Summer Breeze 2012
Summer Breeze 2012
Dinkelsbühl
15.08.2012
15.08.2012
Nein, hier handelt es sich nicht um einen verspäteten Aprilscherz, sondern um den Summer Breeze-Bericht zum letzten Jahr. Reichlich spät werdet ihr euch denken... und da muss ich euch mit einem Verzug von rund acht Monaten auch Recht geben. Wie kommt das? Als Schreiberling war ich natürlich eifrig vor Ort und hab viele Notizen gemacht. Daheim angekommen ging es dann aber auch gleich schon wieder weg, es folgte nämlich ein mehrwöchiges Praktikum ohne richtige Internetverbindung. Was also machen? Den Bericht mit einer Verspätung von mehr als einem Monat veröffentlichen? Mit dem Gedanken im Hinterkopf, dass sich die Leser dann schon längst auf anderen Portalen satt gelesen haben, war das nicht sonderlich motivierend. Warum also nicht den fertigen Bericht zur Seite legen und warten bis die nächste Festivalsaison startet. Bis man quasi wieder Geld ausgibt, um neue Tickets zu besorgen und um nochmal die Vorfreude anzuheizen? Ein gewagtes Experiment, doch wie ich im Nachhinein finde, auch ein gelungenes. Gerade in Anbetracht des momentanen Wetters hat mich der folgende Bericht über 3 Tage Sonnenschein und 30°C wieder ziemlich aufgeheitert. Und wer möchte nicht nochmal die Ereignisse von so manchen Bands rekapitulieren?
Die Anreise erfolgt wie auch im Jahr zuvor erst am Donnerstag. Die leeren Straßen machen mir schnell klar, dass ich damit wohl einer der wenigen bin. Pünktlich um 12:00 Uhr erscheine ich bei den Fahrzeugkontrollen, bei denen fast schon so etwas wie gähnende Leere herrscht. Auf dem Gelände angekommen ergattere ich noch einen Platz im hintersten Eck des Campingplatzes. Der rund 20minütige Fußmarsch zum Festival lässt öfters die Frage aufkommen, warum ich nicht den komfortableren VIP-Campingbereich genutzt habe, doch die ausgelassene Stimmung, die hier bereits zu den frühen Nachmittagsstunden vorherrscht, lässt solche Gedanken sehr schnell wieder verstummen.
Donnerstag:
Typisch für mich hab ich den New Blood Award wieder einmal verpasst. Deswegen beginnt das Festival für mich mit BE'LAKOR. Ein Auftakt nach Maß! Ich vermute spontan, dass die Australier genauso überrascht sind wie ich, als ich endlich schweißgebadet die Bühne erreiche und eine ziemlich beachtliche Menge vorfinde. Die Stimmung ist dementsprechend ausgelassen und die Sonne gibt sich dazu von ihrer ungnädigsten Seite mit mindestens 30°C im Schatten. Doch angesichts des eingängigen Death Metal der Jungs kann ich es gut verstehen, dass sich manche Besucher trotzdem so richtig auspowern.
Weiterhin typisch für das Summer Breeze ist wohl auch die Running Order, die schon in der Vergangenheit einigen guten Bands einen unbeliebten 15:00 Uhr Platz verpasst hat. Diesmal hat es MANEGARM getroffen, eine derjenigen Viking Bands, die mir wegen ihrer etwas härteren Spielweise schon seit jeher viel Spaß bereiten. Die Jungs liefern ein gutes Programm aus fast 20 Jahre Bandgeschichte ab, für mich zwar etwas zu weich in ihrer Songauswahl, doch für das Summer Breeze augenscheinlich ideal. Gerade bei den folkloristischen Stücken taut das Publikum so richtig auf, wohingegen ich an „Eternity Awaits“ am meisten Gefallen finde. Insgesamt gibt es aber auch für mich keinen Grund sich zu beklagen, denn wer will bei MAGEGARM schon rummeckern.
Nach einer kurzen Zwischenpause begebe ich mich ins Partyzelt, dort bereiten sich nämlich gerade GLORIOR BELLI auf ihren Auftritt vor. Für mich eine unbekannte Band, und ich will mich einfach mal überraschen lassen. Ebenso wie mir ergeht es eine Hand voll weiterer Zuschauer, die zwar eine gehörige Menge bilden, aber insgesamt noch eher zurückhaltend wirken. Große Überraschungen gibt es nicht wirklich, denn was man zu hören bekommt ist einfacher Black Metal und irgendwie will mir nichts anderes in den Kopf gehen als stumpfes Durcheinander. Keine sonderlich anspruchsvolle Musik, aber ganz sicher auch einer der etwas mäßigeren Auftritte auf diesem Festival.
Interessanter wird es schon bei AGRYPNIE, und das wissen wohl auch die restlichen Besucher, die in Scharen herbeiströmen. Oder suchen sie nur Zuflucht vor der Hitze? Man könnte es fast meinen, doch der Opener „Der Tote Trakt“ belehrt schnell eines Besseren. Souverän wie immer schmeichelt sich Frontmann Torsten in die Herzen der Leute, während stimmungsbehafteter Black Metal die Luft erfüllt. Rückblickend eine tolle und kurzweilige Show, die das nächste Mal gerne etwas länger ausfallen darf.
Weiter geht es mit NAPALM DEATH, deren Album „Utilitarian“ zum gegenwärtigen Zeitpunkt ja nicht mehr ganz frisch auf dem Markt ist, aber zumindest immer noch lauwarm, weswegen meine Vorfreude auf die Engländer riesig ist. Und wie immer wird man bei NAPALM DEATH nicht enttäuscht. Nach dem Opener „Circumspect“ wird alles zerlegt, zertrümmert und niedergeschmettert. Es folgen weitere Highlights der Band wie „Scum“ oder „You Suffer“, doch hauptsächlich Songs vom letzten Album. Bei Hits wie „Analysis Paralysis“ oder „Everyday Pox“ soll mir das Recht sein. Rückblickend betrachtet der vielleicht beste Auftritt des ganzen Festivals. Barney Greenway und Konsorten in Topform und die passende Stimmung vor der Bühne, da kann gar nichts schief gehen.
Freitag:
Es ist Freitag Morgen, 12:00 Uhr. Zugegeben, am Tag zuvor war ich etwas faul. Sei es durch die lange Anfahrt oder die brütende Hitze, jedoch musste ich mich zeitig ins Zelt begeben, die Batterien waren einfach leer. Doch das ist nun Schnee von gestern, denke ich mir, und nehme mir etwas Zeit um die Organisation des Festivals zu checken: Die Toiletten scheinen sauber zu sein, die Warteschlangen vor den Duschen sind erträglich kurz und auch das leibliche Wohl ist zu Fuß erreichbar. Zusammen mit bestem Wetter und Sonnenschein ideale Vorzeichen für einen tollen Tag.
Der beginnt standesgemäß mit einem Bier vor und DEW-SCENTED auf der Bühne. Thrash Metal ist meistens ein Garant für ausgelassene Stimmung, und die Honigmäuler aus Braunschweig meistern dies mit links. Der Auftritt besteht fast nur aus ihrem brandneuen Album „Icarus“. Das Album hat mich im Vorfeld nicht wirklich begeistern können, doch live ist das eine ganz andere Sache. Trotz komplett neuer Besetzung schmeißen die Jungs richtig geilen Metal von der Bühne runter, genau der richtige Wachmacher. Und wieder einmal kriegt man bestätigt, was auf der CD nicht klappt, klappt ja vielleicht Live.
Von der Mittagshitze niedergeschlagen bleibe ich fast schon lethargisch im Bühnenbereich stehen und werde alsbald von MYSTIC PROPHECY überrascht. Ein krasser Kontrast zu den leicht düsteren DEW-SCENTED, denn mit locker leichtem Power Metal bringen sie Farbe in den Festival Alltag. Ich habe von der Band noch nie wirklich etwas gehört, noch finde ich ihre Musik sonderlich innovativ und auch die Zuschauer vor der Bühne machen sich ziemlich rar, doch eigentlich ist das ganze eine ziemlich gemütliche Angelegenheit.
Sludge Metal ist für mich ja eher mit Vorsicht zu genießen, doch CROWBAR wissen nun einmal, wie es richtig geht. Zähfließende, langsame Musik, brutal und psychedelisch, dazu die pralle Sonne im Nacken, die scheinbar keinen einzigen Schatten hinterlässt. Eine komische Kombination, die mich in tranceähnliche Zustände versetzt. Bevor ich noch weiter in diesen Sumpf aus drogenähnlichen Zustände versinke, beschließe ich eine Pause am Zelt einzulegen.
Ich komme gerade noch rechtzeitig, um das Ende von NILE genießen zu dürfen. Technisch perfekt und mit einer Wucht, die eigentlich unbeschreiblich ist, geben sich die Ägypter um Karl Sanders zum Besten. „Sarcophagus“ kann ich gerade noch so heraushören, während ich mich dem Geschehen nähere, es folgen schließlich „Lashed to the Slave Stick“ und der Rausschmeißer „Black Seeds of Vengeance“. Obwohl ich nur 15 Minuten der ganzen Show höre, kann ich sagen, dass auch dies ein grandioser Auftritt war, genauso wie man es von solchen Urgesteinen erwartet.
HEIDEVOLK tanzen nun im Party Zelt auf, und nachdem ich von ihrem Album „Uit Oude Grond“ äußerst angetan bin und auch "Batavi" sehr gelungen finde, höre ich mir diese Vorstellung natürlich an. Während dem Auftritt muss ich leider das typische Manko von Folk Bands erkennen, nämlich die schlechte Umsetzbarkeit mancher Songs bzw. der darauf enthaltenen Instrumente. Die Zuhörern im gut gefüllten Zelt stört das weniger, die sind freudig gestimmt, tanzen, moshen, und stoßen mit ihren Trinkhörnern an. Dies liegt wohl hauptsächlich an der freudigen Stimmung der Holländer, die munter auf der Bühne rumspringen. Instrumentale Mängel hin oder her, wer ein Auge zudrücken kann, hat hier eine Menge Spaß.
Wie erwartet blockiert eine gehörige Menge den Weg zur Pain Stage. SIX FEET UNDER befinden sich nämlich darauf und geben ihren groovigen Death Metal zum Besten. Die Reaktion des Publikums kann man sich gut vorstellen. Crowdsurfer ohne Ende und ausflippende Jugendliche beim letzten Song „T.N.T.“, die beim vorherigen „Hammer Smashed Face“ schon fast vor Aufregung gestorben sind. So zumindest meine etwas sarkastische Einschätzung der Sachlage. Ich kann mich aus 200m Entfernung nicht wirklich anstecken lassen vom SFU Charme, möchte dem Auftritt dennoch ein halbwegs gutes Urteil ausstellen. Zumindest von Seiten der Band wurde alles korrekt, souverän und professionell gehandhabt.
Es folgt für mich eine etwas ruhigere Zeit im Partyzelt zu den Klängen von KRISIUN. Ruhig nicht etwa wegen der Musik, nein, viel eher weil ich es gerade richtig genieße, mich im hinteren Bereich des Zeltes beschallen zu lassen. Die drei Brüder aus Brasilien unterhalten die wildgewordene Meute mit ihrem schwarz angehauchten Death Metal bestens und ich bin in den hinteren Reihen als stiller Genießer auch nicht alleine. Für mich sind KRISIUN definitiv eine Band, von der ich nicht oft etwas höre, doch wenn ich etwas höre, dann stimmt die Qualität. Einfach nur spitze. Wie ich finde, die beste Methode, um die nervenzehrende Wartezeit zu überbrücken. Nervenzehrend deswegen, weil kein geringerer als...
...das Urgestein IMMORTAL auf der Bühne steht. Irgendwie schaffe ich es, noch eine halbwegs gute Position direkt vor den Lautsprechern zu erbeuten, dann beginnt auch schon das Intro. Mit Pyroshow, gepaart mit einem dunklen Lichtspiel auf der Bühne, beginnen die Norweger mit „Withstand the Fall of Time“ aus dem Jahr 1999. Weiter gehen sie, soweit ich es mitbekommen habe, auch nicht zurück, doch andere Klassiker wie „At the Heart of Winter“ und „Sons of Northern Darkness“ folgen. Aus dem letzten Album ist schließlich nur „All Shall Fail“ vertreten. Nach über elf Jahren Wartezeit für einen Auftritt in Deutschland ist es ein wirklich befreiender Moment. Ohne lange Reden wird die Setlist runtergebrettert und dabei auch noch auf unnötige satanische Showeinlagen verzichtet. Überraschenderweise hält sich das Publikum in Grenzen, zumindest für eine Band von diesem Kaliber. Dafür reihen sich schon sehr früh die ersten Leute vor der Pain Stage ein, denn dort sollen später noch CORVUS CORAX folgen. Ich kehre jedoch mit diesem bombastische Erlebnis zum Zelt zurück, mit der Gewissheit mich noch lange an diesen Auftritt erinnern zu können.
Samstag:
Es beginnt für mich Tag Drei, für die meisten aber schon Tag Vier des Festivals. Das Wetter beginnt abermals grandios und ein Blick in die Running Order lässt Gutes hoffen.
Die lange Nacht von gestern steckt mir noch in den Knochen und deswegen sind NAGLFAR die ersten, zu denen ich mich aufraffen kann. Die düsteren Schweden habe ich zwar auch schon auf dem Party.San eifrig beobachtet, doch von ihrem neuem Album „Teras“ lasse ich mich gerne noch öfters bezaubern. Während in Schlotheim der vorletzte Slot des Abends reserviert wurde, müssen sie sich hier mit strahlendem Sonnenschein am frühen Nachmittag um 14:00 Uhr begnügen. Highlights, die ich raushören kann, sind „Harvest“ und „Pale Horse“. Für mich ist das kein Grund, um Trübsal zu blasen, denn was gibt es schon Schöneres als NAGLFAR, um den letzten Schlaf aus den Gliedern zu treiben. Professionell, jedoch ohne großes Spektakel, geben sich die Jungs auf der Bühne von ihrer besten Seite und ignorieren völlig die etwas klein geratene Menge.
Der nächste Knaller kommt gegen 15:00 Uhr mit UNLEASHED. Ein Garant für gute, klassische Death Metal Alben, aber auch für gute Live Shows. Bei der ersten Show, die ich bewundern durfte, verzauberten sie mich mit „In Victory or Defeat“. Der Song ist diesmal nicht am Start, doch dafür viele andere Klassiker. Irgendwie scheint ja jeder Song von diesen Jungs ein Klassiker zu sein, und die Setlist gibt mir ziemlich Recht:
Destruction Of The Race Of Men
This Time We Fight
The Longships Are Coming
Fimbulwinter
To Asgaard We Fly
Victims Of War
Hammer Batallion
Etwas Schatten gibt es für alle, die sich zu DESASTER ins Zelt aufmachen. Ich staune nicht schlecht, als die Jungs vor leeren Reihen spielen müssen. Als wären DESASTER ein unbeschriebenes Blatt, aber mittlerweile verwundert mich auf dem Summer Breeze ja gar nichts mehr. Der Auftritt passt, die Band lässt sich von dem leichten Desinteresse nicht beeindrucken und zockt ihr Ding grandios durch.
Was CATTLE DECAPITATION und DESASTER gemeinsam haben? Einen schlecht abgestimmten Sound. Zumindest hier auf dem Summer Breeze im Partyzelt, das schon ein paar Mal mit viel zu groben Soundwänden aufgefallen ist. Ein einziger Brei kommt aus den Boxen, unausgeglichen und einfach nur laut. Während das manche Bands noch gut verkraften können, sind z.B. CATTLE DECAPITATION völlig aufgeschmissen. Wie soll man denn Death Metal der Sorte „atomarer Erstschlag“ vernünftig an die Leute bringen, wenn der Sound völlig versagt?
Während auf den Hauptbühnen mir mehr oder weniger unbekannte Bands spielen, ist die Running Order für das Zelt gespickt mit Highlights der extremen Musikszene. Weiter geht’s mit NIFELHEIM und ihrer typisch ironisch-makaberen Darbietung im Sinne Satans und den perfekt abgestimmten Klamotten dazu. Es wird wirklich kein Klischee ausgelassen. Ich weiß nicht, was besser ist, diese kultige Darbietung oder ihr schwarzer Thrash Metal. Ich bin begeistert.
Als weitere heftige Nummer folgt SHINING. Vom Kaliber her ähnlich CATTLE DECAPITATION, nur natürlich in Black Metal Gewässern unterwegs. Soundmäßig wird es deutlich besser, doch das Beste für mich ist immer noch das Getue von Niklas Kvarforth, sein Herumkriechen auf der Bühne und die Ernsthaftigkeit, mit der er seine Musik an die Leute bringt. Das nenn ich mal Einsatz! Auch wenn es dafür einen echten Psycho benötigt...
„Hallo, ich bin Roland Kaiser“...das kann nur von einem kommen, nämlich von Martin van Drunen, der gerade mit ASPHYX die Bühne gestürmt hat. Das Zelt platzt fast aus allen Nähten, und was soll man noch dazu sagen.... ASPHYX sind eben ein Garant für gute Shows und ich denke, es reicht völlig, wenn ich an dieser Stelle einfach mal die Setlist niederschreibe:
The Quest Of Absurdity
Vermin
Scorbutics
Into The Timewastes
M.S. Bismarck
Death The Brutal Way
Der Landser (German Version)
Deathhammer
Forgotten War
The Rack
Das Ende der Show ist für mich eine gute Gelegenheit das Feld zu räumen. NAGLFAR, UNLEASHED, DESASTER, CATTLE DECAPITATION, NIFELHEIM, SHINING und ASPHYX am Stück ist ein ziemlicher Kraftakt, und natürlich eine super starke Nummer vom Summer Breeze, wenn sie einen Abend mit diesen Highlights füllt. Für mich waren das die besten Stunden des ganzen Festivals, doch sicherlich auch die anstrengendsten. Es folgen zwar noch weitere durchaus bekannte Bands, doch AMON AMARTH und KATATONIA als Headliner sind für mich nach diesem langen Tag kein ausreichender Anreiz noch länger durchzuhalten.
Fazit: Das Summer Breeze glänzte mal wieder von seiner positiven Seite. Mit drei Bühnen (+ Camel Stage) und Spielzeiten von 12:00 Uhr bis 03:00 Uhr am nächsten Morgen war wirklich für jeden etwas dabei. Diesen Eindruck erweckte auch der Campingplatz, der von jung bis alt, Black Metal bis Hardcore, alle Fans beherbergte. Abgerundet wird das ganze noch durch die tadellose Organisation seitens der Veranstalter, die wie immer für beste äußere Umstände und einen reibungslosen Ablauf sorgten.
Die Anreise erfolgt wie auch im Jahr zuvor erst am Donnerstag. Die leeren Straßen machen mir schnell klar, dass ich damit wohl einer der wenigen bin. Pünktlich um 12:00 Uhr erscheine ich bei den Fahrzeugkontrollen, bei denen fast schon so etwas wie gähnende Leere herrscht. Auf dem Gelände angekommen ergattere ich noch einen Platz im hintersten Eck des Campingplatzes. Der rund 20minütige Fußmarsch zum Festival lässt öfters die Frage aufkommen, warum ich nicht den komfortableren VIP-Campingbereich genutzt habe, doch die ausgelassene Stimmung, die hier bereits zu den frühen Nachmittagsstunden vorherrscht, lässt solche Gedanken sehr schnell wieder verstummen.
Donnerstag:
Typisch für mich hab ich den New Blood Award wieder einmal verpasst. Deswegen beginnt das Festival für mich mit BE'LAKOR. Ein Auftakt nach Maß! Ich vermute spontan, dass die Australier genauso überrascht sind wie ich, als ich endlich schweißgebadet die Bühne erreiche und eine ziemlich beachtliche Menge vorfinde. Die Stimmung ist dementsprechend ausgelassen und die Sonne gibt sich dazu von ihrer ungnädigsten Seite mit mindestens 30°C im Schatten. Doch angesichts des eingängigen Death Metal der Jungs kann ich es gut verstehen, dass sich manche Besucher trotzdem so richtig auspowern.
Weiterhin typisch für das Summer Breeze ist wohl auch die Running Order, die schon in der Vergangenheit einigen guten Bands einen unbeliebten 15:00 Uhr Platz verpasst hat. Diesmal hat es MANEGARM getroffen, eine derjenigen Viking Bands, die mir wegen ihrer etwas härteren Spielweise schon seit jeher viel Spaß bereiten. Die Jungs liefern ein gutes Programm aus fast 20 Jahre Bandgeschichte ab, für mich zwar etwas zu weich in ihrer Songauswahl, doch für das Summer Breeze augenscheinlich ideal. Gerade bei den folkloristischen Stücken taut das Publikum so richtig auf, wohingegen ich an „Eternity Awaits“ am meisten Gefallen finde. Insgesamt gibt es aber auch für mich keinen Grund sich zu beklagen, denn wer will bei MAGEGARM schon rummeckern.
Nach einer kurzen Zwischenpause begebe ich mich ins Partyzelt, dort bereiten sich nämlich gerade GLORIOR BELLI auf ihren Auftritt vor. Für mich eine unbekannte Band, und ich will mich einfach mal überraschen lassen. Ebenso wie mir ergeht es eine Hand voll weiterer Zuschauer, die zwar eine gehörige Menge bilden, aber insgesamt noch eher zurückhaltend wirken. Große Überraschungen gibt es nicht wirklich, denn was man zu hören bekommt ist einfacher Black Metal und irgendwie will mir nichts anderes in den Kopf gehen als stumpfes Durcheinander. Keine sonderlich anspruchsvolle Musik, aber ganz sicher auch einer der etwas mäßigeren Auftritte auf diesem Festival.
Interessanter wird es schon bei AGRYPNIE, und das wissen wohl auch die restlichen Besucher, die in Scharen herbeiströmen. Oder suchen sie nur Zuflucht vor der Hitze? Man könnte es fast meinen, doch der Opener „Der Tote Trakt“ belehrt schnell eines Besseren. Souverän wie immer schmeichelt sich Frontmann Torsten in die Herzen der Leute, während stimmungsbehafteter Black Metal die Luft erfüllt. Rückblickend eine tolle und kurzweilige Show, die das nächste Mal gerne etwas länger ausfallen darf.
Weiter geht es mit NAPALM DEATH, deren Album „Utilitarian“ zum gegenwärtigen Zeitpunkt ja nicht mehr ganz frisch auf dem Markt ist, aber zumindest immer noch lauwarm, weswegen meine Vorfreude auf die Engländer riesig ist. Und wie immer wird man bei NAPALM DEATH nicht enttäuscht. Nach dem Opener „Circumspect“ wird alles zerlegt, zertrümmert und niedergeschmettert. Es folgen weitere Highlights der Band wie „Scum“ oder „You Suffer“, doch hauptsächlich Songs vom letzten Album. Bei Hits wie „Analysis Paralysis“ oder „Everyday Pox“ soll mir das Recht sein. Rückblickend betrachtet der vielleicht beste Auftritt des ganzen Festivals. Barney Greenway und Konsorten in Topform und die passende Stimmung vor der Bühne, da kann gar nichts schief gehen.
Freitag:
Es ist Freitag Morgen, 12:00 Uhr. Zugegeben, am Tag zuvor war ich etwas faul. Sei es durch die lange Anfahrt oder die brütende Hitze, jedoch musste ich mich zeitig ins Zelt begeben, die Batterien waren einfach leer. Doch das ist nun Schnee von gestern, denke ich mir, und nehme mir etwas Zeit um die Organisation des Festivals zu checken: Die Toiletten scheinen sauber zu sein, die Warteschlangen vor den Duschen sind erträglich kurz und auch das leibliche Wohl ist zu Fuß erreichbar. Zusammen mit bestem Wetter und Sonnenschein ideale Vorzeichen für einen tollen Tag.
Der beginnt standesgemäß mit einem Bier vor und DEW-SCENTED auf der Bühne. Thrash Metal ist meistens ein Garant für ausgelassene Stimmung, und die Honigmäuler aus Braunschweig meistern dies mit links. Der Auftritt besteht fast nur aus ihrem brandneuen Album „Icarus“. Das Album hat mich im Vorfeld nicht wirklich begeistern können, doch live ist das eine ganz andere Sache. Trotz komplett neuer Besetzung schmeißen die Jungs richtig geilen Metal von der Bühne runter, genau der richtige Wachmacher. Und wieder einmal kriegt man bestätigt, was auf der CD nicht klappt, klappt ja vielleicht Live.
Von der Mittagshitze niedergeschlagen bleibe ich fast schon lethargisch im Bühnenbereich stehen und werde alsbald von MYSTIC PROPHECY überrascht. Ein krasser Kontrast zu den leicht düsteren DEW-SCENTED, denn mit locker leichtem Power Metal bringen sie Farbe in den Festival Alltag. Ich habe von der Band noch nie wirklich etwas gehört, noch finde ich ihre Musik sonderlich innovativ und auch die Zuschauer vor der Bühne machen sich ziemlich rar, doch eigentlich ist das ganze eine ziemlich gemütliche Angelegenheit.
Sludge Metal ist für mich ja eher mit Vorsicht zu genießen, doch CROWBAR wissen nun einmal, wie es richtig geht. Zähfließende, langsame Musik, brutal und psychedelisch, dazu die pralle Sonne im Nacken, die scheinbar keinen einzigen Schatten hinterlässt. Eine komische Kombination, die mich in tranceähnliche Zustände versetzt. Bevor ich noch weiter in diesen Sumpf aus drogenähnlichen Zustände versinke, beschließe ich eine Pause am Zelt einzulegen.
Ich komme gerade noch rechtzeitig, um das Ende von NILE genießen zu dürfen. Technisch perfekt und mit einer Wucht, die eigentlich unbeschreiblich ist, geben sich die Ägypter um Karl Sanders zum Besten. „Sarcophagus“ kann ich gerade noch so heraushören, während ich mich dem Geschehen nähere, es folgen schließlich „Lashed to the Slave Stick“ und der Rausschmeißer „Black Seeds of Vengeance“. Obwohl ich nur 15 Minuten der ganzen Show höre, kann ich sagen, dass auch dies ein grandioser Auftritt war, genauso wie man es von solchen Urgesteinen erwartet.
HEIDEVOLK tanzen nun im Party Zelt auf, und nachdem ich von ihrem Album „Uit Oude Grond“ äußerst angetan bin und auch "Batavi" sehr gelungen finde, höre ich mir diese Vorstellung natürlich an. Während dem Auftritt muss ich leider das typische Manko von Folk Bands erkennen, nämlich die schlechte Umsetzbarkeit mancher Songs bzw. der darauf enthaltenen Instrumente. Die Zuhörern im gut gefüllten Zelt stört das weniger, die sind freudig gestimmt, tanzen, moshen, und stoßen mit ihren Trinkhörnern an. Dies liegt wohl hauptsächlich an der freudigen Stimmung der Holländer, die munter auf der Bühne rumspringen. Instrumentale Mängel hin oder her, wer ein Auge zudrücken kann, hat hier eine Menge Spaß.
Wie erwartet blockiert eine gehörige Menge den Weg zur Pain Stage. SIX FEET UNDER befinden sich nämlich darauf und geben ihren groovigen Death Metal zum Besten. Die Reaktion des Publikums kann man sich gut vorstellen. Crowdsurfer ohne Ende und ausflippende Jugendliche beim letzten Song „T.N.T.“, die beim vorherigen „Hammer Smashed Face“ schon fast vor Aufregung gestorben sind. So zumindest meine etwas sarkastische Einschätzung der Sachlage. Ich kann mich aus 200m Entfernung nicht wirklich anstecken lassen vom SFU Charme, möchte dem Auftritt dennoch ein halbwegs gutes Urteil ausstellen. Zumindest von Seiten der Band wurde alles korrekt, souverän und professionell gehandhabt.
Es folgt für mich eine etwas ruhigere Zeit im Partyzelt zu den Klängen von KRISIUN. Ruhig nicht etwa wegen der Musik, nein, viel eher weil ich es gerade richtig genieße, mich im hinteren Bereich des Zeltes beschallen zu lassen. Die drei Brüder aus Brasilien unterhalten die wildgewordene Meute mit ihrem schwarz angehauchten Death Metal bestens und ich bin in den hinteren Reihen als stiller Genießer auch nicht alleine. Für mich sind KRISIUN definitiv eine Band, von der ich nicht oft etwas höre, doch wenn ich etwas höre, dann stimmt die Qualität. Einfach nur spitze. Wie ich finde, die beste Methode, um die nervenzehrende Wartezeit zu überbrücken. Nervenzehrend deswegen, weil kein geringerer als...
...das Urgestein IMMORTAL auf der Bühne steht. Irgendwie schaffe ich es, noch eine halbwegs gute Position direkt vor den Lautsprechern zu erbeuten, dann beginnt auch schon das Intro. Mit Pyroshow, gepaart mit einem dunklen Lichtspiel auf der Bühne, beginnen die Norweger mit „Withstand the Fall of Time“ aus dem Jahr 1999. Weiter gehen sie, soweit ich es mitbekommen habe, auch nicht zurück, doch andere Klassiker wie „At the Heart of Winter“ und „Sons of Northern Darkness“ folgen. Aus dem letzten Album ist schließlich nur „All Shall Fail“ vertreten. Nach über elf Jahren Wartezeit für einen Auftritt in Deutschland ist es ein wirklich befreiender Moment. Ohne lange Reden wird die Setlist runtergebrettert und dabei auch noch auf unnötige satanische Showeinlagen verzichtet. Überraschenderweise hält sich das Publikum in Grenzen, zumindest für eine Band von diesem Kaliber. Dafür reihen sich schon sehr früh die ersten Leute vor der Pain Stage ein, denn dort sollen später noch CORVUS CORAX folgen. Ich kehre jedoch mit diesem bombastische Erlebnis zum Zelt zurück, mit der Gewissheit mich noch lange an diesen Auftritt erinnern zu können.
Samstag:
Es beginnt für mich Tag Drei, für die meisten aber schon Tag Vier des Festivals. Das Wetter beginnt abermals grandios und ein Blick in die Running Order lässt Gutes hoffen.
Die lange Nacht von gestern steckt mir noch in den Knochen und deswegen sind NAGLFAR die ersten, zu denen ich mich aufraffen kann. Die düsteren Schweden habe ich zwar auch schon auf dem Party.San eifrig beobachtet, doch von ihrem neuem Album „Teras“ lasse ich mich gerne noch öfters bezaubern. Während in Schlotheim der vorletzte Slot des Abends reserviert wurde, müssen sie sich hier mit strahlendem Sonnenschein am frühen Nachmittag um 14:00 Uhr begnügen. Highlights, die ich raushören kann, sind „Harvest“ und „Pale Horse“. Für mich ist das kein Grund, um Trübsal zu blasen, denn was gibt es schon Schöneres als NAGLFAR, um den letzten Schlaf aus den Gliedern zu treiben. Professionell, jedoch ohne großes Spektakel, geben sich die Jungs auf der Bühne von ihrer besten Seite und ignorieren völlig die etwas klein geratene Menge.
Der nächste Knaller kommt gegen 15:00 Uhr mit UNLEASHED. Ein Garant für gute, klassische Death Metal Alben, aber auch für gute Live Shows. Bei der ersten Show, die ich bewundern durfte, verzauberten sie mich mit „In Victory or Defeat“. Der Song ist diesmal nicht am Start, doch dafür viele andere Klassiker. Irgendwie scheint ja jeder Song von diesen Jungs ein Klassiker zu sein, und die Setlist gibt mir ziemlich Recht:
Destruction Of The Race Of Men
This Time We Fight
The Longships Are Coming
Fimbulwinter
To Asgaard We Fly
Victims Of War
Hammer Batallion
Etwas Schatten gibt es für alle, die sich zu DESASTER ins Zelt aufmachen. Ich staune nicht schlecht, als die Jungs vor leeren Reihen spielen müssen. Als wären DESASTER ein unbeschriebenes Blatt, aber mittlerweile verwundert mich auf dem Summer Breeze ja gar nichts mehr. Der Auftritt passt, die Band lässt sich von dem leichten Desinteresse nicht beeindrucken und zockt ihr Ding grandios durch.
Was CATTLE DECAPITATION und DESASTER gemeinsam haben? Einen schlecht abgestimmten Sound. Zumindest hier auf dem Summer Breeze im Partyzelt, das schon ein paar Mal mit viel zu groben Soundwänden aufgefallen ist. Ein einziger Brei kommt aus den Boxen, unausgeglichen und einfach nur laut. Während das manche Bands noch gut verkraften können, sind z.B. CATTLE DECAPITATION völlig aufgeschmissen. Wie soll man denn Death Metal der Sorte „atomarer Erstschlag“ vernünftig an die Leute bringen, wenn der Sound völlig versagt?
Während auf den Hauptbühnen mir mehr oder weniger unbekannte Bands spielen, ist die Running Order für das Zelt gespickt mit Highlights der extremen Musikszene. Weiter geht’s mit NIFELHEIM und ihrer typisch ironisch-makaberen Darbietung im Sinne Satans und den perfekt abgestimmten Klamotten dazu. Es wird wirklich kein Klischee ausgelassen. Ich weiß nicht, was besser ist, diese kultige Darbietung oder ihr schwarzer Thrash Metal. Ich bin begeistert.
Als weitere heftige Nummer folgt SHINING. Vom Kaliber her ähnlich CATTLE DECAPITATION, nur natürlich in Black Metal Gewässern unterwegs. Soundmäßig wird es deutlich besser, doch das Beste für mich ist immer noch das Getue von Niklas Kvarforth, sein Herumkriechen auf der Bühne und die Ernsthaftigkeit, mit der er seine Musik an die Leute bringt. Das nenn ich mal Einsatz! Auch wenn es dafür einen echten Psycho benötigt...
„Hallo, ich bin Roland Kaiser“...das kann nur von einem kommen, nämlich von Martin van Drunen, der gerade mit ASPHYX die Bühne gestürmt hat. Das Zelt platzt fast aus allen Nähten, und was soll man noch dazu sagen.... ASPHYX sind eben ein Garant für gute Shows und ich denke, es reicht völlig, wenn ich an dieser Stelle einfach mal die Setlist niederschreibe:
The Quest Of Absurdity
Vermin
Scorbutics
Into The Timewastes
M.S. Bismarck
Death The Brutal Way
Der Landser (German Version)
Deathhammer
Forgotten War
The Rack
Das Ende der Show ist für mich eine gute Gelegenheit das Feld zu räumen. NAGLFAR, UNLEASHED, DESASTER, CATTLE DECAPITATION, NIFELHEIM, SHINING und ASPHYX am Stück ist ein ziemlicher Kraftakt, und natürlich eine super starke Nummer vom Summer Breeze, wenn sie einen Abend mit diesen Highlights füllt. Für mich waren das die besten Stunden des ganzen Festivals, doch sicherlich auch die anstrengendsten. Es folgen zwar noch weitere durchaus bekannte Bands, doch AMON AMARTH und KATATONIA als Headliner sind für mich nach diesem langen Tag kein ausreichender Anreiz noch länger durchzuhalten.
Fazit: Das Summer Breeze glänzte mal wieder von seiner positiven Seite. Mit drei Bühnen (+ Camel Stage) und Spielzeiten von 12:00 Uhr bis 03:00 Uhr am nächsten Morgen war wirklich für jeden etwas dabei. Diesen Eindruck erweckte auch der Campingplatz, der von jung bis alt, Black Metal bis Hardcore, alle Fans beherbergte. Abgerundet wird das ganze noch durch die tadellose Organisation seitens der Veranstalter, die wie immer für beste äußere Umstände und einen reibungslosen Ablauf sorgten.