Powerwolf Majesty Battle Beast & Wisdom

Powerwolf, Majesty, Battle Beast & Wisdom

Battle BeastMajestyPowerwolfWisdom
Köln, Essigfabrik
24.10.2013
Eines Besseren belehrt werden Ungläubige, die darüber staunen, dass schon vor der ersten Band die Essigfabrik zu weiten Teilen gefüllt ist, denn wie heißt es doch in der Karpatenbibel: Wenn der Wolf ruft, strömen die Menschen aller Altersklassen herbei, auf dass sie vorübergehend erlöst werden von allem irdischen Ballast. Allerdings hat die Tourgestaltung vor den saarländischen Wolfgottesdienst drei mehr oder weniger anspruchsvolle Prüfungen platziert, die vor dem großen Finale gemeistert werden müssen.

Pünktlich um 19 Uhr beginnt die Pflicht mit WISDOM, die sich den Reaktionen zufolge offenbar von mir unbemerkt in der letzten Zeit eine erkleckliche Fanzahl erspielt haben. „Marching For Liberty“ heißt das brandneue Drittwerk der Ungarn (Bei YouTube komplett anhörbar), die Konservenschnörkel werden live allerdings recht rigoros gekürzt, was den hymnischen Power Metal der Ungarn geradlinig und leicht zugänglich macht. Einerseits beraubt das die Musik um ein weiteres Stück Originalität, andererseits wird auf diese Weise die Zahl der Einspielungen vom Band erfrischend überschaubar gehalten, was die Band ungekünstelter wirken lässt. Die absolut in Ordnung gehende Umsetzung profitiert von dem munteren Sänger Gábor Nagy, während ausgerechnet die beiden verbliebenen Gründungsmitglieder, Máté Molnár am Bass und Gábor Kovács an der Gitarre, nicht perfekt aufeinander abgestimmt scheinen und reichlich zappelig sind. Pluspunkte für den ordentlichen Einstieg in den Abend gibt es für die großartige Idee, jedem Bandmitglied ein Oberteil mit einem eigenen Wappen auf den Leib zu schneidern, selbst wenn die Diskrepanz zwischen den praktischeren Shirts der Instrumentalisten und dem Liverollenspiel-tauglichen Wappenrock des Sängers ein bisschen arg ist.

Als schwerste Prüfung entpuppen sich, nicht ganz unerwartet, die mehr oder weniger kontroversen BATTLE BEAST, auch weil der Sound auf die ganze Halle gesehen wahnsinnig unausgeglichen ist. Während in den hinteren Reihen zunächst die Discobeats der Keytar (!) und später der peitschende Bass das Klangbild dominieren, hört man von Kollegen im Fotograben Zweifel, ob angesichts des Gitarrengewitters die Keytar überhaupt eingestöpselt war. Eine eindeutigere Meinung darf man dagegen zu Teilen der Inszenierung der Band und speziell dem Auftritt von Drummer Pyry haben: Eins, Zwei, Drei – Oberkörper frei plus Cowboyhut ist bei den Chippendales angebracht, nicht aber auf einem Metalkonzert. Immerhin tritt Neu-Sängerin Noora jeglichem Gerede, sie könnte aus außermusikalischen Gründen angeheuert worden sein, mit ihrer Donnerstimme irgendwo zwischen ACCEPT, Bonnie Tyler und tollwütigem Banshee kräftig in den Hintern, das vermutlich sexy gemeinte Anschmiegen an die Kollegen und die an alternde Popstars wie Nena erinnernde Gehampel sind dagegen verbesserungsfähig. Offen bleiben die Fragen, warum die ganze Musik von BATTLE BEAST dermaßen auf Mitmachrhythmen ausgelegt ist und warum das Kölner Publikum bei dem sich ständig wiederholenden „Hands up!“ vor jedem einzelnen Lied in bester Jubelpersermanier mitzieht. Next!

Nach dem erfolglosen Versuch, MAJESTY zu begraben und als METALFORCE wieder auferstehen zu lassen, hat Bandleader Tarek bereits vor zwei Jahren die Rolle rückwärts vollzogen und sich in diesem Jahr zwei weitere junge Mitstreiter gesucht. Damit könnte er um ein Haar als weiser alter Spiritus Rector seiner Mannen durchgehen, wäre ihm der Schelmengeist nicht fast so deutlich wie dem Süddeutschen Meister im Grimassenschneiden, Drummer Jan, ins Gesicht geschrieben. Musikalisch wird heute dem wohl nie mehr abzulegenden MANOWAR-Beigeschmack die Meinung gegeigt, denn MAJESTY singen zwar ausgiebig über Metal, Metal und Metal, haben aber wesentlich mehr Pfeffer im Hintern als die Maiobande seit mindestens 15 Jahren und wirken dabei nicht halb so aufgesetzt. Natürlich siegt der Pathos in lautstark vom Publikum mitgeschmetterten Hymnen wie „Hail Majesty“, „Thunder Rider“ oder dem doch ein klein wenig den Bogen überspannenden „Heavy Metal Battlecry“ über jegliche Intellektualität, aber man muss sich auf einem Metalkonzert ja auch nicht in hochphilosophische, weltenschwere Diskurse stürzen. Ansprechende Vorstellung.

Nachdem das Vorprogramm absolviert ist, müssten die Chartstürmer POWERWOLF nur noch die reifen Trauben pflücken, ohne sich großartig anzustrengen, aber so sind die Saarländer nicht gestrickt. Keyboarder Falk hat deshalb, zusätzlich zu seinem gewohnt engagierten und großen Anfeuerungspensum sowie dem von ihm und Drummer Roel exerzierten Mitsingen fast aller Lieder, ein POWERWOLF-Schwenkbanner dabei, das bei entsprechender Verbreitung über den Versandhandel demnächst zur Gründung der ersten Band-Ultragruppe führen könnte, wenn Ultras ihre Fahnen nicht selbst gestalten würden. Übereifrig und einstudiert wirken im Vergleich die Positionswechsel der beiden Greywolfs, die pausenlos und unabhängig von der Liedstimmung hin und her hetzen, so dass ihre jeweiligen Bodenventilatoren viel Luft ins Leere pusten, da gerade niemand vor Ort ist, um die Haare in den Sturm zu hängen. Währenddessen ist Attila, dessen Akzent sich mittlerweile auf das bekannte „Vielen Dankeschön!“ beschränkt, zwischen den Liedern noch (!) redseliger geworden, weiß mit diversen absurd-komischen Geschichtchen voller Blut und Unflätigkeiten über die zu „Resurrection By Erection“ hinführende Morgenlatte und den Gänsehaut am Sack-Schrumpelapfel aber auch gut zu unterhalten. Zum Verstummen bringt ihn nur eine Zuschauerin, die seine blutdürstende Einleitung zu (natürlich) „We Drink Your Blood“ mit „Ich hab meine Tage!“ kommentiert…
Nach dem Blitzstart mit unter anderem „Prayer In The Dark“ und dem prima funktionierenden „Amen & Attack“ bleibt das Stimmungsniveau konstant hoch, bis zur eingebauten Quasipause mit dem (heute mit der „Painkiller“-Einleitung endenden) Drumsolo und „Kreuzfeuer“, das live eine ziemlich trübe Tasse ist. Beeindruckend ist aber die Souveränität, mit der POWERWOLF anschließend mit „Werewolves Of Armenia“ sofort wieder jeden inklusive der Rumsteher im Hinterfeld wiederbeleben, optisch garniert vom Fallen des „Preachers Of The Night“ Backdrops, was das darunter liegende „Blood Of The Saints“ enthüllt. Während man sich noch an der herausragend guten Lichtshow erfreut, die erfreulicherweise größtenteils auf mutwillige Augenschädigung durch Strobo-Dauerfeuer verzichtet, erreichen wir auch schon die (eingeplanten) Zugaben, von denen „Raise Your Fist, Evangelist“ mit Abstand am hellsten strahlt. Die einzigen zwei Fragen, die vorerst unbeantwortet bleiben, lauten: Werden POWERWOLF jemals die zu verwurstenden lateinischen Gebete ausgehen und wie viele durchschnittliche katholische Messen muss man eigentlich besuchen, um ähnlich viele „Ave Maria“, „Halleluja“ und „Amen“ wie in 100 Minuten POWERWOLF zu hören?
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