Kings of Black Metal 2011

Kings of Black Metal 2011

AlcestChrome DivisionCorpus ChristiiDornenreichEndstilleInquisitionTaakeUnder That SpellWatain
Alsfeld, Stadthalle
16.04.2011
Eine Woche vor Ostern war es wieder einmal soweit. Die Könige des Black Metal gaben sich die Ehre, um einen Tag lang die Getreuen mit einem anspruchsvollen Programm zu unterhalten. Dieses Indoor-Festival hat sich zu einer beachtlichen Institution in Sachen schwarzmetallischer Live-Präsenz entwickelt und auch in diesem Jahr hatten die Veranstalter für ein Billing gesorgt, das jedem Genreaffinen einfach nur das Wasser im Munde zusammenlaufen lässt. Jedoch wurde die lange gehegte Vorfreude ein wenig durch organisatorische Querelen getrübt, da die Veranstaltung zunächst für das hessische Gießen angekündigt war und dann einen guten Monat vor ihrem Stattfinden ins etwa 50 Kilometer entfernte Alsfeld umzog. Was das nun sollte, erschloss sich nicht wirklich, zumal die Erklärungen auf der Website des Veranstalters Burning Stage eher nach Ausflüchten wirkten.

Wie dem auch sei, Alsfeld, das an diesem Wochenende nicht mal über einen Bahnanschluss verfügte, rief und der Schienenersatzverkehr verlängerte die Anreise in die hessische Provinz um ein Erhebliches. Doch zur Mittagszeit waren schon viele gekommen, der große Parkplatz vor der Halle hatte den Charakter einer metallischen Partymeile und eine Menschenschlange von mehreren dutzend Metern Länge, in die wir uns auch geschwind einreihten, begehrte Einlass.

Den undankbaren Job des Openers an einem derart langen Tag hatten UNDER THAT SPELL und sie machten ihn recht ordentlich. Sie spielten ihren wenig auffälligen Black Metal vor einer sich füllenden Halle, in der die meisten Anwesenden eher in Sachen Getränke und Merchandise unterwegs waren. Die Anzahl schwingender Köpfe im Bereich vor der Bühne war erwartungsgemäß noch recht überschaubar, doch haben sich UNDER THAT SPELL wacker geschlagen und so bei den Zuschauern einige positive Reaktionen hervorrufen können.

In der taghellen Halle, was den großen Fensterfronten geschuldet war, die nicht abgedunkelt werden konnten, enterten nach der Umbaupause die Franzosen von ALCEST die Bühne. Die vierköpfige Truppe um Bandleader Neige gehörte an diesem Tag zu denjenigen, die das Line Up insofern bereicherten, dass sie mit Sicherheit keinen klassischen Black Metal zum Besten gaben, sondern sich eher in den Randbereichen der Szene tummeln. Hier gab es kein wüstes Geblaste, sondern man ließ das Set recht ruhig angehen. Der zutiefst melancholisch-verträumte Sound stieß aber auf einige Gegenliebe und die Halle füllte sich zusehends. Mit dem Hit "Percées de lumière" vom aktuellen Album "Écailles de Lune" gab es dann auch einmal harsche Vocals, wodurch die Stimmung einen ersten kleinen Höhepunkt erreicht. Nur leider war dann auch schon wieder alles vorbei und die angekündigten 30 Minuten Spielzeit schienen kaum erreicht zu sein.

Von hier an wurde es klassischer, was nicht heißen sollte, dass es besser wurde. Der Umbau für CIRITH GORGOR aus den Niederlanden sorgte für Verzögerungen im Zeitplan, die den nach ihnen Spielenden noch zum Problem werden sollten. Was den Hörer hier erwartete, war wenig originell und auch nur mäßig spannend. Es wurde geholzt, was das Zeug hält und im nicht ganz optimalen Soundgewand waren die Feinheiten des Songwritings nicht wirklich auszumachen, so denn überhaupt vorhanden. In einem Programm wie an diesem Tag wirkt eine Band wie CIRITH GORGOR dann doch ein wenig zu eindimensional und live nicht charismatisch genug, um dauerhaft zu gefallen oder im Gedächtnis zu bleiben.

In Sachen brachialer Black Metal im Eiltempo passten CORPUS CHRISTII ausgezeichnet an den nächsten Platz in der Running Order. Allerdings gaben sie eine weitaus bessere Figur ab. Sie brachten viel mehr Abwechslung und transparentere Strukturen in ihr Set, was im Publikum auch offensichtlich gut ankam. Leider kam es zu einigen Querelen zwischen Bandkopf Nocturnus Horrendus und einem Verantwortlichen im Backstage-Bereich, der dafür sorgen wollte, dass der Zeitplan eingehalten würde und zwar auf Kosten des Sets von CORPUS CHRISTII. Nach ein paar Diskussionen und lautstarker Unterstützung der Band durch das Publikum konnten sie ihr Set beenden. Alles andere wäre auch einer mittleren Katastrophe gleichgekommen, denn dann hätte man auf den genialen Rausschmeißer "All Hail... (Master Satan)" verzichten müssen, der noch einmal alle Nackenwirbel knacken ließ und bei dem die Herren Musiker noch von einem Feuerspucker auf der Bühne unterstützt wurden.

Das Festival der Kontraste erlebte hierauf seinen nächsten Bruch, der durch den Auftritt von DORNENREICH gekennzeichnet wurde. Diese auf drei Musiker reduzierte Band legte zunächst zu zweit los. Eviga und Inve gaben zunächst zwei akustische Stücke von "In Luft geritzt" zum Besten, bevor Drummer Gilván dazustieß und Eviga die elektrische Gitarre in die Hand nahm. Es folgte ein Set, bei dem alle Schaffensphasen der Band berücksichtigt wurden und das nicht zuletzt durch die freundliche und gewinnende Ausstrahlung aller Musiker wunderbar unterstützt wurde. Violinist Inve lächelte in einem durch, als wäre er frisch verliebt und Evigas ausgeprägte Mimik bot eine wunderbare Visualisierung der lyrischen Texte, die in dieser Besetzung erfreulich druckvoll in Musik umgesetzt wurden.

Vorurteile sind dazu da, widerlegt zu werden. So musste es mir auch mit der nächsten Band gehen. Gemessen an den umgedrehten Pentagrammen mit Kalashnikow oder den Backpatches mit darauf abgebildeten Gasmaskenträgern schienen ENDSTILLE so etwas wie heimliche Headliner zu sein. Meine persönlichen Erwartungen waren gering, aber ein wenig gespannt war ich schon, was denn da kommen würde. Und es kam gewaltig. Im Gegensatz zu den innerlichen DORNENREICH wurde hier das wohl größte Kontrastprogramm geboten, das die deutsche Szene zu bieten hat und ENDSTILLE kamen wie ein Feuersturm über die Stadthalle Alsfeld. Brachialer Hochtempo-Sound mit durchaus eingängigen Momenten und ein Zingultus, der blutbeschmiert wie ein Wahnsinniger über die Bühne tobte und dabei auch schon mal den Fotograben enterte, machten jeden Zweifel zunichte. Stücke wie "Dominanz" oder "Navigator" sprengten alle Vorbehalte in Fetzen und zurück blieb ein zufriedenes Publikum und mit mir mindestens ein Besucher, der sein Verhältnis zu dieser Band doch noch einmal überdenken muss.

Um dies tun zu können, musste auch fürs leibliche Wohl gesorgt werden und hier gab es ein klares organisatorisches Defizit. Der einzige Imbisswagen vor der Halle mit seinen zwei überforderten Mitarbeitern, die auf etwa zwei Quadratmetern Hot Dogs, Pommes und Kaffee für deutlich über 1000 Besucher machen wollten, war einfach zu wenig. Glücklicherweise gab es wenige Minuten Fußweg entfernt einen findigen Gastronomen, der spontan eine Reihe von Arbeitskräften organisiert hatte, um bis tief in die Nacht das Nahrungsangebot zu erweitern. Keine Selbstverständlichkeit in einer Kleinstadt wie Alsfeld und hier haben die Organisatoren fürs nächste Jahr noch Aufgaben zu erledigen.

Wegen der Essenspause gab es für uns somit nur noch den Schluss des Sets von CHROME DIVISION, die mit ihrem Rock & Roll ziemlich aus dem Programm herausstachen, es aber durchaus verstanden, das Publikum in Feierlaune zu versetzen. Die Jungs kames wirklich sympathisch rüber und Sänger Shady Blue verschenkte zum Schluss sogar noch Shirts an die Menschen in den ersten Reihen.

Nun stand ein echter Höhepunkt dieses Abends an und die Halle erlebte beim Auftritt von TAAKE den wohl höchsten Füllstand. Es wurde eng und in der sonst gut klimatisierten Location geradezu warm, was zum energetischen Gebahren der Band durchaus passte. Hier wurde deutlich, dass Schwarzmetaller nicht unbedingt nur trübsinnig vor sich hin starren, sondern es entwickelte sich ein beachtlicher Mosh Pit, in dem leider wenige Deppen etwas zu wenig Selbstkontrolle an den Tag legten, was zu ein paar Rangeleien unter einzelnen Besuchern führte. Eine bedauerliche Ausnahme bei einer ansonsten sehr friedlichen Veranstaltung. TAAKE sind live einfach eine absolute Macht und dies vor allem durch die extrovertierte Art von Hoest, der einfach nur pure entfesselte Energie ausstrahlt. Die Songsauswahl war mehr als gelungen und neben den Klassikern der Band wurde auch ein neuer Song vom kommenden Album gespielt, der beim Publikum eindeutig auf Gegenliebe stieß. Viel zu früh endete die Ein-Mann-Unterhaltungsshow, nur um Raum auf der Bühne für eine sensationelle Zwei-Mann-Show zu machen.

Wohl kaum ein Duo in der Metal-Szene schafft es, eine große Bühne derart zu füllen und den Eindruck zu erwecken, hier stünde eine vollständig besetzte Band von drei bis vier Musikern, wie INQUISITION es machen. Die Wahl-Amis spielten ein Set voller Hits, wobei der Schwerpunkt natürlich auf dem noch recht frischen aktuellen Album lag. Dagon wirkte bei seinen Ansagen sehr angenehm, beschränkte das Posen auf die Zeit während der Songs und bedankte sich recht artig beim Publikum dafür, dass es die Anstrengungen des langen Weges auf sich genommen hat. Ansonsten feierte das Publikum die beiden frenetisch und INQUISITION entlohnten dies mit einer grandiosen Show, bei der auch Drummer Incubus keine Gelegenheit ausließ, mit Hilfe seiner Drumsticks zu zeigen, welche Religion er am wenigsten mag. Als dann auch noch der Knaller "Crush the Jewish Prophet" gespielt wurde, fragte man sich im Publikum, wie dieser Abend noch gesteigert werden könnte.

Doch was hoch steigt, muss tief fallen und nach der langen Zeit, in der in der Stadthalle Alsfeld bereits der Mob tobte, waren die Kräfte inzwischen gering geworden. Etliche Stunden Musik und etliche Liter Bier forderten ihren Tribut und die Halle leerte sich langsam. Das wurde auch nicht besser, als die Könige aller Umbaupausen von WATAIN zu dieser späten Uhrzeit das Warten auf den letzten Akt auf eine geschlagene Stunde hinauszögerten. Wer WATAIN einmal live gesehen hat, weiß, welchem Zweck dies dient, doch anstrengend ist es allemal. Um viertel vor zwölf ging es dann los und das Publikum bekam die altbekannte und doch geniale Mischung aus antikosmischer Raserei, großartigen Melodien und einer mehr als theatralischen Inszenierung geboten. Leider hatte Gitarrist P. einige Soundprobleme, die den ganzen Auftritt über nicht vollständig ausgeräumt werden konnten. Ansonsten gab es Feuer, Feuer und nochmals Feuer, die obligatorische Cover-Version von "The Somberlain" und zu guter Letzt sogar noch das Epos "Waters of Ain" als Ende eines musikalisch mehr als gelungenen Tages. Nach inzwischen 90 Minuten WATAIN hatte sich das Publikum deutlich reduziert, was aber wohl eher an fehlender Kraft lag als an dem, was man geboten bekam.

Letztlich bleibt nur zu sagen, dass der hochtrabende Name dieser Veranstaltung nicht zu Unrecht gewählt wurde. Die Besetzung dieses Festivals deckte sehr unterschiedliche Facetten des Genres ab und das mit vielen wirklich hochklassigen Bands. Lediglich der Veranstaltungsort blieb ein wenig mysteriös, zumal er, solange es hell war, doch den ambivalenten Charme einer kleinstädtischen Mehrzweckhalle versprühte. Auch die Verkehrsituation war für alle Nicht-Auto-Fahrer, wie oben bereits erwähnt, ein mittlerer Skandal. Trotz dieser organisatorischen Kritikpunkte wurde mit dem Kings of Black Metal-Festival 2011 wieder einmal eine Veranstaltung abgehalten, die einen hohen Standard setzte und einem jetzt schon den Mund wässrig macht, wenn es um die Frage geht, was denn 2012 auf uns warten mag.
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