Vainstream Rockfest 2011
Vainstream Rockfest 2011
Münster, Am Hawerkamp
11.06.2011
11.06.2011
Guten Morgen! Spätestens als die DEEZ NUTS pünktlich zum Frühstück 10:00 Uhr morgens über die Bühne sporten, ist man endgültig wach. Das Vainstream Rockfest ist auch in diesem Jahr nichts für Langschläfer, denn das musikalische Programm begleitet schon den Morgenkaffee. Um pünktlich zu Beginn vor Ort zu sein – und das sind tatsächlich nicht wirklich wenige Menschen -, muss man schon in aller Herrgottsfrühe aus den Federn, eine knappe Stunde mit einem Zug fahren, der mit Seitenscheiteln und Impericon-Shirts voll gestopft ist und mit noch hängenden Lidern zum Festivalgelände stapfen, dass sich sehr nahe der Münsteraner Innenstadt befindet.
Das Konzept des letzten Jahres, ein umfangreiches und musikalisch vielfältiges Programm in einen Tag zu pressen, wurde beibehalten. Am Vorabend gab es wie gewohnt eine Warmup-Party, bei der unter anderem SILVERSTEIN und ADEPT die Leute anheizten. Nach dem Motto „Mehr ist halt mehr“ wird das Durchprügeln des Line-Ups ohne oder nur mit kurzen Pausen, in denen man sich von einer Karaokebühne unterhalten lassen kann, durchgezogen. Leider bietet das Gelände keine Sitz- und Rückzugsmöglichkeiten, an denen man sich als Gast eine kleine Verschnaufpause gönnen kann. Das zu größten Teilen zwischen 16 und 25 Jahre alte Publikum ist dennoch bis zum Rande des Ausverkaufs äußerst zahlreich erschienen, was aufgrund des Bandaufgebots und des In-Charakters des Festivals nicht verwunderlich ist.
Das prall gefüllte Gelände bietet wie gewohnt ein reichhaltiges Angebot an Speisen und Getränken und – kaum genug positiv zu erwähnen – sehr viele Toiletten. Das pulsierende Zentrum ist neben den beiden abwechselnd bespielten Bühnen natürlich der Impericon (Ex-Imperial)-Merchandise-Stand ist, an dem es auch einige Autogrammstunden gibt. Erstmals darf man auf dem Vainstream Rockfest auch eine Leinwand bestaunen, die abwechselnd Running Order oder mit einer Kamera aufgezeichnetet Bühnen- und Publikumsimpressionen zeigt. Eine nette Bereicherung, an deren stimmiger Umsetzung aber ruhig noch ein wenig gefeilt werden darf.
Nach den spaßigen DEEZ NUTS folgt ein wenig Kontrastprogramm: Für PROTEST THE HERO scheint es noch ein wenig zu früh für die Bühne zu sein. Ein bissschen hat man das Gefühl, die Band schon einmal agiler und leidenschaftlicher gesehen zu haben. Technisch gibt es aber nichts am Auftritt der Kanadier zu mäkeln. Dafür sind die Songs des aktuellen Albums „Scurrilous“, die hier neben den „Fortress“-Klassikern, ausführlich vorgestellt werden, einfach zu spannend und vielschichtig. Auch Rody Walker, der heute mit Sonnenbrille und barfuß auf der Bühne steht, schafft es, das stimmliche Niveau des Albums live zu halten. An den wie üblich zum Besten gegebenen schlüpfrigen Scherzen spart der freche Frontmann (wegen der frühen Tageszeit oder etwa dem zahlreich anwesenden jungen Publikum?) heute aber. Dafür bedankt er sich bei den vielen im Graben anwesenden Fotografen aber noch sehr herzlich mit der Präsentation seines blanken Hinterns.
Genau wie PROTEST THE HERO dürfen sich auch KVELERTAK trotz der vormittäglichen Stunde über viele anwesende Fans freuen, die vor der Bühne für eine ausgelassene Stimmung sorgen. Tatsächlich kann man nicht verleugnen, dass die Norweger mit ihrer stark vom Black Metal geprägten musikalischen Ausrichtung bei freundlichem Sonnenschein nicht ihren vollen Charme entfaltet. Trotzdem lässt sich die Band nicht lumpen und liefert zu den saucoolen Songs des selbstbetitelten Debüts das volle KVELERTAK-Programm inklusive eindrucksvoller Bierplautze.
Weniger düster, aber mit ähnlicher Power heitern danach SONDASCHULE die Leute auf. Die Ska-Punk-Formation aus dem Ruhrpott präsentiert beste Gute-Laune-Musik mit Texten, die sich ganz einfach Mitgröhlen lassen und somit auch bestens zum (noch) freundlichen Wetter passen.
Wahrscheinlich sind SUICIDE SILENCE daran schuld, dass sich im späteren Tagesverlauf das Wetter noch zum Schlechten ändert. Wenn jemand so bösartig wie Frontderwisch Mitch Lucker ins Mikro kreischt, versteckt sich irgendwann auch die Sonne hinter den Wolken. Vorerst gibt es aber noch ordentlich Präsentationlicht für die Teenie-Ansammlung vor der Bühne, die mit dem ultimativen Weckruf „Wake Up“ die letzten Ohrenschmalzkrümel aus den Lauschern geprügelt bekommt. Auch wenn sich der Sound der Band wenig variabel zeigt, bekommt der Zuschauer hier dennoch eine fette Show geboten: Die Kalifonier agieren äußerst professionell und haben sichtlich Spaß an ihrem Auftritt. Aushängeschild Mitch wirkt wie ein Puppenspieler, der seine Fans mit dem kleinsten Fingerzeig zu dirigieren weiß. Mit „You Only Live Once“ und „Fuck Everything“ finden auch zwei Songs des demächst erscheinenden neuen Albums „The Black Crown“ einen Platz in der Setlist.
Die gleiche Zielgruppe darf sich danach bei ASKING ALEXANDRIA austoben. Der Hype um die jungen Briten ist sicher nicht ganz ungerechtfertigt, liefern sie doch einen motivierten und recht umjubelten Auftritt ab. Die Stimmung, deren sich SUICIDE SILENCE vorher erfreuen durften, erreichen sie aber nicht. Trotz überzeugender Bühnenpräsenz weckt der mit viel Melodie und einigen elektronischen Spielereien gespickte Metalcore der Band das musikalische Interesse nicht über die gesamte Länge des Auftritts.
Während in den letzten beiden Jahren noch K.I.Z. beim Vainstream-Publikum anecken durften, ist der Bad Boy, der heute das Publikum in zwei Lager spaltet ein junger Herr namens CASPER. Deutschsprachiger Hiphop steht auf dem Programm. So schlimm, wie befürchtet, ist das Ganze dann aber doch nicht, da die aneckenden Raptexte von Gitarre und Schlagzeug angenehm rockig untermalt werden und CASPER selbst mit leicht psychopathischem Bühnenacting und scharfzüngigen Ansagen für sehr unterhaltsame 35 Minuten sorgt. Höhepunkt des Auftritts ist der Song „Mittelfinger hoch!“, der auf dem Vainstream-Gelände für ein Meer an Mittelfingern sorgt und so auch Nicht-CASPER-Fans die Möglichkeit gibt, ihre Meinung kundzutun.
Für weiteren Stimmungsaufbau sorgen anschließend COMEBACK KID, die erstmals an diesem Tag einen Leckerbissen für Freunde bodenständigen Hardcores bieten. Die Präsenz und Agilität des Frontmanns Andrew und das beherzte Aufspielen seiner Bandkumpanen garantieren dabei eine kraftvolle Show, die mit alten und neuen Songs die Fanherzen zu befriedigen weiß.
Was bisher nur ein Brodeln war, mausert sich beim Auftritt von NEAERA zu einem überkochenden Kessel. Wie immer mit Heimvorteil und mit Frontmann Bennis Opa Heinz im Gepäck, der auch einmal kurz von der Bühne winken darf, stoßen die sich im Laufe der Jahre und unzähligen Auftritte zu einer souverän und beeindruckend kraftvoll aufspielenden Band gemauserten Münsteraner wie immer auf eine enorme Publikumsresonanz. Das ist zum einen heftigen Nackenbrecher wie „Let The Tempest Come“ oder „Spearheading The Spawn“ zu verdanken, die für einen brodelnden Moshpit maßgeschneidert sind, zum anderen aber auch Fronter Benni, der den schwitzenden Kids vor der Bühne keine Pause lässt und sie zu Circlepit und Wall Of Death verleitet. Das Ganze gipfelt dann in einem Massen-Crowdsurfen, bei dem die schwitzende Security alle Hände voll zu tun hat.
Daran können CALLEJÓN nur bedingt anknüpfen. Zwar zieht Sänger Bastian mit ausladenden pathetischen Gesten alle Register, doch wird man das Gefühl nicht los, dass die Band heute nur auf Sparflamme kocht. Den eingefleischten Fans im Publikum macht das nichts aus – sie brüllen Bandhits wie „Kinder der Nacht“ ausgelassen mit.
Den richtigen Arschtritt für die Oldschool-Fraktion gibt es dann von den New-York-Hardcore-Veteranen MADBALL. Während der muskelbepackte Frontmann Freddy zweifellos der am schnellsten über die Bühne laufende und springende Musiker der Tages ist, bildet der wahrscheinlich dickste Bassist der Welt Hoya Roc einen grimmig schauenden und brüllenden Fels in der Brandung.
Von der geballten Wucht Auf-die-Fresse-Hardcores kann man sich anschließend bei THE SOUNDS bestens erholen. Die schwedischen Indie-Pop-Rocker sorgen vor allem mit ihrer aufreizenden Frontfrau Maja für Aufsehen. Mit Zigarette im Mund und knapper Höschen-High-Heels-Kombination bekleidet, lässt sie die Augen der männlichen Festivalbesucher größer werden. Aufgrund des doch zu sehr aus der Reihe tanzenden soften und mit reichlich Synthesizern besüßten Sounds der Band mag der Funke trotz ihrer Bemühungen nicht wirklich auf das Publikum überspringen. Passend dazu prasselnd jetzt der erste Regenschauer auf das Gelände nieder.
Für einen wirkliches Tageshighlight zeichnen sich dann die reformierten Melodycore-Urgesteine BOYSETSFIRE. Trotz schon teilweise ergrautem Schopf wissen die Herren noch, wie man eine grandiose, leidenschaftliche Show abliefert. Besonders positiv sticht Frontmann Nathan hervor, der sich nicht nur nach allen Regeln der Kunst verausgabt, sondern vor allem beim Clean Gesang vollends zu überzeugen weiß. So können sowohl aggressive als auch sanfte Songs vollkommen genossen werden. Gekrönt wird der Auftritt von den beiden Klassikern „After The Eulogy“ und „Rookie“. Ein wahrhaft beseelter Auftritt, der von inspirierendem Räucherstäbchenduft passend untermalt wird.
Einen weiteren echten Stimmungshöhepunkt bildet der Auftritt von PARKWAY DRIVE, die gleichzeitig die letzte Core-Band des Tages sind. Dementsprechend wird es schon vor Beginn der Show reichlich eng vor der Bühne. Im Bühnengraben zeigte sich, dass nahezu die komplette erste Reihe aus jungen weiblichen Fans besteht, die aber im Laufe des Gigs permanent von Crowdsurfern überrollt werden. Es darf wohl bezweifelt werden, dass die PWD-Show aus einer der vorderen Reihen ein wirklich angenehmes Erlebnis war. Die Australier um Strahlemann Winston bekennen sich derweil zu ihrem Beachboy-Image und schmücken ihre Bühne mit zwei riesigen aufblasbaren Wellen. Der sonnenbebrillte Gitarrist Luke trägt seine Beinverletzung mit der typischen Coolness und bewegt sich im Rollstuhl über die Bühne. Ausgerüstet mit den Krachern des Bandrepertoires „Boneyards“, „Romance Is Dead“, „Sleepwalker“ und „Carrion“ sorgen PARKWAY DRIVE für die heftigsten Moshpits des Festivals.
Tanzen ist angesagt! Die amerikanischen Irish-Folk-Stimmungsgranaten FLOGGING MOLLY zeigen danach, wie man auch friedlich Händchen haltend und im Kreis tanzend zu Musik feiern kann. Beim fröhlich-beschwipsten Songfeuerwerk fällt es schwer, die Füße ruhig zu halten. Dabei ist der knackige Folk-Sound, angereichert mit Geige, angenehm rockig, was vor allem der rauen, whiskey-geölten Röhre von Sänger Dave zu verdanken ist.
Mit sanfteren Tönen geht es dann im Programm weiter: THE GASLIGHT ANTHEM schaffen mit ruhigem Rock'n'Roll-angereicherten Gitarrensound viel mehr Atmosphäre, denn Tanzstimmung. Man könnte sich dem gemütlichen Lauschen hingeben, wäre da nicht der lästige kalte Regen, der nun unablässig die Veranstaltung nass regnet.
Kurioserweise verflüchtigt sich das böse Wetter nach ein wenig lautstarker MOTÖRHEAD-Beschallung dann wieder. Der altehrwürdige Lemmy scheint wohl auch dunklen Wolken Respekt einzuflößen. Taten sich anfangs noch Bedenken auf, wie die Altrocker in das doch vorrangig von Hardcore und Modemusik geprägte Programm des Vainstream Rockfests passen sollen, verflüchtigen diese sich angesichts der tollen Stimmung, die sich vom ersten MOTÖRHEAD-Riff an in der Menge breit macht. Eingefleischte Fans und junge Hüpfer, die Big-Lemmy einfach Respekt zollen wollen, stehen hier in trauter Eintracht und lassen sich vom Good Ol' MOTÖRHEAD-Sound beschallen. Der Star des Ensembles scheint sich von allem scheinbar ungerührt und rockt mit stoischer Ruhe und in Stein gemeiselter Mine. Das raue, aber herzliche Organ röhrt in den Abendhimmel und bildet den gelungenen Abschluss eines vollgepackten Festivals.
Nachdem auf dem Festivalgelände Schluss ist, soll es in der benachbarten Sputnikhalle noch mit einer After-Show-Party, bei der unter anderem ADEPT und KRAFTKLUB spielen sollen, weitergehen. Wieviele der zahlreichen Festivalbesucher dort Zugang gefunden haben, ist unbekannt. Nachdem die Sachen vom Regen durchnässt sind und noch ein längerer Heimweg ansteht, wird noch während des MOTÖRHEAD-Gigs aufgebrochen.
Abschließend stellt man fest, dass das Vainstream Rockfest im Großen und Ganzen eine gelungene Veranstaltung ist, die ein bunt zusammengewürfeltes Musikprogramm bietet. Wer in kurzer Zeit möglichst viel geboten haben möchte und auf eine Nonstop-Beschallung Wert legt, findet hier jede Menge Spaß. Dass ein so vollgepacktes Programm aber auch mit jeder Menge Stress verbunden ist und für die einzelnen Bands wenig Platz und Zeit lässt, kann dabei nicht bestritten werden.
Fotos von Yvonne
Das Konzept des letzten Jahres, ein umfangreiches und musikalisch vielfältiges Programm in einen Tag zu pressen, wurde beibehalten. Am Vorabend gab es wie gewohnt eine Warmup-Party, bei der unter anderem SILVERSTEIN und ADEPT die Leute anheizten. Nach dem Motto „Mehr ist halt mehr“ wird das Durchprügeln des Line-Ups ohne oder nur mit kurzen Pausen, in denen man sich von einer Karaokebühne unterhalten lassen kann, durchgezogen. Leider bietet das Gelände keine Sitz- und Rückzugsmöglichkeiten, an denen man sich als Gast eine kleine Verschnaufpause gönnen kann. Das zu größten Teilen zwischen 16 und 25 Jahre alte Publikum ist dennoch bis zum Rande des Ausverkaufs äußerst zahlreich erschienen, was aufgrund des Bandaufgebots und des In-Charakters des Festivals nicht verwunderlich ist.
Das prall gefüllte Gelände bietet wie gewohnt ein reichhaltiges Angebot an Speisen und Getränken und – kaum genug positiv zu erwähnen – sehr viele Toiletten. Das pulsierende Zentrum ist neben den beiden abwechselnd bespielten Bühnen natürlich der Impericon (Ex-Imperial)-Merchandise-Stand ist, an dem es auch einige Autogrammstunden gibt. Erstmals darf man auf dem Vainstream Rockfest auch eine Leinwand bestaunen, die abwechselnd Running Order oder mit einer Kamera aufgezeichnetet Bühnen- und Publikumsimpressionen zeigt. Eine nette Bereicherung, an deren stimmiger Umsetzung aber ruhig noch ein wenig gefeilt werden darf.
Nach den spaßigen DEEZ NUTS folgt ein wenig Kontrastprogramm: Für PROTEST THE HERO scheint es noch ein wenig zu früh für die Bühne zu sein. Ein bissschen hat man das Gefühl, die Band schon einmal agiler und leidenschaftlicher gesehen zu haben. Technisch gibt es aber nichts am Auftritt der Kanadier zu mäkeln. Dafür sind die Songs des aktuellen Albums „Scurrilous“, die hier neben den „Fortress“-Klassikern, ausführlich vorgestellt werden, einfach zu spannend und vielschichtig. Auch Rody Walker, der heute mit Sonnenbrille und barfuß auf der Bühne steht, schafft es, das stimmliche Niveau des Albums live zu halten. An den wie üblich zum Besten gegebenen schlüpfrigen Scherzen spart der freche Frontmann (wegen der frühen Tageszeit oder etwa dem zahlreich anwesenden jungen Publikum?) heute aber. Dafür bedankt er sich bei den vielen im Graben anwesenden Fotografen aber noch sehr herzlich mit der Präsentation seines blanken Hinterns.
Genau wie PROTEST THE HERO dürfen sich auch KVELERTAK trotz der vormittäglichen Stunde über viele anwesende Fans freuen, die vor der Bühne für eine ausgelassene Stimmung sorgen. Tatsächlich kann man nicht verleugnen, dass die Norweger mit ihrer stark vom Black Metal geprägten musikalischen Ausrichtung bei freundlichem Sonnenschein nicht ihren vollen Charme entfaltet. Trotzdem lässt sich die Band nicht lumpen und liefert zu den saucoolen Songs des selbstbetitelten Debüts das volle KVELERTAK-Programm inklusive eindrucksvoller Bierplautze.
Weniger düster, aber mit ähnlicher Power heitern danach SONDASCHULE die Leute auf. Die Ska-Punk-Formation aus dem Ruhrpott präsentiert beste Gute-Laune-Musik mit Texten, die sich ganz einfach Mitgröhlen lassen und somit auch bestens zum (noch) freundlichen Wetter passen.
Wahrscheinlich sind SUICIDE SILENCE daran schuld, dass sich im späteren Tagesverlauf das Wetter noch zum Schlechten ändert. Wenn jemand so bösartig wie Frontderwisch Mitch Lucker ins Mikro kreischt, versteckt sich irgendwann auch die Sonne hinter den Wolken. Vorerst gibt es aber noch ordentlich Präsentationlicht für die Teenie-Ansammlung vor der Bühne, die mit dem ultimativen Weckruf „Wake Up“ die letzten Ohrenschmalzkrümel aus den Lauschern geprügelt bekommt. Auch wenn sich der Sound der Band wenig variabel zeigt, bekommt der Zuschauer hier dennoch eine fette Show geboten: Die Kalifonier agieren äußerst professionell und haben sichtlich Spaß an ihrem Auftritt. Aushängeschild Mitch wirkt wie ein Puppenspieler, der seine Fans mit dem kleinsten Fingerzeig zu dirigieren weiß. Mit „You Only Live Once“ und „Fuck Everything“ finden auch zwei Songs des demächst erscheinenden neuen Albums „The Black Crown“ einen Platz in der Setlist.
Die gleiche Zielgruppe darf sich danach bei ASKING ALEXANDRIA austoben. Der Hype um die jungen Briten ist sicher nicht ganz ungerechtfertigt, liefern sie doch einen motivierten und recht umjubelten Auftritt ab. Die Stimmung, deren sich SUICIDE SILENCE vorher erfreuen durften, erreichen sie aber nicht. Trotz überzeugender Bühnenpräsenz weckt der mit viel Melodie und einigen elektronischen Spielereien gespickte Metalcore der Band das musikalische Interesse nicht über die gesamte Länge des Auftritts.
Während in den letzten beiden Jahren noch K.I.Z. beim Vainstream-Publikum anecken durften, ist der Bad Boy, der heute das Publikum in zwei Lager spaltet ein junger Herr namens CASPER. Deutschsprachiger Hiphop steht auf dem Programm. So schlimm, wie befürchtet, ist das Ganze dann aber doch nicht, da die aneckenden Raptexte von Gitarre und Schlagzeug angenehm rockig untermalt werden und CASPER selbst mit leicht psychopathischem Bühnenacting und scharfzüngigen Ansagen für sehr unterhaltsame 35 Minuten sorgt. Höhepunkt des Auftritts ist der Song „Mittelfinger hoch!“, der auf dem Vainstream-Gelände für ein Meer an Mittelfingern sorgt und so auch Nicht-CASPER-Fans die Möglichkeit gibt, ihre Meinung kundzutun.
Für weiteren Stimmungsaufbau sorgen anschließend COMEBACK KID, die erstmals an diesem Tag einen Leckerbissen für Freunde bodenständigen Hardcores bieten. Die Präsenz und Agilität des Frontmanns Andrew und das beherzte Aufspielen seiner Bandkumpanen garantieren dabei eine kraftvolle Show, die mit alten und neuen Songs die Fanherzen zu befriedigen weiß.
Was bisher nur ein Brodeln war, mausert sich beim Auftritt von NEAERA zu einem überkochenden Kessel. Wie immer mit Heimvorteil und mit Frontmann Bennis Opa Heinz im Gepäck, der auch einmal kurz von der Bühne winken darf, stoßen die sich im Laufe der Jahre und unzähligen Auftritte zu einer souverän und beeindruckend kraftvoll aufspielenden Band gemauserten Münsteraner wie immer auf eine enorme Publikumsresonanz. Das ist zum einen heftigen Nackenbrecher wie „Let The Tempest Come“ oder „Spearheading The Spawn“ zu verdanken, die für einen brodelnden Moshpit maßgeschneidert sind, zum anderen aber auch Fronter Benni, der den schwitzenden Kids vor der Bühne keine Pause lässt und sie zu Circlepit und Wall Of Death verleitet. Das Ganze gipfelt dann in einem Massen-Crowdsurfen, bei dem die schwitzende Security alle Hände voll zu tun hat.
Daran können CALLEJÓN nur bedingt anknüpfen. Zwar zieht Sänger Bastian mit ausladenden pathetischen Gesten alle Register, doch wird man das Gefühl nicht los, dass die Band heute nur auf Sparflamme kocht. Den eingefleischten Fans im Publikum macht das nichts aus – sie brüllen Bandhits wie „Kinder der Nacht“ ausgelassen mit.
Den richtigen Arschtritt für die Oldschool-Fraktion gibt es dann von den New-York-Hardcore-Veteranen MADBALL. Während der muskelbepackte Frontmann Freddy zweifellos der am schnellsten über die Bühne laufende und springende Musiker der Tages ist, bildet der wahrscheinlich dickste Bassist der Welt Hoya Roc einen grimmig schauenden und brüllenden Fels in der Brandung.
Von der geballten Wucht Auf-die-Fresse-Hardcores kann man sich anschließend bei THE SOUNDS bestens erholen. Die schwedischen Indie-Pop-Rocker sorgen vor allem mit ihrer aufreizenden Frontfrau Maja für Aufsehen. Mit Zigarette im Mund und knapper Höschen-High-Heels-Kombination bekleidet, lässt sie die Augen der männlichen Festivalbesucher größer werden. Aufgrund des doch zu sehr aus der Reihe tanzenden soften und mit reichlich Synthesizern besüßten Sounds der Band mag der Funke trotz ihrer Bemühungen nicht wirklich auf das Publikum überspringen. Passend dazu prasselnd jetzt der erste Regenschauer auf das Gelände nieder.
Für einen wirkliches Tageshighlight zeichnen sich dann die reformierten Melodycore-Urgesteine BOYSETSFIRE. Trotz schon teilweise ergrautem Schopf wissen die Herren noch, wie man eine grandiose, leidenschaftliche Show abliefert. Besonders positiv sticht Frontmann Nathan hervor, der sich nicht nur nach allen Regeln der Kunst verausgabt, sondern vor allem beim Clean Gesang vollends zu überzeugen weiß. So können sowohl aggressive als auch sanfte Songs vollkommen genossen werden. Gekrönt wird der Auftritt von den beiden Klassikern „After The Eulogy“ und „Rookie“. Ein wahrhaft beseelter Auftritt, der von inspirierendem Räucherstäbchenduft passend untermalt wird.
Einen weiteren echten Stimmungshöhepunkt bildet der Auftritt von PARKWAY DRIVE, die gleichzeitig die letzte Core-Band des Tages sind. Dementsprechend wird es schon vor Beginn der Show reichlich eng vor der Bühne. Im Bühnengraben zeigte sich, dass nahezu die komplette erste Reihe aus jungen weiblichen Fans besteht, die aber im Laufe des Gigs permanent von Crowdsurfern überrollt werden. Es darf wohl bezweifelt werden, dass die PWD-Show aus einer der vorderen Reihen ein wirklich angenehmes Erlebnis war. Die Australier um Strahlemann Winston bekennen sich derweil zu ihrem Beachboy-Image und schmücken ihre Bühne mit zwei riesigen aufblasbaren Wellen. Der sonnenbebrillte Gitarrist Luke trägt seine Beinverletzung mit der typischen Coolness und bewegt sich im Rollstuhl über die Bühne. Ausgerüstet mit den Krachern des Bandrepertoires „Boneyards“, „Romance Is Dead“, „Sleepwalker“ und „Carrion“ sorgen PARKWAY DRIVE für die heftigsten Moshpits des Festivals.
Tanzen ist angesagt! Die amerikanischen Irish-Folk-Stimmungsgranaten FLOGGING MOLLY zeigen danach, wie man auch friedlich Händchen haltend und im Kreis tanzend zu Musik feiern kann. Beim fröhlich-beschwipsten Songfeuerwerk fällt es schwer, die Füße ruhig zu halten. Dabei ist der knackige Folk-Sound, angereichert mit Geige, angenehm rockig, was vor allem der rauen, whiskey-geölten Röhre von Sänger Dave zu verdanken ist.
Mit sanfteren Tönen geht es dann im Programm weiter: THE GASLIGHT ANTHEM schaffen mit ruhigem Rock'n'Roll-angereicherten Gitarrensound viel mehr Atmosphäre, denn Tanzstimmung. Man könnte sich dem gemütlichen Lauschen hingeben, wäre da nicht der lästige kalte Regen, der nun unablässig die Veranstaltung nass regnet.
Kurioserweise verflüchtigt sich das böse Wetter nach ein wenig lautstarker MOTÖRHEAD-Beschallung dann wieder. Der altehrwürdige Lemmy scheint wohl auch dunklen Wolken Respekt einzuflößen. Taten sich anfangs noch Bedenken auf, wie die Altrocker in das doch vorrangig von Hardcore und Modemusik geprägte Programm des Vainstream Rockfests passen sollen, verflüchtigen diese sich angesichts der tollen Stimmung, die sich vom ersten MOTÖRHEAD-Riff an in der Menge breit macht. Eingefleischte Fans und junge Hüpfer, die Big-Lemmy einfach Respekt zollen wollen, stehen hier in trauter Eintracht und lassen sich vom Good Ol' MOTÖRHEAD-Sound beschallen. Der Star des Ensembles scheint sich von allem scheinbar ungerührt und rockt mit stoischer Ruhe und in Stein gemeiselter Mine. Das raue, aber herzliche Organ röhrt in den Abendhimmel und bildet den gelungenen Abschluss eines vollgepackten Festivals.
Nachdem auf dem Festivalgelände Schluss ist, soll es in der benachbarten Sputnikhalle noch mit einer After-Show-Party, bei der unter anderem ADEPT und KRAFTKLUB spielen sollen, weitergehen. Wieviele der zahlreichen Festivalbesucher dort Zugang gefunden haben, ist unbekannt. Nachdem die Sachen vom Regen durchnässt sind und noch ein längerer Heimweg ansteht, wird noch während des MOTÖRHEAD-Gigs aufgebrochen.
Abschließend stellt man fest, dass das Vainstream Rockfest im Großen und Ganzen eine gelungene Veranstaltung ist, die ein bunt zusammengewürfeltes Musikprogramm bietet. Wer in kurzer Zeit möglichst viel geboten haben möchte und auf eine Nonstop-Beschallung Wert legt, findet hier jede Menge Spaß. Dass ein so vollgepacktes Programm aber auch mit jeder Menge Stress verbunden ist und für die einzelnen Bands wenig Platz und Zeit lässt, kann dabei nicht bestritten werden.
Fotos von Yvonne