Summerblast 2009

Summerblast 2009

AbortedAugust Burns RedBrutal TruthCallejónHORSE The BandMaroonMisery IndexNeaeraParkway DriveThe Black Dahlia MurderWar From A Harlots Mouth
Trier, ExHaus
20.06.2009
Nachdem ich 2008 unfreiwillig zum ersten Mal seit Jahren das Summerblast auslassen musste, ist die Vorfreude 2009 umso größer. Die Anreise startet früh, um von Anfang an dabei zu sein, und gestaltet sich recht ereignisarm, wenn man von der Benutzung der leicht anachronistisch anmutenden Autofähre, dem Versäumen mehrerer Autobahnabfahrten aufgrund von munteren Unterhaltungen und der Eurodance Attacke im Death Metal Schlachtschiff absieht. Als wir gegen Mittag, noch vor der Einlasszeit, in Trier eintreffen, stehen bereits ausgewachsene Menschenmassen auf den Bürgersteigen vor dem ExHaus und präsentieren, dem Bandaufgebot entsprechend, so ziemlich jeden Style, der in jedweder -Core Richtung der letzten 20 Jahre mal angesagt war. Durch die gebäudetechnischen Vorgaben verläuft der Einlass zwar einigermaßen zügig, aber für einige dann doch nicht schnell genug, um bis zum Startschuss auf den Innenhof gelangen zu können. Ein etwas größerer Zeitpuffer als 20 Minuten zwischen Einlassbeginn und erster Band wäre für die Zukunft vielleicht wünschenswert, wobei ich in der Vergangenheit auch noch nie so viele Leute zu so früher Uhrzeit vor den Toren des ExHaus angetroffen habe.
An der Aufteilung des Geländes hat sich wenig geändert, aber der über die Jahre gewachsene, größere Zuspruch hat dafür gesorgt, dass im Innenhof auch noch die letzten Platzreserven, die sonst von Händlern oder der Halfpipe belegt waren, mittlerweile größtenteils dem Publikum zur Verfügung steht, so dass trotz ausverkauftem Haus zumindest draußen etwas Raum zur Entzerrung vorhanden ist. Auf jeden Fall eine gute Idee!

Wir starten bleihaltig in den Tag mit MISERY INDEX, bei denen das gefühlte Mitfahren auf jeder zweiten, moderner ausgerichteten Death Metal Tour tatsächlich nicht zur Übersättigung zu führen scheint, sondern die Fanschar stetig wachsen lässt. Trotz der der Band anzumerkenden Übernächtigung – man ist nicht nur des Nachts just nach einem Auftritt angereist, sondern befindet sich praktisch auch auf der Durchreise zur nächsten Station – geben die Herren mehr als nur ein bisschen Vollgas, wobei sich besonders der völlig überdrehte Gitarrero Sparky Voyles (aka Jesus Araya) hervortut. Die MISERY INDEX Anhänger lassen sich bei dieser Vorlage nicht zweimal bitten und auch von ein paar Hardcorelern nicht irritieren, die offensichtlich Clown zum Frühstück hatten.

Der Senkrechtstarterstatus von WAR FROM A HARLOTS MOUTH hat sich mir von den Alben nicht wirklich erschlossen, und die Liveperformance ändert daran auch nicht viel. Eine Menge Leute sieht das anders und beteiligt sich engagiert am vollen Programm, das vom Karohemdalarm auf der Bühne gefordert wird, mir aber fällt vor allem ein Wort ein, um den zwar engagierten und in Ordnung gehenden Auftritt einzuordnen: Unspektakulär.

Neues Label, neues Level an Publicity und damit einhergehend mehr Freund und mehr Feind als je zuvor, so etwa lässt sich das letzte Dreivierteljahr von CALLEJON zusammenfassen. Es ist mittlerweile fast schon überflüssig zu erwähnen, dass der deutschsprachige Zombiecore die Meinungen auch heute spaltet, wobei die Resonanz immer noch gut ist. Mir persönlich fehlen dieses Mal die überraschenden Momente, zumal sich die Setlist heute mehr oder weniger ausnahmslos auf das aktuelle Material konzentriert. Selbst bei einem weniger als halbstündigen Auftritt sollte man den Kracher „Snake Mountain“ eigentlich nicht auslassen.

Aufgrund der kleinen Überschneidungen im Programm zwischen Hauptbühne und Kellersauna verzichte ich bei dem hochkarätigen Aufgebot im lauschigen Hof vorerst weiter auf einen Besuch im Keller, denn sogleich geht es schon mit den stetig besser und verdientermaßen auch in ähnlichem Maße beliebter werdenden NEAERA weiter. Dementsprechend verfolgt eine ansehnliche Menge den Auftritt der Münsteraner, die nicht nur auf Platte reifer geworden sind, sondern auch auf der Bühne inzwischen eine sehr präzise und viel präsentere Truppe geworden sind, auch dank Fronter Benny, der die Meute souverän im Griff hat und es sich nicht nehmen lässt, den hochgereckten Armen einen Besuch abzustatten. In dieser Form ein Abräumer und definitiv sehenswert.

Meiner – zugegeben – recht hohen Erwartungshaltung können HORSE THE BAND danach nur in Teilen gerecht werden. Die Amerikaner präsentieren ihren manchmal etwas chaotischen Nintendocore zwar ähnlich bekloppt, wie die Musik klingt, aber auch ein sich bis zum letzten Tropfen verausgabender Keyboarder und Sampleeinspieler und der lustige Geselle im kurzen blauen Sportdress, der immer wieder den wahnsinnigen Teufelstriangler mimt, lassen den Funken nicht so richtig überspringen. Ein Auftritt, der zwar Spaß macht und unterhält, dem aber der letzte Enthusiasmus und der unbedingte Mitreißfaktor fehlt, was vielleicht auch an der mangelnden Bindung großer Teile des Publikums zur Band liegt, denn ungläubiges Starren ist verbreiteter als exaltiertes Austoben.

Wer MAROON in letzter Zeit gesehen hat, wird bemerkt haben, dass es wenig gibt, was die thüringische Dampframme live aufhalten oder aus der Bahn werfen kann. Auch weit im Westen ist das Publikum vom ersten Augenblick des – leider nur 30-minütigen – Best Of Programms wie entfesselt, so dass sich Frontmann Andre, der beim Griff in die Shirtkiste mit dem ärmellosen Tupac Lappen seltsamen Geschmack beweist, sogar dazu veranlasst sieht, die Leute zu ein wenig gesitteterem Verhalten aufzurufen. Größere Kampfsportauswüchse bleiben aber zum Glück aus (oder ohne schlimmere Blessuren), stattdessen wird munter ein Circle nach dem anderen gestartet, der Yours truly mehrmals lachkrampfend mit dem nicht eben sanften Bodenbelag Bekanntschaft machen lässt. Trotz des verlorenen Infights verabschiede ich mich aber freundschaftlich von ihm und freue mich schon auf die nächste Begegnung mit MAROON, deren Bühnenenergielevel in Deutschland auf Champions League Niveau spielt.

Nach diesem anstrengenden und blessurfördernden Nachmittag ist erstmal ein wenig Entspannung beim Besuch der Merch-, Fress- und Trinkbuden angesagt, zumal weder die anstehenden DESPISED ICON noch die im Keller polternden NO TURNING BACK in der Vergangenheit zu meinen überragendsten Konzerterlebnissen zählten. Das mit der Altersfrage in Verbindung zu bringen, fällt aber nur denjenigen auf, die das Durchschnittsalter der DESPISED ICON Shirt Träger genau kalkulieren.

Leider lassen sich die geistigen Ermüdungserscheinungen nach fünf Stunden Dauerbeschallung nicht so leicht abschütteln, so dass neben der – im wahrsten Sinne – kochenden Atmosphäre beim Kellergig von ABORTED wenig hängen bleibt. Die Zielgruppe genießt den Auftritt dafür in vollen Zügen.

Geteilter sind die Meinungen da schon zu AUGUST BURNS RED, die mit ihrem neuen Album für deutlich mehr Eindruck gesorgt haben, als sie heute reproduzieren können. Viele gehen mit, aber die Menge der eher mäßig Beeindruckten ist größer als zu erwarten war.

Da ist die Begeisterung bei den rasenden Berserkern von THE BLACK DAHLIA MURDER auf einem ganz anderen Level. Selbst mit dem Material Vertraute haben zwar aus diversen Gründen ihre liebe Müh und Not jedes der Lieder zuzuordnen, aber die Stimmung ist prächtig und die Hits treffen zielsicher wie weiland Meister Tell den Apfel. Man hat die Band zwar schon mal intensiver gesehen, dennoch gehört sie zurecht zur Speerspitze ihres Genres.

Aufgrund der großflächigen Überschneidung der beiden Headliner drinnen & draußen erhasche ich von den gealterten aber immer noch putzmunteren BRUTAL TRUTH nur wenig, die Kellerkinder berichten allerdings nur Bestes.

Der Zauber der Hauptbühnenanführer PARKWAY DRIVE scheint bei mir dagegen langsam aber sicher zu verfliegen. Die Massen hängen an den Lippen von Frontmann Winston, während mich vor allem das in meinen Augen unspektakuläre Material der letzten Platte „Horizons“ live wieder ähnlich unnachhaltig überzeugen kann wie schon von Konserve. So ganz alleine scheine ich damit nicht zu sein, aber die Australier entpuppen sich dennoch aufgrund der Publikumsreaktionen als würdiger Headliner. Nun wird’s aber langsam Zeit für ein neues Album, denn irgendwann wird die x-te Tour ohne neues Material nicht mehr wirklich ziehen, und es steckt hoffentlich noch das ein oder andere „So cry me a fucking river, bitch!“ („Romance Is Dead“) in der Band.

Ein langer, anstrengender und vergnüglicher Tag geht zu Ende. Alle Ideen der Orga im Vergleich zur Vergangenheit haben funktioniert und das Summerblast eine Spur entzerrt, obwohl es (wieder) ausverkauft war. Natürlich kann an so einem vollgepackten Tag die Spielzeit kaum einer Band die eingefleischten Fans wirklich zufriedenstellen, selbst die Headliner hatten max. eine Stunde zur Verfügung, aber dafür gibt es für trainierte Ausdauersportler 10 Stunden pausenlos Programm, auch mit der ein oder anderen Band, die nicht jede zweite Woche um die Ecke spielt. Mir haben in diesem Jahr zwar ein wenig die positiven Überraschungen gefehlt, großen Spaß gemacht es dennoch.
Auf ein Wiedersehen 2010!

Vielen Dank für die Fotos an Peter & Andi!

Bildergalerie

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