Fleisch Festival 2010

Fleisch Festival 2010

AutarkiaDeflorationDesasterDistinct CultFleshcrawlGorilla MonsoonGrabakHatred [DE]HeadshotHiamWandar
Leipzig/ Markleeberg, Alte Turnhalle
19.02.2010
Prügelei in der Straßenbahn - was für ein Auftakt! Während vier gut gelaunte Metalheads einfach nur nach Markkleeberg wollen, um dem heiligen Fleischer zu huldigen, lässt ein geistig offenbar überbeanspruchter AGNOSTIC FRONT-Fan den 40 Kilo leichteren Jugendlichen an seiner Seite wissen, dass er "gerne noch ein halbes Jahr Knast drauflegt", um ihm hier und jetzt die asymmetrische Frisur vom Haupt zu kloppen. Schön, wenn man sich noch so ausdrücken kann, auch wenn die Bahn nun steht, bis Polizei eintrifft.
Wir machen einen kurzen Schnitt und eine Stunde später sind derlei Spirenzchen dann vergessen: In der Hand ein Bier, vor uns die Turnhalle of death und um uns herum Leute, die sogar Sätze mit brachialsten Kommata artikulieren können - so möge die dritte Auflage des Fleisch-Festivals denn beginnen. Meister Halling hat sich bereits ins Auge des Orkans abgesetzt, um den Eisenkult mit seinem wohl bemessenen Scherflein zu bereichern... ...hinfort! Hinfort! [rs]


Freitag, 19.02.2010

Die Leipziger DISTINCT CULT haben die Ehre das dritte Fleisch Festival zu eröffnen. Die Halle ist nicht besonders stark gefüllt, aber immerhin verirren sich ein paar Leute vor die Bühne, wobei noch Sicherheitsabstand eingehalten wird. Bei Songs wie ''Balls Made Of Steel'' dürfte ja eigentlich nichts schiefgehen, aber leider ist schon nach den ersten Riffs festzustellen, dass es den jungen Thrashern schwerfällt, sich von ihren Idolen, nämlich SLAYER und Konsorten, musikalisch loszureißen, um auf eigenen Knatterpfaden zu wandeln. Das Quartett gibt sich dennoch redlich Mühe und erntet sogar dann und wann ein wenig Applaus. Nicht grottenschlecht, aber deutlich ausbaufähig. [ph]

Interessanterweise scheinen die Einflüsse der Kapelle jeweils einen Song zu dominieren, denn während man anfangs noch bequem in besagtem SLAYER-meets-Bay Area-Korsett zum Tanz bittet, werden in den öfter mal angedoomten Thrashern später auch Remineszensen an HELLHAMMER und CELTIC FROST aufgefahren, inklusive komplett gewandelter Vokaldarbietung. Mit etwas Straffung sollte sich hier durchaus eine erkennbare Linie entwickeln lassen - kurzweilig war es allemal.

An Position zwei wollen anschließend BANGALORE die Rohrbombenpost zünden, doch leider scheint der Mann am Pult da anderer Meinung zu sein: Vom Schlagzeug ist über die komplette Distanz trotz sichtbarer Vermöbelung so gut wie gar nichts zu hören, dafür bekommt der songwriterisch gar nicht mal so wichtige Bass auf gedoptem RED HOT CHILI PEPPERS-Niveau aus den Boxen. Wie passend, dass die Gitarre eher funky als drückend abgemischt wird - für die Death Metal-Breitseite reicht das trotz Frontschwein Kanzy leider nicht ganz. Nichtsdestotrotz lässt der optische Eindruck bei Songs wie "Durch die Zauberkugel" vermuten, dass im Drumbereich seit BETRAYER einiges passiert ist, also beim nächsten Mal einfach noch einen zweiten Klampfer auf die Bühne stellen und den Sound der Vorband übernehmen. [rs]

Mehr Glück haben da WANDAR aus Halle, die ihren hymnischen Black Metal unter besseren Ausgangsbedingungen an den Mann bringen und so für Ohrenschmaus sorgen. Es dauert nicht lange, bis sie das Publikum auf ihrer Seite haben, kein Wunder allerdings bei den wirklich mitreißenden Stücken. Besonders die getragenen Passagen nötigen den geneigten Blackie zum Augenschließen und Kopfnicken. Einziges Manko ist der Snaresound, der viel zu leise ist und man dementsprechend streckenweise nicht weiß, ob es sich gerade um Midtempo oder Highspeed handelt. Das ist aber nur eine Kleinigkeit, die der bangfreudigen Stimmung keinen Abbruch tut. Klasse Auftritt!

Dann die große Frage: Würden COMMON GRAVE ein würdiger Ersatz für die krankheitsbedingt ausgefallenen REQUIEM sein? Nach den ersten Takten steht fest, dass diese Frage mit einem deutlichen ''Ja'' zu beantworten ist. Die bayerische Knüppelbande brettert von Anfang an fröhlich drauflos, dass es nur so kracht. Technischer Death Metal wird den Anwesenden geboten, und das nicht zu knapp. Nach Erledigung der fotografischen Beweisführung, hält es auch mich nicht mehr am Bühnenrand, also gehe ich ins Epizentrum vor die Bühne, wo Kollege Scheidler schon die gewonne Bewegungsfreiheit zum metallischen Ausdruckstanz nutzt. Er ist alt und hat Erfahrung, ergo muss am Gliedmaßschütteln was dran sein, was mich in meinem Plan, es ihm gleichzutun, bestätigt! COMMON GRAVE machen Ballett, soviel steht fest. [ph]

Und wie! Die kurz belächelte Ankündigung des Gitarristen vor Konzertbeginn, dass es gleich "musikalisch auf die Schnauze" gibt (Fratzengeballer, you know), stellt sich nunmehr als zutreffende Beschreibung dieser arschtighten Rasselbande heraus. Kaum zu glauben, welchen Druck der Vierer entwickelt und wie bei all der ausgefuchsten Instrumentenquälerei dann auch noch Zeit für sympathisch lockeres Verhalten bleibt. Rein vom Auftreten her eine klasse Mischung aus AMON AMARTH und DEATH REALITY, musikalisch dann aber doch eher bei letzteren zuhause. Fein! [rs]

Im Anschluss ist es dann Zeit für ein ordentliches Black Metal- Inferno, denn GRABAK sind am Start, um dem Publikum den Arsch zu versohlen. Dann kann das Gewitter ja beginnen. Vom ersten Takt an ist klar, dass hier keine Gefangen genommen werden, denn so wie die Leipziger losbrettern, kann nur totale Zerstörung ihr Ziel sein. Drummer Sebastian ''Felldresch'' Schmidt scheint wieder einmal mehrere Deziliter Red Bull gesoffen zu haben, denn dieses Tempo ist fast schon unmenschlich. Bassist Steffen post wie die seligen IMMORTAL auf sonnigen Klippen und auch Sänger Jan scheint gut aufgelegt zu sein. Gitarrist Baddy und der zweite Bassist Recke machen den Satansbraten zusätzlich knusprig und vollmundig. Dem Publikum scheint es auch zu gefallen, obwohl einige Herrschaften auch den Saal verlassen, vielleicht weil sie Dauergekloppe nicht so ganz genießen können. Der Rest bleibt und freut sich.

Die mir völlig unbekannten HEADSHOT aus Braunschweig sind als nächstes an der Reihe. Zwei mir bekannte Gesichter sind bei den Braunschweigern involviert, nämlich die Gitarristen Henrik und Olaf von den ebenfalls aus Braunschweig kommenden DENY THE URGE. Das ist Grund genug für ein wenig Freude meinerseits, weiß ich doch um die spielerische Klasse der beiden Klampfer. Als sich dann herausstellt, dass HEADSHOT eine Frau am Mikro haben, ist mir schon klar, dass sie live abräumen können. Und das tun sie dann auch. Fein die Schwarte zerberstender Thrash Metal zertrümmert die Alte Turnhalle in Markleeberg und die Fans gehen steil, verständlich bei der Liveenergie, die die Band rüberbringt. Nicht viel nachdenken lautet hier die Devise, einfach die Rübe schütteln und den aggressiven Klängen, die durch melodiöse Leads und Soli aufgelockert werden, lauschen. So macht Thrash Metal Spaß!

Trotz der beachtlichen Leistungen der Bands bis zu diesem Zeitpunkt, war mir irgendwie klar, dass FLESHCRAWL kein Problem haben dürften, den ersten Abend deutlich zu dominieren. Ich sollte richtig liegen. Die schwedischsten aller Deutschen schöpfen aus einem leckeren Fundus an Death Metal- Perlen, die sie gekonnt unter die rotierenden Scheitel der Metalheads rühren. Songs wie ''As Blood Rains From The Sky'', ''Beneath A Dying Sun'' oder ''Flesh Bloody Flesh'' laden aber auch sowas von zum Abschädeln ein, da bleibt kein Auge trocken. Tight sind die Jungs allemal und so bügeln sie routiniert, aber nicht gelangweilt ihr Set runter, so dass keine Wünsche offen bleiben! Könnte man sich eigentlich die ganze Nacht ohne Unterbrechung anhören, aber dann würden wohl die Anwohner irgendwann Sturm laufen und außerdem folgt ja noch ein zweiter Tag, den es heil zu überstehen gilt!


Samstag, 20.02.2010


In Markleeberg angekommen, ist die Alte Turnhalle schon gut gefüllt, allerdings bedeutet das auch, dass wir die ersten beiden Bands verpasst haben, nämlich CAPUT MORTUUM und AUTARKIA. Schade eigentlich, aber wat will man machen?!

Dafür stehen wir gebannt vor der Bühne, als HIAM die Bühne betreten und ihren unheilschwangeren Doom an die Meute verfüttern. Sänger Charlatan fällt leider krankheitsbedingt aus und so müssen die restlichen vier Slowmofans ohne vokale Unterstützung zeigen, wo der Hammer hängt. Nach einigen Minuten steht fest, dass das Fernbleiben des Sängers gar nicht so tragisch ist,denn die Stücke funktionieren auch so. Schöner schleifender Doom, der auch gerne ma etwas flotter wird, allerdings nie wirklich schnell. So muss das sein. Den Leuten in der Halle gefällt es auch und so dürfen sich die sächsischen Doomer über dreifachen Applaus freuen, denn sie haben exakt drei Stücke mitgebracht, die aber mal eben insgesamt eine halbe Stunde wabern. Die Band sollte man sich merken! [ph]

Definitiv: Schön plättend und sehr sympathisch, was die Herren da aus dem Stetson zaubern. Gleiches gilt in gewisser Weise auch für die Jungs von DEFLORATION, die anschließend zur kollektiven Halsgymnastik laut Krankenkassentarif bitten. Chefmasseur Uwe lässt vom Start weg keinen Zweifel, wie hier der Bär steppen wird: Musikalische Knotenkost meets Gutturalexkretion, und heute wird zur Abwechslung mal aufgegessen!
Zwischen amerikanischem Todesblei und gnadenlosen Dialektstilblüten dann plötzlich Unruhe im Auditorium: Ein stadtbekannter Headbang-Verweigerer wird kurzerhand auf die Bretter gebeten und "darf" dort unter fachmännischer Anleitung die Propellerhead-Grundausbildung absolvieren. Wo kämen wir denn hin, wenn beim Death Metal jeder Doomster seine Birne still halten würde? Insgesamt ein musikalisch überzeugender und humoresker Gig, obwohl die oberkörperfreie Einlage leider entfallen muss und es nur etwas freies Bein gibt. Der mittlerweile recht umfangreiche Uwe-Anhang hat dem Hünen nach leichter Befremdung jedoch vergeben. Pax tecum! [rs]

Am meisten gefreut habe ich mich persönlich auf die nun folgenden GORILLA MONSOON. Ich werde allerdings schon etwas enttäuscht, denn Sänger Jack Sabbath kommt nicht cool, sondern eher arrogant rüber, was mich allerdings nicht einmal so sehr stören würde. Viel schlimmer is der Sound, denn eine Stonerband braucht den richtigen Wumms und der fehlt hier vollkommen. Die Stücke werden rotzig runtergezockt, aber sie schlagen eben nicht fett in die Magengegend. So richtig Freude kommt also bei mir nicht auf und nach und nach sogar etwas Langeweile, welche mich gen Bierstand tingeln lässt! [ph]

Der geneigte Thrasher hingegen schleppt den bekutteten Kadaver direkt im Anschluss zu HATRED. Die Deutschen haben jüngst den offiziellen Song zu Brütal Legend verzapft, aber keine Angst: Der Rest des eigenen Materials steckt den doch etwas leichtgewichtigen Schnellschuss zum Großteil locker in die Tasche. Musikalisch serviert die ebenso gut aufgelegte wie geölte Maschinerie wieselflinken Oldschool-Thrash, der mit diversen melodischen Versatzstücken aus dem Power Metal-Sektor die Geschmacksknospen kitzelt - zurückschalten ist allerdings nicht drin und dem entsprechend stößt man im Kreis der immer noch aufrecht Stehenden auch überwiegend auf Wohlwollen.
Für mich persönlich auf jeden Fall ein Glücksgriff, der den Ausfall von CRIPPER mehr als kompensiert und durch den plötzlich auftauchenden Jesus sogar eine Spur Heiligkeit erfährt. Meine Sünden jedenfalls sind nun vergeben, was für's aktuelle Jahr dann doch so Einiges verspricht...

Den musikalischen Abschluss des Abends besorgen schließlich DESASTER, die fast schon klassisch mit "Satan's Soldiers Syndicate" den Frosch von der Leine lassen. Es ist zwar schade, dass ein Großteil des Publikums zu diesem Zeitpunkt bereits Federn lassen muss, aber das scheint zumindest die ersten zehn Reihen nicht zu jucken: Satan, Thrash und Nieten gehen - wie das obligatorische Eis - eigentlich immer noch rein. Erwartungsgemäß zocken sich die Untergrund-Titanen durch einen wild gemischten Set, in dem "Hellbangers" ebenso wenig fehlen darf, wie historische Rückgriffe des Kalibers "Metallized Blood" oder "Teutonic Steel". Klar, das ist weit weg von neu und aufgrund der Trademark-Poserei natürlich noch immer Geschmackssache, aber DESASTER sind trotz des im Gitarrenbereich etwas zu schmalen Sounds eine der absoluten Live-Bänke. Insofern also eine gelungener Abschluss der zwei Tage.

Was bleibt nun also vom eiweißhaltigen Doppeldecker? - Zunächst die Erkenntnis, dass die Gratwanderung zwischen Untergrund und größeren Zielen, zwischen der heimischen Spinne und der etwas geräumigeren Turnhalle, noch ein paar Anlaufschwierigkeiten offenbarte, die jedoch eher im Soundbereich zu verorten waren. Die Preisentwicklung ist angesichts des Bandaufgebotes nachvollziehbar, zumal man im Getränke- und Snackbereich noch immer auf sehr humanem Niveau operiert. Ansonsten fiel vor Allem auf, dass das heimische Publikum Zigarette und Gespräch vor der Halle des Öfteren dem musikalischen Programm vorzog, was für die ein oder andere Band zwar schade war - aber der Sachse an sich ist eben ein höchst soziales Tier und kann nur schlecht aus seiner Haut.
Musikalisch gab es mit COMMON GRAVE und HIAM mindestens zwei faustdicke Überraschungen im gut gemischten Lineup, GRABAK und DEFLORATION konnten ihren Status als lokale Großmächte erwartungsgemäß festigen, und wenn WANDAR auf ihrer nächsten Scheibe das Niveau mindestens halten, dürfte weiteren umjubelten Gastspielen bei den Metalheadz und anderswo nichts mehr im Weg stehen.
Das Fleisch Festival bot auch 2010 ein gelungener Einblick in einen höchst lebendigen Untergrund, den es in Leipzig so nur einmal gibt - danke dafür, wir sehen uns 2011 zum Abendmahl. [rs]

Bericht: Halling & Scheidler
Fotos: Halling

www.m-metalheadz.de

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