Hell On Earth 2010
Hell On Earth 2010
Köln, Essigfabrik
18.09.2010
18.09.2010
Pünktlich zum nahenden Herbstbeginn geht mit dem Hell On Earth die erste der „mehr Bands = mehr Spaß“ Touren an den Start. Also packt die Stadtjugend ihren neuesten Schmuck in die Ohrtunnel, poliert die feschesten Kappen auf Hochglanz und zieht los, um einen Abend lang das rumhocken sein zu lassen und endlich noch mal die Gliedmaßen ausschütteln zu gehen. Der Tarif dafür ist wie jedes Jahr sehr fair, dazu werden die vor Ort vorhandenen Nahrungskapazitäten um vegane Steakbaguettes ergänzt, die auch zum Bier gut schmecken.
Als ich in der Essigfabrik ankomme, kann ich von VERA CRUZ nur noch das Merch anschauen, denn auf der Bühne bölken bereits THICK AS BLOOD in ohrenbetäubender Lautstärke, die bei den folgenden Bands zum Glück etwas runtergedreht wird. Obwohl es noch recht früh ist, scheint die Essigfabrik bereits sehr gut gefüllt zu sein, bei näherer Anschauung stehen die Leute aber doch noch recht locker nebeneinander, was sich den ganzen Abend über nicht groß ändern wird. Komisch eigentlich, wo das Line Up doch mit einigen frischen Bands aufwarten kann. Während ich sinniere, macht der THICK AS BLOOD Fronter in der Regenjacke vorne weiter mächtig Alarm und bekommt, dank fehlendem Bühnengraben, auf der Bühne einiges an erwünschter Gesellschaft, die dann auch mal kurz ins Mikro brüllen darf. Als Einstimmung voll in Ordnung, im Endeffekt aber zu unspeziell, um wirklich aufzufallen.
DOWN TO NOTHING finde ich da bereits deutlich spannender, auch weil der stilecht Wüstentarn an den Beinen und eine umgedrehte Kappe auf dem Kopf tragende Sänger David, der später noch bei TERROR den Bass schwingen wird, in vielen Passagen so schnell singt, dass eine erstaunliche Ähnlichkeit zu Old School Rap entsteht. Speziell im Zusammenspiel mit dem musikalischen Wechsel aus Groove und ins Gesicht wird quasi auf dem Flow gesurft. Geschätzte 150 Leute lassen sich davon anstecken und nutzen den ihnen sich bietenden Platz vor der Bühne für raumgreifende Bewegungen, ziehen gegenüber David aber klar den kürzeren, der während dem Singen auf der Bühne stampft, mühlt und das ein oder andere Circle Pit Solo hinlegt.
Nach diesem unterhaltsamen Auftritt geht es gut gelaunt zum Luft schnappen, man muss vor der Tür allerdings aufpassen, wo man hinläuft. Was bei den Musikern auf der Bühne noch eben tolerabel ist, sieht bei einer ganzen Reihe Konzertbesucher nach „gute Kinderstube zu Hause gelassen“ aus, wenn bei jedem sich ankündigenden kleinen Speichelfluss lautstark auf den Boden gerotzt wird… Um es mit Pepe Nietnagel zu sagen: „Man fasst es nicht!“
Schnell wieder rein, um die langsamste Band des Abends zu begutachten. Zäh, fies und tonnenschwer ist der CROWBARcore von THE ACACIA STRAIN, dessen auflockernde Tempomomente von den massiven Vollbremsungen so plattgemacht werden, dass man sich leichte Sorgen machen muss, ob die Bühne unter diesem Gewicht nicht nachgibt. Ganz im Geiste ihrer Musik versuchen die Bandmitglieder auf der Bühne möglichst gemein zu gucken, was nicht hundertprozentig gelingt, obwohl es nach den zwei, zu ständiger Action animierenden Bands zuvor im Publikum erstaunlich ruhig bleibt. Wahrscheinlicher als eine Einschüchterungstheorie ist, dass das neue Album „Wormwood“ noch nicht so in den Köpfen angekommen ist, denn beim abschließenden „JFC“ (Jesus Fucking Christ) vom Vorgänger „Continent“ macht sich erstmals bei THE ACACIA STRAIN eine größere Menge bemerkbar. Eigenwillig und ganz sicher keine leichte Kost, aber bemerkens- und sehenswert.
Den folgenden ALL SHALL PERISH ist die unermüdliche Touraktivität auch in Gesellschaft vieler Metalbands im Vergleich zu allen anderen Bands des Abends anzusehen. Denn als einziger Band gelingt es den fünf Deathcorelern sich zumindest halbwegs gleichwertig auf der Bühne zu verkaufen, während vor allem THICK AS BLOOD, DOWN TO NOTHING und Headliner TERROR showtechnisch von ihren Frontmännern leben und zehren. Der satte Sound und die gewonnene Reife der Musiker könnten ALL SHALL PERISH auch für mich zu einer live durchaus anhörbaren Band machen, wäre da nicht dieses gutturale Gewürge, das manche als den Gesang identifizieren können. Ganz alleine stehe ich mit dieser Meinung übrigens nicht an der frischen Luft.
Im sich seit einiger Zeit auf dem absteigenden Ast befindlichen Metalcore versucht jeder, der die Flinte noch nicht ins Korn geworfen hat, auf andere Weise seine Felle ins Trockene zu bringen. Bei EVERY TIME I DIE wird das schon länger erfolgreich durch die Einarbeitung einer Südstaatennote praktiziert, die live unter anderem zur Verkleinerung des Schlagzeugs auf etwas mehr als die Hälfte der anderen Bands führt. Besonders nach der doppelten Ladung Düsternis zuvor wirken die Amerikaner hell, fast schon freundlich. Frontmann Keith erinnert mit Flanellhemd und fieser Frise an eine Kreuzung aus dem „My Name Is Earl“ Titelhelden und Mr. WOLFMOTHER Andrew Stockdale, es stimmt also auch die optische Basis für etwa fünfundvierzig Minuten gute Laune. Das Publikum zeigt sich allerdings von seiner vergleichsweise zurückhaltenden Seite und vielen fällt plötzlich ein, dass es vor der Tür auch schön sein könnte. Der übersteuert wirkende, krachige Sound, der in der geringfügig glatteren Ausarbeitung auf Platte deutlich besser funktioniert, trägt sein übriges dazu bei, dass EVERY TIME I DIE heute für mich eher zu den Verlierern gehören.
Die große Schau, auf die ALLE gewartet haben, folgt zum Abschluss mit TERROR. Selbst wenn der Wortwitz schon hunderte Male gemacht worden ist, aber Vorturner Scott schießt einfach den Vogel ab! In einem hitgespickten Set, was sich an der Menge der Mitsänger nicht immer so deutlich ablesen lässt, weil einige Passagen zu schnell sind, um von Konzertgängern synchron eingestimmt zu werden, sind fast alle Augen ständig auf den überagilen Frontmann gerichtet. Er macht die ganze Bühne zu seinem Wohnzimmer, in dem er einen steten Strom von Gästen empfängt, weil den ständigen Animationen zum Stagediven Folge geleistet wird. Mit den unterschiedlichen Versionen des sprunghaften die Bühne Verlassens ließe sich von „Smash Through You“ (Knie oder Füße voran) bis zu „Always The Hard Way“ (Purzelbaum) die halbe Setlist zusammenstellen, nur an „Suffer, To Return Harder“ (Arschbombe) wagt sich niemand heran. Weil beim Hantieren mit dem Mikro nicht immer alles an seinem gewohnten Platz bleibt, ist eigens ein junger Mann auf der Bühne, der ständig neues Tape zur Sicherung der Kabel anbringt und auch die übrigen Kollateralschäden von Hans Dampf Scott schnell beseitigt, damit die Show reibungslos weitergehen kann. Großartige, enorm energiegeladene Unterhaltung mit jeder Menge Hits, besser geht es (im Hardcore) kaum.
Die abwechslungsreiche Zusammenstellung mit einigen Bands, die man in Mitteleuropa nicht unbedingt regelmäßig sehen kann, und nicht zuletzt die überragenden Livequalitäten des Headliners machen den Besuch des Hell On Earth auch 2010 lohnenswert, selbst wenn die Spielzeiten der meisten Bands wie üblich (aber bei einer Abendveranstaltung auch notwendig) keine Rekorde brechen.
Als ich in der Essigfabrik ankomme, kann ich von VERA CRUZ nur noch das Merch anschauen, denn auf der Bühne bölken bereits THICK AS BLOOD in ohrenbetäubender Lautstärke, die bei den folgenden Bands zum Glück etwas runtergedreht wird. Obwohl es noch recht früh ist, scheint die Essigfabrik bereits sehr gut gefüllt zu sein, bei näherer Anschauung stehen die Leute aber doch noch recht locker nebeneinander, was sich den ganzen Abend über nicht groß ändern wird. Komisch eigentlich, wo das Line Up doch mit einigen frischen Bands aufwarten kann. Während ich sinniere, macht der THICK AS BLOOD Fronter in der Regenjacke vorne weiter mächtig Alarm und bekommt, dank fehlendem Bühnengraben, auf der Bühne einiges an erwünschter Gesellschaft, die dann auch mal kurz ins Mikro brüllen darf. Als Einstimmung voll in Ordnung, im Endeffekt aber zu unspeziell, um wirklich aufzufallen.
DOWN TO NOTHING finde ich da bereits deutlich spannender, auch weil der stilecht Wüstentarn an den Beinen und eine umgedrehte Kappe auf dem Kopf tragende Sänger David, der später noch bei TERROR den Bass schwingen wird, in vielen Passagen so schnell singt, dass eine erstaunliche Ähnlichkeit zu Old School Rap entsteht. Speziell im Zusammenspiel mit dem musikalischen Wechsel aus Groove und ins Gesicht wird quasi auf dem Flow gesurft. Geschätzte 150 Leute lassen sich davon anstecken und nutzen den ihnen sich bietenden Platz vor der Bühne für raumgreifende Bewegungen, ziehen gegenüber David aber klar den kürzeren, der während dem Singen auf der Bühne stampft, mühlt und das ein oder andere Circle Pit Solo hinlegt.
Nach diesem unterhaltsamen Auftritt geht es gut gelaunt zum Luft schnappen, man muss vor der Tür allerdings aufpassen, wo man hinläuft. Was bei den Musikern auf der Bühne noch eben tolerabel ist, sieht bei einer ganzen Reihe Konzertbesucher nach „gute Kinderstube zu Hause gelassen“ aus, wenn bei jedem sich ankündigenden kleinen Speichelfluss lautstark auf den Boden gerotzt wird… Um es mit Pepe Nietnagel zu sagen: „Man fasst es nicht!“
Schnell wieder rein, um die langsamste Band des Abends zu begutachten. Zäh, fies und tonnenschwer ist der CROWBARcore von THE ACACIA STRAIN, dessen auflockernde Tempomomente von den massiven Vollbremsungen so plattgemacht werden, dass man sich leichte Sorgen machen muss, ob die Bühne unter diesem Gewicht nicht nachgibt. Ganz im Geiste ihrer Musik versuchen die Bandmitglieder auf der Bühne möglichst gemein zu gucken, was nicht hundertprozentig gelingt, obwohl es nach den zwei, zu ständiger Action animierenden Bands zuvor im Publikum erstaunlich ruhig bleibt. Wahrscheinlicher als eine Einschüchterungstheorie ist, dass das neue Album „Wormwood“ noch nicht so in den Köpfen angekommen ist, denn beim abschließenden „JFC“ (Jesus Fucking Christ) vom Vorgänger „Continent“ macht sich erstmals bei THE ACACIA STRAIN eine größere Menge bemerkbar. Eigenwillig und ganz sicher keine leichte Kost, aber bemerkens- und sehenswert.
Den folgenden ALL SHALL PERISH ist die unermüdliche Touraktivität auch in Gesellschaft vieler Metalbands im Vergleich zu allen anderen Bands des Abends anzusehen. Denn als einziger Band gelingt es den fünf Deathcorelern sich zumindest halbwegs gleichwertig auf der Bühne zu verkaufen, während vor allem THICK AS BLOOD, DOWN TO NOTHING und Headliner TERROR showtechnisch von ihren Frontmännern leben und zehren. Der satte Sound und die gewonnene Reife der Musiker könnten ALL SHALL PERISH auch für mich zu einer live durchaus anhörbaren Band machen, wäre da nicht dieses gutturale Gewürge, das manche als den Gesang identifizieren können. Ganz alleine stehe ich mit dieser Meinung übrigens nicht an der frischen Luft.
Im sich seit einiger Zeit auf dem absteigenden Ast befindlichen Metalcore versucht jeder, der die Flinte noch nicht ins Korn geworfen hat, auf andere Weise seine Felle ins Trockene zu bringen. Bei EVERY TIME I DIE wird das schon länger erfolgreich durch die Einarbeitung einer Südstaatennote praktiziert, die live unter anderem zur Verkleinerung des Schlagzeugs auf etwas mehr als die Hälfte der anderen Bands führt. Besonders nach der doppelten Ladung Düsternis zuvor wirken die Amerikaner hell, fast schon freundlich. Frontmann Keith erinnert mit Flanellhemd und fieser Frise an eine Kreuzung aus dem „My Name Is Earl“ Titelhelden und Mr. WOLFMOTHER Andrew Stockdale, es stimmt also auch die optische Basis für etwa fünfundvierzig Minuten gute Laune. Das Publikum zeigt sich allerdings von seiner vergleichsweise zurückhaltenden Seite und vielen fällt plötzlich ein, dass es vor der Tür auch schön sein könnte. Der übersteuert wirkende, krachige Sound, der in der geringfügig glatteren Ausarbeitung auf Platte deutlich besser funktioniert, trägt sein übriges dazu bei, dass EVERY TIME I DIE heute für mich eher zu den Verlierern gehören.
Die große Schau, auf die ALLE gewartet haben, folgt zum Abschluss mit TERROR. Selbst wenn der Wortwitz schon hunderte Male gemacht worden ist, aber Vorturner Scott schießt einfach den Vogel ab! In einem hitgespickten Set, was sich an der Menge der Mitsänger nicht immer so deutlich ablesen lässt, weil einige Passagen zu schnell sind, um von Konzertgängern synchron eingestimmt zu werden, sind fast alle Augen ständig auf den überagilen Frontmann gerichtet. Er macht die ganze Bühne zu seinem Wohnzimmer, in dem er einen steten Strom von Gästen empfängt, weil den ständigen Animationen zum Stagediven Folge geleistet wird. Mit den unterschiedlichen Versionen des sprunghaften die Bühne Verlassens ließe sich von „Smash Through You“ (Knie oder Füße voran) bis zu „Always The Hard Way“ (Purzelbaum) die halbe Setlist zusammenstellen, nur an „Suffer, To Return Harder“ (Arschbombe) wagt sich niemand heran. Weil beim Hantieren mit dem Mikro nicht immer alles an seinem gewohnten Platz bleibt, ist eigens ein junger Mann auf der Bühne, der ständig neues Tape zur Sicherung der Kabel anbringt und auch die übrigen Kollateralschäden von Hans Dampf Scott schnell beseitigt, damit die Show reibungslos weitergehen kann. Großartige, enorm energiegeladene Unterhaltung mit jeder Menge Hits, besser geht es (im Hardcore) kaum.
Die abwechslungsreiche Zusammenstellung mit einigen Bands, die man in Mitteleuropa nicht unbedingt regelmäßig sehen kann, und nicht zuletzt die überragenden Livequalitäten des Headliners machen den Besuch des Hell On Earth auch 2010 lohnenswert, selbst wenn die Spielzeiten der meisten Bands wie üblich (aber bei einer Abendveranstaltung auch notwendig) keine Rekorde brechen.