Hed PE & Attila

Hed PE & Attila

AttilaHed PE
Köln, Underground
24.03.2010
Bei lauschigem Frühlingswetter an einem Mittwoch Abend muss man sich nicht immer drinnen vor den Fernseher hocken, um ein Pokalhalbfinale zu schauen. Man kann sich auch zu einem Konzert bewegen, bei dem der Kampf der Dekaden mit all den Mitteln ausgefochten wird, die Metal Puristen zum Fluchen, Weinen und Kopfschütteln bringen bzw. gebracht haben, was an diesem Abend durch die kurzfristige, geldmangelverursachte Tourabsage der Pufferband THREAT SIGNAL noch viel frappierender werden wird.

Die erste Runde wird eröffnet von ATTILA, die wie ihr hunnischer Namensvetter keinen Stein auf dem anderen lassen wollen. Nach einem kurzen & klimprigen Nintendosound Intro springen die fünf Amerikaner auf die Bühne und fallen erstmal vorwiegend durch die Synchronität der Bühnenchoreographie auf. Gleichzeitig werden die Gitarren hochgerissen, gleichzeitig wird gebangt, das ganze Programm. Zwischen den Schreibrüllkrawallliedern, die alles moderne & harte vereinen ohne sich in meinen Ohren wirklich auszeichnen oder festsetzen zu können, präsentieren die Jungs sich als sympathischer Haufen, der sich freut, zum ersten Mal überhaupt in Deutschland zu sein. Die chaotische Frisur des Sängers, die erst von HED PE getoppt werden wird, und der seeehr jung aussehende Gitarrist sorgen für größere Ausrufezeichen als die Musik, einzig der Titeltrack des bald erscheinenden Albums „Rage“ deutet an, dass sich das in naher Zukunft ändern könnte. Schön wäre es, aber auch so ist der Applaus, der im zu etwa drei Viertel gefüllten Underground gezollt wird für die Spielfreude & das Engagement in Ordnung. Das Ende nach einer guten halben Stunde stimmt aber niemanden wirklich traurig.

Das bestätigt der lautstarken Empfang für HED PE, die den vermeintlichen Anachronismus, den sie als eine der wenigen konstant seit den 90ern aktiven & immer noch Nu Metal zockenden Kapellen eigentlich darstellen, konsequent und mit jeder Faser bestätigen. Auf der Bühne sieht man der Reihe nach einen Gitarristen mit Warpaint-artiger Gesichtsmaske, einen Sänger mit YingYang Zeichen ins Gesicht gemalt samt Baseballkappe mit Riesenschirm, die er ab und an lüftet, um seinen wüsten Iro an die Luft zu lassen, einen Bassist mit grauer Augenhöhlenbemalung, was leicht in Richtung Zombie tendiert, mit Jamey-Jasta-Gedächtnisbandana und den Schlagzeuger, der sich klassisch wie ein mexikanischer Wrestler angepinselt hat. Während man über ein derartiges Auftreten fast immer einfach nur den Kopf schütteln würde, ist das an diesem Abend ganz großer Sport, der einen wichtigen Baustein in dem Gesamtkunstwerk HED PE heute und vermutlich auch sonst darstellt. Mal wird gerappt, mal wird gescratcht, fast das gesamte Publikum hüpft, als wäre das Jahrzehnt der Spaßgesellschaft noch aktuell, und jeder hat einen Heidenspaß. Dass die Liedlängen gefühlt selten die zwei Minuten Marke überschreiten, sorgt für ein Maximum an Abwechslung in Geschwindigkeit und eingesetzten Effekten. Vom locker dahingleitenden Easy Listening Hüpfer bis zu Moshpit animierenden Abrissmomenten ist alles vertreten und zwischendurch wird das Ganze durch Cover von u.a. „Take A Walk On The Wild Side“ und „No Woman, No Cry“ aufgelockert.
Wem das noch nicht an Unterhaltung ausreicht, für den haben die Freunde von Mutter Erde (das PE im Bandnamen steht für Planet Earth) auf der Bühne ein ganzes Bündel an kuriosen Ansagen mitgebracht. Von der so nicht erwarteten Absage an organisierte Religion & den Papst über Lobpreisungen für die unter Jugendlichen am weitesten verbreitete nicht legale, „leichte“ Droge (natürlich vor dem BOB MARLEY Cover, begleitet von eindeutigen Rauchschwaden, weil das Rauchverbot im Underground Konzertsaal von einigen heute nicht so eng gesehen wird.) reichen diese bis hin zu eher bizarren Ansagen über Aliens, den Doggie Style und die Frauenpower & Mutter Erde. Am Ende ist man einerseits froh, sich nicht dauerhaft beim (kreativen) Wahnsinn der Band angesteckt zu haben, und andererseits würde man der Tour am liebsten hinterherfahren, weil man so gut wie nie so viel Lachen kann auf einem Konzert.

Ein in Teilen absurder aber insgesamt großartiger Spaß mit der womöglich freundlichsten Nu Metal Band überhaupt, die sich einige Male bei den „beautiful people of germany“ bedankt und ihre Shirts mit den vier Wörtern „Peace Love Hope Family“ schmückt. Um den Spaß, die Kuriosität und den Unterhaltungsfaktor mit Trash Appeal etwas greifbarer zu machen, sei gesagt, dass ich mich nicht gewundert hätte, wenn die Bandmitglieder irgendwann Ringe aneinander gehalten hätten und jemand im Kostüm von Captain Planet auf die Bühne gesprungen wäre, um das nächste Lied zu singen. Spitze!
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