Bang Your Head Luxembourg Vol. IV

Bang Your Head Luxembourg Vol. IV

As We FightClean StateHardcutNeaeraScarredWar From A Harlots Mouth
Esch/Alzette, Kulturfabrik
05.12.2009
Um der Gefahr eines Besuchs von Knecht Ruprecht zu entgehen, tritt man am Vorabend des Nikolaustages am besten die Flucht an. In diesem Jahr fiel die Wahl dabei auf das vielen Deutschen eher durch seine günstigen Sprit- & Genussmittelpreise als durch seine Metalhaltigkeit bekannte Nachbarland Luxemburg und führte die verbrüderte Reisegruppe in die Kulturfabrik in Esch sur Alzette, am südlichen Rand des Großherzogtums, um zu sehen, wie groß die Rute so ist, die der Houseker – so heißt der Knecht Ruprecht in Luxemburg – aus dem Sack holt.
Die Kulturfabrik sammelt erste Sympathiepunkte durch extrem einfache Erreichbarkeit von der Autobahn und reichlich vorhandene Parkplätze bei einem benachbarten Einkaufszentrum. Drinnen setzt sich der gute Eindruck fort, wobei der Einlass im Vergleich zu den üblichen Wurschtelzonen in Deutschland fast überprofessionell wirkt, aber man beherbergt eben auch mal Kulturveranstaltungen mit einem verwöhnteren Publikum. Im Konzertraum trennt ein schwarzer Vorhang das hintere Viertel mit den Merchständen vom eigentlichen Publikumaufenthaltsbereich ab und die Theke befindet sich in einem vergleichsweise üppigen Nebenraum, was beides positiv zur Entzerrung der Veranstaltung beiträgt, vor allem in Bezug auf Getränkebeschaffung, -loswerdung & die Möglichkeit an die frische Luft zu gehen. Daneben hängt an einer Seite des Zuschauerraums eine Kinoleinwand, auf der in den Umbaupausen mit Metalvideos unterhalten wird und während den Auftritten auch die verpeiltesten Zeitgenossen mit der Projektion des Veranstaltungsplakats daran erinnert werden, wo sie sich gerade befinden.

Im den ganzen Abend sehr straff eingehaltenen Zeitplan sind als erstes HARDCUT an der Reihe, die sich bei einem im Vorfeld ausgetragenen Voting durchsetzen konnten. Die Reihen sind für die recht frühe Zeit von 19:30 bereits annehmbar gefüllt, aber so richtig heizt der saarländische Metalcore mit modernem IN FLAMES Einschlag der großen Menge noch nicht ein. Trotz der Nähe zu ihrer Heimat scheint auch keine größere Fanschar mitgekommen zu sein, oder sie hält sich sehr bedeckt. Was man hört, weiß soweit zu gefallen, aber es fehlt am letzten Kick und auch an Vertrautheit mit den Liedern, um sofort durchzuschlagen oder vom Fleck weg zu begeistern. Mit einem exklusiv für Samples zuständigen Bandmitglied sorgt man immerhin für die erste Kuriosität des Abends.

Nach einer Umbaupause, die kaum Zeit zum Getränk wegbringen & neu beschaffen lässt, folgt mit CLEAN STATE die erste luxemburgische Band des Abends. Der Heimvorteil sorgt auch für etwas mehr Betrieb vor der Bühne, selbst wenn der fordernde & raue moderne Metal der fünf Herren live, wie auf Platte, nicht immer aus dem Stand leicht zugänglich ist. Dementsprechend beschränkt sich die Bewegung im Publikum hauptsächlich auf etwas Bangen an vorderster Front. Der Zuspruch ist dennoch groß, was vor allem Urgitarrist Mackel, der auf der Bühne nicht zu den bewegungsreichsten einer ansonsten sehr agilen Band gehört, fast den ganzen Abend ein breites Grinsen ins Gesicht schmirgelt. Als besonderes Schmankerl dürfen für jeden Nicht-Luxemburger die auf letzebuersch gehaltenen Ansagen gelten, denn wenn nach einem wütenden Angriff auf die Gehörgänge ein weich-schmeichelndes „Villemoahls Merssi! Et next Lied heescht:“ aus den Boxen klingt, steigt man auch als Zuschauer gleich mit ganz anderer Freude in das nächste Lied ein.

Die einzige Band ohne groß vom üblichen Konzertjargon abweichende Deutschkenntnisse steht nun mit AS WE FIGHT auf dem Programm. Zum Glück trügt der erste Eindruck, der geprägt ist von dem gigantischen, potthässlichen Backdrop mit dem aktuellen Zombieband-Cover des „Meet Your Maker“ Albums, und die Dänen nehmen im Handstreich die ersten Reihen für sich ein, die wieder ein Stück mehr gefüllt sind. Die größere internationale Erfahrung strahlt im Vergleich zu HARDCUT & CLEAN STATE anders von der Bühne, denn hier wird sich nicht mehr engagiert, um das Publikum hinter sich zu bringen, sondern weil man weiß, dass man größere Teile des Publikums hinter sich hat. Besonders Frontwampe Jesper sprüht vor Schabernack fast Funken bei seinem erstaunlich ausdauernden und agilen Toben über die Bühne, während seine im Fitnessstudio gestählten Kameraden sich meist eher auf die üblichen Gesten und Publikumsanfeuerungen beschränken. Die Kurzhaarfastwikinger wissen aber auch so zu überzeugen, wobei das in meinen Ohren bessere „Midnight Tornado“ Material gegenüber dem aktuellen Album leider etwas zu kurz kommt.

Während ich mich mit Marc (dr.) von CLEAN STATE & Jeff (bass) von SCARRED zum Interview in einem anderen Raum befinde, spielen die Krachheimer WAR FROM A HARLOTS MOUTH auf, können meinen Bruder aber nur wenig begeistern.

Erst bei den letzten paar Liedern von SCARRED ist das Tonband zu Ende – Jeff ist natürlich schon vor einiger Zeit zum Auftritt der eigenen Band aufgebrochen – und ich sehe nicht mehr sehr viel von den Luxemburgern, die mich auf dem letzten Euroblast in Köln so überzeugen konnten. Man merkt ihnen allerdings das im Verhältnis zu Köln größere Selbstbewusstsein an, weil sie heute den mittlerweile sehr gut gefüllten Zuschauerraum die ganze Zeit hinter sich spüren. Es gibt eine Menge Bewegung auf wie vor der Bühne. Der einzige, der etwas aus dem Rahmen fällt, ist Sänger Sacha, der entweder sein Oldschoolmikro (vgl. VOLBEAT) fest in der Hand hält, während seine Haare sein Gesicht bedecken, oder aber mit weit ausgebreiteten Armen die Ovationen des Publikums während und nach den Liedern aufnimmt.

Zuguterletzt rauscht der Münsteraner NEAERA Express auf und von der Bühne und besticht vom ersten Moment an mit kaum für möglich gehaltenen Headlinerqualitäten. Besonders Fronter Benny hat sich heute das Selbstbewusstsein scheinbar mit der großen Kelle einverleibt, denn solche Entertainerqualitäten habe zumindest ich noch nicht bei ihm gesehen. Vor lauter Freude, endlich mal in Luxemburg aufzutreten, wo er laut eigener, auf letzebuersch vorgetragener Ansage mehrere Jahre gelebt hat, wird das volle Programm nicht nur aufgerufen, sondern auch gleich mitgemacht. Benny rennt Runden im Circle mit, stürzt sich von der Menge in den mittlerweile wildgewordenen Mob und sorgt auch dafür, dass genug luxemburgische Freunde die Gelegenheit bekommen, sich das Publikum von der Bühne aus anzusehen, um dann mit teilweise waghalsigen Stunts von der Menge mal mehr, mal weniger sicher gefangen zu werden. Da können die Herren Instrumentalisten noch so gute Arbeit leisten, mit der an diesem Abend fleischgewordene Stimmungskanone Benny können sie nicht mithalten, selbst wenn aufgrund der vorgelebten Ausgelassenheit nicht jede Sangeszeile hundertprozentig sitzt oder zu sitzen scheint. Deshalb wird gegen Mitte des Auftritts auch mal kurz der Schaum aus den Mundwinkeln gewischt und sich kurz konzentriert, bevor die Stimmung auch auf der Bühne wieder explodiert. Einziger minimaler Kritikpunkt ist die Gestaltung der Setlist, denn nachdem Kracher wie „Spearheading The Spawn“ oder „I Loathe“ relativ früh für Höhepunktgefühle sorgen, fallen die älteren Lieder am Ende in der Wirkung leicht ab.

Fazit des Abends kann es dennoch nur eins geben: „Villemoahls Merssi!“

Vielen Dank für das Fotografieren an Markus Bach.

Bildergalerie

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