Katatonia Swallow the Sun & Long Distance Calling

Katatonia, Swallow the Sun & Long Distance Calling

KatatoniaLong Distance CallingSwallow The Sun
Bochum, Zeche
03.04.2010
Wer, wie meine Wenigkeit, Navigationsgeräte als Affront gegen das äußerst männliche Talent des Kartenlesens empfindet und obendrein auch noch ein Westerwälder Landei ist, greift bei einer Reise in unbekannte Ruhrpöttler-Innenstädte gerne auf die Hilfe von sogenannten Routenplanern aus dem Internet zurück. Der Umstand, dass einen diese gerne in die völlig falsche Richtung lotsen in Verbindung mit der mangelnden Kommunikation zwischen Kartenbörse Eventim und Veranstalter Zeche, führt an diesem Abend dazu, dass die erste Band bereits ihre Sachen zusammenpackt, als unsereins die Zeche Bochum erst erreicht. Während auf der Eintrittskarte Beginn 19:30 Uhr ausgewiesen ist, verkündet die Zeche fröhlich den Start für 19:00 Uhr. Beide Zeiten sind falsch, denn ab 22:00 Uhr verwandelt sich der Laden in eine fröhlich bunte Teenie-Discothek, weswegen das Zeitfenster für ein vorgeschobenes Metalkonzert natürlich immer kleiner wird und die erste Band schon deutlich vor 19:00 Uhr zu spielen beginnt.

Also sucht man sich verärgert seinen Platz in der sehr gut gefüllten Zeche, wundert sich noch kurzzeitig darüber, wo denn LONG DISTANCE CALLING wohl sind und schaut der Folgeband bei den Aufbauarbeiten zu. Schade eigentlich, denn die Münsteraner Post Rocker haben Gerüchten zufolge einen wirklich tollen Auftritt hingelegt, der mir nun leider verborgen geblieben ist.

Die Finnen von SWALLOW THE SUN sollten dafür allerdings entschädigen. Die deutlich härteste Band des Abends quetscht sich mit sechs Leuten während eines atmosphärischen Intros auf die Bühne und sieht sich fortan einem sehr gut aufgelegten Publikum konfrontiert. Mit einigen Songs aus dem neuen Album „New Moon“ im Gepäck sorgt der unheimlich nachdenklich wirkende Sänger Kotamäki für die eine oder andere Gänsehaut. Ich habe selten einen Sänger gesehen, der derart emotionslos auf der Bühne steht, obwohl er eigentlich unheimlich düster-traurige Texte singt. Doch irgendwie passt dieses Verhalten sehr gut zum Sound der Band und die anderen Mitglieder sorgen mit ihrem konstanten Mattenschwingen für einen auffälligen Kontrastpunkt in der Beziehung. Auch die Songauswahl gerät zu einer emotionalen Achterbahnfahrt. Immer wieder werden gefühlvolle Momente von waren Riff- und Drummgewittern erschlagen, bauen sich anschließend wieder zu turmhoher Melancholie auf, um schließlich wieder in aggressives Geschrei zu verfallen. So gefallen ruhigere Stücke wie „New Moon“ oder „Don’t Fall Asleep“ genauso wie treibende Dampfhammer á la „Plague of Butterflies“ oder das abschließende „Swallow“, dessen Schlussakkorde mir seitdem nicht mehr aus dem Kopf gehen wollen. Beeindruckend gut!

So wirklich vergleichen kann man KATATONIA mit ihrem Vorgänger nicht und das soll daher an dieser Stelle auch überhaupt nicht geschehen. Die Schweden haben auf ihrer „New Night over Europe Tour“ natürlich ihr neues Album im Gepäck und daher ist es interessant, wie die neuen Stücke sich wohl live entfalten werden. Ebenfalls neu ist die Bandbesetzung nach dem Ausstieg der Norrman-Brüder im letzten Jahr. Als Aushilfsgitarrist für die Tour hat man sich Per ‘Sodomizer’ Eriksson (BLOODBATH) ins Boot geholt, während Niklas Sandin die Position am Bass übernimmt. Um 20:40 Uhr ist es dann soweit.
Jonas Renkse und Co. haben die Bühne kaum betreten, da keimen schon erste Jubelschreie auf. Natürlich startet man mit „Forsaker“ in diesen Abend und offenbart – wie bei KATATONIA fast schon üblich – erst einmal einige Schwächen. Der Sound holpert noch ein wenig, das Timing passt des Öfteren nicht und auch Renkse haut erst einmal kräftig neben die Töne. Nach der Hälfte des Titels hat sich die Band dann endlich gefunden und steigert sich ab diesem Moment immer weiter. Und tatsächlich zeigt sich der in ein TOOL Shirt gehüllte und inzwischen doch arg beleibte Renkse an diesem Tag in Bestform. Spätestens bei „Complicity“ hat er auch den größten Kritiker in seinen Bann gezogen. Insgesamt zeigen KATATONIA an diesem Abend ein überraschend ruhiges Set. Auf die meisten älteren Titel wird verzichtet, von Experimenten á la „Brave“ oder „Murder“ ganz zu schweigen. Wenn denn mal ein Klassiker ertönt, dann eher einer der sanften Sorte, wie das bärenstarke „Saw you Drown“. Auch die in der Vergangenheit als Backing Vocals eingesetzten Shouts während „Ghost of the Sun“ wurden schlicht weggelassen bzw. durch cleane Vocals („Leaders“) ersetzt. Wer also die härteren KATATONIA erwartet hat, dürfte enttäuscht gewesen sein. Andererseits muss man erwähnen, dass die neuen Titel deutlich mehr Wumms hatten als erwartet. Die neue Single „The Longest Year“ entpuppte sich sogar nahezu als Highlight des Abends. Aber auch „Disposession“ als erste Zugabe hatte es in sich.
Insgesamt eine wirklich interessante Songauswahl mit einem sehr gut aufgelegten Renkse und einer Band, die sich durch eine ungewohnte Spielfreudigkeit und jeder Menge Engagement ausgezeichnet hat. Da kann die Festivalsaison mit KATATONIA gerne kommen!

Setlist KATATONIA:
Forsaker
Liberation
My Twin
Onward Into Battle
Complicity
The Longest Year
Omerta
Teargas
Saw You Drown
Idle Blood
Ghost of the Sun
Evidence
July
The Day and then the Shade
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Dispossesion
Leaders
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