With Full Force XIX
With Full Force XIX
Roitzschjora, Flugplatz
29.06.2012
29.06.2012
I survived WFF 2012!
Das diesjährige With Full Force war ein Festival der Extreme. Bestimmt wird es bald ein Shirt mit dem Aufdruck „I survived WFF 2012!“ zu kaufen geben. Damit ist nicht die Musik der gastierenden Bands gemeint, sondern ein gewaltiges Unwetter, das in der Nacht vom Samstag zum Sonntag über das Festivalgelände tobte und infolge dessen 69 Menschen durch einen Blitzschlag verletzt wurden, weil sie unter einem Cocktailstand Schutz vor dem Starkregen suchten. Spätestens am nächsten Tag waren sämtliche Gerüchte verflogen, dass es bei dem Unglück Tote gegeben hätte und man konnte sich stolz auf die Schulter klopfen, zusammen mit den Notfallhilfskräften und freiwilligen Helfern eine vorbildliche Hilfeleistung vollbracht zu haben.
Schon an den ersten Festivaltagen konnte man – nicht nur anhand des Wetterberichts – eine Gewitterstimmung erahnen: Es war anstrengend heiß. Nachdem das Festival 2011 von Regen und Kälte heimgesucht wurde, kehrte nun wieder die altbekannte WFF-Hitze zurück, die beim Publikum für durchgängige gute Stimmung sorgte.
Durch den angrenzenden Tagebau, der Teile des ehemaligen Geländes in eine Mondlandschaft verwandelt hatte, musste das Gelände in diesem Jahr erstmals umstrukturiert werden. Die spiegelverkehrte Anordnung sorgte anfangs für Verwirrung und wurde angesichts der gefühlt längeren Wege als weniger praktisch als der gute, alte Geländeaufbau empfunden. Auf dem Festivalgelände gab es das gewohnt vielfältige Angebot an Speis und Trank zu halbwegs moderaten Preisen. Ziemlich überflüssig und ähnlich nervig wie die Tag und Nacht denselben Alternative-Rock-Einheitsbrei dudelnde Cocktailbar vor dem Festivalgelände war jedoch die riesige Jägermeister-Werbehütte, von der man während der Umbaupausen von einem pseudocoolen Blasorchester mit Charts- und Mainstream-Rock-Tralala zutrompetet wurde. Der Impericon-Stand hat inzwischen die Dimensionen einer H&M-Filiale angenommen und versorgt die Jungcoreler und Hipster-Metaller außer mit bunten Kleidungsstücken zusätzlich mit Autogrammstunden ihrer Lieblingsbands. Autogramme zu holen gab es auch am Stand des Metal Hammer, der scheinbar das Rock Hard in der Präsentation des Festivals abgelöst hat.
Bei der Bandauswahl reihten sich in diesem Jahr die großen Namen aneinander: MACHINE HEAD besetzen seit einigen Jahren wieder die Headliner-Position am Freitag, während HEAVEN SHALL BURN es zum ersten Mal und berechtigterweise geschafft haben, am Samstagabend als letzte der Menge einzuheizen. Wenig überraschend dürfen SOULFLY am Sonntag ran. Auch die anderen Slots sind mehr als hochkarätig besetzt. Der Anteil an jungen Metalbands aus dem Core-Sektor ist weiter gestiegen; die Deathcore-Fraktion ist im Billing sogar noch ein beachtliches Stück nach oben gerutscht. Wie gewohnt beweisen die Veranstalter ein geschicktes Händchen dabei, die Bandpalette sehr breit gefächert zu gestalten und interessanten Newcomern eine große Bühne zu bieten. So schafft das With Full Force spielend den Spagat von Irish-Folk und Stoner Rock über die große Hardcore-Breitwand bis hin zum Black Metal der Knüppelnacht.
FREITAG
Für die VIP-Camper erweist sich die Umstrukturierung des Geländes als besonders unpraktisch: Der Weg vom Zelt bis zur Bühne dauert mit seinen Umwegen gut und gerne zehn Minuten. Trotzdem ist man pünktlich zur Eröffnungsband SKELETONWITCH anwesend, um befriedigt festzustellen, dass diese mit angeschwärzter Retro-Attitüde ein saucooles Brett schrubben und damit das noch anfangsmüde vor sich hin transpirierende Publikum in richtige Festivallaune versetzt. DEVILDRIVER schließen danach an diese schöne Tradition an, klingen um einiges moderner, aber genauso schlechtlaunig und brachial. Dez Fafara ist als Type schon eine Show für sich und dirigiert das folgsame Publikum mit ausgestrecktem Mittelfinger.
Weitaus besinnlicher wird es im Anschluss bei INSOMNIUM. Die Finnen beherrschen die ganz große Melodieschule und schaffen es auch bei strahlendem Sonnenschein ein wenig erfrischende nordische Kühle aus den Boxen zu zaubern. Ein kräftiger Schuss todesmetallischer Härte in den melancholischen Soundteppichen veranlasst zum beeindruckten Kopf- und Fußnicken.
Kontrastprogramm gibt es im Anschluss von der NY-Hardcore-Institution MADBALL, bei denen im Pit vor der Bühne mal wieder kein Stein auf dem anderen bleibt. Fronthopser Freddy Cricien personifiziert den ursprünglichen, schnörkellosen Sound seiner Band in perfekter Art und Weise und springt mit ungebremster Energie über die Bühne. Auf seinem Shirt steht „Hardcore über alles!“. Noch Fragen? Man hätte seinen Enthusiasmus vielleicht weniger platt zum Ausdruck bringen können - aber wo kämen wir denn hin, wenn es im Hardcore um Feinfühligkeit gehen würde?
Ebenfalls ein amtliches Brett liefern AUGUST BURNS RED, die sich sowohl in punkto Popularität als auch hinsichtlich ihrer Bühnenshow erfreulich weiter entwickelt haben. Mittlerweile hat sich im Repertoire der Frickel-Core-Kombo eine beträchtliche Anzahl an Hits angesammelt, die im ICE-Tempo und mit knüppelharter Wucht ins Publikum gedroschen wird. Fronter Jake Luhrs hat sichtlich Spaß daran, seine Fans dirigieren zu können, und springt, tanzt und schwingt in fast gefährlichen Aktionen sein Mikro. Positiv erwähnt sein an dieser Stelle der knusprig-krosse, ohrenschmeichelnde Sound der Hauptbühne.
Weitaus sanfter rockt im Anschluss das alte Melodypunk-Eisen PENNYWISE. Trotz massiver Rückenschmerzen liefert Sonst-IGNITE-Sänger Zoli eine professionelle Performance und erfreut zusammen mit seinen Mitstreitern das tanzwütige WFF-Publikum mit einigen unsterblichen Skate-Hymnen.
Schon zu Beginn des Festivaltages prangte die Hiobsbotschaft an der Leinwand neben der Hauptbühne: LAMB OF GOD müssen ihren Auftritt auf dem WFF leider absagen. Als wäre dies nicht schon deprimierend genug, offenbart sich später der Grund der Absage als Schreckensnachricht. Randy Blythe wurde in Tschechien verhaftet, weil er bei einem Gig einen Fan von der Bühne gestoßen haben soll, der später seinen Verletzungen erlag. Diese Mitteilung musste erst einmal verdaut werden, und so wurden EMMURE, die von ihrem Headlinerposten auf der Zeltbühne dank des Ausfalls von LAMB OF GOD auf die Hauptbühne wanderten, einer kleinen Grillparty geopfert. Ähnlich wie bei dem Auftritt von WE BUTTER THE BREAD WITH BUTTER in der Hardbowl soll sich die Show eines riesigen Andrangs erfreut haben. Von weitem tönt die Deathcore-Breakdown-Ganzkörpermassage ähnlich einfallslos und stumpf wie auf Platte.
Für eine Menge Leute wohl unverständlicherweise darf die Band mit dem meist getragenen Merchandise - SUICIDE SILENCE - die Ehrenposition des Co-Headliners erfüllen. Darüber scheiden sich wohl die Geister – die Fanbase, die sich bei EMMURE bereits eine gute Position vor der Mainstage gesichert hatte, bleibt begeistert an Ort und Stelle. Dafür gibt es zur Belohnung die volle Breitseite Deathcore. Auch wenn Mitch Lucker mit Präsenz und wütendem Aufstampfen seine Position als charismatischster Frontmann der Deathcore-Szene wie immer beeindruckend zu verteidigen weiß, machen sich hier und da leichte Abnutzungserscheinungen breit. Außerdem wirkt die Band, gerade in den mit trantütigem Herumstehen verbrachten Pausen zwischen den Songs, etwas müde, lustlos und ohne Begeisterung bei der Sache. Vielleicht ein Versuch die Pausen in die Länge zu ziehen, um die angedachte Spielzeit von einer Stunde zu füllen. Klappt leider nicht: Nach 50 Minuten ist Schluss mit Geballer.
Für die eine Band ist die Spielzeit zu lang, für die andere könnte sie gar nicht lang genug sein. Das Ringen um Metal-Thron gewinnen eindeutig MACHINE HEAD. In den ersten acht Minuten wird gleich das komplette Munitionsrepertoire aufgefahren. Der Titel „I am Hell“ ist hier Programm – dank brennendem Background und massig Pyros steht die ganze Bühne eindrucksvoll in Flammen. Mit musikalischer Feuerkraft geht es auch im weiteren Verlauf des Sets weiter. „Imperium“, „Locust“, „Halo“ und das obligatorische „Davidian“ sind immer wieder Garanten für ein heftiges, kopfschüttelndes Miteinander. Vor allem das mit seinem epischen Charakter als Mitsing-Hymne geschaffene „Darkness Within“, an dessen Beginn Rob Flynn allein mit seiner Akustikklampfe performt, hat sich zum Höhepunkt einer MACHINE-HEAD-Liveshow gemausert. Flynn ist und bleibt auch weiterhin das sympathische, charismatische und leidenschaftliche Metal-Frontschwein – ein Typ also, den sowohl männliche als auch weibliche Fans bewundern können. Auch wenn zwischen den Songs immer noch viel pathetisch geredet wird, sind die Thrasher aus Oakland live einfach eine unschlagbare Macht - das gewohnte „Prooost Motherfuckers!“ inklusive. [yb]
Knüppelnacht
Punkt Mitternacht. Auf der Main Stage verabschiedet sich der Headliner MACHINE HEAD von seinen Fans; dann gehen dort die Lichter aus. In der Tentstage hingegen explodieren jetzt passend zur Geisterstunde DARK FUNERAL. Es ist der Eröffnungsgig zur mittlerweile legendär gewordenen Knüppelnacht. Bis in den frühen Morgen kommt hier nur musikalisch feinstes Gedresche auf den Teller. Der besagte Leichenzug hat sich hübsch bleich rausgeputzt und schmettert dem in Scharen herbei strömenden Publikum seine schnellen, dunklen Riffs entgegen. Ein guter (böser?) Anfang!
Schon auf dem zweiten Platz prominent gesetzt sind DYING FETUS. Mit ihrem brutalen und ultraschnellen Deathgrind haben sie sich den auch redlich erprügelt. Die Show-Performance beschränkt sich auf das Nötigste, die volle Konzentration der drei Amis gilt ihrer Musik, die ob ihrem Anspruch und wahnwitzigen Tempo vollste Aufmerksamkeit verlangt. Mit Ohrgeziefer wie "One shot, one kill", das man so schnell nicht wieder aus der Birne bekommt, huldigen sie scheinbar ihrer perfekten Präzision.
Ruhig wird es bei ENDSTILLE sicher nicht, auch wenn der Auftritt eher die Retardierung dieser Knüppelnacht zu sein scheint. Ein wenig Stacheldraht auf der Bühne soll dem Publikum wohl die Weltkriegsthematik der Lyriks nahebringen. Zingultus' Blutgerotze geht, abgesehen für die Besudelten, in der Dunkelheit der Bühnenentleuchtung unter.
Der Death-Black Ping-Pong geht weiter. Jetzt betreten NASUM die Bühne. Wer so einen harten musikalischen Kern hat, kann sich ruhig auch ein unspektakuläres Äußeres erlauben. Wer bis jetzt geblieben ist, wird für seine Ausdauer mehr als entschädigt. Ein Kracher nach dem anderen aus 20 Jahren Bandgeschichte wird losgelassen. Tipp: Im Herbst sind Nasum ein letztes mal auf Tour, bevor sich die Band auflösen wird. Nicht verpassen!
Mit ABORTED und DEBAUCHERY geht das Geknüppel noch bis nach Sonnenaufgang weiter. Während einige Fans erschöpft ihr Zelt suche, kommen andere, vom Gezwitscher der Vögel genervt, nach kurzer Ruhe schon wieder zurück. [Dominik]
SAMSTAG
Auch auf dem With Full Force will man mal ausgelassen und ohne Grund lustig sein. Die zwei Stimmungsgranaten, die am Samstagnachmittag auf die Festivalbesucher losgelassen werden, hören auf die Namen ELSTERGLANZ und EXCREMENTORY GRINDFUCKERS und sind alles, nur nicht lustig. Da Humor aber nun einmal, genauso wie Musikgeschmack, eine äußerst subjektive Angelegenheit ist, gibt es trotzdem eine Menge Leute, die sogar ohne ausschweifenden Alkoholgenuss, über Dialekthumor und Schlager-Grindcore lachen können. Wenigstens immer noch lustiger als J.B.O..
Spätestens bei CARNIFEX vergeht dann allen das Lachen. Mit Humor haben die Brachial-Deathcore-Rowdys jedenfalls nichts am Hut. Stattdessen wird fröhlich gefrickelt, zwischen Blast und Groove gewechselt und muntere Breakdowns zelebriert. Hier dürften auch Freunde „richtigen“ Deathmetals ihre Freude gehabt haben.
Was an den wiederbelebten I KILLED THE PROM QUEEN so spektakulär sein soll, erschließt sich nicht so ganz. Die Australier gelten als eine der ersten Bands, die den typischen Metalcore-Sound, also das schöne Gemisch aus Schweden-Melodien und Hardcore-Schwarte, gespielt haben und damit zahlreichen, mittlerweile erfolgreicheren Bands, den Weg geebnet haben. Nachdem man sich durch die Trennung den Kultstatus gesichert hat, ist die Wiedereinigung mitsamt den im direkten Vergleich mit anderen Bands, wie beispielsweise den Landesgenossen PARKWAY DRIVE, wenig mitreißenden Songs und der müden Live-Darbietung sicher der beste Weg zurück in die Versenkung.
Musikalisch ähnlich gelagert, aber weniger in Klischees gebadet, heizen THE SORROW der Hardbowl ein. Die routinierten Österreicher, die für die kurzfristig entfallenen WINDS OF PLAGUE eingesprungen sind, bieten Metalcore und melodisch-knackigen modernen Metal mit Hitpotenzial und hätten sicher auch auf der Mainstage eine gute Figur abgegeben. Frische Ware von der Core-Theke gibt es im Anschluss auch von EVERGREEN TERRACE, deren energiegeladene Show auch für Nicht-Core-Kenner ein tolles Erlebnis ist.
Wem die am Sonntag anstehende Hüpf-Gymnastik mit SOULFLY am Sonntagabend noch nicht reicht, kann sich bei EKTOMORF schon mal aufwärmen. Ein bisschen „Fuck!“ hier, eine Menge „Jump!“ da – und glücklich ist der Tribal-Groove-Aerobicmetal-Fan! Aber seien wir nicht ganz so böse: Schließlich eignet sich der Simpel-Riff-Sound der Ungarn bestens zur Beschallung des brütend heißen Ackers.
Was man mit einer Gitarre noch so anstellen kann, zeigen dann MESHUGGAH, die zu Beginn ihres Sets noch mit Soundproblemen zu kämpfen haben. Jens Kidman brüllt zwar mit aller Kraft in sein Mikro, aus dem bis zur Mitte des zweiten Songs „Combustion“ jedoch kein Ton dringt. Mit Stimme erlebt sich die wahnwitzige Riffakrobatik der Schweden gleich noch mal so intensiv. Neben den Uptempo-Brecher „The Hurt That Finds You First“ und dem bereits genannten instrumentalen Wunderwerk „Combustion“ ist vor allem das hypnotisch schleppende „Break Those Bones Whose Sinews Gave It Motion“ ein wahrer Ohrenöffner. Im sonst erhabenen Auftritt werden jedoch die Göttergaben „Rational Gaze“ und „Future Breed Machine“ äußerst schmerzlich vermisst.
Auch CANNIBAL CORPSE haben danach Soundprobleme – ein Missgeschick, das später auch IMMORTALs Abbath zur Mimose werden lässt. Dennoch wird das Konzert durch das Metzgergeschick der Floridaner zu einer amtlichen Schlachteplatte. Corpsegrinder Fisher rotiert wieder so exzessiv den Kopf samt mächtigem Hals, dass fast ein baldiges Abheben zu befürchten ist. Bei der Songauswahl wird glücklicherweise keine Rücksicht auf eventuell anwesende Minderjähriger genommen. Das Klassiker-Duo „Hammer Smashed Face“ und „Stripped, Raped & Strangled“ runden den Knüppelgenuss geschmackvoll ab. [yb]
Die unsterblichen Pandas von IMMORTAL müssen noch bei Tageslicht auf die Bühne. So lässt sich nicht verstecken, dass Abbath unter dem schwarzen Stretch doch deutlich zugelegt hat. Seine hohen Stiefel zwingen ihn außerdem zu einer Art Enten-Gewatschel, welches schon ein wenig lustig wirkt. So ganz bierernst nehmen die Jungs sich selbst aber eh nicht. Der mindestens sarkastische Humor blitzt zwischen den finsteren Grimassen immer wieder auf. "Hello Hellfest! ... oh shit, I mean, hello With Full Force!!" grunzt er die Begrüßng ins Micro. IMMORTAL sind sehr aktiv in diesem Festival-Sommer, da kann man mal durcheinander kommen.
Im Gegensatz zur eigenen Optik verstehen IMMORTAL jedoch keinerlei Spaß, wenn es um den Sound geht. Zu Beginn des Auftritts ist der Ton auffällig dünn. Wie sich herausstellt, hat die Tontechnik gepatzt: die Haupt-Boxenreihe ist nicht eingeschaltet und bleibt auch trotz mehreren Beschwerden der Musiker drei Lieder lang aus. Nach mehreren Fauxpas' an diesem Tag ist dies nun der Gipfel der Inkompetenz und auf einem Festival dieser Größe nicht hinnehmbar! Bis zum 20-jährige Jubiläum im kommenden Jahr wird die Fehlerquelle hoffentlich identifiziert und gestopft. Es wäre doch sehr ärgerlich, sollte sich so etwas beim nächsten Headliner IN FLAMES wiederholen. Konsequenterweise brechen IMMORTAL das Konzert ab, bis der Klang wieder stimmt. Die Wartezeit überbrückt Abbath mit gerechtem Spott über die Leute im Tontower und deutet an, dass diese sich gerade alle einen runterholen, statt zu arbeiten. Das Publikum ist verwirrt und auch besorgt, ob es das schon gewesen sei. So landen ein paar Kuscheltiere auf der Bühne, die prompt geschändet und zurückgetreten werden.
Als es endlich weitergehen kann, merkt man die Erleichterung allen an. IMMORTAL legen noch einmal eine extra Schippe drauf und bieten ihren Fans so doch noch eine würdige Show. Flammenwerfer kämpfen gegen die nordische Kälte an, diese behält aber die Oberhand. [Dominik]
Eine aggressiv wirkende Auftürmung schwarzer Wolken nähert sich dem Festivalgelände, als HEAVEN SHALL BURN die Bühne betreten. Während man bei der schönen Einstiegskombination „Echoes“ und „The Weapon They Fear“ noch trocken feiern kann, wird es pünktlich zu den Anfangstönen von „Endzeit“ richtig ungemütlich. Passend zu Band- und Songnamen öffnet der Himmel (und das ist keinesfalls übertrieben) sämtliche Schleusen. Begleitet von heftigen Blitzen und Donnern prasselt ein selten heftiger Regenguss auf das Gelände nieder. Viele suchen sich bei dem Unwetter ein trockenes Plätzchen, die Mehrheit der Fans bleibt jedoch tapfer vor der Bühne und erlebt den wahrscheinlich atmosphärischsten Gig der Bandgeschichte. Trotz der Sintflut und den regelmäßigen Ausfällen der Instrumente und des kompletten Sounds ist die Stimmung auf einem unglaublich hohen Level. Die Band zeigt sich ebenfalls sehr beeindruckt von ihren Fans, die sich bereitwillig duschen lassen, um das Beste aus dem Schaffen der Thüringer um die Ohren geballert zu bekommen. Neben der unfreiwilligen feuchten Showeinlage und den Soundausfällen ist alles an diesem Auftritt perfekt. Ein wahrhafte denkwürdige Show!
Gekrönt wird das Ganze von dem obligatorischen Feuerwerk, das nicht das letzte krachende Erlebnis dieser Nacht bleiben wird. Während auf der Tentstage im Saturday Night Fever geschwelgt wird und sich die Durchnässten ein wenig trocknen, wird das Gelände von Gewitterwänden und im Sekundentakt den Himmel erleuchtenden Blitzen umkreist. Glaubt man jetzt noch, beim Unwetter während des HEAVEN SHALL BURN-Gigs das Äußerste erlebt zu haben, wird man gegen 2 Uhr eines Besseren belehrt. Der Orkan kommt überraschend und mit einer nie erlebten Wucht. Während eingeknickte Pavillons, überflutete Zelte und umgefallene Zäune noch das kleinere Übel darstellen, werden bei einem Blitzschlag auf dem Zeltplatz 1B zahlreiche Menschen verletzt, einige davon schwer. Die Rettungskräfte sind bis in die frühen Morgenstunden damit beschäftigt, die Verletzten zu versorgen, die inzwischen alle wieder wohlauf sind.
Glücklicherweise ist nicht Schlimmeres passiert. Schon fast verwunderlich, dass man bei dem ersten Unwetter, die HEAVEN SHALL BURN-Show nicht schon unterbrochen hatte. Nicht auszudenken, was passiert wäre, wenn ein Blitz die Bühne getroffen hätte. Es stellt sich natürlich auch die Frage, warum keine Warnung seitens der Veranstalter an die Festivalbesucher heraus ging. So wäre man auf die tatsächlichen Ausmaße des Unwetters noch einigermaßen vorbereitet gewesen.
SONNTAG
Am nächsten Tag sind die Knochen aber glücklicherweise schnell wieder geordnet. Man bemerkt die Auswirkungen der noch in der Nacht gestarteten größeren Abreisewelle: Das Gelände ist deutlich übersichtlicher gefüllt. Während es noch vor sich hin regnet, muss man die Absage von GOJIRA verkraften. Das gelingt mit den als Ersatz gewonnenen NEAERA aber ganz ausgezeichnet. Die Münsteraner verbreiten einmal wieder nichts als Energie und gute Laune. Zu „Let The Tempest Come“, „Armamentarium“ und „Spearheading The Spawn“ wird ein fröhlichen Massen-Crowdsurfen veranstaltet, und Fronter Benni lässt es sich nicht nehmen, ebenfalls ein akrobatisches Bad in der Menge zu nehmen.
Wechsel ins Zelt: CRUSHING CASPARS bereiten sich dort auf ihren Gig vor. Die punkige Hardcore Combo aus Rostock hat sich auf dem With Full Force schon einige Fans erspielt, treten sie doch nach 2006 und 2009 nun bereits zum dritten Mal hier auf. Die musikalische Mischung zündet, die gute Laune Granate geht in die Luft. Das WFF ist ja bekannt für sein bunt gemischtes Publikum und nicht nur bei Metalfans beliebt.
Dagegen wirken KILL DEVIL HILL sehr hüftlahm. Zum qualitativ ansprechenden Stoner Rock des Allstar-Ensembles unter der Führung des Ex-PANTERA-Bassers Rex Brown will nur eine Handvoll Fans abrocken.
Auch UNEARTH haben im Laufe ihres unermüdlichen Tourens schon einmal packendere Shows abgeliefert. Frontmann Trevor legt sich mächtig in Zeug, um das noch leicht mitgenommene Publikum auf Touren zu bringen, aber gerade Gitarrist Ken Susi, von dem man sonst waghalsige Sprünge und alberne Showeinlagen gewohnt ist, kommt heute nicht in die Gänge. Glücklicherweise kann er den mitreißenden Ping-Pong zwischen Riffgranate und Gänsehautmelodie auch im Halbschlaf spielen. „My Will Be Done“, „Black Hearts Now Reign“ und das von einer Wall of Death begleitete „Eyes of Black“ wecken jedenfalls die letzten noch schlummernden Lebensgeister.
Während es bei PRO-PAIN zum gewohnt handfesten Abriss kommt, sind TRIVIUM dann für die Melodien zuständig. Nach dem schicken Einstieg via „Capsizing The Sea“ und „In Waves“ haben der äußerst sympathisch, bestens gelaunt und gut bei Stimme agierende Matt Heafy und seine Mannen das Publikum fest in der Hand. Neben einigen knackig vorgetragenen Klassikern vom Kultalbum "Ascendancy", kommen vor allem die Songs des aktuellen Albums zu ihren Ehren. Vor der Bühne wird dazu die bisher größte Party des Tages gefeiert, begleitet von ausschweifendem Crowdsurfen und einem riesigen Circlepit.
Mit den BROILERS und Irish-Folkern FLOGGING MOLLY gibt es danach ein gut gelauntes Programm jenseits von Hardcore-Geprügel und Metal-Gegniedel. Richtig gniedelig wird es aber danach bei CHILDREN OF BODOM, die Gitarre und Keyboard bis zur Schmerzgrenze malträtieren. Das, was Alexi Laiho und seine Mannen da musizieren, klingt in seinen schlimmsten Momenten wie eine amoklaufende Spielkonsole. In den zurückhaltenderen und groovigen Tönen steckt aber jede Menge Headbang- und Pommesgabel-hochreiß-Potential. Der Meister der Fiedelei himself, Alexi, zeigt sich – bis auf ein wenig Zungenkontakt mit seiner großen Liebe, der Gitarre – aber angenehm zurückhaltend und in sein Instrument vertieft.
Spätestens jetzt ist es soweit: SOULFLY müssen sich gegenüber SEPULTURA geschlagen geben. Muskelriese Derrick Green nimmt so einen dicken, lahmen Klops wie Max Cavalera doch doppelt in den Schwitzkasten. Was auch immer Cavalera da genommen hat – er sollte zum Wohle seiner Band damit aufhören. Dank seinen Mitmusikern, unter anderem STATIC-(E)X Tony Campos am Bass, kann man Hüpf-Klassiker wie „Prophecy“, „Back To The Primitive“ oder „Eye For An Eye“ noch als sie selbst erkennen; spätestens bei den ohne Arsch und Eier angespielten „Arise“/“Dead Embryonic Cells“ und „Troops of Doom“ wird die ganze Sache aber zum Ärgernis. Max klatscht seine Fans vorsätzlich in Hypnose und die Spielversuche an seiner Gitarre sind nicht wirklich erwähnenswert. Die Hardliner unter den Hüpfwütigen hüpfen wohl eher aus Mitleid oder weil sie Cavaleras Söhne, die wieder zweimal auf die Trommel hauen dürfen, so knuffig finden. Energie kommt bei diesem Trauerspiel, das unweigerlich mit dem am meisten totgespielten Metalsong aller Zeiten (Tipp: Es geht um Wurzeln.) enden muss, leider nur fragmentarisch auf. [yb]
So endet ein sehr gelungenes, musikalisch befriedigendes, doch sehr abenteuerliches With Full Force. Im nächsten Jahr steht dann das 20. Jubiläum an, bei dem wohl besonders ausgiebig gefeiert werden wird. Mittlerweile gehen auch hier die Veranstalter dazu über, den ersten Headliner bereits ein Jahr im voraus bekannt zu geben: Mit IN FLAMES findet sich bereits der erste große Name auf dem Billing der großen Acker-Geburtstagsfeier.
Fotos von Yvonne und Dominik
Das diesjährige With Full Force war ein Festival der Extreme. Bestimmt wird es bald ein Shirt mit dem Aufdruck „I survived WFF 2012!“ zu kaufen geben. Damit ist nicht die Musik der gastierenden Bands gemeint, sondern ein gewaltiges Unwetter, das in der Nacht vom Samstag zum Sonntag über das Festivalgelände tobte und infolge dessen 69 Menschen durch einen Blitzschlag verletzt wurden, weil sie unter einem Cocktailstand Schutz vor dem Starkregen suchten. Spätestens am nächsten Tag waren sämtliche Gerüchte verflogen, dass es bei dem Unglück Tote gegeben hätte und man konnte sich stolz auf die Schulter klopfen, zusammen mit den Notfallhilfskräften und freiwilligen Helfern eine vorbildliche Hilfeleistung vollbracht zu haben.
Schon an den ersten Festivaltagen konnte man – nicht nur anhand des Wetterberichts – eine Gewitterstimmung erahnen: Es war anstrengend heiß. Nachdem das Festival 2011 von Regen und Kälte heimgesucht wurde, kehrte nun wieder die altbekannte WFF-Hitze zurück, die beim Publikum für durchgängige gute Stimmung sorgte.
Durch den angrenzenden Tagebau, der Teile des ehemaligen Geländes in eine Mondlandschaft verwandelt hatte, musste das Gelände in diesem Jahr erstmals umstrukturiert werden. Die spiegelverkehrte Anordnung sorgte anfangs für Verwirrung und wurde angesichts der gefühlt längeren Wege als weniger praktisch als der gute, alte Geländeaufbau empfunden. Auf dem Festivalgelände gab es das gewohnt vielfältige Angebot an Speis und Trank zu halbwegs moderaten Preisen. Ziemlich überflüssig und ähnlich nervig wie die Tag und Nacht denselben Alternative-Rock-Einheitsbrei dudelnde Cocktailbar vor dem Festivalgelände war jedoch die riesige Jägermeister-Werbehütte, von der man während der Umbaupausen von einem pseudocoolen Blasorchester mit Charts- und Mainstream-Rock-Tralala zutrompetet wurde. Der Impericon-Stand hat inzwischen die Dimensionen einer H&M-Filiale angenommen und versorgt die Jungcoreler und Hipster-Metaller außer mit bunten Kleidungsstücken zusätzlich mit Autogrammstunden ihrer Lieblingsbands. Autogramme zu holen gab es auch am Stand des Metal Hammer, der scheinbar das Rock Hard in der Präsentation des Festivals abgelöst hat.
Bei der Bandauswahl reihten sich in diesem Jahr die großen Namen aneinander: MACHINE HEAD besetzen seit einigen Jahren wieder die Headliner-Position am Freitag, während HEAVEN SHALL BURN es zum ersten Mal und berechtigterweise geschafft haben, am Samstagabend als letzte der Menge einzuheizen. Wenig überraschend dürfen SOULFLY am Sonntag ran. Auch die anderen Slots sind mehr als hochkarätig besetzt. Der Anteil an jungen Metalbands aus dem Core-Sektor ist weiter gestiegen; die Deathcore-Fraktion ist im Billing sogar noch ein beachtliches Stück nach oben gerutscht. Wie gewohnt beweisen die Veranstalter ein geschicktes Händchen dabei, die Bandpalette sehr breit gefächert zu gestalten und interessanten Newcomern eine große Bühne zu bieten. So schafft das With Full Force spielend den Spagat von Irish-Folk und Stoner Rock über die große Hardcore-Breitwand bis hin zum Black Metal der Knüppelnacht.
FREITAG
Für die VIP-Camper erweist sich die Umstrukturierung des Geländes als besonders unpraktisch: Der Weg vom Zelt bis zur Bühne dauert mit seinen Umwegen gut und gerne zehn Minuten. Trotzdem ist man pünktlich zur Eröffnungsband SKELETONWITCH anwesend, um befriedigt festzustellen, dass diese mit angeschwärzter Retro-Attitüde ein saucooles Brett schrubben und damit das noch anfangsmüde vor sich hin transpirierende Publikum in richtige Festivallaune versetzt. DEVILDRIVER schließen danach an diese schöne Tradition an, klingen um einiges moderner, aber genauso schlechtlaunig und brachial. Dez Fafara ist als Type schon eine Show für sich und dirigiert das folgsame Publikum mit ausgestrecktem Mittelfinger.
Weitaus besinnlicher wird es im Anschluss bei INSOMNIUM. Die Finnen beherrschen die ganz große Melodieschule und schaffen es auch bei strahlendem Sonnenschein ein wenig erfrischende nordische Kühle aus den Boxen zu zaubern. Ein kräftiger Schuss todesmetallischer Härte in den melancholischen Soundteppichen veranlasst zum beeindruckten Kopf- und Fußnicken.
Kontrastprogramm gibt es im Anschluss von der NY-Hardcore-Institution MADBALL, bei denen im Pit vor der Bühne mal wieder kein Stein auf dem anderen bleibt. Fronthopser Freddy Cricien personifiziert den ursprünglichen, schnörkellosen Sound seiner Band in perfekter Art und Weise und springt mit ungebremster Energie über die Bühne. Auf seinem Shirt steht „Hardcore über alles!“. Noch Fragen? Man hätte seinen Enthusiasmus vielleicht weniger platt zum Ausdruck bringen können - aber wo kämen wir denn hin, wenn es im Hardcore um Feinfühligkeit gehen würde?
Ebenfalls ein amtliches Brett liefern AUGUST BURNS RED, die sich sowohl in punkto Popularität als auch hinsichtlich ihrer Bühnenshow erfreulich weiter entwickelt haben. Mittlerweile hat sich im Repertoire der Frickel-Core-Kombo eine beträchtliche Anzahl an Hits angesammelt, die im ICE-Tempo und mit knüppelharter Wucht ins Publikum gedroschen wird. Fronter Jake Luhrs hat sichtlich Spaß daran, seine Fans dirigieren zu können, und springt, tanzt und schwingt in fast gefährlichen Aktionen sein Mikro. Positiv erwähnt sein an dieser Stelle der knusprig-krosse, ohrenschmeichelnde Sound der Hauptbühne.
Weitaus sanfter rockt im Anschluss das alte Melodypunk-Eisen PENNYWISE. Trotz massiver Rückenschmerzen liefert Sonst-IGNITE-Sänger Zoli eine professionelle Performance und erfreut zusammen mit seinen Mitstreitern das tanzwütige WFF-Publikum mit einigen unsterblichen Skate-Hymnen.
Schon zu Beginn des Festivaltages prangte die Hiobsbotschaft an der Leinwand neben der Hauptbühne: LAMB OF GOD müssen ihren Auftritt auf dem WFF leider absagen. Als wäre dies nicht schon deprimierend genug, offenbart sich später der Grund der Absage als Schreckensnachricht. Randy Blythe wurde in Tschechien verhaftet, weil er bei einem Gig einen Fan von der Bühne gestoßen haben soll, der später seinen Verletzungen erlag. Diese Mitteilung musste erst einmal verdaut werden, und so wurden EMMURE, die von ihrem Headlinerposten auf der Zeltbühne dank des Ausfalls von LAMB OF GOD auf die Hauptbühne wanderten, einer kleinen Grillparty geopfert. Ähnlich wie bei dem Auftritt von WE BUTTER THE BREAD WITH BUTTER in der Hardbowl soll sich die Show eines riesigen Andrangs erfreut haben. Von weitem tönt die Deathcore-Breakdown-Ganzkörpermassage ähnlich einfallslos und stumpf wie auf Platte.
Für eine Menge Leute wohl unverständlicherweise darf die Band mit dem meist getragenen Merchandise - SUICIDE SILENCE - die Ehrenposition des Co-Headliners erfüllen. Darüber scheiden sich wohl die Geister – die Fanbase, die sich bei EMMURE bereits eine gute Position vor der Mainstage gesichert hatte, bleibt begeistert an Ort und Stelle. Dafür gibt es zur Belohnung die volle Breitseite Deathcore. Auch wenn Mitch Lucker mit Präsenz und wütendem Aufstampfen seine Position als charismatischster Frontmann der Deathcore-Szene wie immer beeindruckend zu verteidigen weiß, machen sich hier und da leichte Abnutzungserscheinungen breit. Außerdem wirkt die Band, gerade in den mit trantütigem Herumstehen verbrachten Pausen zwischen den Songs, etwas müde, lustlos und ohne Begeisterung bei der Sache. Vielleicht ein Versuch die Pausen in die Länge zu ziehen, um die angedachte Spielzeit von einer Stunde zu füllen. Klappt leider nicht: Nach 50 Minuten ist Schluss mit Geballer.
Für die eine Band ist die Spielzeit zu lang, für die andere könnte sie gar nicht lang genug sein. Das Ringen um Metal-Thron gewinnen eindeutig MACHINE HEAD. In den ersten acht Minuten wird gleich das komplette Munitionsrepertoire aufgefahren. Der Titel „I am Hell“ ist hier Programm – dank brennendem Background und massig Pyros steht die ganze Bühne eindrucksvoll in Flammen. Mit musikalischer Feuerkraft geht es auch im weiteren Verlauf des Sets weiter. „Imperium“, „Locust“, „Halo“ und das obligatorische „Davidian“ sind immer wieder Garanten für ein heftiges, kopfschüttelndes Miteinander. Vor allem das mit seinem epischen Charakter als Mitsing-Hymne geschaffene „Darkness Within“, an dessen Beginn Rob Flynn allein mit seiner Akustikklampfe performt, hat sich zum Höhepunkt einer MACHINE-HEAD-Liveshow gemausert. Flynn ist und bleibt auch weiterhin das sympathische, charismatische und leidenschaftliche Metal-Frontschwein – ein Typ also, den sowohl männliche als auch weibliche Fans bewundern können. Auch wenn zwischen den Songs immer noch viel pathetisch geredet wird, sind die Thrasher aus Oakland live einfach eine unschlagbare Macht - das gewohnte „Prooost Motherfuckers!“ inklusive. [yb]
Knüppelnacht
Punkt Mitternacht. Auf der Main Stage verabschiedet sich der Headliner MACHINE HEAD von seinen Fans; dann gehen dort die Lichter aus. In der Tentstage hingegen explodieren jetzt passend zur Geisterstunde DARK FUNERAL. Es ist der Eröffnungsgig zur mittlerweile legendär gewordenen Knüppelnacht. Bis in den frühen Morgen kommt hier nur musikalisch feinstes Gedresche auf den Teller. Der besagte Leichenzug hat sich hübsch bleich rausgeputzt und schmettert dem in Scharen herbei strömenden Publikum seine schnellen, dunklen Riffs entgegen. Ein guter (böser?) Anfang!
Schon auf dem zweiten Platz prominent gesetzt sind DYING FETUS. Mit ihrem brutalen und ultraschnellen Deathgrind haben sie sich den auch redlich erprügelt. Die Show-Performance beschränkt sich auf das Nötigste, die volle Konzentration der drei Amis gilt ihrer Musik, die ob ihrem Anspruch und wahnwitzigen Tempo vollste Aufmerksamkeit verlangt. Mit Ohrgeziefer wie "One shot, one kill", das man so schnell nicht wieder aus der Birne bekommt, huldigen sie scheinbar ihrer perfekten Präzision.
Ruhig wird es bei ENDSTILLE sicher nicht, auch wenn der Auftritt eher die Retardierung dieser Knüppelnacht zu sein scheint. Ein wenig Stacheldraht auf der Bühne soll dem Publikum wohl die Weltkriegsthematik der Lyriks nahebringen. Zingultus' Blutgerotze geht, abgesehen für die Besudelten, in der Dunkelheit der Bühnenentleuchtung unter.
Der Death-Black Ping-Pong geht weiter. Jetzt betreten NASUM die Bühne. Wer so einen harten musikalischen Kern hat, kann sich ruhig auch ein unspektakuläres Äußeres erlauben. Wer bis jetzt geblieben ist, wird für seine Ausdauer mehr als entschädigt. Ein Kracher nach dem anderen aus 20 Jahren Bandgeschichte wird losgelassen. Tipp: Im Herbst sind Nasum ein letztes mal auf Tour, bevor sich die Band auflösen wird. Nicht verpassen!
Mit ABORTED und DEBAUCHERY geht das Geknüppel noch bis nach Sonnenaufgang weiter. Während einige Fans erschöpft ihr Zelt suche, kommen andere, vom Gezwitscher der Vögel genervt, nach kurzer Ruhe schon wieder zurück. [Dominik]
SAMSTAG
Auch auf dem With Full Force will man mal ausgelassen und ohne Grund lustig sein. Die zwei Stimmungsgranaten, die am Samstagnachmittag auf die Festivalbesucher losgelassen werden, hören auf die Namen ELSTERGLANZ und EXCREMENTORY GRINDFUCKERS und sind alles, nur nicht lustig. Da Humor aber nun einmal, genauso wie Musikgeschmack, eine äußerst subjektive Angelegenheit ist, gibt es trotzdem eine Menge Leute, die sogar ohne ausschweifenden Alkoholgenuss, über Dialekthumor und Schlager-Grindcore lachen können. Wenigstens immer noch lustiger als J.B.O..
Spätestens bei CARNIFEX vergeht dann allen das Lachen. Mit Humor haben die Brachial-Deathcore-Rowdys jedenfalls nichts am Hut. Stattdessen wird fröhlich gefrickelt, zwischen Blast und Groove gewechselt und muntere Breakdowns zelebriert. Hier dürften auch Freunde „richtigen“ Deathmetals ihre Freude gehabt haben.
Was an den wiederbelebten I KILLED THE PROM QUEEN so spektakulär sein soll, erschließt sich nicht so ganz. Die Australier gelten als eine der ersten Bands, die den typischen Metalcore-Sound, also das schöne Gemisch aus Schweden-Melodien und Hardcore-Schwarte, gespielt haben und damit zahlreichen, mittlerweile erfolgreicheren Bands, den Weg geebnet haben. Nachdem man sich durch die Trennung den Kultstatus gesichert hat, ist die Wiedereinigung mitsamt den im direkten Vergleich mit anderen Bands, wie beispielsweise den Landesgenossen PARKWAY DRIVE, wenig mitreißenden Songs und der müden Live-Darbietung sicher der beste Weg zurück in die Versenkung.
Musikalisch ähnlich gelagert, aber weniger in Klischees gebadet, heizen THE SORROW der Hardbowl ein. Die routinierten Österreicher, die für die kurzfristig entfallenen WINDS OF PLAGUE eingesprungen sind, bieten Metalcore und melodisch-knackigen modernen Metal mit Hitpotenzial und hätten sicher auch auf der Mainstage eine gute Figur abgegeben. Frische Ware von der Core-Theke gibt es im Anschluss auch von EVERGREEN TERRACE, deren energiegeladene Show auch für Nicht-Core-Kenner ein tolles Erlebnis ist.
Wem die am Sonntag anstehende Hüpf-Gymnastik mit SOULFLY am Sonntagabend noch nicht reicht, kann sich bei EKTOMORF schon mal aufwärmen. Ein bisschen „Fuck!“ hier, eine Menge „Jump!“ da – und glücklich ist der Tribal-Groove-Aerobicmetal-Fan! Aber seien wir nicht ganz so böse: Schließlich eignet sich der Simpel-Riff-Sound der Ungarn bestens zur Beschallung des brütend heißen Ackers.
Was man mit einer Gitarre noch so anstellen kann, zeigen dann MESHUGGAH, die zu Beginn ihres Sets noch mit Soundproblemen zu kämpfen haben. Jens Kidman brüllt zwar mit aller Kraft in sein Mikro, aus dem bis zur Mitte des zweiten Songs „Combustion“ jedoch kein Ton dringt. Mit Stimme erlebt sich die wahnwitzige Riffakrobatik der Schweden gleich noch mal so intensiv. Neben den Uptempo-Brecher „The Hurt That Finds You First“ und dem bereits genannten instrumentalen Wunderwerk „Combustion“ ist vor allem das hypnotisch schleppende „Break Those Bones Whose Sinews Gave It Motion“ ein wahrer Ohrenöffner. Im sonst erhabenen Auftritt werden jedoch die Göttergaben „Rational Gaze“ und „Future Breed Machine“ äußerst schmerzlich vermisst.
Auch CANNIBAL CORPSE haben danach Soundprobleme – ein Missgeschick, das später auch IMMORTALs Abbath zur Mimose werden lässt. Dennoch wird das Konzert durch das Metzgergeschick der Floridaner zu einer amtlichen Schlachteplatte. Corpsegrinder Fisher rotiert wieder so exzessiv den Kopf samt mächtigem Hals, dass fast ein baldiges Abheben zu befürchten ist. Bei der Songauswahl wird glücklicherweise keine Rücksicht auf eventuell anwesende Minderjähriger genommen. Das Klassiker-Duo „Hammer Smashed Face“ und „Stripped, Raped & Strangled“ runden den Knüppelgenuss geschmackvoll ab. [yb]
Die unsterblichen Pandas von IMMORTAL müssen noch bei Tageslicht auf die Bühne. So lässt sich nicht verstecken, dass Abbath unter dem schwarzen Stretch doch deutlich zugelegt hat. Seine hohen Stiefel zwingen ihn außerdem zu einer Art Enten-Gewatschel, welches schon ein wenig lustig wirkt. So ganz bierernst nehmen die Jungs sich selbst aber eh nicht. Der mindestens sarkastische Humor blitzt zwischen den finsteren Grimassen immer wieder auf. "Hello Hellfest! ... oh shit, I mean, hello With Full Force!!" grunzt er die Begrüßng ins Micro. IMMORTAL sind sehr aktiv in diesem Festival-Sommer, da kann man mal durcheinander kommen.
Im Gegensatz zur eigenen Optik verstehen IMMORTAL jedoch keinerlei Spaß, wenn es um den Sound geht. Zu Beginn des Auftritts ist der Ton auffällig dünn. Wie sich herausstellt, hat die Tontechnik gepatzt: die Haupt-Boxenreihe ist nicht eingeschaltet und bleibt auch trotz mehreren Beschwerden der Musiker drei Lieder lang aus. Nach mehreren Fauxpas' an diesem Tag ist dies nun der Gipfel der Inkompetenz und auf einem Festival dieser Größe nicht hinnehmbar! Bis zum 20-jährige Jubiläum im kommenden Jahr wird die Fehlerquelle hoffentlich identifiziert und gestopft. Es wäre doch sehr ärgerlich, sollte sich so etwas beim nächsten Headliner IN FLAMES wiederholen. Konsequenterweise brechen IMMORTAL das Konzert ab, bis der Klang wieder stimmt. Die Wartezeit überbrückt Abbath mit gerechtem Spott über die Leute im Tontower und deutet an, dass diese sich gerade alle einen runterholen, statt zu arbeiten. Das Publikum ist verwirrt und auch besorgt, ob es das schon gewesen sei. So landen ein paar Kuscheltiere auf der Bühne, die prompt geschändet und zurückgetreten werden.
Als es endlich weitergehen kann, merkt man die Erleichterung allen an. IMMORTAL legen noch einmal eine extra Schippe drauf und bieten ihren Fans so doch noch eine würdige Show. Flammenwerfer kämpfen gegen die nordische Kälte an, diese behält aber die Oberhand. [Dominik]
Eine aggressiv wirkende Auftürmung schwarzer Wolken nähert sich dem Festivalgelände, als HEAVEN SHALL BURN die Bühne betreten. Während man bei der schönen Einstiegskombination „Echoes“ und „The Weapon They Fear“ noch trocken feiern kann, wird es pünktlich zu den Anfangstönen von „Endzeit“ richtig ungemütlich. Passend zu Band- und Songnamen öffnet der Himmel (und das ist keinesfalls übertrieben) sämtliche Schleusen. Begleitet von heftigen Blitzen und Donnern prasselt ein selten heftiger Regenguss auf das Gelände nieder. Viele suchen sich bei dem Unwetter ein trockenes Plätzchen, die Mehrheit der Fans bleibt jedoch tapfer vor der Bühne und erlebt den wahrscheinlich atmosphärischsten Gig der Bandgeschichte. Trotz der Sintflut und den regelmäßigen Ausfällen der Instrumente und des kompletten Sounds ist die Stimmung auf einem unglaublich hohen Level. Die Band zeigt sich ebenfalls sehr beeindruckt von ihren Fans, die sich bereitwillig duschen lassen, um das Beste aus dem Schaffen der Thüringer um die Ohren geballert zu bekommen. Neben der unfreiwilligen feuchten Showeinlage und den Soundausfällen ist alles an diesem Auftritt perfekt. Ein wahrhafte denkwürdige Show!
Gekrönt wird das Ganze von dem obligatorischen Feuerwerk, das nicht das letzte krachende Erlebnis dieser Nacht bleiben wird. Während auf der Tentstage im Saturday Night Fever geschwelgt wird und sich die Durchnässten ein wenig trocknen, wird das Gelände von Gewitterwänden und im Sekundentakt den Himmel erleuchtenden Blitzen umkreist. Glaubt man jetzt noch, beim Unwetter während des HEAVEN SHALL BURN-Gigs das Äußerste erlebt zu haben, wird man gegen 2 Uhr eines Besseren belehrt. Der Orkan kommt überraschend und mit einer nie erlebten Wucht. Während eingeknickte Pavillons, überflutete Zelte und umgefallene Zäune noch das kleinere Übel darstellen, werden bei einem Blitzschlag auf dem Zeltplatz 1B zahlreiche Menschen verletzt, einige davon schwer. Die Rettungskräfte sind bis in die frühen Morgenstunden damit beschäftigt, die Verletzten zu versorgen, die inzwischen alle wieder wohlauf sind.
Glücklicherweise ist nicht Schlimmeres passiert. Schon fast verwunderlich, dass man bei dem ersten Unwetter, die HEAVEN SHALL BURN-Show nicht schon unterbrochen hatte. Nicht auszudenken, was passiert wäre, wenn ein Blitz die Bühne getroffen hätte. Es stellt sich natürlich auch die Frage, warum keine Warnung seitens der Veranstalter an die Festivalbesucher heraus ging. So wäre man auf die tatsächlichen Ausmaße des Unwetters noch einigermaßen vorbereitet gewesen.
SONNTAG
Am nächsten Tag sind die Knochen aber glücklicherweise schnell wieder geordnet. Man bemerkt die Auswirkungen der noch in der Nacht gestarteten größeren Abreisewelle: Das Gelände ist deutlich übersichtlicher gefüllt. Während es noch vor sich hin regnet, muss man die Absage von GOJIRA verkraften. Das gelingt mit den als Ersatz gewonnenen NEAERA aber ganz ausgezeichnet. Die Münsteraner verbreiten einmal wieder nichts als Energie und gute Laune. Zu „Let The Tempest Come“, „Armamentarium“ und „Spearheading The Spawn“ wird ein fröhlichen Massen-Crowdsurfen veranstaltet, und Fronter Benni lässt es sich nicht nehmen, ebenfalls ein akrobatisches Bad in der Menge zu nehmen.
Wechsel ins Zelt: CRUSHING CASPARS bereiten sich dort auf ihren Gig vor. Die punkige Hardcore Combo aus Rostock hat sich auf dem With Full Force schon einige Fans erspielt, treten sie doch nach 2006 und 2009 nun bereits zum dritten Mal hier auf. Die musikalische Mischung zündet, die gute Laune Granate geht in die Luft. Das WFF ist ja bekannt für sein bunt gemischtes Publikum und nicht nur bei Metalfans beliebt.
Dagegen wirken KILL DEVIL HILL sehr hüftlahm. Zum qualitativ ansprechenden Stoner Rock des Allstar-Ensembles unter der Führung des Ex-PANTERA-Bassers Rex Brown will nur eine Handvoll Fans abrocken.
Auch UNEARTH haben im Laufe ihres unermüdlichen Tourens schon einmal packendere Shows abgeliefert. Frontmann Trevor legt sich mächtig in Zeug, um das noch leicht mitgenommene Publikum auf Touren zu bringen, aber gerade Gitarrist Ken Susi, von dem man sonst waghalsige Sprünge und alberne Showeinlagen gewohnt ist, kommt heute nicht in die Gänge. Glücklicherweise kann er den mitreißenden Ping-Pong zwischen Riffgranate und Gänsehautmelodie auch im Halbschlaf spielen. „My Will Be Done“, „Black Hearts Now Reign“ und das von einer Wall of Death begleitete „Eyes of Black“ wecken jedenfalls die letzten noch schlummernden Lebensgeister.
Während es bei PRO-PAIN zum gewohnt handfesten Abriss kommt, sind TRIVIUM dann für die Melodien zuständig. Nach dem schicken Einstieg via „Capsizing The Sea“ und „In Waves“ haben der äußerst sympathisch, bestens gelaunt und gut bei Stimme agierende Matt Heafy und seine Mannen das Publikum fest in der Hand. Neben einigen knackig vorgetragenen Klassikern vom Kultalbum "Ascendancy", kommen vor allem die Songs des aktuellen Albums zu ihren Ehren. Vor der Bühne wird dazu die bisher größte Party des Tages gefeiert, begleitet von ausschweifendem Crowdsurfen und einem riesigen Circlepit.
Mit den BROILERS und Irish-Folkern FLOGGING MOLLY gibt es danach ein gut gelauntes Programm jenseits von Hardcore-Geprügel und Metal-Gegniedel. Richtig gniedelig wird es aber danach bei CHILDREN OF BODOM, die Gitarre und Keyboard bis zur Schmerzgrenze malträtieren. Das, was Alexi Laiho und seine Mannen da musizieren, klingt in seinen schlimmsten Momenten wie eine amoklaufende Spielkonsole. In den zurückhaltenderen und groovigen Tönen steckt aber jede Menge Headbang- und Pommesgabel-hochreiß-Potential. Der Meister der Fiedelei himself, Alexi, zeigt sich – bis auf ein wenig Zungenkontakt mit seiner großen Liebe, der Gitarre – aber angenehm zurückhaltend und in sein Instrument vertieft.
Spätestens jetzt ist es soweit: SOULFLY müssen sich gegenüber SEPULTURA geschlagen geben. Muskelriese Derrick Green nimmt so einen dicken, lahmen Klops wie Max Cavalera doch doppelt in den Schwitzkasten. Was auch immer Cavalera da genommen hat – er sollte zum Wohle seiner Band damit aufhören. Dank seinen Mitmusikern, unter anderem STATIC-(E)X Tony Campos am Bass, kann man Hüpf-Klassiker wie „Prophecy“, „Back To The Primitive“ oder „Eye For An Eye“ noch als sie selbst erkennen; spätestens bei den ohne Arsch und Eier angespielten „Arise“/“Dead Embryonic Cells“ und „Troops of Doom“ wird die ganze Sache aber zum Ärgernis. Max klatscht seine Fans vorsätzlich in Hypnose und die Spielversuche an seiner Gitarre sind nicht wirklich erwähnenswert. Die Hardliner unter den Hüpfwütigen hüpfen wohl eher aus Mitleid oder weil sie Cavaleras Söhne, die wieder zweimal auf die Trommel hauen dürfen, so knuffig finden. Energie kommt bei diesem Trauerspiel, das unweigerlich mit dem am meisten totgespielten Metalsong aller Zeiten (Tipp: Es geht um Wurzeln.) enden muss, leider nur fragmentarisch auf. [yb]
So endet ein sehr gelungenes, musikalisch befriedigendes, doch sehr abenteuerliches With Full Force. Im nächsten Jahr steht dann das 20. Jubiläum an, bei dem wohl besonders ausgiebig gefeiert werden wird. Mittlerweile gehen auch hier die Veranstalter dazu über, den ersten Headliner bereits ein Jahr im voraus bekannt zu geben: Mit IN FLAMES findet sich bereits der erste große Name auf dem Billing der großen Acker-Geburtstagsfeier.
Fotos von Yvonne und Dominik