Sepultura Accu§er & Hammercult

Sepultura, Accu§er & Hammercult

Accu§erHammercultSepultura
Essen, Turock
11.05.2013
Wo vor zwei Tagen noch gähnende Leere herrschte, steht heute eine lange Schlange vor den Türen. Man darf also wohl behaupten, dass der Name SEPULTURA auch ohne Cavaleras in vielen Ohren immer noch gut klingt. Dank Rauchverbot und der aufgrund der Anschlussveranstaltung ausgegebenen Verzehrkarten (statt Direktbezahlung der Getränke) gibt es zudem einen netten kleinen Pferch vor dem Turock, aus dem die rauchenden Massen aufgrund der Platzverhältnisse spätestens in den Umbaupausen eigentlich von urbanen Aktivisten befreit werden müssten.

Mit einer Menge Schwung und Selbstvertrauen eröffnen HAMMERCULT den energiegeladenen Abend, da kann ihnen auch die etwas grobe Abmischung nichts anhaben. Frontmann Yakir Shochat wechselt ansatz- und fast mühelos von grimmigem Grollen zu fast schon SACRED STEEL würdigen Screams - selbst wenn die Wahl ausgerechnet dieser Vergleichsband zugegebenermaßen etwas von seinem Shirt begünstigt wird. Während die Israelis die Brachialität ihrer Musik während der Lieder genussvoll ausleben, präsentieren sie sich dazwischen als gelassene und mit einer ob ihrer recht jungen Geschichte erstaunlichen Selbstverständlichkeit ausgestattete Animateure, die bei den Ansagen den richtigen Ton treffen. Ein kleiner Faktor könnte die fanatische kleine HAMMERCULT-Gemeinde unmittelbar vor der Bühne sein, wobei ich auch mit etwas Abstand nicht weiß, wie und ob ich das Schwenken einer Israelflagge (neben den Stadtfarben Münsters) bewerten soll. Nachdem Yakir inmitten seines Wirbelns noch ein Becken erfolgreich mit dem Mikro traktiert hat, geht ein intensiver Auftritt zu Ende, der verheißt, dass man von der Band noch einiges erwarten darf.

Von den seit einigen Jahren wieder aus allen Rohren feuernden ACCU§ER bleibt mir leider einiges verborgen, weil ich im Interview mit Yakir stecke, doch das proppenvolle Turock ist kaum zu überhören. Mit dem düsteren neuen Album “Diabolic“ im Gepäck ist es zu verschmerzen, dass der Sound immer noch nicht astrein ist, denn zur Atmosphäre trägt das etwas gröbere durchaus bei. Weit mehr als die Hälfte des Publikums ist aus meiner Sicht entsprechend angetan von den Siegenern, bei denen der singende Frank Thoms einer noch nicht ganz abgeklungenen Krankheit erfolgreich trotzt, auch wenn er heute bei den Bühnenmetern keine Konkurrenz für seinen wie immer besonders agilen, bassenden Namensvetter ist. Trotz der beengten Platzverhältnisse im Publikum spürt man eine Menge Laune machenden Druck aus der Anlage, zumindest für mich behalten dabei die Lieder aus der jüngeren Vergangenheit allerdings die Oberhand gegenüber den ganz neuen, da das leichte Ausufern der längeren „Diabolic“-Lieder die Spannung nicht mit der gleichen Mischung aus Präzision und Lässigkeit auf Anschlag hält. Dennoch ein guter Auftritt von ACCU§ER, die live einfach noch eine Spur mehr zu Hause sind als auf den Alben.

Über die Cavaleralosigkeit von SEPULTURA und das damit verbundene Echtheitsproblem sind schon weit mehr als genug der Worte und Gedanken verloren worden, nicht nur weil Derrick Green mittlerweile das Mikro einige Jahre länger im Namen der Band ins Feld führt, als Max es je getan hat. Außerdem muss man – verdammt nochmal – anerkennen, dass der hünenhafte Sänger auf der Bühne ein wahnsinnig engagiertes Biest von einem Mann ist, der ganz genau weiß, was er wann und wie zu machen und zu sagen hat – gerne auch auf Deutsch. Und nur wem die Länge der Liste der bandeigenen Klassiker entfallen ist, kann es riskant erscheinen, dass bereits an zweiter Stelle „Refuse/Resist“ abgefeuert wird, denn danach ist der Saal dermaßen in Schwung gebracht, dass einige „bloß gute“ Lieder ihn niemals mehr aufhalten könn(t)en. Auffallend ist zudem, wie gelöst und befreit der seit einiger Zeit zum (in-)offiziellen Anführer beförderte Andreas Kisser heute wirkt, selten habe ich ihn jemals so, ja, vergnügt, entspannt und die Energie des Moments genießend wahrgenommen. Das kann auch dem eingefleischtesten Old School Fan nicht entgehen und als nach einem langen Abend mit „Roots Bloody Roots“ zum Schlussakkord aufgespielt wird, reizt das Publikum noch ein letztes Mal die verbliebenen Sprung- und Stimmkraftkapazitäten erfolgreich aus, so dass nur jene schweißtrocken sind, die im ganz hinteren Bereich verblieben. Ein bärenstarker Auftritt einer formstarken Band – und das sage ich nicht nur, weil mein ewiger Favorit „Biotech Is Godzilla“ Teil der Setlist war.

Setlist SEPULTURA
Intro
Troops Of Doom
Refuse/Resist
Kairos
Sepulnation
Altered State
Attitude
Choke
The Treatment
Biotech Is Godzilla
Polícia
Orgasmatron
Slave New World
Territory
Arise
Ratamahatta (Zugabe)
Roots Bloody Roots (Zugabe)
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