit“ in den Set ein. Sofort tobt die Menge. Etwas Enttäuschung macht sich breit, als Frontmann Marcus verkündet, die obligatorische Wall of Death müsse heute leider wegen der Schweinegrippe ausfallen. Dafür revanchiert sich das Publikum mit einem gigantischen Circlepit um den Boxenturm. Zwischen den absolut für große Bühnen taugenden Songs unterhält Marcus prächtig mit seinen sympathischen Ansagen. HEAVEN SHALL BURN gehören eindeutig zu den Gewinnern des Festivals. [yb]

Es ist nicht das Morgengrauen, das sich nun über den Platz legt - es ist das Mittelaltergrauen in Form von IN EXTREMO! Die Deutschen leiern, dudeln und sacken mit aller Macht, was mich nach kurzer Versteinerung (der Sound ist boombastisch!) zur Nachbarbühne treibt, um mit unser aller Peter zu rufen "I'm going in!" - PAIN sind ein weiterer Knaller dieses an Knallern nicht armen Tages, was sich im Verlauf der guten dreiviertel Stunde dann auch beeindruckend zeigt: Trotz Minimalpyros und in den hohen Lagen konsequent versemmelten Gesangslinien hüpft das dicht gepackte Publikum zu Abrissbirnen des Kalibers "Suicide Machine", "Dancing With The Dead" und "Zombie Slam" geschlossen um sein Leben, schreit sich zu "On And On" und "Same Old Song" die Lunge aus dem dehydrierten Kadaver, bevor mit dem passend platzierten "Shut Your Mouth" dann schlussendlich der Sack zugemacht wird. Geil, geil, geil - Peter, wir lieben dich! [rs]

Nochmals dicker kommt es anschließend bei VOLBEAT, deren enormer Popularitätsschub sich in einem schieren Massenansturm eindrucksvoll manifestiert. Die Dänen können mit so etwas mittlerweile offenbar ganz gut umgehen und geben bester Laune Vollgas: Der Einstieg mit "Guitar Gangsters..." mundet sogar mir ganz vortrefflich, alle freuen sich, aber bereits nach dem an dritter Stelle platzierten "Radio Girl" ist von meiner Warte irgendwie die Luft raus. VOLBEAT machen was sie am Besten können, aber trotz aller positiven Energie kommt zu keinem Zeitpunkt ein Gefühl auf, dass mit Wacken oder auch nur Metal ganz allgemein im Zusammenhang steht. Dazu braucht es dann doch etwas mehr, als Country mit elektrischen Gitarren... ...also ab zu Philipp, der sich mit Hörnerhelm amtlich versklaven lässt. [rs]

Getüncht in oranges Licht stehen ENSLAVED auf der Bühne und machen mächtig Eindruck. Im Hintergrund wabernde Projektionen, im Vordergrund die Band, die sich sehr ins Zeug legt und es sichtbar genießt auf der Bühne zu stehen. Allen voran spielt sich einer durch sein Gepose in den Vordergrund, nämlich Gitarrist Ice Dale, der keine Shirts zu besitzen scheint, immer halbnackend der Kerl, aber stören tut es ja keinen. Die Norweger wissen wie man’s macht: Progressive Musik, leidenschaftlich vorgetragen und fertig ist das Spitzenkonzert. Ganz einfach eigentlich. Ich schließe meine Augen und genieße die wunderbaren, hypnotischen Klängen. Ganz großes Kino, auch ohne hinzusehen![ph]

Weitab vom Schlaf ist unterdessen Madame Bielig, die vor der Mainstage zusammen mit MACHINE HEAD das Kriegsbeil ausgräbt... [rs]

MACHINE HEAD sind live auf dem Wacken eine absolute Macht. Sofort nach dem gelungenen Einstieg mit „Imperium“ fressen die Massen Robb Flynn aus der Hand. Er dankt es ihnen, indem er ausgiebig mit ihnen anstößt („Prost, Motherfuckers!“) und die angesüffelten Becher mit einer verdächtig nach Jägermeister aussehenden Flüssigkeit mit einem dicken Grinsen ins Publikum wirft. Die Songauswahl hält inzwischen einige Neuerungen parat. So überrascht man mit dem selten live gespielten „None But My Own“ vom Hammerdebüt „Burn My Eyes“, nimmt den „Supercharger“-Opener „Bulldozer“ wieder mit ins Programm auf, ersetzt das sonst obligatorische „Descend The Shades Of Night“ aber leider durch das stinklangweilige „The Burning Red“, um danach mit dem selten gespielten „Struck A Nerve“ von „The More Things Change...“ wieder extrem in den Arsch zu treten. Für die Fans der letzten Scheibe gibt es obendrauf noch „Halo“ und „Aesthetics Of Hate“. Ein beeindruckender Gig einer tight und mit viel Spielfreude agierenden Band, der man die vergangenen internen Auseinandersetzungen und die Ausfälle von Gitarrist Phil Demmel zu keines Sekunde anmerkt. [yb]

Komisch, kurz vor dem Auftritt SAXONs ist es nicht mehr so eng vor der Bühne wie an den Tagen und Stunden zuvor. Wahrscheinlich packt schon viele Festivalbesucher das Heimweh, doch die wirklich Hartgesottenen kratzt das wenig, denn sie wollen das britische Urgestein livehaftig und in Farbe erleben. Vorhang auf für SAXON! Biff Byford und seine Mannen geben Gas wie Sau und beweisen, dass Altherren-Rock nicht immer einschläfernde Langeweile bedeuten muss, sondern durchaus in der Lage ist, Arsch zu treten. Die Setlist wurde von den Fans bestimmt, und so gibt es in den Reihen auch kein Halten, denn ein Hit folgt auf den nächsten. Egal ob ‘‘Heavy Metal Thunder‘‘, ‘‘Metalhead‘‘ oder ‘‘Power And The Glory‘‘ - alle schlagen sie ähnlich in die Magengrube und nötigen einen zum Headbangen. Biff ist immer wieder bemüht, die Fans zum Klatschen und Mitsingen zu animieren, was auch super klappt, die Arme sind ständig oben, und die letzten Reserven werden beim Grölen verbraucht. Nach anderthalb Stunden ist dann aber auch Schicht im Schacht, und unter euphorischem Jubel und enormer Pyrotechnik verabschieden sich SAXON vom Publikum.

Welche Band kann ein Festival besser abschließen als GWAR? Um ehrlich zu sein, es wird bessere geben, aber mit Sicherheit sind die nicht unterhaltsamer als die Eiterbatzen mit den ulkigen Kostümen. Michal Jackson wird zerfleddert, der alte Manager Sleazy P. Martini is back und so manch andere Stars oder wahlweise Monster werden bis zur Unkenntlichkeit zerstümmelt. Das Blut fließt in Strömen und die Musik ist, naja, ganz okay. Leider hat Oderus Urungus leichte Probleme mit seinem Mikro, aber was soll’s?! That’s Rock ‘n Roll![ph]

Rock 'n Roll? - Verdammt richtig, aber mittlerweile ist es langsam Zeit für die geblümten Taschentücher. Wir verabschieden uns nach vier gelungenen Tagen vom Jubiläums-Wacken und nehmen neben sommerlicher Bräune und dicken Ohren auch ein paar Erkenntnisse mit: Das W:O:A ist riesig, es ist nicht ganz sauber, der Sound war wetterbedingt bisweilen launisch, und die Taschendiebstähle sind ebenso ärgerlich wie das aufgeblähte "Unterhaltungsprogramm" - mal ehrlich: wer zur Hölle braucht Ölwrestling, Kino und Mittelaltermarkt? In seiner Gesamtheit jedoch ist das ausgiebig gescholtene Mekka der Hartwurstkultur noch immer ein Erlebnis. Unabhängig von Nation, Alter und Herkunft, abseits von all den kleinen Ärgernissen und trotz der zahllosen Splittergenres überlebt in Wacken bisher noch immer das unvergleichliche Gefühl, am Ende dann doch Teil einer einzigen Bewegung zu sein - und die hört auf den Namen Metal.
Inwieweit es den Machern gelingt, den schmalen Grat zwischen Atmosphäre und vielfach vorgeworfenem Ausverkauf auch in kommenden Jahren zu meistern, wird sich zeigen. Die zwanzigste Auflage indes hat unabhängig von derlei Gedankenspielen rundum gerockt und deswegen steht eines auf jeden Fall fest: "See you in Wacken - rain or shine!" [rs]

Bier und Buntstift: Yvonne, Philipp, Ralf
Bildimpressionen: Yvonne (10), Ralf (1), wacken.com (1)


www.wacken.com

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