Dark Tranquillity Insomnium Black Whore

Dark Tranquillity, Insomnium, Black Whore

Dark TranquillityInsomnium
Leipzig, Conne Island
24.09.2010
“Where Death Is Most Alive” nannte sich die erfolgreiche Europa-Tour, die DARK TRANQUILLITYs vor zwei Jahren absolvierten. Herausgekommen sind neben bleibenden Erinnerungen im Kopf auch eine hervorragende Live-DVD, um eventuellen Verblassungserscheinungen entgegen zu wirken bzw. den Abwesenden ein halbwegs äquivalentes Erlebnis ins heimische Wohnzimmer nachreichen zu können. Da aber selbstverständlich kein Bild- oder Tonträger mit drückendem Bass und echtem Männerschweiß mithalten kann, setzen die Schweden nun zu einer zweiten Runde an. Und wie es sich gehört, muss alles natürlich eine Nummer größer ausfallen: Ganze 41 Stationen hat man sich für „Where Death Is Most Alive Part II“ herausgepickt, mit INSOMNIUM einen hochkarätigen Partner ins Boot gezerrt und für den lokalen Support gar ein umfangreiches Fan-Voting veranstaltet. Nachdem sich dann zumindest in Deutschland der Sommer noch einmal zu einem letzten, warmen Atemzug durchgerungen hat, kann ja eigentlich nicht mehr viel schief gehen.

Für den Leipziger Gig am zweiten Tag der Tour konnten BLACK WHOLE die meisten Zähler für sich verbuchen. Im Gegensatz zu einigen im Zusammenhang mit den Headlinern doch etwas arg exotisch anmutenden Voting-Teilnehmern passen die Dresdner recht gut ins musikalischer Tour-Umfeld, frönen sie in ihrer Freizeit doch dem riffbetonten und melodischen Death Metal. Sichtlich von der Zahl der anwesenden Besucher angetan scheinen sie die dann auch die Ihnen gebotene Aufmerksamkeit zu genießen und gehen mit ordentlich Spielfreude und Hummeln in der Hose ans Werk. Letztlich weht dann von der Bühne eine halbe Stunde lang ganz brauchbares Material herüber, dem es aber einfach an Substanz mangelt, um in irgendeiner Form eine Delle im Schädel zu hinterlassen. Gut für den Augenblick, was die In-der-ersten-Reihe-Steher dann auch bestens gelaunt ausnutzen, in der Straßenbahn nach Hause aber schon wieder vergessen. Dennoch heizt sich der Raum des Conne Island aufgrund der Temperaturen im Freien und den warmen Achseln der Besucher bereits bedrohlich auf, während gleichzeitig der Sauerstoff die Flucht nach vorn antritt.

Spätestens bei den ersten Tönen von INSOMNIUM wird man sich dann auch schlagartig der angesprochenen fehlenden Nachhaltigkeit der Vorband bewusst. Es genügt, die ersten, sanften Töne von „Equivalence“, dem Opener des aktuellen Albums der Finnen, anzuspielen, und die Menge beginnt bereits kollektiv um Beherrschung zu ringen. Bereits Ende letzten Jahres konnte die Band das Publikum mit ihren eingängigen und charakteristischen Stücken durchweg problemlos an den Eiern durch die Gegend schleifen, wobei Männer anschließend ganz unterwürfig sogar noch um eine Zugabe bettelten und ihre ohnmächtig gewordenen, mitgebrachten Frauen auf dem Boden links liegen ließen. Das Rezept hierfür? INSOMNIUM lassen ihre Gitarren Geschichten erzählen. Geschichten, die mal traurig und mal aufwühlend sind, auch mal ohne Happy-End daherkommen, in jedem Falle aber in Erinnerung bleiben und auch beim wiederholten Erzählen nichts von ihrem Reiz verlieren. Da mögen die eingestreuten, kurzen Klargesangspassagen zwischen den intensiven Grunzern zwar gelegentlich mit ein wenig Schräglage daherkommen, wirklich störend wirkt sich das aber auf keines der anwesenden Gemüter aus.

DARK TRANQUILLITY brauchen da im Grunde nicht mehr viel zur Stimmung beizutragen, außer sie am Köcheln zu halten. Zufrieden gibt sich die Band damit allerdings nicht. Es werden große Geschütze in Form von beleuchtbaren LED-Streifen in den Bühnenstufen und einem Beamer aufgefahren, der durchgängig auf und hinter den Drummer ein kunterbuntes Potpourri an visuellen Eindrücken projiziert. Mag das zu Beginn noch recht wahllos wirken, zeigt sich später schnell, dass man sich hier zu jedem dargebotenen Song im Vorfeld Gedanken gemacht hat, wie man diesen wohl unterstützen kann, wodurch sehr unterschiedliche und intensive Stimmungen erzeugt werden. Aber selbstverständlich nimmt man sich auch musikalisch nicht zurück, wobei im Grunde Herr Stanne und seine Mitstreiter im Laufe der Jahre so routiniert darin geworden sind, jeden Auftritt zu ihrem gefühlt besten zu machen, dass wohl kaum jemand weniger als eine geile Show erwartet und auch bekommt. Ausflüge in die Vergangenheit in Form von „The Gallery“ oder „Zodiackyl Light“ zwischen den erwarteten Hits von „We Are The Void“, „Fiction“ und „Character“ zeugen vom nicht ganz selbstverständlichen Berücksichtigen der Fan-Bedürfnisse. Gut gelaunt und mit frischem Auftreten (was am zweiten Termin eigentlich auch zu erwarten ist) wird der Kontakt mit dem Publikum sowohl verbal als auch physisch gesucht und gefunden.
Auch wenn man stets dazu neigt, Bands miteinander zu vergleichen, gibt es heute keinen klaren Sieger. Dazu bedienen sich DARK TRANQUILLITY und INSOMNIUM zu unterschiedlicher Stilmittel, dazu sind beide Bands einfach zu hochkarätig. Das Siegertreppchen bietet jedenfalls genügend Platz für beide.
Das einzige Haar in der Suppe bleiben die mittlerweile nicht gerade besser gewordenen Luftverhältnisse. Stetig läuft im Kopf ein Konflikt zwischen dem körperlich nötigen Flüchten nach Draußen, wo mittlerweile ein kühler Regenguss für ein angenehmes Klima sorgt, und dem Gefühl im Hirn, bloß keine Sekunde des Konzerts verpassen zu wollen. Letztlich gewinnt aber der Geist gegen das Fleisch. Fleisch soll ja eh ungesund sein.

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