Neaera When You Scream & And There Will Be Blood

Neaera, When You Scream & And There Will Be Blood

And There Will Be BloodNeaeraWhen You Scream
Osnabrück, Bastard Club
26.12.2012
Am zweiten Weihnachtsfeiertag lädt die Brachialcombo NEAERA zum traditionellen Xmas-Mosh in den Osnabrücker Bastard Club ein. Der Möglichkeit, die über die Feiertage zugelegten Pfunde postwendend wieder abzutrainieren, kommt natürlich auch die Bloodchamber nach und ist bei einer Menge Blut, Schweiß und Tränen live vor Ort.

Bevor jedoch die sympathischen Münsteraner die Hütte abreißen, stehen pünktlich um acht Uhr die Lokalmatadoren von AND THERE WILL BE BLOOD vor der Aufgabe, dem Osnabrücker Publikum schon einmal ordentlich einzuheizen. Und selbst wenn der gebotene Metalcore anno 2012 alles andere als einfallsreich daherkommt, bringt das Quintett trotzdem schon einigermaßen Bewegung in den Club und erntet auch mehr als nur Höflichkeitsapplaus. Das liegt vor allem an Sänger Lars, der sowohl mit Gesten als auch mit Worten die Leute dazu animiert, sich näher an die Bühne zu wagen – schließlich handele es sich bei ihm und seinen Mitstreitern um fünf liebe Jungs, die niemandem etwas tun würden. Trotz des Skepsis verbreitenden Bandnamens kommt der eine oder andere Besucher der Bitte des ohne cleane Vocals auskommenden Sängers nach, so manche treibende Doublebass-Einlage macht auch Laune auf mehr – gegen den Orkan, der später an diesem Abend noch entfacht werden soll, bleibt der Auftritt von AND THERE WILL BE BLOOD aber ein verhältnismäßig laues Metalcore-Lüftchen.

Ähnlich sieht es bei den ebenfalls aus dem Raum Osnabrück stammenden WHEN YOU SCREAM aus. Deren Melodic Death Metal ist ganz nett anzuhören, die Gitarrenarbeit ist auch ein wenig filigraner als bei ihren Kollegen, jedoch können auch diese fünf Jungs den meisten Zuschauern nicht mehr als ein anerkennendes Kopfnicken entlocken. Trotz einer nicht wegzudiskutierenden Portion Nervosität („Hallo zusammen, wir sind Osnabrück… Ähm, wir sind WHEN YOU SCREAM aus Osnabrück!“) gibt die Band um Frontröhre Matwey alles, um ihrer Anheizerrolle gerecht zu werden. Von fliegenden Haaren bis hin zu gereckten Fäusten deckt die Band einen ordentlichen Teil der Palette des metallischen Entertainments ab. Leider ist aber das Songmaterial nicht der Melodic Death-Weisheit letzter Schluss, was insbesondere bei dem abschließend in den Club gewalzten BOLT THROWER-Cover „When Cannons Fade“ deutlich wird, das erstmals für fast schon euphorische Reaktionen sorgt.

So weit, so gut, die NEAERA-Fans haben zwei sehr junge lokale Bands aufspielen sehen, die noch einiges an Luft nach oben haben. Die eingangs erwähnten Blut, Schweiß und Tränen sollen also erst beim Headliner des Abends fließen.

Und der wird mit Spannung erwartet. Während des verheißungsvollen Intros harren die Besucher gebannt der Dinge, die da kommen sollen, doch schon mit den ersten Tönen des Openers „Mechanisms Of Standstill“ bricht die Hölle los. Es wird geschoben, es wird gedrückt, an ein Fotografieren der Band ist nicht zu denken. Mit blutiger Lippe zieht sich der Redakteur deshalb schnellstmöglich zurück, bevor NEAERA mit der nächsten Abrissbirne namens „The World Devourers“ Höllenpforte Nummer Zwei öffnen. Das ist auch besser so, denn der Pit brodelt, immer wieder werden Crowdsurfer gesichtet, und sogar eine Wall Of Death erschüttert den kleinen Club. Ein Crowdsurfer wird nach einem Sturz auf die Bühne sogar von der Band in Richtung Backstagebereich dirigiert, wo ihm eine klaffende Platzwunde am Kopf genäht werden muss. Der Bitte von Frontsau Benny, doch bitte vorsichtig miteinander umzugehen, wird in der Folge auch mehr oder weniger nachgekommen; weitere hässliche Zwischenfälle sind zumindest mir nicht aufgefallen. Stattdessen erschüttert ein Musik gewordener Donnerschlag nach dem anderen den Bastard Club, die extrem gut aufgelegte Band lässt ein Highlight auf das andere folgen, von denen „Walls Instead Of Bridges“ wohl am lautesten abgefeiert wird. In die ansonsten ausschließlich aus Songs der ersten drei Alben bestehende Setlist mogelt sich auch noch ein Song des kommenden Albums „Ours Is The Storm“. Noch mehr freuen sich die meisten Fans aber über live seltener gespieltes Material wie „Save The Drowning Child“ oder „Scars Of Gray“, die neben altbewährten Songs wie „Where Submission Reigns“ oder „Let The Tempest Come“ den 26. Dezember zu einem wahren Festtag machen. Sowohl Band als auch Fans sind eigentlich schon ausgepumpt, trotzdem wird als Zugabe der Höllenschlund noch zwei weitere Male geöffnet und die Besucher mit „Spearheading The Spawn“ und dem obligatorischen „Synergy“ in die kalte Nachtluft entlassen. Aber natürlich nicht, ohne vorher noch ein T-Shirt zum weihnachtlichen Preis von zehn Euro abgegriffen zu haben, um für die bevorstehende Persistence Tour auch kleidungstechnisch gut gerüstet zu sein. Mit einer solchen Energieleistung werden NEAERA auch die großen Hallen der Republik im Sturm nehmen. „Ours Is The Storm“? Zweifellos!

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