Metalcamp 2011
Metalcamp 2011
Tolmin, Paradiso
11.07.2011
11.07.2011
Ungefähr so groß wie Hessen, 2 Millionen Einwohner, zu fast 60 % von Wald bedeckt - wenn man Slowenien im Zuge der Reisevorbereitungen ein wenig recherchiert, könnte man schnell das Bild eines malerischen und irgendwie putzigen Zwergstaates gewinnen. Sitzt man dann allerdings gegen 20 Uhr im Auto auf dem Wurzenpass und kurvt bei beginnendem Vollmond mit maximal 40 km/h über die endlosen Serpentinen der Jülischen Alpen, dann bekommt dieses in Grundzügen ziemlich exakte Bild eine ganz neue Qualität: Slowenien ist aufgrund seiner schieren Masse an visuellen Aha-Momenten - an grandioser, ja wilder Natur und atemlosen Panoramen - geeignet, den urbanen Mitteleuropäer mit schlackernden Synapsen im Sinnesbombardement untergehen zu lassen. Wenn in der Dämmerung vor riesigen Gebirgsmassiven plötzlich die einem Märchenbuch entsprungene Inselkirche zu Bled vorbeizieht; wenn man auf drei bis vier Meter breiten und nur sporadisch markierten Gebirgsstraßen scheinbar immer wieder um den gleichen imposanten Gipfel herumgeführt wird und nur im Stundentakt auf Zeichen menschlichen Treibens stößt; wenn sich die Benzinnadel gegen null neigt und man sich ernsthaft fragt, ob es in absehbarer Zeit überhaupt irgendwo etwas Tankstellenähnliches geben könnte - dann fühlt man mehr und mehr die urwüchsige Macht, mit welcher dieses kleine Land das Bewusstsein seiner Besucher in Beschlag zu nehmen vermag.
Und genau diese Mischung aus überwältigender, unverrückbarer Szenerie und den vor diesem Hintergrund fast kläglich anmutenden Dimensionen menschlichen Schaffens (inklusive der zunehmend dünner scheinenden Blechschicht, die uns wahlweise von Bäumen, Rehen oder bodenlosen Abgründen trennt) sorgt für den Grundton, der auch auf dem diesjährigen Metalcamp nie ganz verfliegen wird: Hell over paradise - eine Woche Zelturlaub zwischen Maulsperre und Heavy Metal.
Das Festival selbst findet in Tolmin statt, einem beschaulichen Städtchen des Kalibers "Alpenromantik trifft FDGB-Ferienort" (die Älteren wissen Bescheid), wo die Organisatoren am Zusammenfluss von Soča und Tolminka mal eben zwei Bühnen samt baumbestandener Campgrounds ins Grüne gepflanzt haben. Dazu gesellen sich am Flussufer eine amtliche 24-Stunden-Strandbar nebst DJ-Pult, die jeden Abend Aftershow-Parties der schlüpfrigen Art bietet, ein recht umfangreicher Metalmarkt, sowie ausreichend Futterstände von Obst bis Omelett. Den (nicht zugänglichen) Mittelpunkt der Anlage bildet schließlich ein ehemaliges Strandhotel namens "Paradiso", womit wir auch gleich die Herkunft des Festivalmottos ergründet hätten. Mit ein wenig Mühe und finanziellem Engagement könnte hier in den kommenden Jahren vielleicht sogar eine Cafe- oder Chillout-Area ihren Platz finden - allerdings ist das Gelände auch so schon recht beeindruckend und steigert die Vorfreude auf die kommenden Tage.
Positiv fällt neben der malerischen Umgebung auf, dass man offenbar um eine möglichst geringe Umweltbelastung bemüht ist, was sich in permanenten Hinweisen und entsprechenden Reinigungsaktionen niederschlägt - getreu dem Motto: "Recycle or die... ...trying!". Also schnell noch das Zelt aufgebaut, die heimische Insektenfauna begutachtet, und gegen 0.30 Uhr ins Bett gefallen - am morgigen Dienstag starten dann auch schon die Spiele.
Falls euch nur bestimmte Bands interessieren, hier die Tagesaufteilung:
Dienstag: DIVINE ILLUSION - ABINCHOVA - OCTOBER FILE - SVARTSORG - BRUJERIA - MOONSPELL - KUPID'S KURSE - CHRISTIAN EPIDEMIC - COLD SNAP - WINTERFYLLETH
Mittwoch: ALGEBRA - KYLESA - BRAINSTORM - KATATONIA - HALOR - WINTERSUN - WARCULT- ACHREN - KELLER
Donnerstag: TROLLFEST - KALEDON - DIE APOKALYPTISCHEN REITER - BULLDOZER - VULTURE INDUSTRIES - SLAYER - TAAKE
Freitag: KREATION KODEX - HEAVEN GREY - ARKONA - LOCRACY - SCORNED - SUICIDAL ANGELS - POWERWOLF - IN EXTREMO - VANDERBUYST - BLIND GUARDIAN
Ein Königreich für ein Frühstück! - Gegen 10 Uhr treibt die Sonne den gemeinen Festivalgänger aus dem Zelt, Temperaturen um die 35 °C blasen jegliche Illusion von Fitness ins wolkenlose Nirwana, und auf dem Weg zur vermuteten Kaffeequelle kristallisiert sich recht schnell heraus, welches Outfit die nächsten Tage bestimmen wird: Mehr als Flipflops und Badehose wäre absolute Verschwendung, mit Strohhüten verhindert man zumindest die gröbsten Verbrennungen. Wenig überraschend gibt es in den Geschäften Tolmins schon am ersten Tag genau zwei Dinge nicht mehr oder nur noch in Kindergrößen: Flipflops und Strohhüte.
Ebenfalls abwesend: Frühstücksangebote. Die mehr auf Bar getrimmten Hotspots der Stadt servieren ab 8 Uhr früh vorzugsweise Bier und einen Kaffeeccino, der mit der bekannten Brühvariante nur das Aroma gemein hat; dazu werden offenbar tageszeitunabhängig Bratengerichte und diverse Schnitzel/Pommes-Arrangements gereicht. Am Ende findet sich im 4000-Einwohner-Idyll genau eine einzige Kneipe, die Frühstück mit Rührei, Kaffee, Orangensaft und Toast auf der Karte hat - selbstredend ein fortan schwerst umlagertes Etablissement, das sich mit dieser unglaublich ausgefallenen Idee in kommenden Dekaden eine goldene Nase verdienen dürfte.
Nächster Halt auf dem Gelände ist dann der Strand, wo sich ein Großteil der bereits Anwesenden in ulkigen Gangarten - Runde-Kiesel-Alarm! - und neckischen Wasserspielen übt: Da werden komplette Outfits der Verwässerung preisgegeben, Ausflugsdampfer johlend in die Flucht geschlagen, die vielleicht hässlichsten Auswüchse der letzten Tattoowellen spazieren getragen, Cocktailstrichlisten abgearbeitet, und etwa einmal pro Stunde zu PANTERAs "Walk" die Fäuste in die Luft gerissen. Aber nicht so heftig, denn die Hitze fordert trotz der erquickenden Wassertemperatur (ca. 18 °C) recht schnell ihren Tribut und hält das bunte Treiben zumindest anfänglich ganz gut im Zaume.
Dem entsprechend übersichtlich gestaltet sich das Publikum, welches gegen 16.30 Uhr zur zweiten Bühne pilgert, um dort den Slowenen DIVINE ILLUSION das Ohr zu leihen. Dabei hätte die erste Band des Festivals durchaus etwas Aufmerksamkeit verdient: Zu Gehör kommt hochmelodischer Power Metal, der mit Keyboard auf "Symphonic meets Prog light" gepimpt wird und zumindest der Band ziemlichen Spaß zu machen scheint. Und tatsächlich sind die leicht verdaulichen 30 Minuten ein optimaler Einstieg, zumal Sänger Simon Simčič trotz - oder gerade wegen? - seines unsäglichen Spongebob-Shirts wie eine gelungene Mischung aus HELLOWEEN-Kai und MAIDEN-Bruce tönt. Ein ziemlich starker Auftakt, den man mangels Kenntnis der Band so natürlich nicht erwarten konnte...
...und der von ABINCHOVA auf der Hauptbühne auch gleich mal etwas ramponiert wird. Die Schweizer zocken einen semi-brutalen Folk-Pagan-Bastard, der selbst in seinen ruhigen Momenten überladen wirkt und durch den wenig livetauglichen Operngesang weiblicher Natur nicht unbedingt gewinnt. Dazu gesellt sich annehmbares männliches Gekeife und nach drei, vier Stücken die Erkenntnis, dass mit der selbstgewählten Bezeichnung "Heidenlärm" im Grunde alles gesagt ist. Der abschließende Song "Pestfinger" ändert an diesem Eindruck nicht mehr viel: Sympathische Band, die (mich) musikalisch über weite Strecken nicht begeistern kann.
Unerwartet massiv dann zunächst OCTOBER FILE: Die bedingt bekannten Briten zocken postapokalyptischen Hardcore, der sich sein relativ starres rhythmisches Korsett von Bands wie MINISTRY oder KILLING JOKE borgt und dadurch vollkommen auf die Kraft des einsamen Riffs bauen muss. Das funktioniert mal besser, wie bei "Falter" oder "Crawl", lässt allerdings auch diverse Längen erkennen, da man sich im Verlauf des Sets mit ein paar behäbigen Stücken und Bemerkungen über die unglaubliche Hitze offenbar selbst die Laune verdirbt und dem entsprechend wenig motiviert wirkt. Größter Live-Schwachpunkt dürfte jedoch die gesangliche Monotonie sein: Wo auf den Scheiben zumindest ansatzweise variiert wird, ertrinken OCTOBER FILE heute im ewig gleichen Metalcore-Gebell. Und das kann man sich angesichts des willentlich beschränkten musikalischen Spektrums einfach nicht leisten.
Währenddessen haben auf der zweiten Bühne SVARTSORG das Zepter übernommen und widmen sich oldschoolig anmutendem Schwarzmetall. Sicher, Keyboard ist nicht trve, aber die klassisch verbrämten Einwürfe des Tastenmannes können durchaus überzeugen, zumal er sich abseits einiger Piano-Interludien auf flächige Unterstützung der Saitenfraktion beschränkt. Blickfang des Ganzen ist allerdings der von einem einzelnen Sonnenstrahl angeleuchtete (Gast-) Fronter, der wohl aktuell seine DORNENREICH-Phase auslebt und dem entsprechend bedeutungsschwanger durch den Set posiert. Andererseits: (DS)BM mit himmlischer Lightshow - das hätte sich der Teufel nicht besser ausdenken können, und da stört das bisschen Overacting dann auch nur bedingt. Insofern Daumen leicht nach oben für die corpsegepainteten Österreicher, zumal die Band noch nicht lange aktiv ist.
Von BRUJERIA lässt sich Letzteres hingegen kaum behaupten: Die recht bekannten Aushilfs-Mexikanten tragen ihre simple Botschaft schon seit geraumer Zeit ins weite Erdenrund und treffen dabei im Grunde nur auf zwei Meinungen: Die der Leute, die den Marihuana-Song witzig finden (hihi!) und den Rest des Programms dann eben auch mitnehmen, und die der Leute, die in BRUJERIA nicht mehr als einen etwas zu breit ausgewalzten Proberaum-Gag erkennen können. Da ich mich zur zweiten Fraktion zähle, hier die Kurzversion: Laut, "Revolución", auffe Fresse, "Brujerizmo", "Marijuana" (als Playback mit Livegesang). Hi-hi-hilfe!
Mit MOONSPELL steht dann um kurz vor 20 Uhr endlich der erste echte Headliner auf der Bühne - und der hat sich gewaschen: Die Portugiesen feuern vom krachenden Opener "In Memoriam" an aus allen Rohren und steigern sich in der Folge trotz erstaunlich locker gestaffeltem Publikum in eine absolut gelungene Vorstellung.
Daran hat heute nicht nur der stimmlich bestens aufgelegte Charismabolzen Fernando Ribeiro Anteil, der im Vergleich mit den Bands vorher auf einem komplett anderem Level agiert - den Vogel des Abends schießt vielmehr Gitarrist Ricardo Amorim ab, der im Verlauf der Setlist in einer Art und Weise mitgeht, die dem Zusammenspiel mit seinen Kollegen reihenweise Glanzlichter aufsetzt. Der Mann leidet und frohlockt sich fast pausenlos durch extremste Stimmungen, feuert das Publikum in einem Moment erbarmungslos an, um es im nächsten Moment mit einem Solo zu bannen, das ins Sachen Emotion und Theatralik gut und gerne sein letztes sein könnte, ist neben Ribeiro Dirigent und Projektionsfläche, und schafft es trotzdem noch, das Ganze nahtlos in eine überwältigende Bandleistung einzubinden - das ist, bei allem Understatement, schlicht unglaublich und zeigt, wie man Herzblut und Professionalität idealerweise verbinden kann.
Unglaublich ist schließlich auch die Dramaturgie des Abends, die nicht einen Schwachpunkt zeigt und sich stattdessen zwischen hart und herzlich von Höhepunkt zu Höhepunkt angelt - nach "Night Eternal", "Opium" und allerspätestens "Mephisto" steht fest, dass den Portugiesen hier und heute niemand mehr die Butter vom Brot nehmen kann - "we still celebrate under a full moon madness!"
Setlist:
In Memoriam
Finisterra
Night Eternal
The Southern Deathstyle
Scorpion Flower
Opium
Awake
Nocturna
Vampiria
Mephisto
Alma Mater
Full Moon Madness
Nach diesem Gig ist erst einmal Pause angesagt und selbige verbringt man am besten bei den unersetzlichen Metmännern aus... ...Zwickau. Ganz genau: Mitteldeutschlands Finest ist im Bollerwagen angereist und schenkt bewährte Destabilisationshilfen ans bedürftige Publikum aus, welches sich in weiten Teilen bereits für ARCH ENEMY fit macht. Sollen sie ruhig machen, zumal die Lightshow in Ordnung ist - die Bloodchamber hingegen zieht's nach diversen Heißgetränken dann doch eher zum Untergrund, der auf der zweiten Bühne vor geschätzten zwanzig Zuschauern stattfindet. Zehn davon sind eigentlich zum Essen hier, was die übermotivierten Jungs von KUPID'S KURSE allerdings nicht die Bohne stört: Zu Gnocchi in Käsesoße hagelt es Metalcoregewitter von der Stange, die aufgrund von elektronischen Einlagen und hyperaktiver Bühnenshow dann doch zumindest faszinierend wirken. Richtig kurios und irgendwie sympathisch werden die Schweizer jedoch nach Song Nummer drei: Die hier eingebrachte Aufforderung zum Circlepit kommt bei den etwa fünf vor der Bühne Verharrenden zwar akustisch an, lässt sich mangels Menschenmaterial allerdings kaum umsetzen. Egal, dann eben nicht - auf der Bühne geht der Fitnesskurs auch ohne Publikumsbeitrag weiter und nach knapp 30 Minuten hinterlassen KUPID'S KURSE trotz musikalischer Gesichtslosigkeit einen verdammt engagierten Eindruck, den sich diesbezüglich interessierte Leser vielleicht mal im Club antun könnten.
Zu den letzten Takten von ARCH ENEMY - die Gitarrenarbeit ist hier und da bedauerlicherweise wirklich hervorragend, die Riffs bisweilen phänomenal, der Bühnenaufbau gewaltig und die Lichtorgeln orgelig - fällt schließlich die Entscheidung, AIRBORNE und DEATH ANGEL ihre unglaublich originellen Sets ohne uns durchziehen zu lassen, weshalb die Kutte für den Rest des Abends wieder in Richtung zweite Bühne gelotst wird - dort gibt's "unspektakulär" nämlich aus der ersten Reihe.
Passenderweise ist daselbst aktuell die CHRISTIAN EPIDEMIC ausgebrochen, und besagte Ungarn machen trotz ihres enorm bekloppten Bandnamens ganz annehmbare Musik. Klar, von Landsmännern wie SEAR BLISS ist das gebotene Black/Death-Gebräu ein gutes Stück entfernt, aber wenn man sich auf die zuweilen noch etwas zu zerhackte Melange einlässt, blitzen streckenweise durchaus annehmbare Ansätze hervor. Ein auffälliges Hindernis, neben den wankelmütigen Songwritingskills, stellt vielleicht die Sprache dar, denn hier werden den Christen die Leviten komplett auf Ungarisch gelesen.
Fast Vergessenes bringen wenig später COLD SNAP aufs Tableau: Die merklich bühnenerfahrenen Kroaten orientieren sich musikalisch an PAPA ROACH, KORN und LIMP BIZKIT, was zwar für initiale Befremdung sorgt, aufgrund der energischen Darbietung jedoch schnell Interesse weckt. Vor allem der Fronter erledigt seinen Job hervorragend, wirkt im Stageacting ein wenig wie Barney Greenway und macht diesem Vergleichspunkt auch in Sachen sympathisches Auftreten alle Ehre. Im restlichen Bühnenraum wird derweil genretypisch gehüpft und gedreht, während man den bewegungsintensiven Stücken durch zahlreiche Gitarreneffekte und abgrundtiefen Zweitgesang einen Hauch von Psycho mit auf den Weg gibt. Doch, COLD SNAP machen ihr Ding inklusive "King Of The Bongo"-Cover hervorragend, selbst wenn die Musik an sich nicht jedermanns Geschmack sein dürfte.
Selbiges gilt für die nun folgenden WINTERFYLLETH, die für mich fraglos eine der interessantesten Bands des gesamten Festivals sind. Am Nachmittag hat mir Sänger Chris in beigen Shorts, orange kariertem Hemd und mit Sportbrille ausgestattet noch Rede und Antwort gestanden (trve BM story!) - nun betreten die nicht unumstrittenen Briten vor merklich zahlreicherem Publikum die Bühne, um den Anwesenden ihre Vision des English Heritage Black Metal nahezubringen. Musikalisch werden in organisch dahinnebelnden Ausnahmesongs wie "Defender Of The Realm", "Fields Of Reckoning" oder "The Honour Of Good Men On The Path To Eternal Glory" Erinnerungen an alte ULVER wach, werden PRIMORDIAL und bisweilen auch ENSLAVED zitiert, um die so gewonnenen Rohdiamanten anschließend mit englischer Folkmusik zu neuen Diademen zu schmieden. Das dabei entstehende düstere Gebräu fließt und reißt mit, hält vereinzelt kurz inne, atmet durch, und ist in seiner Gesamtheit mit einem Gefühl zwischen Verlust und zeitlosem Wille beseelt, das tiefste Tragik und höchste Schönheit gleichermaßen in sich trägt.
Die technische Darbietung der Stücke ist makellos: Den krächzenden und vereinzelt gregorianisch bzw. folkig anmutenden Gesang teilen sich Chris Naughton und Bassist Nick Wallwork zu gleichen Teilen, was in Verbindung mit dem angenehm dicken Instrumentalsound genau jenes dichte Klanggeflecht ergibt, das die Band schon auf ihren Alben auszeichnet. Und wenn all diese Elemente dann schließlich in einer Hymne wie "Mam Tor (The Shivering Mountain)" verschmelzen, dann kann man sich dieser Magie nur schwer entziehen - ein mitreißender, leider viel zu kurzer Auftritt, der den Dienstag würdig abrundet.
Aufgrund der unverändert hohen Temperaturen geht heute bereits um 9 Uhr nichts mehr in Sachen Schlaf, also intimes Frühstück samt Blutorangen-Radler in der M'Bar und dann zurück zum Zeltplatz, wo unsere finnischen Nachbarn bereits die Flaschen wetzen.
Apropos, man muss sich das auf der Zunge zergehen lassen: Die vier Mädels und Jungs sind in einem (1) handelsüblichen Stufenheckauto japanischer Bauart 2100 km in zwei Tagen gefahren und haben neben sich selbst noch ein großes Zelt, einen Rollstuhl und einen Kofferraum voller zollfreiem Alkohol dabei. Wie genau die Reise abgelaufen ist, weiß nur noch der Fahrer, der die Erinnerung daran aufgrund einer zum Glühen gebrachten Bremsanlage (Serpentinen, paar 100 m Höhenunterschied, volles Auto, ihr kennt den Deal...) allerdings erfolgreich verdrängt - der Rest der Besatzung hat nach dem Ausfall der Bremsen ohnehin umgehend mit Kampftrinken begonnen und ist bis auf Weiteres in diesem Modus verblieben. Als Nachtisch gibt es heute folglich lauwarmen Lakritzschnaps, eine finnische Spezialität, die man dem Nordvolk gerne lassen möchte, zumal die blickdichte schwarze Flasche nicht unbedingt Vertrauen erweckt.
Nach einer erfrischenden Dusche geht es ab zum Strand, der neben Alkoholfreiheit einen weiteren Vorteil hat: Die hingebungsvoll schnarchenden Schotten vom anderen Nachbarzelt sind hier nur noch als mentales Echo präsent und können so einigermaßen zuverlässig ausgeblendet werden...
Ganz anders als ALGEBRA, die auf den vakanten Openerslot der kleinen Stage gerutscht sind. Witzigerweise werden die Schweizer von einem einzelnen Fan bereits eine halbe Stunde vor Konzertbeginn sehnsüchtig erwartet, inklusive "ALGEBRA!"-Rufen und einer selbst gebastelten Fanflagge. Die Band selbst betritt gegen 16 Uhr die Bretter und fackelt dort anschließend ein technisch-brutales Feuerwerk der gehobenen Klasse ab. Stilistisch irgendwo zwischen anspruchsvollem Thrash, Death Metal und MISERY INDEX-Groove zu Hause, lassen die Jungspunde ihr instrumentales Können flächendeckend zum Zuge kommen, ohne dabei den roten Faden allzu sehr zu vernachlässigen. Vor allem ein neuer Song mit Akustikbreak kann überzeugen, aber auch die älteren Stücke verdeutlichen den selbst gesteckten Anspruch recht gut und wecken nicht zuletzt aufgrund der partiellen gesanglichen Parallelen zu alten SEPULTURA Lebensgeister.
Gerechter Lohn der Mühe: Unaufgeforderter Circlepit. Mit fünf Teilnehmern gestaltet sich die wohlwollende Kreiswanderung zwar recht übersichtlich, aber die offensichtlich gut mit dem Material vertrauten Freaks machen brav jede Geschwindigkeitsänderung mit und schaffen es schließlich sogar, dem Event mittels eines aufblasbaren Delfins übergreifenden Charme einzuimpfen. Im Endeffekt für alle Parteien ein ziemlich spaßiger Tagesauftakt, der mit dem TESTAMENT-Cover "Into The Pit" auch noch den letzten Zweifler ins Boot holt. Geiler Scheiß!
Auf der Hauptbühne startet das Programm derweil mit KYLESA, die sich alle erdenkliche Mühe geben, die Alternative/Sludge/Rock-Freunde möglichst komplett zu versammeln. Das scheinen nicht allzu viele zu sein, was vielleicht an der Hitze liegt, vielleicht aber auch am sich hartnäckig haltenden Gerücht über in Zivil anwesende Staatsmacht. Oder eben schlicht am musikalischen Rohmaterial: Was diverse Schreiber dazu veranlasst, in den Amis ausdauernd das nächste große Ding zu sehen (oder ist es schon wieder das letzte große Ding?), erschließt sich angesichts der trägen Performance jedenfalls nur bedingt. Die Songs schleppen sich dahin, gerade der Klargesang macht das Ganze nicht besser, und zwei Schlagzeuger - zumindest hier wird eine eigene Marke gesetzt - kann man im Grunde kaum wirkungsloser einsetzen. Im gleißenden Licht des 18-Uhr-Zentralgestirns sorgt derlei Schabernack allenfalls für Kopfschmerzen.
Etwas besser werden anschließend BRAINSTORM mit den widrigen Bedingungen fertig. Die Deutschen sind genau der fluffige Snack, den man jetzt braucht, um die Lebensgeister für den Abend zu mobilisieren und starten mit "World's Are Comin' Through" klassisch durch. Stimmlich und instrumental absolut auf der Höhe, präsentiert man im Verlauf des kurzweiligen Sets auch einen Song vom kommenden Album "On The Spur Of The Moment", der klassisch BRAINSTORM ist, aber noch mehr Wert auf die rhythmische Komponente zu legen scheint - insgesamt moderner, wenn man das nach einmaligem Hören so sagen darf. Ansonsten von "Fire Walk With Me" bis "Falling Spiral Down" ein angenehm fettes Brett, dem das Soundgewand des Metalcamp wie auf den Leib geschneidert scheint.
Womit wir dann schon bei KATATONIA sind, die sich verdientermaßen regen Zuspruchs erfreuen und mit ihrem Backkatalog mittlerweile spielend über die knappe Stunde Spielzeit kommen: "Forsaker", "Liberation", "My Twin", "I Break", "Right Into The Bliss", "Sweet Nurse" - hier wird jedes Album der zweiten Phase mit mindestens einem Song gewürdigt und auch der verkehrt herum aufgehängte Bühnenhintergrund - "we thought it would look more evil this way" - tut der sympathischen Vorstellung der Schweden keinen Abbruch.
Mittlerweile frage ich mich allerdings, ob ich Fronter Jonas Renkse immer an seinen schlechten Tagen erwische, denn die oft und gern berichtete Verbesserung der Gesangsleistung ist auch heute nur im Promillerahmen wahrnehmbar: Unsicher und leise trifft den vorherrschenden Eindruck ganz gut, dazu setzt man auf gleich drei ineinander zerfließende Hallstufen, die in den schlimmsten Momenten - "Ghost Of The Sun" ist erst am Refrain überhaupt erkennbar - wenig mehr als sphärisch wabernden Brei hinterlassen. Die vorhandenen Backings von Anders Nyström pendeln sich zwischen zweifelhaft ("The Longest Year") und perfekt (die Screams in "Ghost Of The Sun") ein, während die generelle instrumentale Umsetzung aufgrund der nicht immer glatten Rhythmen wirklich faszinierend ist. Einmal mehr ein Auftritt, der vom überragenden Grundmaterial und dem sympathischen Wesen der Akteure lebt, ohne in Sachen Performance vollends überzeugen zu können.
Setlist:
Forsaker
Liberation
My Twin
The Longest Year
Ghost of the Sun
Right Into the Bliss
I Break
Sweet Nurse
Nephilim
July
Leaders
Etwas zwingender präsentieren sich da schon HALOR, die auf der kleinen Bühne mit dynamisch drückendem Power Metal vom Leder ziehen. Die Ungarn um den gefühlte 2,50 m großen Sänger Ákos Komondi könnte man aufgrund des traditionellen Fundaments als verhärtete Ausgabe von HAMMERFALL beschreiben, wenngleich vor allem neue Stücke wie "Pain" oder "Glowing Inside" mit deutlicher Thrash-Kante aufwarten. In weiten Teilen stützt sich der abwechslungsreiche Gig auf das 2006er Album "Welcome To Hell", von welchem unter anderem der Titelsong und "Gods Of War" zu Gehör kommen, und weil sich HALOR über knapp 30 Minuten wirklich von ihrer besten Seite zeigen, fallen die zeitgleich aufspielenden LEGION OF THE DAMNED unter den Tisch.
Nicht unter selbigen können hingegen WINTERSUN fallen, die gegen 22.30 Uhr ihr Lebenszeichen auf der großen Bühne setzen. Die Finnen sind etwas nervös, aber sichtbar gut drauf und instrumental fit - dummerweise will der Soundmann das offenbar nicht öffentlich machen: Was da ab "Battle Against Time" aus den Boxen schallt, ist dermaßen übersteuert und offensiv, dass man sich fragen muss, ob der Mann die eisig-filigranen Epen jemals im Original gehört hat. WINTERSUN auf dem Metalcamp bestehen aus Doublebass und geräuschgewordenen Gitarren; Leads, Soli, Chöre oder gar Keyboardeinschübe - also im Grunde die Eckpfeiler dieser Band - sind im viel zu lauten Dezibelinferno nicht einmal ansatzweise zu vernehmen. Was bleibt, sind überlange Geräuschcollagen mit Schlagzeug, die man nur aufgrund der Ansagen auseinanderhalten kann. Zusammenfassend also die völlig unnötige, aber dafür gründliche Hinrichtung großartiger Musik - danke für nichts.
Mit auf Tennisballgröße angeschwollenen Trommelfellen schleppt man sich dann doch lieber zum Nebenschauplatz, um bei Chickenburger und Bier dem WARCULT zu frönen: Oldschooliger Black Metal mit deutlichen SETHERIAL-Referenzen und einem schön räudigen Organ, der vor allem durch die melodischen Untertöne Interesse weckt. Klar, wirklich hängen bleibt hier beim Erstkontakt nur wenig, aber - man muss es so deutlich sagen - im Vergleich zu den eben erlebten WINTERSUN sind WARCULT absolute Ohrenschmeichler. Mit etwas mehr Gewicht auf den unverzerrten Passagen (gern auch parallel zum Gebolze) könnten die Österreicher in Zukunft sogar etwas reißen - ein Song wie "Soldier's Fate" jedenfalls ist vom Gefühl her der richtige Weg.
Direkt nach WARCULTs freundlichem Gruß an Schnapsdealer Walter geben sich ACHREN die Ehre, und das sind doch... ...tatsächlich: Die schottischen Schnarchmaschinen von nebenan stehen auf der Bühne und wirken ziemlich fit, wenn man die Ereignisse des gestrigen Tages (und des Tages davor) in Betracht zieht. Auf die Ohren gibt es grimmigen Blood Metal, den man vielleicht als Mischung aus WAYLANDER und Oldschool Death Metal umschreiben könnte: Roh, etwas hüftsteif und überwiegend schnell bolzen sich Stücke wie "Impaled", "Fury Of The Northmen" oder "Wings Of War" recht gefällig durch die Ganglien, hinterlassen daselbst allerdings nur marginale Spuren. Problematisch ist hier eindeutig die fehlende Abwechslung, die den für sich jeweils knüppelharten Brocken auf lange Sicht den Bumms nimmt - man kennt den Effekt ja von MOTÖRHEAD-Konzerten. Sympathische Burschen, denen Oldschool-Fanatiker unter Umständen mehr abgewinnen können als das zarte Korrespondentenohr.
Up next: Rüsseltiere. MASTODON entern die Hauptbühne und schaffen es subjektiv betrachtet erneut, nicht einfach nur zu langweilen, sondern richtiggehend zu nerven - was wiederum den Metwagen freut, denn der Honigwein trinkt sich nicht alleine. Trinken jedoch sollte man, da auf der zweiten Bühne KELLER ins Haus stehen, ein Bandname, der irgendwie nach slawischem Grind mit Tiergeräuschen klingt. Aber so kann man sich irren...
Sirenen? - Check. Maschinengewehrsalven? - Check. Kutten und Patronengurte? - Check. Oldschool Fuckin' Thrash Metal, bitches? - Doublecheck! Sollten DESASTER und SODOM irgendwann ein Wunschkind zeugen, dann bieten sich die jungen Slowenen jedenfalls als Patenonkel an, denn hier brennt nachts um kurz nach 1 Uhr noch einmal für knapp 50 Minuten die Luft. Vor gut gefüllten Reihen erweist sich die simple Mixtur aus schnurgeradem 80s-Worshipping und hungrig wirkender Bühnenshow als perfektes Mittel, um übergreifend für Bewegung zu sorgen, was die Band wiederum zu weiteren Höchstleistungen anstachelt und schließlich zu einem ausgewachsenen Moshpit führt. KELLER nutzen die Gunst der Stunde, um dem sich mehrenden Publikum einen Einblick in ihr demnächst erscheinendes Debüt "Spreading Evil" zu gewähren, wobei die bereits bekannten Teaser "Keller" und "Beyond Recognition" naturgemäß am schnellsten zünden. Aber auch Granatentitel wie "Metal Tormentor" laden aufgrund der Einheit von Sound und Lyrik ohne Umschweife zum Mitsingen ein - so soll das sein.
Insgesamt kann man die Band aufgrund ihres erfrischenden Auftretens und der gut umgesetzten Leichenfledderei wirklich ohne Einschränkungen empfehlen, zumindest soweit es Konzerte betrifft. Ob das Konzept auch auf Albumlänge aufgeht, muss sich dagegen erst zeigen.
Damit ist der dritte Tag des Metalcamp vorbei, sofern man sich nicht zu einem Schlummertrunk in der Strandbar durchringt, wo die Party zu Konserven von CANNIBAL CORPSE bis DIO wirklich sieben Tage dauert. Das Gute an der räumlichen Aufteilung des Festivals ist dabei der Umstand, dass die 24-Stunden-Area am Fluss zwar Teil des Geländes und ohne Probleme fußläufig erreichbar ist, durch die vielen Bäume allerdings nur sehr wenig vom nächtlichen Treiben zu den Zeltplätzen dringt. Und zu letzteren zieht es uns nun, vorbei an den berühmten slowenischen Hangkühen und einer Security, die über die gesamte Zeit einen freundlichen und zuvorkommenden Eindruck macht.
Einmal mehr das gleiche Spiel, und ganz ehrlich: Gutes Wetter auf Festivals ist etwas Feines, aber nach mittlerweile drei Tagen in diesem wolkenlosen Tal zehren konstante Temperaturen jenseits der 30 °C enorm an der Konstitution. Die heutige Lösung: Picknick im Supermarkt holen und dann ab in den städtischen Park, wo im Schatten der hiesigen Kirche endlich Schlaf nachgeholt wird.
In Sachen Bands beginnt der Tag daher erst mit TROLLFEST, welche die Hauptbühne in einen Hort sinnfreier Klapsgeschichten verwandeln und dabei weniger nach Balkan Folk Metal, sondern seltsamerweise nach Amerikanern klingen, die ihre Vorstellungen von Folklore zur Schau stellen. Man nehme den beklopptesten Song von KORPIKLAANI, willkürlich zusammengeworfene Folk- und Brass-Elemente und rühre dazu den schlechtesten Song von SWASHBUCKLE (inklusive deren Vokaldarbietung) - voilá, fertig ist die norwegische Suppe. Dass das Ganze live eher nach Verkehrsunfall als nach Musik klingt, fällt angesichts des dahinterstehenden Konzeptes kaum noch ins Gewicht - dass die Band nach THE OCEAN spielen darf, ist allerdings völlig unklar.
In anderen Gefilden bemühen sich derweil die Italiener KALEDON um Publikum und sehen sich dabei einem Hauptproblem des Metalcamp gegenüber: Vor der kleinen Bühne passiert bis mindestens 20 Uhr einfach mal gar nix, die Zuschauerzahlen liegen bestenfalls im mittleren zweistelligen Bereich. Dummerweise spielen gerade hier oftmals wirklich interessante und ausgefallene Acts (später mehr), denen man von ganzem Herzen Feedback wünschen würde, zumal die Anlage insgesamt schattiger und in Sachen Sound oftmals ausgewogener als die Mainstage ist.
Während also auf der Hauptbühne THAUROROD ihren neuen und etwas dünn klingenden Fronter vorstellen, beackern die Italiener im Grunde exakt das gleiche Genre und machen vieles besser als die Finnen: Sinfonischer Fantasy-Bombast zwischen RHAPSODY, LABYRINTH und etwa OLYMPUS MONS, der mit versierten Instrumentalisten und einem Sänger aufwartet, der seine Linien mit einer Lässigkeit aus dem Ärmel schüttelt, die absolut beeindruckt. Ob "Last Day On The Battlefield", "Surprise Impact" oder das DIO gewidmete "The God Beyond The Man" - die Stücke kommen knackig auf den Punkt, die teils pathetischen Ansagen bleiben stets sympathisch, und die gesamte Band hat ungeachtet der spärlich besetzten Reihen wirklich Spaß an der Sache.
Insofern ist es nur verdient, dass im Verlauf des Konzerts noch ein paar Leute auftauchen, die kurz schauen - und dann mit erfreuter Miene bleiben. Dafür werden sie mit absurden Momenten wie dem belohnt, in dem der Sänger dem Gitarristen von hinten durch die Beine greift, um dessen Solo auf Knien rutschend in Luftgitarrenmanier mitzuspielen. Eben, das sieht man heute ja auch nur noch bei italienischen Power Metallern...
Und wer wartet derweil auf der anderen Bühne? - DIE APOKALYPTISCHEN REITER natürlich, die ein vergleichsweise junges Album im Gepäck haben und dem Affen mit "Boten einer neuen Zeit" vom Start weg ordentlich Zucker geben. Nach dem Opener erst mal rosarote Konfettikanone, was der ohnehin sehr guten Stimmung noch einen Schub verleiht, bevor man die Jungs und Mädels mit "Friede sei mit dir" und "Hört auf" das erste Mal so richtig abkocht - die REITER wissen einfach, wie es geht.
Dazu haben sie aktuell auch eine mehr als überzeugende Bühnendeko am Start: Überall dreht und bewegt sich etwas, von irgendwo schweben Seifenblasen heran, Kostümwechsel sorgen für noch mehr Abwechslung und die Ansagen von Fuchs sind zwar nicht ganz so charismatisch wie im deutschsprachigen Raum, können den Draht zum Publikum aber dennoch vergleichsweise schnell etablieren. Dass Songs wie das lautstark mitgesungene "Es wird schlimmer", "Du kleiner Wicht", "Seemann" oder "Der Adler" ihr Übriges tun, um die Menschen mitzunehmen, versteht sich von selbst; dass die Papst-meets-Gasmasken-Show zu "Moral & Wahnsinn" die Stimmung oben hält - klar; und das nicht zuletzt "Der Weg" mit seiner unsagbar ergreifenden Mischung aus Ohnmacht und Zuversicht ohne Mühe Herzen spaltet, das sollte sich mittlerweile herumgesprochen haben.
Entsprechend rund geht es im Auditorium, wo quasi im Minutentakt Circlepits oder Wall Of Death-Interpretationen gestartet werden, die auf Dauer dann doch etwas nerven - in diesen Momenten wünscht man sich fast wieder die legendäre REITER-Wall Of Love herbei. Dennoch: DIE APOKALYPTISCHEN REITER räumen auch auf dem Metalcamp ohne Mühe ab und machen mit reichlich Herzblut selbst kleinere Anlaufschwierigkeiten vergessen. Nach all den Jahren noch immer und immer wieder eine Empfehlung.
Zum Luftschnappen ist dann erst einmal ein Besuch bei BULLDOZER angesagt, die leider fast am Ende ihres Sets sind. Die Italiener stellen absolute Urgesteine der kompromisslosen Thrash-Schiene dar, veröffentlichten 1985 mit "The Day of Wrath" einen gnadenlos verrissenen Untergrundklassiker über Roadrunner, bevor 1990 nach mehreren Schicksalsschlägen dann erst einmal Schluss war.
Seit 2009 ist wieder Bewegung in die Sache gekommen, und nachdem man bereits 2010 auf dem Rock Hard spielen konnte, steht nun das Metalcamp auf dem Programm. Musikalisch kann man die Band aus Mailand als angeschwärzten Thrash Metal beschreiben, streckenweise arg chaotisch und ungeschliffen, aber vielleicht gerade deswegen eine wichtige Inspiration für so unterschiedliche Bands wie DARKTHRONE oder SIGH. Den heutigen Kurzeindruck beschließt das dem AC Milan gewidmete "The Derby", bevor es auf der Second Stage eine weitere Überraschung zu erleben gibt...
...die wir dieses Mal dem Zufall verdanken: HATE haben offenbar um eine Verschiebung ihres Gigs gebeten und werden von VULTURE INDUSTRIES vertreten, die ich mal eben als meine persönliche Entdeckung des Festivals bezeichnen würde. Dabei sind die Norweger mittlerweile auch schon beim zweiten Album angekommen. Die Gründe für das relative Unwissen indes werden bereits beim Opener "Bastard Son" in all ihrer Glorie sichtbar, denn: Was zu Hölle ist das?! - Kleinkunst mit Leichen im Keller? Verhärtetes Musical? Postapokalyptisches Varieté? Oder vielleicht doch Kabarett?
Klar ist jedenfalls, dass der an sich recht gefällig musizierenden Band mit Fronter Bjørnar Nilsen ein absoluter Glücksgriff gelungen ist, da der stets ein wenig abgedreht wirkende Krawallo (haha, kleiner Gag am Rande) die Klaviatur der Schattierungen zwischen Derwisch und Prediger, zwischen Wahnsinn und Zyniker, auf das Trefflichste beherrscht. Ob er nun mit den Augen rollt oder den lockeren Partylöwen gibt, um im nächsten Augenblick das Mikro angewidert zu Boden zu schleudern, ob er - wie bei "Hangman's Hatch" - mal eben mit Schlinge um den Hals posiert oder sich als psychotischer Entertainer geriert - dank Nilsen wird aus dem tight dargebotenen und industriell unterkühlten Avantgarde/Goth/Metal-Büffet zu jedem beliebigen Zeitpunkt ein Erlebnis der besonderen Art. Und das Beste an der Geschichte: Der Typ hat selbst im leicht alkoholisierten Zustand eine Stimme vom Allerfeinsten!
Zu Gehör kommen im Verlauf der indiskutablen halben Stunde unter anderem "The Bolted Door" und "Blood Don't Flow Sreamlined", und wenn ihr euch auch nur entfernt einen Bastard aus ARCTURUS und RED HARVEST vorstellen könnt/wollt, dann gebt der Band aus Bergen eine Chance. Zu bereuen gibt es hier nach einstimmiger Meinung aller Anwesenden (und da wird auch gerne mal gemäkelt) nämlich überhaupt nichts!
Nach der Aktion ist Pause nötig, zumal mit SLAYER der Klassiker ins Haus steht. Die Paris-Roubaix des Thrash Metal starten gegen 22.40 Uhr mit dem Titelsong ihrer aktuellen Scheibe und Gary Holt in den Abend, was zweierlei zeigt: Das jüngste Material ist live nicht zu verachten, was später auch "Hate Worldwide", "Beauty Through Order" oder "Americon" zeigen, und Gary Holt ist - Sakrileg hin oder her - der Beweis, das große Bands durch neuen Input zumindest live gewinnen können.
Was der an eigenen Verdiensten nicht arme EXODUS-Axtmann hier quasi als Kind im Süßigkeitenladen abliefert, ist beseelte und vor allem enthusiastische Thrash-Elite, die zu keiner Zeit nach Aushilfsgitarrist aussieht, sondern nach einem von purer Spielfreude getriebenen Freundschaftsdienst. Es kommt merklich Bewegung ins sonst eher starre Bühnengebaren der Amis, und letzten Endes hat sogar der wie immer mit Comicbüchern entsprungenen Ketten behangene Kerry King gar keine andere Wahl, als seine auf Posen basierende Choreographie von Zeit zu Zeit über Bord zu werfen - um einfach nur Livegitarrist einer Metalband zu sein. Einzig dem stimmlich überzeugenden (und wieder etwas gestutzten) Araya gesteht man die relative Unbeweglichkeit heute gerne zu - wenn die Aggro-Monster "Disciples" plus "Payback" vom unterschätzten Minimalexkurs "God Hates Us All" so dermaßen knallen, dann ist in Sachen Bühnenpräsenz schon viel gewonnen.
Optisch wirkt der Auftritt vergleichsweise farbenfroh, was vielleicht am Lichtmann des Metalcamp liegt: Vor roten Grundtönen, riesigem Logobackdrop und reichlich Walle-walle-Nebel wird das komplette Spektrum abgeklappert, dazu zuckt und blitzt es an allen Ecken. Mit etwas Distanz (und gerade in den gelben Momenten) fast schon zu bunt, bietet die so gepimpte Lichtshow andererseits einen unbestritten schönen Hintergrund für das durch Holt belebte Stageacting. Ein wirklich gelungener SLAYER-Gig, der entsprechend abgefeiert wird.
Setlist:
World Painted Blood
Hate Worldwide
War Ensemble
Postmortem
Temptation
Dittohead
Stain of Mind
Disciple
Bloodline
Dead Skin Mask
Hallowed Point
The Antichrist
Americon
Payback
Spirit in Black
Mandatory Suicide
Chemical Warfare
Ghosts of War
Seasons in the Abyss
Snuff
South of Heaven
Raining Blood
Black Magic
Angel of Death
Den Schlusspunkt des Abends besorgt mit TAAKE dann wieder eine Band im kleinen Rahmen. Und was soll man sagen: Keine Hakenkreuze, keine Selbstentblößung, nicht einmal trve frostbitten Kvltification - stattdessen Anfänger-Kutte, Jeans und umgedrehtes Kreuz auf der Brust. Positiv am fehlenden Jahrmarktfaktor ist der Umstand, dass man auf diese Art und Weise den angenehm melodischen Schwarzmetall der Band genießen kann, der trotz eines nicht zu leugnenden Dudelfaktors durchaus seine Reize hat.
Darauf muss sich der ein oder andere Black Metal-Fan merklich etwas einstellen (während dem gemeinen Reporter die Story fehlt), doch in künstlerischer Hinsicht ist genau das der richtige Weg, denn der Mann hat ganz zweifelsfrei das Potenzial, allein mit seiner Musik ein sehr vielseitiges Publikum zu begeistern: Im Verlauf des (trotz WATAIN) ohnehin gut besuchten Gigs überzeugen die Norweger vom PANTERA-Jünger bis zum BLIND GUARDIAN-Fan so ziemlich jeden, der den Weg zur Nebenbühne auf sich nimmt - "Nattestid Ser Porten vid" und alle sind dabei, selbst wenn der Misanthrop dabei ein wenig auf der Strecke bleibt. So liefern TAAKE einen unerwartet versöhnlichen Ausklang des Donnerstags.
Endlich Wolken! Der Freitag empfängt uns zwar zunächst mit unverändert hohen Temperaturen, aber hier und da zeigen sich Wolken über der malerischen Senke und bringen tatsächlich eine sanfte Brise mit, die letzten Endes in gewittrige Zwischenspiele mündet. An der generellen Tagesgestaltung ändert dieser Witterungsumschwung nicht viel, doch ist es durchaus angenehm, auch mal ein T-Shirt tragen zu können, ohne dadurch gleich den Kreislaufkollaps zu riskieren.
Musikalisch startet der Tag mit den etwas unauffälligen Kroaten KREATION KODEX, die sich auf der Hauptbühne mit männlich-weiblichem Wechselgesang in die Schlacht werfen. Der vorherrschende Eindruck ist nicht zuletzt aufgrund des fetten Sounds todesmetallischer Natur, allerdings fehlt im Mix ein wenig das Keyboard - mag sein, dass die Band im Studio mehr zu bieten hat.
An anderer Stelle versuchen sich derzeit angeblich THE SCOURGE an einem Weckruf der unkomplizierten Art, aber irgendwie klingt das hier nicht ansatzweise nach dem Melo-BM der Thüringer: Es gibt stattdessen Standard-DM-Gebolze nach Reinheitsgebot, bei dem auf den Brettern ein wenig die Bewegung fehlt. Das macht aber gar nix, denn viel wichtiger ist der Umstand, dass die Stücke der unbekannten Band für reichlich Geschiebe und Geschubse im merklich angewachsenen Publikum (die 3-Tages-Gäste sind mittlerweile da) sorgen können. Cool, aber namenlos.
Wie die Faust aufs Auge passen anschließend die Letten HEAVEN GREY, deren nicht eben ansprechendes Logo zunächst Schlimmes vermuten lässt. Geboten wird jedoch angenehm fließender 1990er-Gedächtnis-Gothic Death samt sparsamen Keyboardakzenten, der streckenweise Parallelen zu MOONSPELL oder etwa älteren PARADISE LOST erkennen lässt. Dazu kommen interessante Vocals, die statt an Grunzlaute eher an halbmelodisches Grölen erinnern und auch vor gesprochenen Passagen nicht haltmachen. Trotz des einmal mehr zu modernen Sounds - das Metalcamp ist in Sachen Sound wirklich eher auf knalligen Thrash und dessen jüngere Spielarten zugeschnitten - eine hörenswerte Band, die in Songs wie "Open Your Memory River" und dem Lettland gewidmeten "Zemes Speeks" auch von der Exotik ihres zweisprachigen Ansatzes zehren kann.
Ganz anders als ARKONA, die sich wenig später nach einem orchestralen Intro ins Gewühle begeben: Das offensive und nicht selten dümmlich-arrogante Auftreten der Russen um Frontfussel Masha wirkt auf mich dermaßen aufgesetzt und unsympathisch, dass die fehlende Klasse der eigentlichen Musik schnell in den Hintergrund rückt. Geht trotz vereinzelt interessanter Arrangements irgendwie gar nicht.
Also auf zu LOCRACY, die auf der Second Stage grunz-kreischend im Frickelfieber-Endstadium liegen. Stilistisch im Death/Grind anzusiedeln, beeindruckt das Material vor allem durch die recht gelungenen Übergänge zwischen entspannten Interludes (weniger) und Instrumentalabfahrten der knochenbrechenden Couleur (häufiger), wobei alle Beteiligten frohen Mutes ihre rhythmischen Grenzen austesten: "Paranoid Masochist" oder "The Son Of A Preacher's Whore" sind gleichermaßen anstrengende wie melodisch zugängliche Hackbrettorgien, die nicht zuletzt aufgrund der unglaublichen Gesangsleistung in den vielen zusammenhängenden Passagen imponieren. Das wirkt anfangs etwas gewöhnungsbedürftig, aber die Wiener empfehlen sich dennoch mit einem sehr gelungenen Auftritt.
Zwischen Nahrungssuche und Erfrischung bleibt Zeit für Kurzeindrücke von SCORNED und den SUICIDAL ANGELS, die in beiden Fällen wenig Aufregendes zu Tage fördern: Während erstere ihren GRAVEWORM-Black Metal mit dezenten Death Metal-Elementen anreichern und so eine gefällige aber vollkommen gesichtslose Suppe zusammenrühren, kleben die Griechen bei bestem Mainstage-Sound am gewohnten SLAYER-KREATOR-Ideal. Zündstoff liefert lediglich die politisch gefärbte Ansage zu "Apotheosis", welches Fronter Nick Melissourgos "all den griechischen Landsmännern in Mazedonien" widmet und damit mal eben ohne Not für betretenes Schweigen sorgt. Auf einem Festival in einer ehemaligen jugoslawischen Teilrepublik ist das arrogante Befeuern der nicht zuletzt ethnisch motivierten Haarspalterei zwischen Griechenland und Mazedonien wohl so ziemlich das Einfältigste, was man machen kann.
Stimmungssteigernd wirken im Anschluss definitiv POWERWOLF, welche die Mainstage kurzerhand zur Ronnie James Dio-Stage erklären und selbigem mit "Prayer In The Dark" gleich mal Tribut zollen. Auffällig sind vom Start weg die erneut zu leise abgemischten Tasteninstrumente, was eigentlich traurig ist: Mit Organist Falk Maria Schlegel haben POWERWOLF einen echten Aktivposten auf den Brettern, was sich vor allem in seinen kleinen Zwischeneinlagen zeigt - da wäre etwas mehr Volumen im Mix durchaus angemessen.
Ansonsten liefern die Deutschen von "Raise Your Fist..." und "We Drink Your Blood" bis hin zu "Sanctified..." und "Ressurrection By Erection" einen gutklassigen Set, der mit den "Werewolves Of Slovenia" sogar leicht individualisiert daher kommt, dabei jedoch etwas zu viel Gewicht auf Mitmach-Spielchen und "erst ich, jetzt ihr" legt. Besonders auffällig ist das aufgrund der vorhersehbaren Struktur dieser Einwürfe: Jede Aktion wird genau dreimal ausgewalzt, egal wie das Feedback nun im Einzelnen ausfällt. Dagegen ist die Verwechslung von Metalcamp und Masters Of Rock eher sympathisch und wird mit Humor genommen - auch Werwölfe sind nur Menschen. Für mich persönlich eine kurzweilige Angelegenheit, die jedoch mit der Wucht anderer "wir haben nur ein Thema"-Bands - SABATON sei hier stellvertretend genannt - nicht vollends mithalten kann.
Nächster Tagesordnungspunkt sind dann IN EXTREMO, die zunächst mit landessprachlicher Begrüßung Fleißpunkte sammeln. Schwerpunkt des mit zahlreichen Feuersäulen, Pyros und imposanter Lichtshow aufwartenden Sets sind die jüngeren Scheiben der Band, die im Endeffekt Neue Deutsche Härte mit etwas Gedudel zu verbinden suchen und das erstaunlich textsichere Publikum amtlich mitzureißen vermögen. So ist von "Sterneneisen" bis "Schließ die Augen", von "Flaschenpost" bis "Unsichtbar", vor allem die Dichte an Crowdsurfern beeindruckend, die sich im flackernden Schein der Flammen in Richtung Bühne tragen lassen.
Die Band selbst wirkt trotz vorhandener Spielfreude etwas angespannt und bisweilen müde, vielleicht auch weil das Metalcamp in Sachen Größe weit von Festivals wie dem W:O:A entfernt, die Rückmeldung entsprechend leiser ist. Der bleibende Eindruck ist daher eher der einer professionellen Show als der absoluter Hingabe, was dem insgesamt unterhaltsamen Konzert für die meisten Anwesenden indes keinen Abbruch tut.
Zwischendurch dann doch noch kurz zur zweiten Bühne, wo VANDERBUYST in rosa Leggins die Meute rocken und ihren Job recht ordentlich erledigen. Originalitätspreise gewinnen die Jungspunde sicher nicht mehr, die Energie von ENFORCER erreicht man mit THIN LIZZY-Coversongs ("Don't Believe A Word") ebenfalls nicht, aber gute Laune verbreitet die Retrokutsche allemal. Da zudem ordentlich gepost wird, geht der Daumen klar nach oben.
Und damit zum Höhepunkt des Festivals: Die zahlreichen Shirts lassen keinen Zweifel daran aufkommen, dass BLIND GUARDIAN zu den zugkräftigsten Argumenten des Metalcamp zählen, und die Truppe um Hansi Kürsch schickt sich in den folgenden 90 Minuten an, auch in diesem Teil Europas weiter an ihrer eigenen Legende zu stricken. Vor dem riesigen "ATEoT"-Backdrop wird zwar zunächst noch etwas gewerkelt, aber Sekunden später peitschen die orchestralen Introtöne von "Sacred Worlds" erste Schauer das Rückgrat hinauf, die spätestens beim hundertfach mitgesungenen Refrain in eine veritable Gänsehaut münden dürfen. Was auf dem Album schon erhebend wirkt, ist hier und heute noch potenziert in seiner verbindenden Wucht, ist in seiner Anlage so unverfälscht episch, dass man jeglichen Kommentar dazu eigentlich in Großbuchstaben verfassen müsste, um das Erlebte begreiflich zu machen.
Nachdem schon dieser erste Song in Verbindung mit der umgebenden Natur traumwandlerisch die richtigen Knöpfe drückt, um Aufbruch und Zuversicht zu vermitteln, zeigt sich Hansi einmal mehr als grandioser Entertainer, der das Publikum mit einer Mischung aus englischem Humor und Herzlichkeit dazu bringt, ihm vom Start weg aus der Hand zu fressen. Dazu braucht es weniger große Gesten als herzliches Understatement, braucht es vielleicht auch Songs wie "Welcome To Dying", "Time Stands Still" oder "Majesty", die den Freudentaumelnden in der Folge so viel Platz zum Mitmachen - zum Miterleben - geben, dass der Gig zusehends zu einem berauschenden Selbstläufer gerät. Da stört es wenig, dass die ganz spitzen Töne oftmals gegen mittlere Lagen ausgewechselt werden. Wichtiger ist, dass der Flow stimmt, der zwischen Uptempo-Kracher wie "Tanelorn" und "A Voice In The Dark" mühelos das 15-minütige "And Then There Was Silence" schiebt, der nach dem Atmosphäreknüller "The Bard's Song - In The Forest" mit "Mirror Mirror" sämtliche Knoten platzen lässt, die im weiteren Umfeld vielleicht existiert haben mögen.
BLIND GUARDIAN verbinden all das mit Leichtigkeit zu einer makellosen Dramaturgie, der man sich nur schwer entziehen kann und die in ihrer universellen Zugänglichkeit keinen Unterschied zwischen 16-jährigen und deren Vätern macht - für anderthalb Stunden ist das eigentlich unhaltbare Versprechen von Zusammenhalt und erschöpfender Harmonie schlicht Realität. Und so ist es wenig verwunderlich, dass auch die Stimmung im Publikum eine ganz besondere ist, dass - hallo Klischee! - gemeinsames Erzählen und dadurch gemeinsames Erleben vertrauter Geschichten an die Stelle sonst üblicher Aggressionsbewältigung tritt. Das macht die Angelegenheit für alle Beteiligten nicht weniger intensiv, zumal selbst die vordergründig fantastischen Themen BLIND GUARDIANs immer eine sehr menschliche Ebene offenbaren, sondern es betont den verbindenden Aspekt künstlerischen Schaffens, der sich (zumindest meiner subjektiven Sicht nach) durch die Musik dieser Band zieht. Kein grandioses Konzert, sondern ein rundum überwältigendes Erlebnis, das zu den eingespielten Tönen der Orchesterversion von "Wheel Of Time" trotz 15 Minuten Überlänge viel zu früh endet!
Setlist:
Sacred Worlds
Welcome to Dying
Nightfall
Time Stands Still (at the Iron Hill)
Turn the Page
Time What Is Time
Majesty
Tanelorn (Into the Void)
And Then There Was Silence
A Voice in the Dark
The Bard's Song - In the Forest
Mirror Mirror
Mit BLIND GUARDIAN endet schließlich auch unser Ausflug nach Tolmin, da sich MERCENARY mittlerweile als unterdurchschnittliche Metalcore-Band präsentieren und der Samstag arbeitsmarkt-politisch ausfallen muss. Nach fünf Tagen bleibt vom Metalcamp ein positiver Gesamteindruck, den auch die etwas beschwerliche Anreise nicht trüben kann: Die Landschaft ist atemberaubend, die Festivalarea großzügig dimensioniert und dennoch kompakt, die Security unauffällig und effizient, die Grundstimmung friedlich. Dazu kommen unschlagbare Vorteile wie der Strand und die guten Einkaufsmöglichkeiten im nahen Tolmin - Supermärkte, Gastronomie und die wichtigsten Versorger sind zu Fuß oder mit den Shuttlebussen problemlos erreichbar. Letzteres ist vor allem deswegen wichtig, weil das Metalcamp vergleichsweise teuer ist: 5 - 6€ für teils fade Fast Food-Gerichte, 3€ für 0,4 l Bier und 5 - 6€ für einen eher mittelmäßigen Cocktail sind qualitativ kaum gerechtfertigt und wirken nicht nur angesichts der örtlichen Gastronomiepreise überzogen.
Angenehm ist dagegen die Größe der Veranstaltung, die zumindest unter der Woche überschaubar und dadurch sehr gesellig ausfällt. Zum Wochenende hin ändert sich das zwar, aber es wird nie eng oder überlaufen, Rückzugsmöglichkeiten (im Sinne von Ruhe) sind in jedem Falle vorhanden. Falls ihr also Lust auf ein etwas anderes Festivalerlebnis haben solltet, dann könnte Slowenien einen Besuch lohnen. Na zdravje in nasvidenje!
www.metalcamp.com
Und genau diese Mischung aus überwältigender, unverrückbarer Szenerie und den vor diesem Hintergrund fast kläglich anmutenden Dimensionen menschlichen Schaffens (inklusive der zunehmend dünner scheinenden Blechschicht, die uns wahlweise von Bäumen, Rehen oder bodenlosen Abgründen trennt) sorgt für den Grundton, der auch auf dem diesjährigen Metalcamp nie ganz verfliegen wird: Hell over paradise - eine Woche Zelturlaub zwischen Maulsperre und Heavy Metal.
Das Festival selbst findet in Tolmin statt, einem beschaulichen Städtchen des Kalibers "Alpenromantik trifft FDGB-Ferienort" (die Älteren wissen Bescheid), wo die Organisatoren am Zusammenfluss von Soča und Tolminka mal eben zwei Bühnen samt baumbestandener Campgrounds ins Grüne gepflanzt haben. Dazu gesellen sich am Flussufer eine amtliche 24-Stunden-Strandbar nebst DJ-Pult, die jeden Abend Aftershow-Parties der schlüpfrigen Art bietet, ein recht umfangreicher Metalmarkt, sowie ausreichend Futterstände von Obst bis Omelett. Den (nicht zugänglichen) Mittelpunkt der Anlage bildet schließlich ein ehemaliges Strandhotel namens "Paradiso", womit wir auch gleich die Herkunft des Festivalmottos ergründet hätten. Mit ein wenig Mühe und finanziellem Engagement könnte hier in den kommenden Jahren vielleicht sogar eine Cafe- oder Chillout-Area ihren Platz finden - allerdings ist das Gelände auch so schon recht beeindruckend und steigert die Vorfreude auf die kommenden Tage.
Positiv fällt neben der malerischen Umgebung auf, dass man offenbar um eine möglichst geringe Umweltbelastung bemüht ist, was sich in permanenten Hinweisen und entsprechenden Reinigungsaktionen niederschlägt - getreu dem Motto: "Recycle or die... ...trying!". Also schnell noch das Zelt aufgebaut, die heimische Insektenfauna begutachtet, und gegen 0.30 Uhr ins Bett gefallen - am morgigen Dienstag starten dann auch schon die Spiele.
Falls euch nur bestimmte Bands interessieren, hier die Tagesaufteilung:
Dienstag: DIVINE ILLUSION - ABINCHOVA - OCTOBER FILE - SVARTSORG - BRUJERIA - MOONSPELL - KUPID'S KURSE - CHRISTIAN EPIDEMIC - COLD SNAP - WINTERFYLLETH
Mittwoch: ALGEBRA - KYLESA - BRAINSTORM - KATATONIA - HALOR - WINTERSUN - WARCULT- ACHREN - KELLER
Donnerstag: TROLLFEST - KALEDON - DIE APOKALYPTISCHEN REITER - BULLDOZER - VULTURE INDUSTRIES - SLAYER - TAAKE
Freitag: KREATION KODEX - HEAVEN GREY - ARKONA - LOCRACY - SCORNED - SUICIDAL ANGELS - POWERWOLF - IN EXTREMO - VANDERBUYST - BLIND GUARDIAN
Dienstag, 12.07.2011
Ein Königreich für ein Frühstück! - Gegen 10 Uhr treibt die Sonne den gemeinen Festivalgänger aus dem Zelt, Temperaturen um die 35 °C blasen jegliche Illusion von Fitness ins wolkenlose Nirwana, und auf dem Weg zur vermuteten Kaffeequelle kristallisiert sich recht schnell heraus, welches Outfit die nächsten Tage bestimmen wird: Mehr als Flipflops und Badehose wäre absolute Verschwendung, mit Strohhüten verhindert man zumindest die gröbsten Verbrennungen. Wenig überraschend gibt es in den Geschäften Tolmins schon am ersten Tag genau zwei Dinge nicht mehr oder nur noch in Kindergrößen: Flipflops und Strohhüte.
Ebenfalls abwesend: Frühstücksangebote. Die mehr auf Bar getrimmten Hotspots der Stadt servieren ab 8 Uhr früh vorzugsweise Bier und einen Kaffeeccino, der mit der bekannten Brühvariante nur das Aroma gemein hat; dazu werden offenbar tageszeitunabhängig Bratengerichte und diverse Schnitzel/Pommes-Arrangements gereicht. Am Ende findet sich im 4000-Einwohner-Idyll genau eine einzige Kneipe, die Frühstück mit Rührei, Kaffee, Orangensaft und Toast auf der Karte hat - selbstredend ein fortan schwerst umlagertes Etablissement, das sich mit dieser unglaublich ausgefallenen Idee in kommenden Dekaden eine goldene Nase verdienen dürfte.
Nächster Halt auf dem Gelände ist dann der Strand, wo sich ein Großteil der bereits Anwesenden in ulkigen Gangarten - Runde-Kiesel-Alarm! - und neckischen Wasserspielen übt: Da werden komplette Outfits der Verwässerung preisgegeben, Ausflugsdampfer johlend in die Flucht geschlagen, die vielleicht hässlichsten Auswüchse der letzten Tattoowellen spazieren getragen, Cocktailstrichlisten abgearbeitet, und etwa einmal pro Stunde zu PANTERAs "Walk" die Fäuste in die Luft gerissen. Aber nicht so heftig, denn die Hitze fordert trotz der erquickenden Wassertemperatur (ca. 18 °C) recht schnell ihren Tribut und hält das bunte Treiben zumindest anfänglich ganz gut im Zaume.
Dem entsprechend übersichtlich gestaltet sich das Publikum, welches gegen 16.30 Uhr zur zweiten Bühne pilgert, um dort den Slowenen DIVINE ILLUSION das Ohr zu leihen. Dabei hätte die erste Band des Festivals durchaus etwas Aufmerksamkeit verdient: Zu Gehör kommt hochmelodischer Power Metal, der mit Keyboard auf "Symphonic meets Prog light" gepimpt wird und zumindest der Band ziemlichen Spaß zu machen scheint. Und tatsächlich sind die leicht verdaulichen 30 Minuten ein optimaler Einstieg, zumal Sänger Simon Simčič trotz - oder gerade wegen? - seines unsäglichen Spongebob-Shirts wie eine gelungene Mischung aus HELLOWEEN-Kai und MAIDEN-Bruce tönt. Ein ziemlich starker Auftakt, den man mangels Kenntnis der Band so natürlich nicht erwarten konnte...
...und der von ABINCHOVA auf der Hauptbühne auch gleich mal etwas ramponiert wird. Die Schweizer zocken einen semi-brutalen Folk-Pagan-Bastard, der selbst in seinen ruhigen Momenten überladen wirkt und durch den wenig livetauglichen Operngesang weiblicher Natur nicht unbedingt gewinnt. Dazu gesellt sich annehmbares männliches Gekeife und nach drei, vier Stücken die Erkenntnis, dass mit der selbstgewählten Bezeichnung "Heidenlärm" im Grunde alles gesagt ist. Der abschließende Song "Pestfinger" ändert an diesem Eindruck nicht mehr viel: Sympathische Band, die (mich) musikalisch über weite Strecken nicht begeistern kann.
Unerwartet massiv dann zunächst OCTOBER FILE: Die bedingt bekannten Briten zocken postapokalyptischen Hardcore, der sich sein relativ starres rhythmisches Korsett von Bands wie MINISTRY oder KILLING JOKE borgt und dadurch vollkommen auf die Kraft des einsamen Riffs bauen muss. Das funktioniert mal besser, wie bei "Falter" oder "Crawl", lässt allerdings auch diverse Längen erkennen, da man sich im Verlauf des Sets mit ein paar behäbigen Stücken und Bemerkungen über die unglaubliche Hitze offenbar selbst die Laune verdirbt und dem entsprechend wenig motiviert wirkt. Größter Live-Schwachpunkt dürfte jedoch die gesangliche Monotonie sein: Wo auf den Scheiben zumindest ansatzweise variiert wird, ertrinken OCTOBER FILE heute im ewig gleichen Metalcore-Gebell. Und das kann man sich angesichts des willentlich beschränkten musikalischen Spektrums einfach nicht leisten.
Währenddessen haben auf der zweiten Bühne SVARTSORG das Zepter übernommen und widmen sich oldschoolig anmutendem Schwarzmetall. Sicher, Keyboard ist nicht trve, aber die klassisch verbrämten Einwürfe des Tastenmannes können durchaus überzeugen, zumal er sich abseits einiger Piano-Interludien auf flächige Unterstützung der Saitenfraktion beschränkt. Blickfang des Ganzen ist allerdings der von einem einzelnen Sonnenstrahl angeleuchtete (Gast-) Fronter, der wohl aktuell seine DORNENREICH-Phase auslebt und dem entsprechend bedeutungsschwanger durch den Set posiert. Andererseits: (DS)BM mit himmlischer Lightshow - das hätte sich der Teufel nicht besser ausdenken können, und da stört das bisschen Overacting dann auch nur bedingt. Insofern Daumen leicht nach oben für die corpsegepainteten Österreicher, zumal die Band noch nicht lange aktiv ist.
Von BRUJERIA lässt sich Letzteres hingegen kaum behaupten: Die recht bekannten Aushilfs-Mexikanten tragen ihre simple Botschaft schon seit geraumer Zeit ins weite Erdenrund und treffen dabei im Grunde nur auf zwei Meinungen: Die der Leute, die den Marihuana-Song witzig finden (hihi!) und den Rest des Programms dann eben auch mitnehmen, und die der Leute, die in BRUJERIA nicht mehr als einen etwas zu breit ausgewalzten Proberaum-Gag erkennen können. Da ich mich zur zweiten Fraktion zähle, hier die Kurzversion: Laut, "Revolución", auffe Fresse, "Brujerizmo", "Marijuana" (als Playback mit Livegesang). Hi-hi-hilfe!
Mit MOONSPELL steht dann um kurz vor 20 Uhr endlich der erste echte Headliner auf der Bühne - und der hat sich gewaschen: Die Portugiesen feuern vom krachenden Opener "In Memoriam" an aus allen Rohren und steigern sich in der Folge trotz erstaunlich locker gestaffeltem Publikum in eine absolut gelungene Vorstellung.
Daran hat heute nicht nur der stimmlich bestens aufgelegte Charismabolzen Fernando Ribeiro Anteil, der im Vergleich mit den Bands vorher auf einem komplett anderem Level agiert - den Vogel des Abends schießt vielmehr Gitarrist Ricardo Amorim ab, der im Verlauf der Setlist in einer Art und Weise mitgeht, die dem Zusammenspiel mit seinen Kollegen reihenweise Glanzlichter aufsetzt. Der Mann leidet und frohlockt sich fast pausenlos durch extremste Stimmungen, feuert das Publikum in einem Moment erbarmungslos an, um es im nächsten Moment mit einem Solo zu bannen, das ins Sachen Emotion und Theatralik gut und gerne sein letztes sein könnte, ist neben Ribeiro Dirigent und Projektionsfläche, und schafft es trotzdem noch, das Ganze nahtlos in eine überwältigende Bandleistung einzubinden - das ist, bei allem Understatement, schlicht unglaublich und zeigt, wie man Herzblut und Professionalität idealerweise verbinden kann.
Unglaublich ist schließlich auch die Dramaturgie des Abends, die nicht einen Schwachpunkt zeigt und sich stattdessen zwischen hart und herzlich von Höhepunkt zu Höhepunkt angelt - nach "Night Eternal", "Opium" und allerspätestens "Mephisto" steht fest, dass den Portugiesen hier und heute niemand mehr die Butter vom Brot nehmen kann - "we still celebrate under a full moon madness!"
Setlist:
In Memoriam
Finisterra
Night Eternal
The Southern Deathstyle
Scorpion Flower
Opium
Awake
Nocturna
Vampiria
Mephisto
Alma Mater
Full Moon Madness
Nach diesem Gig ist erst einmal Pause angesagt und selbige verbringt man am besten bei den unersetzlichen Metmännern aus... ...Zwickau. Ganz genau: Mitteldeutschlands Finest ist im Bollerwagen angereist und schenkt bewährte Destabilisationshilfen ans bedürftige Publikum aus, welches sich in weiten Teilen bereits für ARCH ENEMY fit macht. Sollen sie ruhig machen, zumal die Lightshow in Ordnung ist - die Bloodchamber hingegen zieht's nach diversen Heißgetränken dann doch eher zum Untergrund, der auf der zweiten Bühne vor geschätzten zwanzig Zuschauern stattfindet. Zehn davon sind eigentlich zum Essen hier, was die übermotivierten Jungs von KUPID'S KURSE allerdings nicht die Bohne stört: Zu Gnocchi in Käsesoße hagelt es Metalcoregewitter von der Stange, die aufgrund von elektronischen Einlagen und hyperaktiver Bühnenshow dann doch zumindest faszinierend wirken. Richtig kurios und irgendwie sympathisch werden die Schweizer jedoch nach Song Nummer drei: Die hier eingebrachte Aufforderung zum Circlepit kommt bei den etwa fünf vor der Bühne Verharrenden zwar akustisch an, lässt sich mangels Menschenmaterial allerdings kaum umsetzen. Egal, dann eben nicht - auf der Bühne geht der Fitnesskurs auch ohne Publikumsbeitrag weiter und nach knapp 30 Minuten hinterlassen KUPID'S KURSE trotz musikalischer Gesichtslosigkeit einen verdammt engagierten Eindruck, den sich diesbezüglich interessierte Leser vielleicht mal im Club antun könnten.
Zu den letzten Takten von ARCH ENEMY - die Gitarrenarbeit ist hier und da bedauerlicherweise wirklich hervorragend, die Riffs bisweilen phänomenal, der Bühnenaufbau gewaltig und die Lichtorgeln orgelig - fällt schließlich die Entscheidung, AIRBORNE und DEATH ANGEL ihre unglaublich originellen Sets ohne uns durchziehen zu lassen, weshalb die Kutte für den Rest des Abends wieder in Richtung zweite Bühne gelotst wird - dort gibt's "unspektakulär" nämlich aus der ersten Reihe.
Passenderweise ist daselbst aktuell die CHRISTIAN EPIDEMIC ausgebrochen, und besagte Ungarn machen trotz ihres enorm bekloppten Bandnamens ganz annehmbare Musik. Klar, von Landsmännern wie SEAR BLISS ist das gebotene Black/Death-Gebräu ein gutes Stück entfernt, aber wenn man sich auf die zuweilen noch etwas zu zerhackte Melange einlässt, blitzen streckenweise durchaus annehmbare Ansätze hervor. Ein auffälliges Hindernis, neben den wankelmütigen Songwritingskills, stellt vielleicht die Sprache dar, denn hier werden den Christen die Leviten komplett auf Ungarisch gelesen.
Fast Vergessenes bringen wenig später COLD SNAP aufs Tableau: Die merklich bühnenerfahrenen Kroaten orientieren sich musikalisch an PAPA ROACH, KORN und LIMP BIZKIT, was zwar für initiale Befremdung sorgt, aufgrund der energischen Darbietung jedoch schnell Interesse weckt. Vor allem der Fronter erledigt seinen Job hervorragend, wirkt im Stageacting ein wenig wie Barney Greenway und macht diesem Vergleichspunkt auch in Sachen sympathisches Auftreten alle Ehre. Im restlichen Bühnenraum wird derweil genretypisch gehüpft und gedreht, während man den bewegungsintensiven Stücken durch zahlreiche Gitarreneffekte und abgrundtiefen Zweitgesang einen Hauch von Psycho mit auf den Weg gibt. Doch, COLD SNAP machen ihr Ding inklusive "King Of The Bongo"-Cover hervorragend, selbst wenn die Musik an sich nicht jedermanns Geschmack sein dürfte.
Selbiges gilt für die nun folgenden WINTERFYLLETH, die für mich fraglos eine der interessantesten Bands des gesamten Festivals sind. Am Nachmittag hat mir Sänger Chris in beigen Shorts, orange kariertem Hemd und mit Sportbrille ausgestattet noch Rede und Antwort gestanden (trve BM story!) - nun betreten die nicht unumstrittenen Briten vor merklich zahlreicherem Publikum die Bühne, um den Anwesenden ihre Vision des English Heritage Black Metal nahezubringen. Musikalisch werden in organisch dahinnebelnden Ausnahmesongs wie "Defender Of The Realm", "Fields Of Reckoning" oder "The Honour Of Good Men On The Path To Eternal Glory" Erinnerungen an alte ULVER wach, werden PRIMORDIAL und bisweilen auch ENSLAVED zitiert, um die so gewonnenen Rohdiamanten anschließend mit englischer Folkmusik zu neuen Diademen zu schmieden. Das dabei entstehende düstere Gebräu fließt und reißt mit, hält vereinzelt kurz inne, atmet durch, und ist in seiner Gesamtheit mit einem Gefühl zwischen Verlust und zeitlosem Wille beseelt, das tiefste Tragik und höchste Schönheit gleichermaßen in sich trägt.
Die technische Darbietung der Stücke ist makellos: Den krächzenden und vereinzelt gregorianisch bzw. folkig anmutenden Gesang teilen sich Chris Naughton und Bassist Nick Wallwork zu gleichen Teilen, was in Verbindung mit dem angenehm dicken Instrumentalsound genau jenes dichte Klanggeflecht ergibt, das die Band schon auf ihren Alben auszeichnet. Und wenn all diese Elemente dann schließlich in einer Hymne wie "Mam Tor (The Shivering Mountain)" verschmelzen, dann kann man sich dieser Magie nur schwer entziehen - ein mitreißender, leider viel zu kurzer Auftritt, der den Dienstag würdig abrundet.
Mittwoch, 13.07.2011
Aufgrund der unverändert hohen Temperaturen geht heute bereits um 9 Uhr nichts mehr in Sachen Schlaf, also intimes Frühstück samt Blutorangen-Radler in der M'Bar und dann zurück zum Zeltplatz, wo unsere finnischen Nachbarn bereits die Flaschen wetzen.
Apropos, man muss sich das auf der Zunge zergehen lassen: Die vier Mädels und Jungs sind in einem (1) handelsüblichen Stufenheckauto japanischer Bauart 2100 km in zwei Tagen gefahren und haben neben sich selbst noch ein großes Zelt, einen Rollstuhl und einen Kofferraum voller zollfreiem Alkohol dabei. Wie genau die Reise abgelaufen ist, weiß nur noch der Fahrer, der die Erinnerung daran aufgrund einer zum Glühen gebrachten Bremsanlage (Serpentinen, paar 100 m Höhenunterschied, volles Auto, ihr kennt den Deal...) allerdings erfolgreich verdrängt - der Rest der Besatzung hat nach dem Ausfall der Bremsen ohnehin umgehend mit Kampftrinken begonnen und ist bis auf Weiteres in diesem Modus verblieben. Als Nachtisch gibt es heute folglich lauwarmen Lakritzschnaps, eine finnische Spezialität, die man dem Nordvolk gerne lassen möchte, zumal die blickdichte schwarze Flasche nicht unbedingt Vertrauen erweckt.
Nach einer erfrischenden Dusche geht es ab zum Strand, der neben Alkoholfreiheit einen weiteren Vorteil hat: Die hingebungsvoll schnarchenden Schotten vom anderen Nachbarzelt sind hier nur noch als mentales Echo präsent und können so einigermaßen zuverlässig ausgeblendet werden...
Ganz anders als ALGEBRA, die auf den vakanten Openerslot der kleinen Stage gerutscht sind. Witzigerweise werden die Schweizer von einem einzelnen Fan bereits eine halbe Stunde vor Konzertbeginn sehnsüchtig erwartet, inklusive "ALGEBRA!"-Rufen und einer selbst gebastelten Fanflagge. Die Band selbst betritt gegen 16 Uhr die Bretter und fackelt dort anschließend ein technisch-brutales Feuerwerk der gehobenen Klasse ab. Stilistisch irgendwo zwischen anspruchsvollem Thrash, Death Metal und MISERY INDEX-Groove zu Hause, lassen die Jungspunde ihr instrumentales Können flächendeckend zum Zuge kommen, ohne dabei den roten Faden allzu sehr zu vernachlässigen. Vor allem ein neuer Song mit Akustikbreak kann überzeugen, aber auch die älteren Stücke verdeutlichen den selbst gesteckten Anspruch recht gut und wecken nicht zuletzt aufgrund der partiellen gesanglichen Parallelen zu alten SEPULTURA Lebensgeister.
Gerechter Lohn der Mühe: Unaufgeforderter Circlepit. Mit fünf Teilnehmern gestaltet sich die wohlwollende Kreiswanderung zwar recht übersichtlich, aber die offensichtlich gut mit dem Material vertrauten Freaks machen brav jede Geschwindigkeitsänderung mit und schaffen es schließlich sogar, dem Event mittels eines aufblasbaren Delfins übergreifenden Charme einzuimpfen. Im Endeffekt für alle Parteien ein ziemlich spaßiger Tagesauftakt, der mit dem TESTAMENT-Cover "Into The Pit" auch noch den letzten Zweifler ins Boot holt. Geiler Scheiß!
Auf der Hauptbühne startet das Programm derweil mit KYLESA, die sich alle erdenkliche Mühe geben, die Alternative/Sludge/Rock-Freunde möglichst komplett zu versammeln. Das scheinen nicht allzu viele zu sein, was vielleicht an der Hitze liegt, vielleicht aber auch am sich hartnäckig haltenden Gerücht über in Zivil anwesende Staatsmacht. Oder eben schlicht am musikalischen Rohmaterial: Was diverse Schreiber dazu veranlasst, in den Amis ausdauernd das nächste große Ding zu sehen (oder ist es schon wieder das letzte große Ding?), erschließt sich angesichts der trägen Performance jedenfalls nur bedingt. Die Songs schleppen sich dahin, gerade der Klargesang macht das Ganze nicht besser, und zwei Schlagzeuger - zumindest hier wird eine eigene Marke gesetzt - kann man im Grunde kaum wirkungsloser einsetzen. Im gleißenden Licht des 18-Uhr-Zentralgestirns sorgt derlei Schabernack allenfalls für Kopfschmerzen.
Etwas besser werden anschließend BRAINSTORM mit den widrigen Bedingungen fertig. Die Deutschen sind genau der fluffige Snack, den man jetzt braucht, um die Lebensgeister für den Abend zu mobilisieren und starten mit "World's Are Comin' Through" klassisch durch. Stimmlich und instrumental absolut auf der Höhe, präsentiert man im Verlauf des kurzweiligen Sets auch einen Song vom kommenden Album "On The Spur Of The Moment", der klassisch BRAINSTORM ist, aber noch mehr Wert auf die rhythmische Komponente zu legen scheint - insgesamt moderner, wenn man das nach einmaligem Hören so sagen darf. Ansonsten von "Fire Walk With Me" bis "Falling Spiral Down" ein angenehm fettes Brett, dem das Soundgewand des Metalcamp wie auf den Leib geschneidert scheint.
Womit wir dann schon bei KATATONIA sind, die sich verdientermaßen regen Zuspruchs erfreuen und mit ihrem Backkatalog mittlerweile spielend über die knappe Stunde Spielzeit kommen: "Forsaker", "Liberation", "My Twin", "I Break", "Right Into The Bliss", "Sweet Nurse" - hier wird jedes Album der zweiten Phase mit mindestens einem Song gewürdigt und auch der verkehrt herum aufgehängte Bühnenhintergrund - "we thought it would look more evil this way" - tut der sympathischen Vorstellung der Schweden keinen Abbruch.
Mittlerweile frage ich mich allerdings, ob ich Fronter Jonas Renkse immer an seinen schlechten Tagen erwische, denn die oft und gern berichtete Verbesserung der Gesangsleistung ist auch heute nur im Promillerahmen wahrnehmbar: Unsicher und leise trifft den vorherrschenden Eindruck ganz gut, dazu setzt man auf gleich drei ineinander zerfließende Hallstufen, die in den schlimmsten Momenten - "Ghost Of The Sun" ist erst am Refrain überhaupt erkennbar - wenig mehr als sphärisch wabernden Brei hinterlassen. Die vorhandenen Backings von Anders Nyström pendeln sich zwischen zweifelhaft ("The Longest Year") und perfekt (die Screams in "Ghost Of The Sun") ein, während die generelle instrumentale Umsetzung aufgrund der nicht immer glatten Rhythmen wirklich faszinierend ist. Einmal mehr ein Auftritt, der vom überragenden Grundmaterial und dem sympathischen Wesen der Akteure lebt, ohne in Sachen Performance vollends überzeugen zu können.
Setlist:
Forsaker
Liberation
My Twin
The Longest Year
Ghost of the Sun
Right Into the Bliss
I Break
Sweet Nurse
Nephilim
July
Leaders
Etwas zwingender präsentieren sich da schon HALOR, die auf der kleinen Bühne mit dynamisch drückendem Power Metal vom Leder ziehen. Die Ungarn um den gefühlte 2,50 m großen Sänger Ákos Komondi könnte man aufgrund des traditionellen Fundaments als verhärtete Ausgabe von HAMMERFALL beschreiben, wenngleich vor allem neue Stücke wie "Pain" oder "Glowing Inside" mit deutlicher Thrash-Kante aufwarten. In weiten Teilen stützt sich der abwechslungsreiche Gig auf das 2006er Album "Welcome To Hell", von welchem unter anderem der Titelsong und "Gods Of War" zu Gehör kommen, und weil sich HALOR über knapp 30 Minuten wirklich von ihrer besten Seite zeigen, fallen die zeitgleich aufspielenden LEGION OF THE DAMNED unter den Tisch.
Nicht unter selbigen können hingegen WINTERSUN fallen, die gegen 22.30 Uhr ihr Lebenszeichen auf der großen Bühne setzen. Die Finnen sind etwas nervös, aber sichtbar gut drauf und instrumental fit - dummerweise will der Soundmann das offenbar nicht öffentlich machen: Was da ab "Battle Against Time" aus den Boxen schallt, ist dermaßen übersteuert und offensiv, dass man sich fragen muss, ob der Mann die eisig-filigranen Epen jemals im Original gehört hat. WINTERSUN auf dem Metalcamp bestehen aus Doublebass und geräuschgewordenen Gitarren; Leads, Soli, Chöre oder gar Keyboardeinschübe - also im Grunde die Eckpfeiler dieser Band - sind im viel zu lauten Dezibelinferno nicht einmal ansatzweise zu vernehmen. Was bleibt, sind überlange Geräuschcollagen mit Schlagzeug, die man nur aufgrund der Ansagen auseinanderhalten kann. Zusammenfassend also die völlig unnötige, aber dafür gründliche Hinrichtung großartiger Musik - danke für nichts.
Mit auf Tennisballgröße angeschwollenen Trommelfellen schleppt man sich dann doch lieber zum Nebenschauplatz, um bei Chickenburger und Bier dem WARCULT zu frönen: Oldschooliger Black Metal mit deutlichen SETHERIAL-Referenzen und einem schön räudigen Organ, der vor allem durch die melodischen Untertöne Interesse weckt. Klar, wirklich hängen bleibt hier beim Erstkontakt nur wenig, aber - man muss es so deutlich sagen - im Vergleich zu den eben erlebten WINTERSUN sind WARCULT absolute Ohrenschmeichler. Mit etwas mehr Gewicht auf den unverzerrten Passagen (gern auch parallel zum Gebolze) könnten die Österreicher in Zukunft sogar etwas reißen - ein Song wie "Soldier's Fate" jedenfalls ist vom Gefühl her der richtige Weg.
Direkt nach WARCULTs freundlichem Gruß an Schnapsdealer Walter geben sich ACHREN die Ehre, und das sind doch... ...tatsächlich: Die schottischen Schnarchmaschinen von nebenan stehen auf der Bühne und wirken ziemlich fit, wenn man die Ereignisse des gestrigen Tages (und des Tages davor) in Betracht zieht. Auf die Ohren gibt es grimmigen Blood Metal, den man vielleicht als Mischung aus WAYLANDER und Oldschool Death Metal umschreiben könnte: Roh, etwas hüftsteif und überwiegend schnell bolzen sich Stücke wie "Impaled", "Fury Of The Northmen" oder "Wings Of War" recht gefällig durch die Ganglien, hinterlassen daselbst allerdings nur marginale Spuren. Problematisch ist hier eindeutig die fehlende Abwechslung, die den für sich jeweils knüppelharten Brocken auf lange Sicht den Bumms nimmt - man kennt den Effekt ja von MOTÖRHEAD-Konzerten. Sympathische Burschen, denen Oldschool-Fanatiker unter Umständen mehr abgewinnen können als das zarte Korrespondentenohr.
Up next: Rüsseltiere. MASTODON entern die Hauptbühne und schaffen es subjektiv betrachtet erneut, nicht einfach nur zu langweilen, sondern richtiggehend zu nerven - was wiederum den Metwagen freut, denn der Honigwein trinkt sich nicht alleine. Trinken jedoch sollte man, da auf der zweiten Bühne KELLER ins Haus stehen, ein Bandname, der irgendwie nach slawischem Grind mit Tiergeräuschen klingt. Aber so kann man sich irren...
Sirenen? - Check. Maschinengewehrsalven? - Check. Kutten und Patronengurte? - Check. Oldschool Fuckin' Thrash Metal, bitches? - Doublecheck! Sollten DESASTER und SODOM irgendwann ein Wunschkind zeugen, dann bieten sich die jungen Slowenen jedenfalls als Patenonkel an, denn hier brennt nachts um kurz nach 1 Uhr noch einmal für knapp 50 Minuten die Luft. Vor gut gefüllten Reihen erweist sich die simple Mixtur aus schnurgeradem 80s-Worshipping und hungrig wirkender Bühnenshow als perfektes Mittel, um übergreifend für Bewegung zu sorgen, was die Band wiederum zu weiteren Höchstleistungen anstachelt und schließlich zu einem ausgewachsenen Moshpit führt. KELLER nutzen die Gunst der Stunde, um dem sich mehrenden Publikum einen Einblick in ihr demnächst erscheinendes Debüt "Spreading Evil" zu gewähren, wobei die bereits bekannten Teaser "Keller" und "Beyond Recognition" naturgemäß am schnellsten zünden. Aber auch Granatentitel wie "Metal Tormentor" laden aufgrund der Einheit von Sound und Lyrik ohne Umschweife zum Mitsingen ein - so soll das sein.
Insgesamt kann man die Band aufgrund ihres erfrischenden Auftretens und der gut umgesetzten Leichenfledderei wirklich ohne Einschränkungen empfehlen, zumindest soweit es Konzerte betrifft. Ob das Konzept auch auf Albumlänge aufgeht, muss sich dagegen erst zeigen.
Damit ist der dritte Tag des Metalcamp vorbei, sofern man sich nicht zu einem Schlummertrunk in der Strandbar durchringt, wo die Party zu Konserven von CANNIBAL CORPSE bis DIO wirklich sieben Tage dauert. Das Gute an der räumlichen Aufteilung des Festivals ist dabei der Umstand, dass die 24-Stunden-Area am Fluss zwar Teil des Geländes und ohne Probleme fußläufig erreichbar ist, durch die vielen Bäume allerdings nur sehr wenig vom nächtlichen Treiben zu den Zeltplätzen dringt. Und zu letzteren zieht es uns nun, vorbei an den berühmten slowenischen Hangkühen und einer Security, die über die gesamte Zeit einen freundlichen und zuvorkommenden Eindruck macht.
Donnerstag, 14.07.2011
Einmal mehr das gleiche Spiel, und ganz ehrlich: Gutes Wetter auf Festivals ist etwas Feines, aber nach mittlerweile drei Tagen in diesem wolkenlosen Tal zehren konstante Temperaturen jenseits der 30 °C enorm an der Konstitution. Die heutige Lösung: Picknick im Supermarkt holen und dann ab in den städtischen Park, wo im Schatten der hiesigen Kirche endlich Schlaf nachgeholt wird.
In Sachen Bands beginnt der Tag daher erst mit TROLLFEST, welche die Hauptbühne in einen Hort sinnfreier Klapsgeschichten verwandeln und dabei weniger nach Balkan Folk Metal, sondern seltsamerweise nach Amerikanern klingen, die ihre Vorstellungen von Folklore zur Schau stellen. Man nehme den beklopptesten Song von KORPIKLAANI, willkürlich zusammengeworfene Folk- und Brass-Elemente und rühre dazu den schlechtesten Song von SWASHBUCKLE (inklusive deren Vokaldarbietung) - voilá, fertig ist die norwegische Suppe. Dass das Ganze live eher nach Verkehrsunfall als nach Musik klingt, fällt angesichts des dahinterstehenden Konzeptes kaum noch ins Gewicht - dass die Band nach THE OCEAN spielen darf, ist allerdings völlig unklar.
In anderen Gefilden bemühen sich derweil die Italiener KALEDON um Publikum und sehen sich dabei einem Hauptproblem des Metalcamp gegenüber: Vor der kleinen Bühne passiert bis mindestens 20 Uhr einfach mal gar nix, die Zuschauerzahlen liegen bestenfalls im mittleren zweistelligen Bereich. Dummerweise spielen gerade hier oftmals wirklich interessante und ausgefallene Acts (später mehr), denen man von ganzem Herzen Feedback wünschen würde, zumal die Anlage insgesamt schattiger und in Sachen Sound oftmals ausgewogener als die Mainstage ist.
Während also auf der Hauptbühne THAUROROD ihren neuen und etwas dünn klingenden Fronter vorstellen, beackern die Italiener im Grunde exakt das gleiche Genre und machen vieles besser als die Finnen: Sinfonischer Fantasy-Bombast zwischen RHAPSODY, LABYRINTH und etwa OLYMPUS MONS, der mit versierten Instrumentalisten und einem Sänger aufwartet, der seine Linien mit einer Lässigkeit aus dem Ärmel schüttelt, die absolut beeindruckt. Ob "Last Day On The Battlefield", "Surprise Impact" oder das DIO gewidmete "The God Beyond The Man" - die Stücke kommen knackig auf den Punkt, die teils pathetischen Ansagen bleiben stets sympathisch, und die gesamte Band hat ungeachtet der spärlich besetzten Reihen wirklich Spaß an der Sache.
Insofern ist es nur verdient, dass im Verlauf des Konzerts noch ein paar Leute auftauchen, die kurz schauen - und dann mit erfreuter Miene bleiben. Dafür werden sie mit absurden Momenten wie dem belohnt, in dem der Sänger dem Gitarristen von hinten durch die Beine greift, um dessen Solo auf Knien rutschend in Luftgitarrenmanier mitzuspielen. Eben, das sieht man heute ja auch nur noch bei italienischen Power Metallern...
Und wer wartet derweil auf der anderen Bühne? - DIE APOKALYPTISCHEN REITER natürlich, die ein vergleichsweise junges Album im Gepäck haben und dem Affen mit "Boten einer neuen Zeit" vom Start weg ordentlich Zucker geben. Nach dem Opener erst mal rosarote Konfettikanone, was der ohnehin sehr guten Stimmung noch einen Schub verleiht, bevor man die Jungs und Mädels mit "Friede sei mit dir" und "Hört auf" das erste Mal so richtig abkocht - die REITER wissen einfach, wie es geht.
Dazu haben sie aktuell auch eine mehr als überzeugende Bühnendeko am Start: Überall dreht und bewegt sich etwas, von irgendwo schweben Seifenblasen heran, Kostümwechsel sorgen für noch mehr Abwechslung und die Ansagen von Fuchs sind zwar nicht ganz so charismatisch wie im deutschsprachigen Raum, können den Draht zum Publikum aber dennoch vergleichsweise schnell etablieren. Dass Songs wie das lautstark mitgesungene "Es wird schlimmer", "Du kleiner Wicht", "Seemann" oder "Der Adler" ihr Übriges tun, um die Menschen mitzunehmen, versteht sich von selbst; dass die Papst-meets-Gasmasken-Show zu "Moral & Wahnsinn" die Stimmung oben hält - klar; und das nicht zuletzt "Der Weg" mit seiner unsagbar ergreifenden Mischung aus Ohnmacht und Zuversicht ohne Mühe Herzen spaltet, das sollte sich mittlerweile herumgesprochen haben.
Entsprechend rund geht es im Auditorium, wo quasi im Minutentakt Circlepits oder Wall Of Death-Interpretationen gestartet werden, die auf Dauer dann doch etwas nerven - in diesen Momenten wünscht man sich fast wieder die legendäre REITER-Wall Of Love herbei. Dennoch: DIE APOKALYPTISCHEN REITER räumen auch auf dem Metalcamp ohne Mühe ab und machen mit reichlich Herzblut selbst kleinere Anlaufschwierigkeiten vergessen. Nach all den Jahren noch immer und immer wieder eine Empfehlung.
Zum Luftschnappen ist dann erst einmal ein Besuch bei BULLDOZER angesagt, die leider fast am Ende ihres Sets sind. Die Italiener stellen absolute Urgesteine der kompromisslosen Thrash-Schiene dar, veröffentlichten 1985 mit "The Day of Wrath" einen gnadenlos verrissenen Untergrundklassiker über Roadrunner, bevor 1990 nach mehreren Schicksalsschlägen dann erst einmal Schluss war.
Seit 2009 ist wieder Bewegung in die Sache gekommen, und nachdem man bereits 2010 auf dem Rock Hard spielen konnte, steht nun das Metalcamp auf dem Programm. Musikalisch kann man die Band aus Mailand als angeschwärzten Thrash Metal beschreiben, streckenweise arg chaotisch und ungeschliffen, aber vielleicht gerade deswegen eine wichtige Inspiration für so unterschiedliche Bands wie DARKTHRONE oder SIGH. Den heutigen Kurzeindruck beschließt das dem AC Milan gewidmete "The Derby", bevor es auf der Second Stage eine weitere Überraschung zu erleben gibt...
...die wir dieses Mal dem Zufall verdanken: HATE haben offenbar um eine Verschiebung ihres Gigs gebeten und werden von VULTURE INDUSTRIES vertreten, die ich mal eben als meine persönliche Entdeckung des Festivals bezeichnen würde. Dabei sind die Norweger mittlerweile auch schon beim zweiten Album angekommen. Die Gründe für das relative Unwissen indes werden bereits beim Opener "Bastard Son" in all ihrer Glorie sichtbar, denn: Was zu Hölle ist das?! - Kleinkunst mit Leichen im Keller? Verhärtetes Musical? Postapokalyptisches Varieté? Oder vielleicht doch Kabarett?
Klar ist jedenfalls, dass der an sich recht gefällig musizierenden Band mit Fronter Bjørnar Nilsen ein absoluter Glücksgriff gelungen ist, da der stets ein wenig abgedreht wirkende Krawallo (haha, kleiner Gag am Rande) die Klaviatur der Schattierungen zwischen Derwisch und Prediger, zwischen Wahnsinn und Zyniker, auf das Trefflichste beherrscht. Ob er nun mit den Augen rollt oder den lockeren Partylöwen gibt, um im nächsten Augenblick das Mikro angewidert zu Boden zu schleudern, ob er - wie bei "Hangman's Hatch" - mal eben mit Schlinge um den Hals posiert oder sich als psychotischer Entertainer geriert - dank Nilsen wird aus dem tight dargebotenen und industriell unterkühlten Avantgarde/Goth/Metal-Büffet zu jedem beliebigen Zeitpunkt ein Erlebnis der besonderen Art. Und das Beste an der Geschichte: Der Typ hat selbst im leicht alkoholisierten Zustand eine Stimme vom Allerfeinsten!
Zu Gehör kommen im Verlauf der indiskutablen halben Stunde unter anderem "The Bolted Door" und "Blood Don't Flow Sreamlined", und wenn ihr euch auch nur entfernt einen Bastard aus ARCTURUS und RED HARVEST vorstellen könnt/wollt, dann gebt der Band aus Bergen eine Chance. Zu bereuen gibt es hier nach einstimmiger Meinung aller Anwesenden (und da wird auch gerne mal gemäkelt) nämlich überhaupt nichts!
Nach der Aktion ist Pause nötig, zumal mit SLAYER der Klassiker ins Haus steht. Die Paris-Roubaix des Thrash Metal starten gegen 22.40 Uhr mit dem Titelsong ihrer aktuellen Scheibe und Gary Holt in den Abend, was zweierlei zeigt: Das jüngste Material ist live nicht zu verachten, was später auch "Hate Worldwide", "Beauty Through Order" oder "Americon" zeigen, und Gary Holt ist - Sakrileg hin oder her - der Beweis, das große Bands durch neuen Input zumindest live gewinnen können.
Was der an eigenen Verdiensten nicht arme EXODUS-Axtmann hier quasi als Kind im Süßigkeitenladen abliefert, ist beseelte und vor allem enthusiastische Thrash-Elite, die zu keiner Zeit nach Aushilfsgitarrist aussieht, sondern nach einem von purer Spielfreude getriebenen Freundschaftsdienst. Es kommt merklich Bewegung ins sonst eher starre Bühnengebaren der Amis, und letzten Endes hat sogar der wie immer mit Comicbüchern entsprungenen Ketten behangene Kerry King gar keine andere Wahl, als seine auf Posen basierende Choreographie von Zeit zu Zeit über Bord zu werfen - um einfach nur Livegitarrist einer Metalband zu sein. Einzig dem stimmlich überzeugenden (und wieder etwas gestutzten) Araya gesteht man die relative Unbeweglichkeit heute gerne zu - wenn die Aggro-Monster "Disciples" plus "Payback" vom unterschätzten Minimalexkurs "God Hates Us All" so dermaßen knallen, dann ist in Sachen Bühnenpräsenz schon viel gewonnen.
Optisch wirkt der Auftritt vergleichsweise farbenfroh, was vielleicht am Lichtmann des Metalcamp liegt: Vor roten Grundtönen, riesigem Logobackdrop und reichlich Walle-walle-Nebel wird das komplette Spektrum abgeklappert, dazu zuckt und blitzt es an allen Ecken. Mit etwas Distanz (und gerade in den gelben Momenten) fast schon zu bunt, bietet die so gepimpte Lichtshow andererseits einen unbestritten schönen Hintergrund für das durch Holt belebte Stageacting. Ein wirklich gelungener SLAYER-Gig, der entsprechend abgefeiert wird.
Setlist:
World Painted Blood
Hate Worldwide
War Ensemble
Postmortem
Temptation
Dittohead
Stain of Mind
Disciple
Bloodline
Dead Skin Mask
Hallowed Point
The Antichrist
Americon
Payback
Spirit in Black
Mandatory Suicide
Chemical Warfare
Ghosts of War
Seasons in the Abyss
Snuff
South of Heaven
Raining Blood
Black Magic
Angel of Death
Den Schlusspunkt des Abends besorgt mit TAAKE dann wieder eine Band im kleinen Rahmen. Und was soll man sagen: Keine Hakenkreuze, keine Selbstentblößung, nicht einmal trve frostbitten Kvltification - stattdessen Anfänger-Kutte, Jeans und umgedrehtes Kreuz auf der Brust. Positiv am fehlenden Jahrmarktfaktor ist der Umstand, dass man auf diese Art und Weise den angenehm melodischen Schwarzmetall der Band genießen kann, der trotz eines nicht zu leugnenden Dudelfaktors durchaus seine Reize hat.
Darauf muss sich der ein oder andere Black Metal-Fan merklich etwas einstellen (während dem gemeinen Reporter die Story fehlt), doch in künstlerischer Hinsicht ist genau das der richtige Weg, denn der Mann hat ganz zweifelsfrei das Potenzial, allein mit seiner Musik ein sehr vielseitiges Publikum zu begeistern: Im Verlauf des (trotz WATAIN) ohnehin gut besuchten Gigs überzeugen die Norweger vom PANTERA-Jünger bis zum BLIND GUARDIAN-Fan so ziemlich jeden, der den Weg zur Nebenbühne auf sich nimmt - "Nattestid Ser Porten vid" und alle sind dabei, selbst wenn der Misanthrop dabei ein wenig auf der Strecke bleibt. So liefern TAAKE einen unerwartet versöhnlichen Ausklang des Donnerstags.
Freitag, 15.07.2011
Endlich Wolken! Der Freitag empfängt uns zwar zunächst mit unverändert hohen Temperaturen, aber hier und da zeigen sich Wolken über der malerischen Senke und bringen tatsächlich eine sanfte Brise mit, die letzten Endes in gewittrige Zwischenspiele mündet. An der generellen Tagesgestaltung ändert dieser Witterungsumschwung nicht viel, doch ist es durchaus angenehm, auch mal ein T-Shirt tragen zu können, ohne dadurch gleich den Kreislaufkollaps zu riskieren.
Musikalisch startet der Tag mit den etwas unauffälligen Kroaten KREATION KODEX, die sich auf der Hauptbühne mit männlich-weiblichem Wechselgesang in die Schlacht werfen. Der vorherrschende Eindruck ist nicht zuletzt aufgrund des fetten Sounds todesmetallischer Natur, allerdings fehlt im Mix ein wenig das Keyboard - mag sein, dass die Band im Studio mehr zu bieten hat.
An anderer Stelle versuchen sich derzeit angeblich THE SCOURGE an einem Weckruf der unkomplizierten Art, aber irgendwie klingt das hier nicht ansatzweise nach dem Melo-BM der Thüringer: Es gibt stattdessen Standard-DM-Gebolze nach Reinheitsgebot, bei dem auf den Brettern ein wenig die Bewegung fehlt. Das macht aber gar nix, denn viel wichtiger ist der Umstand, dass die Stücke der unbekannten Band für reichlich Geschiebe und Geschubse im merklich angewachsenen Publikum (die 3-Tages-Gäste sind mittlerweile da) sorgen können. Cool, aber namenlos.
Wie die Faust aufs Auge passen anschließend die Letten HEAVEN GREY, deren nicht eben ansprechendes Logo zunächst Schlimmes vermuten lässt. Geboten wird jedoch angenehm fließender 1990er-Gedächtnis-Gothic Death samt sparsamen Keyboardakzenten, der streckenweise Parallelen zu MOONSPELL oder etwa älteren PARADISE LOST erkennen lässt. Dazu kommen interessante Vocals, die statt an Grunzlaute eher an halbmelodisches Grölen erinnern und auch vor gesprochenen Passagen nicht haltmachen. Trotz des einmal mehr zu modernen Sounds - das Metalcamp ist in Sachen Sound wirklich eher auf knalligen Thrash und dessen jüngere Spielarten zugeschnitten - eine hörenswerte Band, die in Songs wie "Open Your Memory River" und dem Lettland gewidmeten "Zemes Speeks" auch von der Exotik ihres zweisprachigen Ansatzes zehren kann.
Ganz anders als ARKONA, die sich wenig später nach einem orchestralen Intro ins Gewühle begeben: Das offensive und nicht selten dümmlich-arrogante Auftreten der Russen um Frontfussel Masha wirkt auf mich dermaßen aufgesetzt und unsympathisch, dass die fehlende Klasse der eigentlichen Musik schnell in den Hintergrund rückt. Geht trotz vereinzelt interessanter Arrangements irgendwie gar nicht.
Also auf zu LOCRACY, die auf der Second Stage grunz-kreischend im Frickelfieber-Endstadium liegen. Stilistisch im Death/Grind anzusiedeln, beeindruckt das Material vor allem durch die recht gelungenen Übergänge zwischen entspannten Interludes (weniger) und Instrumentalabfahrten der knochenbrechenden Couleur (häufiger), wobei alle Beteiligten frohen Mutes ihre rhythmischen Grenzen austesten: "Paranoid Masochist" oder "The Son Of A Preacher's Whore" sind gleichermaßen anstrengende wie melodisch zugängliche Hackbrettorgien, die nicht zuletzt aufgrund der unglaublichen Gesangsleistung in den vielen zusammenhängenden Passagen imponieren. Das wirkt anfangs etwas gewöhnungsbedürftig, aber die Wiener empfehlen sich dennoch mit einem sehr gelungenen Auftritt.
Zwischen Nahrungssuche und Erfrischung bleibt Zeit für Kurzeindrücke von SCORNED und den SUICIDAL ANGELS, die in beiden Fällen wenig Aufregendes zu Tage fördern: Während erstere ihren GRAVEWORM-Black Metal mit dezenten Death Metal-Elementen anreichern und so eine gefällige aber vollkommen gesichtslose Suppe zusammenrühren, kleben die Griechen bei bestem Mainstage-Sound am gewohnten SLAYER-KREATOR-Ideal. Zündstoff liefert lediglich die politisch gefärbte Ansage zu "Apotheosis", welches Fronter Nick Melissourgos "all den griechischen Landsmännern in Mazedonien" widmet und damit mal eben ohne Not für betretenes Schweigen sorgt. Auf einem Festival in einer ehemaligen jugoslawischen Teilrepublik ist das arrogante Befeuern der nicht zuletzt ethnisch motivierten Haarspalterei zwischen Griechenland und Mazedonien wohl so ziemlich das Einfältigste, was man machen kann.
Stimmungssteigernd wirken im Anschluss definitiv POWERWOLF, welche die Mainstage kurzerhand zur Ronnie James Dio-Stage erklären und selbigem mit "Prayer In The Dark" gleich mal Tribut zollen. Auffällig sind vom Start weg die erneut zu leise abgemischten Tasteninstrumente, was eigentlich traurig ist: Mit Organist Falk Maria Schlegel haben POWERWOLF einen echten Aktivposten auf den Brettern, was sich vor allem in seinen kleinen Zwischeneinlagen zeigt - da wäre etwas mehr Volumen im Mix durchaus angemessen.
Ansonsten liefern die Deutschen von "Raise Your Fist..." und "We Drink Your Blood" bis hin zu "Sanctified..." und "Ressurrection By Erection" einen gutklassigen Set, der mit den "Werewolves Of Slovenia" sogar leicht individualisiert daher kommt, dabei jedoch etwas zu viel Gewicht auf Mitmach-Spielchen und "erst ich, jetzt ihr" legt. Besonders auffällig ist das aufgrund der vorhersehbaren Struktur dieser Einwürfe: Jede Aktion wird genau dreimal ausgewalzt, egal wie das Feedback nun im Einzelnen ausfällt. Dagegen ist die Verwechslung von Metalcamp und Masters Of Rock eher sympathisch und wird mit Humor genommen - auch Werwölfe sind nur Menschen. Für mich persönlich eine kurzweilige Angelegenheit, die jedoch mit der Wucht anderer "wir haben nur ein Thema"-Bands - SABATON sei hier stellvertretend genannt - nicht vollends mithalten kann.
Nächster Tagesordnungspunkt sind dann IN EXTREMO, die zunächst mit landessprachlicher Begrüßung Fleißpunkte sammeln. Schwerpunkt des mit zahlreichen Feuersäulen, Pyros und imposanter Lichtshow aufwartenden Sets sind die jüngeren Scheiben der Band, die im Endeffekt Neue Deutsche Härte mit etwas Gedudel zu verbinden suchen und das erstaunlich textsichere Publikum amtlich mitzureißen vermögen. So ist von "Sterneneisen" bis "Schließ die Augen", von "Flaschenpost" bis "Unsichtbar", vor allem die Dichte an Crowdsurfern beeindruckend, die sich im flackernden Schein der Flammen in Richtung Bühne tragen lassen.
Die Band selbst wirkt trotz vorhandener Spielfreude etwas angespannt und bisweilen müde, vielleicht auch weil das Metalcamp in Sachen Größe weit von Festivals wie dem W:O:A entfernt, die Rückmeldung entsprechend leiser ist. Der bleibende Eindruck ist daher eher der einer professionellen Show als der absoluter Hingabe, was dem insgesamt unterhaltsamen Konzert für die meisten Anwesenden indes keinen Abbruch tut.
Zwischendurch dann doch noch kurz zur zweiten Bühne, wo VANDERBUYST in rosa Leggins die Meute rocken und ihren Job recht ordentlich erledigen. Originalitätspreise gewinnen die Jungspunde sicher nicht mehr, die Energie von ENFORCER erreicht man mit THIN LIZZY-Coversongs ("Don't Believe A Word") ebenfalls nicht, aber gute Laune verbreitet die Retrokutsche allemal. Da zudem ordentlich gepost wird, geht der Daumen klar nach oben.
Und damit zum Höhepunkt des Festivals: Die zahlreichen Shirts lassen keinen Zweifel daran aufkommen, dass BLIND GUARDIAN zu den zugkräftigsten Argumenten des Metalcamp zählen, und die Truppe um Hansi Kürsch schickt sich in den folgenden 90 Minuten an, auch in diesem Teil Europas weiter an ihrer eigenen Legende zu stricken. Vor dem riesigen "ATEoT"-Backdrop wird zwar zunächst noch etwas gewerkelt, aber Sekunden später peitschen die orchestralen Introtöne von "Sacred Worlds" erste Schauer das Rückgrat hinauf, die spätestens beim hundertfach mitgesungenen Refrain in eine veritable Gänsehaut münden dürfen. Was auf dem Album schon erhebend wirkt, ist hier und heute noch potenziert in seiner verbindenden Wucht, ist in seiner Anlage so unverfälscht episch, dass man jeglichen Kommentar dazu eigentlich in Großbuchstaben verfassen müsste, um das Erlebte begreiflich zu machen.
Nachdem schon dieser erste Song in Verbindung mit der umgebenden Natur traumwandlerisch die richtigen Knöpfe drückt, um Aufbruch und Zuversicht zu vermitteln, zeigt sich Hansi einmal mehr als grandioser Entertainer, der das Publikum mit einer Mischung aus englischem Humor und Herzlichkeit dazu bringt, ihm vom Start weg aus der Hand zu fressen. Dazu braucht es weniger große Gesten als herzliches Understatement, braucht es vielleicht auch Songs wie "Welcome To Dying", "Time Stands Still" oder "Majesty", die den Freudentaumelnden in der Folge so viel Platz zum Mitmachen - zum Miterleben - geben, dass der Gig zusehends zu einem berauschenden Selbstläufer gerät. Da stört es wenig, dass die ganz spitzen Töne oftmals gegen mittlere Lagen ausgewechselt werden. Wichtiger ist, dass der Flow stimmt, der zwischen Uptempo-Kracher wie "Tanelorn" und "A Voice In The Dark" mühelos das 15-minütige "And Then There Was Silence" schiebt, der nach dem Atmosphäreknüller "The Bard's Song - In The Forest" mit "Mirror Mirror" sämtliche Knoten platzen lässt, die im weiteren Umfeld vielleicht existiert haben mögen.
BLIND GUARDIAN verbinden all das mit Leichtigkeit zu einer makellosen Dramaturgie, der man sich nur schwer entziehen kann und die in ihrer universellen Zugänglichkeit keinen Unterschied zwischen 16-jährigen und deren Vätern macht - für anderthalb Stunden ist das eigentlich unhaltbare Versprechen von Zusammenhalt und erschöpfender Harmonie schlicht Realität. Und so ist es wenig verwunderlich, dass auch die Stimmung im Publikum eine ganz besondere ist, dass - hallo Klischee! - gemeinsames Erzählen und dadurch gemeinsames Erleben vertrauter Geschichten an die Stelle sonst üblicher Aggressionsbewältigung tritt. Das macht die Angelegenheit für alle Beteiligten nicht weniger intensiv, zumal selbst die vordergründig fantastischen Themen BLIND GUARDIANs immer eine sehr menschliche Ebene offenbaren, sondern es betont den verbindenden Aspekt künstlerischen Schaffens, der sich (zumindest meiner subjektiven Sicht nach) durch die Musik dieser Band zieht. Kein grandioses Konzert, sondern ein rundum überwältigendes Erlebnis, das zu den eingespielten Tönen der Orchesterversion von "Wheel Of Time" trotz 15 Minuten Überlänge viel zu früh endet!
Setlist:
Sacred Worlds
Welcome to Dying
Nightfall
Time Stands Still (at the Iron Hill)
Turn the Page
Time What Is Time
Majesty
Tanelorn (Into the Void)
And Then There Was Silence
A Voice in the Dark
The Bard's Song - In the Forest
Mirror Mirror
Mit BLIND GUARDIAN endet schließlich auch unser Ausflug nach Tolmin, da sich MERCENARY mittlerweile als unterdurchschnittliche Metalcore-Band präsentieren und der Samstag arbeitsmarkt-politisch ausfallen muss. Nach fünf Tagen bleibt vom Metalcamp ein positiver Gesamteindruck, den auch die etwas beschwerliche Anreise nicht trüben kann: Die Landschaft ist atemberaubend, die Festivalarea großzügig dimensioniert und dennoch kompakt, die Security unauffällig und effizient, die Grundstimmung friedlich. Dazu kommen unschlagbare Vorteile wie der Strand und die guten Einkaufsmöglichkeiten im nahen Tolmin - Supermärkte, Gastronomie und die wichtigsten Versorger sind zu Fuß oder mit den Shuttlebussen problemlos erreichbar. Letzteres ist vor allem deswegen wichtig, weil das Metalcamp vergleichsweise teuer ist: 5 - 6€ für teils fade Fast Food-Gerichte, 3€ für 0,4 l Bier und 5 - 6€ für einen eher mittelmäßigen Cocktail sind qualitativ kaum gerechtfertigt und wirken nicht nur angesichts der örtlichen Gastronomiepreise überzogen.
Angenehm ist dagegen die Größe der Veranstaltung, die zumindest unter der Woche überschaubar und dadurch sehr gesellig ausfällt. Zum Wochenende hin ändert sich das zwar, aber es wird nie eng oder überlaufen, Rückzugsmöglichkeiten (im Sinne von Ruhe) sind in jedem Falle vorhanden. Falls ihr also Lust auf ein etwas anderes Festivalerlebnis haben solltet, dann könnte Slowenien einen Besuch lohnen. Na zdravje in nasvidenje!
www.metalcamp.com